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"Würden sie mit einer sechsfachen Mörderin zusammenarbeiten?", hatte mich Betty van Steen gefragt.
"Sind Sie die Mörderin?" Eine Gegenfrage war meine Antwort gewesen, und die attraktive Blondine hatte das bejaht. Um das Leben eines Kindes zu retten, war ihr vor einiger Zeit keine andere Wahl geblieben, als sechs Mitglieder einer grausamen Sekte zu töten.
Nun aber wollte die Totengöttin Rache nehmen für den Tod ihrer Diener. Zwar kehrten die Toten nicht selbst zurück, dafür aber ihre Geister. Bettys wahnwitziger Horrortrip sollte beginnen ...
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Seitenzahl: 193
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Bettys Horrortrip
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Bettys Horrortrip
von Jason Dark
»Würden sie mit einer sechsfachen Mörderin zusammenarbeiten?«, hatte mich Betty van Steen gefragt.
»Sind Sie die Mörderin?« Eine Gegenfrage war meine Antwort gewesen, und die attraktive Blondine hatte das bejaht. Um das Leben eines Kindes zu retten, war ihr vor einiger Zeit keine andere Wahl geblieben, als sechs Mitglieder einer grausamen Sekte zu töten.
Nun aber wollte die Totengöttin Rache nehmen für den Tod ihrer Diener. Zwar kehrten die Toten nicht selbst zurück, dafür aber ihre Geister. Bettys wahnwitziger Horrortrip sollte beginnen ...
Die Toten kommen! Die Toten kommen!
Trommelartig hämmerten die Gedanken in das Bewusstsein der schlafenden Frau, die sich, zappelnd mit Armen und Beinen, auf dem Bett bewegte. Die Decke hatte sie längst weggetreten, sodass sie jetzt nackt dalag. Schweißgebadet und völlig aufgelöst.
Die Toten kommen – die Toten!
Immer wieder verfolgte sie der Ruf in ihren Träumen, aber er machte Betty nicht wach. Er ließ sie weiterhin träumen und peinigte sie mit brutaler Stärke.
Sie stöhnte, wälzte sich herum. Wild und verzweifelt.
Den Mund hatte sie weit aufgerissen, während die Augen geschlossen waren, die Lider aber zuckten.
Mondlicht schien durch das Fenster, der Himmel war sternenklar. Die Temperaturen waren in den vergangenen Stunden gestiegen, sodass in dieser Novembernacht beinahe schon frühlingshafte Werte erreicht wurden, worauf viele Menschen mit Kreislaufbeschwerden reagierten.
Sie kommen! Die Toten – sie kommen! Sie holen dich!
Schreckliche Gedanken folterten die nackte Frau weiter. Ihre Hände schlossen sich zu Fäusten, öffneten sich wieder, und tatsächlich schienen durch das dunkle Grau des Zimmers Schatten zu wandern, die sich dem Bett der Schlafenden näherten.
Betty stöhnte, keuchte, doch der Alptraum wurde noch schlimmer! Sie musste diese Qualen einfach loswerden.
Ein tiefes, schreckliches Geräusch drang aus ihrem Mund. Sie spürte etwas Unheimliches, das über sie hinwegstrich. Im Traum hatte sie den Eindruck, von eisigen Fingern berührt und sogar gekratzt zu werden.
Ruckartig zog Betty die Beine an, und wenig später streckte sie sie wieder kraftvoll aus. Starr blieb sie nun liegen und entspannte sich.
Der Atem beruhigte sich. Der Traum verflachte. Die bösen Schatten verschwanden, keine Totengeister quälten sie mehr. Die Frau schlief ruhiger, viel ruhiger, als wäre sie von den traumatischen Erinnerungen befreit worden.
Der Horrortrip näherte sich dem Ende. Auch die Verkrampfung in ihren Händen löste sich. Die Finger streckten sich, dann blieben die Hände flach neben den Schenkeln liegen, während Bettys Kopf etwas nach rechts sank und sie die Augen geschlossen hielt.
Es war okay so. Es war gut. Es gab keine Träume mehr. Ich kann jetzt schlafen, es ist vorbei. Die Totengeister haben mich nicht bekommen. Ich bin ihnen entwischt!
Diese Gedanken rasten durch ihren Kopf, und plötzlich schlug Betty van Steen die Augen auf. Das kam übergangslos, und sie wusste selbst nicht, was da geschehen war.
Für eine Weile war sie verwirrt, bis sie sich selbst eingestand, dass sie in den vergangenen Sekunden gar nicht geträumt, sondern in Gedanken mit sich selbst gesprochen hatte.
Komisch.
Sie blieb auf dem Rücken liegen. Im Zimmer war es zu warm. Die Heizung lief auch in der Nacht. Mit offenen Augen lag Betty da, schaute an die Decke und spürte das schweißgetränkte Laken.
Betty hörte sich stöhnen und legte die Handflächen auf die Wangen.
Heiß fühlten sie sich an.
Eine Weile blieb Betty in dieser Haltung liegen, aber die Hitze verschwand nicht. Hinter ihrer Haut spürte sie das heftige Zucken, und wenn sie Luft holte, hatte sie den Eindruck, als wären ihre Lungen viel zu klein und ihr Brustkorb würde platzen.
Der Hals war rau. Stecknadeln schienen in ihm zu stecken. Die Zunge schien dicker geworden zu sein, und ihre Nase war verklebt.
Ruhig – du musst ruhig bleiben! Es ist nichts passiert. Es war nur einer deiner verdammten Alpträume, der dich auf diesen Horrortrip mitgenommen hat. Du musst dich jetzt zusammenreißen, du darfst dich nicht gehenlassen, auf keinen Fall.
Ihre Gedanken waren wie eine befehlende Stimme. Sie halfen ihr tatsächlich, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Wie sah diese Wirklichkeit aus? So wie immer, denn verändert hatte sich beileibe nichts. Sie befand sich in ihrem Zimmer, sie lag in ihrem Bett. Sie konnte durch das Fenster schauen, wenn sie den Kopf nach links drehte. Wandte sie ihn zur anderen Seite, dann sah sie den hellen Umriss des Schlafzimmerschranks, und dem Fußende des Bettes gegenüber hing der Spiegel, vor dem ein Hocker stand.
Wie immer und doch anders.
Es war eben dieser verdammte Traum gewesen, der Betty so fertiggemacht hatte.
Sie erinnerte sich daran, dass sie von den Toten oder den Totengeistern bedrängt worden war.
Unheimliche Gestalten, die aus irgendwelchen fernen Welten oder Dimensionen hervorgekrochen waren, um sie zu bedrohen und zu umschlingen.
Totengeister – Tote?
Sie lachte nicht darüber, obwohl die meisten Menschen sie als harte oder abgebrühte Person sahen, die so leicht nichts umwerfen konnte. Das stimmte aber nur bedingt, dieser Horror war für Betty jedenfalls kaum nachvollziehbar.
Ein Alptraum hin und wieder, das ließ sich verkraften. Aber nicht so viele, denn es war nicht der erste Traum, den sie auf diese Art und Weise durchlitt.
Ein Horrortrip frei Haus! Grauen in der Nacht! Schrecken in den dunklen Stunden, da kam alles zusammen, und als sie daran dachte, rann ihr eine Gänsehaut über den Körper.
Betty saß nackt im Bett und hielt ihren Körper fest umschlungen. Sie fror jetzt, obwohl das Fenster geschlossen war und die Heizung lief.
Das war keine normale Kälte. Nach diesem Alptraum vermutete sie, dass es die Kälte des Todes war, was natürlich nicht stimmte. Wer aber ein derartiges Erlebnis hinter sich hatte, der dachte einfach nicht anders.
Gedankenverloren schaute sie auf den hellen Parkettboden ihres Schlafzimmers. Dabei dachte sie an ihre Wohnung, die schon zu den besseren gehörte, mit Parkettfußboden in jedem Zimmer, abgesehen vom Bad. Betty zahlte aber auch viel Miete, doch das konnte sie sich leisten. Sie arbeitete bei einer Organisation, die ziemlich geheim war, aber letztendlich unter der Kontrolle des Staates stand. Jedenfalls bekam sie jeden Monat ihr Gehalt überwiesen, und auch die Spesen wurden ihr erstattet. Großzügig.
Doch die Zerstörung ihrer Psyche war mit Geld nicht zu bezahlen. Diese verdammten Alpträume, die Angst vor den Toten, das hatte eine Ursache, dafür gab es einen Grund. Es waren noch Einbildungen, aber die Träume hatten sie irgendwie kaputtgemacht. Sie konnte sich jetzt vorstellen, dass die Toten tatsächlich zurückkehrten und aus dem Alptraum eine schreckliche, unfassbare Wahrheit werden würde.
Nur das nicht! Das wäre fatal!
Sie wollte gerade aufstehen, als sie mitten in der Bewegung erstarrte, denn ihr war etwas aufgefallen.
Ihre Haut spannte sich. Eine Erklärung hatte Betty dafür nicht. Der Traum war doch vorbei!
Und doch blieb die Spannung bestehen.
Betty schüttelte den Kopf. Sie hatte vorgehabt, ein Nachthemd überzustreifen. Das aber ließ sie jetzt bleiben, als sie aus dem Bett stieg und in ihre flachen, flauschigen Schuhe schlüpfte, um nicht barfuß über das Parkett zu laufen.
Das Licht brauchte sie nicht einzuschalten, denn der Vollmond glotzte in ihr Zimmer, sodass sie sich prima darin zurechtfinden konnte.
Die Tür hatte sie nicht geschlossen. Die stand immer halb offen, schon wegen ihrer Katze Kitty, die sich oft zu ihr aufs Bett legte.
Kitty war ihre Freundin. Niemand freute sich so sehr, wie dieses schwarzweiße Geschöpf auf vier Beinen, wenn Betty nach einem Einsatz wieder zurückkehrte. Wenn Betty unterwegs war, wurde Kitty von den Nachbarn versorgt, aber komischerweise kehrte sie immer wieder gern zu ihrer Herrin zurück. Die Katze schien Bettys Einsamkeit zu spüren.
Die Tür stand zwar offen, aber Kitty war nicht da.
Es wunderte Betty nicht, denn in den langen Alptraumnächten hatte die Katze nie bei ihr geschlafen. Entweder hatte sie Bettys Unruhe gestört, oder hatte sie etwa befürchtet, dass die Alpträume auch auf sie übergingen?
Tiere waren manchmal komisch, aber auch feinfühliger als Menschen, vorsichtiger, zudem mit einem sicheren Instinkt ausgestattet, der sie Gefahren wittern ließ.
Kitty kam auch nicht, als Betty van Steen die Tür des Schlafzimmers ganz aufzog und ihr Blick den Flur durchstreifte. Von Kitty war nichts zu sehen.
Dunkelheit lastete zwischen den Wänden. Die kleine Kommode an der Garderobe wirkte wie ein hoher Schatten. Die Vase mit den wenigen Blumen darin sah in der Düsternis ungewöhnlich verformt aus, als hätte irgendein Wesen seine Arme nach oben gereckt.
Betty schaute zu Boden, dabei wanderte ihr Blick durch den Flur. Was ihr beim ersten Hinsehen bereits wie nebenbei aufgefallen war, trat jetzt deutlicher hervor.
Neben der Kommode, praktisch zwischen ihr und der ihr gegenüberliegenden Wand lag etwas Dunkles auf dem Parkett, als hätte jemand ein Kleidungsstück achtlos zusammengerollt und es dann wegzuräumen vergessen. Das aber war nicht der Fall gewesen, denn daran hätte sich die dreißigjährige Frau erinnert.
Sie bekam plötzlich Furcht, aber nicht so schlimm wie in ihrem Alptraum. Trotzdem wuchs es zu einer regelrechten Beklemmung. Der schwarze Gegenstand verschwamm vor ihren Augen, je länger sie hinschaute. Ein ungewöhnlicher Geruch drang ihr dabei in die Nase, den sie sich nicht erklären konnte.
Sie traute sich erst nach einer Weile, die Hand zu bewegen und nach dem Lichtschalter zu suchen. Normalerweise fand sie ihn mit dem ersten Griff, auch im Dunkeln, jetzt aber verfehlte sie ihn beim ersten Versuch. Weil sie zitterte? Endlich erhellte sich der Flur.
Betty entdeckte nun den schwarzen Fleck im Licht der Deckenleuchte.
Sie schrie nicht, sie stand nur da, aber sie war bleich geworden.
Mitten im Flur lag Kitty, ihre Katze, als blutiger Klumpen!
Die Toten kommen! Die Alpträume! Die tote Katze! Plötzlich drehte sich ein Kreislauf in ihrem Kopf, mit dem sie nicht mehr zurechtkam. Es war einiges anders geworden, ihr Leben hatte plötzlich einen Riss bekommen, und Betty merkte, wie ihre Knie anfingen zu zittern und sie Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
Sie ließ einige Sekunden verstreichen, bis sie sich auf den Weg zu ihrer Katze machte. Ihr Kopf war leer und blieb auch so, als sie vor dem Tier stehenblieb.
Sie sah die Katze, und sie sah sie trotzdem nicht. Kittys Kopf war zertreten worden, sie war nur noch ein blutverschmiertes Knäuel.
Wer?!, schrie es in ihr. Wer hat das getan? Jemand musste in ihrer Wohnung gewesen sein, während sie den Alptraum erlebte, denn eine andere Möglichkeit gab es für sie nicht.
Betty van Steen musste sich überwinden, um den ersten Schritt gehen zu können, doch sie konnte ihr ohnehin nicht mehr helfen. Betty wollte sehen, was mit ihr selbst geschehen war. Auf dem Weg ins Bad spürte sie bereits die aufsteigende Übelkeit.
Im Bad befand sich die Tür zum Abstellraum, wo Besen, Eimer, Wischlappen und Putzzeug friedlich zusammenstanden. Wenn sie daran dachte, die Reste der Katze in den Eimer packen zu müssen, um sie dann zu vergraben oder zum Abdecker zu bringen, wurde ihr noch übler.
Betty schämte sich plötzlich ihrer Nacktheit. In Verbindung mit dem toten Tier kam sie ihr mehr als unpassend vor. Zwar hatte sie der Katze den Rücken zugedreht, das Bild wollte ihr trotzdem nicht aus dem Sinn, es blieb auch, als sie die Badtür öffnete, und es wurde erst schwächer, als das Licht brannte. Nicht das an der Decke. Zwei helle Lampen rahmten den breiten Spiegel ein. Betty drehte sich sofort nach links, um nachzuschauen, ob dort ihre Mäntel hingen. Sie waren noch vorhanden. Zum einen der Bademantel, zum anderen der Hausmantel.
Die beigefarbenen Fliesen waren an einigen Stellen von weißen Matten verdeckt, dick und flauschig. Vor der Wanne ebenso wie vor dem Eingang zur Duschkabine, natürlich auch vor dem breiten Waschbecken.
Dort stellte sich die Frau hin.
Der Spiegel war weit nach unten gezogen. So konnte sich Betty vom Kopf bis hinab zu den Knien betrachten. Für einen Moment dachte sie über den Grund ihres Kommens nach, bis ihr einfiel, dass sich ihre Haut an einigen Stellen, zumindest im Dunkeln, so anders angefühlt hatte. Sie wollte sich ihren Körper anschauen, und schon beim ersten Blick in den Spiegel stockte ihr der Atem.
Ihr Körper sah nicht mehr so aus wie noch vor einem Tag. Zwar konnte sie auf ihre Figur durchaus stolz sein, die Kerle leckten sich auch die Finger nach ihr ab, es war etwas ganz anderes, was ihr auffiel.
Die Streifen auf der Haut.
Richtige Streifen, die sich deutlich abhoben von der normalen, etwas winterlich blassen Farbe.
Streifen rot wie Blut.
Unter dem rechten Auge fing einer von ihnen an und zog sich über ihren Hals und den Busen, um erst nahe der Hüfte aufzuhören. Sie konnte es nicht fassen, denn es war nicht der einzige Streifen, den sie zu sehen bekam. Es waren mehrere, und sie verteilten sich überall.
Sie erschrak zutiefst. Eine andere Tatsache verwirrte sie ebenfalls. Die Streifen hatte sie erst in den vergangenen Stunden bekommen, am Abend waren sie noch nicht vorhanden gewesen. Betty glaubte nicht daran, dass sie sich diese Zeichen selbst beigebracht hatte, obwohl sie sich nicht sicher sein konnte und zunächst mal auf ihre dunkelroten Fingernägel schaute und nachsah, ob sich dort nicht ein paar Hautfetzen abzeichneten.
Nichts zu finden.
Sie starrte sich an und schaffte es nicht, sich zu bewegen. Durch ihren Kopf huschten die Gedanken wie Irrläufer. Betty brachte sie einfach nicht in die Reihe. Sie kam mit sich und ihren Verletzungen nicht zurecht. Da war etwas völlig irreal angelaufen, ebenso wie die Ermordung ihrer Katze.
Die Alpträume kamen ihr in den Sinn. Die Toten schoben sich vor, als wollten sie die Spiegelfläche einnehmen. Als furchtbare Gestalten, düster und unheimlich waren sie aus irgendwelchen bodenlosen Tiefen in die Höhe gestiegen, alptraumhafte Wesen, Geister, wie auch immer. Betty hatte sie im Traum erlebt, sie manchmal sogar gespürt, wenn etwas über ihre Haut gestreift war.
Ja, gestreift – und Spuren hinterlassend. Totengeister, die sich auf ihrer Haut verewigt hatten. Sie blutete noch nicht, sie sah nur eben diese Streifen, als wären sie mit einem Stift nachgezogen worden.
Betty van Steen begann zu zittern. Als der Schock ein wenig abgeflaut war, wurde ihr klar, was da überhaupt mit ihr passiert war. Da hatten sich tatsächlich die Geister der Toten aus ihren Welten gelöst und waren zu ihr gekommen, um sie zu berühren, ihre Haut zu malträtieren und sich zu rächen.
Der Gedanke daran ließ tatsächlich die Übelkeit in ihr hochsteigen, und sie beugte sich würgend über das Waschbecken.
Ihr Körper zitterte, sie war noch blasser geworden, die Augen traten aus den Höhlen, als sie würgte, aber nur Schleim spuckte.
Dann hustete sie in das Waschbecken hinein, bis es ihr besser ging und sie den Kopf hob, wobei sie den Rücken durchdrückte, den Mund weit öffnete und Atem holte.
Sie tappte zur Seite und zog den Bademantel über, weil sie sich selbst nicht mehr sehen wollte. Plötzlich hasste sie ihren Körper, der aussah, als wäre sie gefoltert worden.
Betty ging noch einmal zurück und ließ das Wasser laufen. Sie spülte sich den Mund aus, schluckte auch einiges davon, dann gurgelte sie und spie das Wasser aus.
Okay, dachte sie, ich bin hart. Ich bin ausgebildet worden, ich habe einen Job, den nur wenige Frauen kriegen. Ich habe dafür bezahlen müssen. Es sind Narben zurückgeblieben, auf der Seele zuerst, jetzt auch auf meinem Körper. Woher die seelischen Narben stammten, wusste sie genau, bei den körperlichen schwebte sie im Unklaren, und gerade die Unklarheit ließ die Furcht vor ihr hochkommen.
Sie hatte es in der Ausbildung gelernt, mit ihrer Angst umzugehen. Sie wusste, wie man sich verhielt, wenn man gefoltert werden sollte. Das alles hatte man ihr eingeschärft, sie hatte auch Kurse belegt, sie hatte immer aufgepasst, und sie war damit bisher recht gut gefahren.
Nun aber war sie von einer anderen Seite attackiert worden. Aus dem Unsichtbaren, dem Jenseits, wie auch immer, und das war eben für sie so schrecklich.
Nicht nur die roten Streifen auf ihrer Haut, die sah Betty van Steen als eine Folge an.
Doch worauf?
Das wiederum war für sie ein Rätsel und musste einfach mit dem Traum in einem Zusammenhang stehen, wobei sie plötzlich wieder über sich selbst lachen wollte.
Träume sind Schäume. Sie sind keine Realität. Sie sind höchstens eine ›Aufarbeitung‹ des Unterbewusstseins. Intensiv hatte sie sich damit nicht beschäftigt. Trotz ihrer Bedrückung dachte Betty darüber nach, wie es überhaupt möglich gewesen sein konnte, dass ihr so etwas widerfahren war.
Jemand musste in ihrer Wohnung gewesen sein, während sie geschlafen hatte. Es gab keine andere Möglichkeit. Er war zu ihr ans Bett getreten und hatte sie mit irgendwelchen Waffen behandelt.
»Und ich habe nichts bemerkt!«, flüsterte sie. »Verdammt noch mal, ich habe nichts bemerkt! Ich war einfach in meinen verfluchten Alpträumen gefangen.«
Sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte. Es gab keine andere Möglichkeit. Traumwesen waren Gebilde, die sie sich selbst durch nicht verarbeitete Erlebnisse schuf, die dann den absoluten Kick durch die Hilfe des Unterbewusstseins bekamen.
Die konnten es nicht getan haben. Bilder mordeten nicht. Nicht die Gegenstände oder Wesen, die sich auf den Bildern abmalten. Das kam auf keinen Fall in Frage.
Einen Eimer, einen Lappen und eine Schaufel hatte sie aus dem schmalen Einbauschrank geholt. Den Lappen feuchtete sie an und hängte ihn über den Eimerrand. Mit diesen Gegenständen ging sie wieder zurück in den Flur.
Vor ihr lag eine Aufgabe, die sie wirklich nicht gern tat, doch es blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste es einfach tun und die Reste verschwinden lassen.
Betty hielt den Atem an, als sie näher an die Reste herantrat. Sie reagierte wie jemand, der etwas Liebes verloren hatte.
Sie stellte den Eimer ab, bückte sich und schob die Schaufel unter die Katzenreste. Dabei schüttelte sie sich. Wer konnte nur so ein unschuldiges Tier töten? Tränen liefen ihr über die Wangen und über die roten Streifen, die sich auf der Haut abzeichneten.
Betty van Steen lenkte sich ab. Sie nahm sich vor, die Streifen am nächsten Tag zu überschminken. Das musste klappen, denn besonders breit oder tief waren sie nicht.
Die Reste der Katze verschwanden im Eimer.
Danach wischte sie den Boden so gut wie möglich sauber, wobei noch einige rote Flecke auf dem Parkett zurückblieben.
Dann ging sie ins Bad, ließ Wasser laufen und hielt den Wischlappen darunter, damit das Blut ausgespült wurde. Es war okay, es war alles okay. Sie hatte ihre Pflicht getan, und sie würde sie auch weiterhin tun.
Den Eimer mit seinem schaurigen Inhalt stellte sie ins Bad neben die Tür. Sie deckte ihn allerdings mit dem feuchten Lappen ab. Entsorgen würde sie das arme Tier morgen. Dann würde sie auch versuchen, herauszufinden, wer oder was hinter dem Anschlag steckte.
Wenn sie einen Weg zur Lösung finden wollte, dann konnte sie das nur durch intensives Überlegen und nicht durch einen Anfall von Panik.
Ob sie in den folgenden Stunden noch Schlaf finden konnte, wusste sie nicht. Wahrscheinlich war es ihr nicht möglich. Deshalb ging sie in den Wohnraum, machte dort Licht und war zufrieden, als sie auf die Rollos schaute, die vor den beiden Fenstern hingen. Sie waren nicht zerstört worden. Auf diesem Weg war der Einbrecher also nicht in ihre Wohnung gelangt.
Ebenso verhielt es sich mit dem Türschloss, das sie untersuchte. Es war unversehrt.
Der Innenriegel war weder verschoben noch zeigte er, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte.
Es war ihr ein Rätsel, wie jemand ihre Wohnung hatte betreten können. Mit diesem Gedanken ging sie in den Wohnraum und holte aus dem gläsernen Barschrank eine Flasche Cognac und ein Glas. Auch die Dose mit den Zigaretten stellte sie auf den Tisch.
Betty van Steen rauchte viel, doch in dieser extremen Situation brauchte sie zusätzlich noch einen Schluck zur Beruhigung. Sie wollte spüren, dass sie noch lebte und dabei auch selbst entscheiden konnte, was sie tat oder was sie ließ. Da gehörten der Schluck und der Genuss einer Zigarette eben dazu.
Sie hatte ihr Glas gut gefüllt, zündete die Zigarette an, rauchte und trank. Dabei glitt ihr Blick durch das Zimmer, ohne dass sie die Einrichtung wahrnahm. Ihre eigenen Gedanken waren zu bestimmend. Sie war in etwas eingetaucht, mit dem sie nicht zurechtkam. Mit dem reinen Verstand kam sie damit nicht zurecht. Zum ersten Mal seit langer Zeit war Betty van Steen ratlos.
Etwas in ihrer Umgebung stimmte nicht mehr. Man hatte sie aufs Korn genommen, und sie wusste nicht, von welcher Seite dieser Angriff erfolgt war. Der Tod der Katze ließ auf einen Einbrecher schließen, der sich durch sie gestört gefühlt hatte. Dann aber hätte Betty Spuren finden müssen, das aber war nicht der Fall gewesen. Keine Hinweise, alles war wie immer, und trotzdem hatte jemand ihre Wohnung betreten, um zu töten.
Sie konnte es drehen und wenden, es gab für sie einfach keine Lösung, zumindest keine simple. Da würde sie sich schon mit komplizierteren Dingen auseinandersetzen müssen.
Mit ihrem Traum, zum Beispiel.
Betty zuckte zusammen, als sich von der Zigarette Asche löste und zu Boden fiel. Sie ließ das Zeug liegen, rauchte noch einen Zug und dachte an den Alptraum.
Was hatte sie da gesehen? Wie gut würde sie sich an ihn noch erinnern können?
Es gab ihn. Er war da, er war schrecklich. Er war einfach eine Hölle gewesen, in der sich auch jemand bewegt hatte. Gestalten – unheimliche Wesen –, wie finstere Geister, die aus dem Schlammbad der Hölle gestiegen waren.
Als sie an diesen Vergleich dachte, kriegte sie eine Gänsehaut, die ungewöhnlich lange auf ihrem Rücken verharrte. Es war auch das Einzige, was sie spürte, denn von ihren blassroten, dünnen Streifen gingen keine Schmerzen aus, nicht mal ein leichtes Brennen.
Es blieb, wie es war, und sie dachte daran, dass diese Streifen möglicherweise so etwas wie Führungslinien für spätere Aktionen waren. Der Gedanke daran drückte ihr von innen die Kehle zu. Rasch nahm sie das Glas und trank es leer.
So gut der Cognac auch sein mochte, es war Alkohol, und sie spürte bereits die Wirkung. Sie hatte das Gefühl, als würde sich der Sessel unter ihr auflösen und sie einfach wegschwemmen.
»Es hat keinen Sinn!«, flüsterte sie. »Verdammt noch mal, es hat keinen Sinn, wenn ich hier sitze und mich selbst verrückt mache.« Sie überlegte, ob sie sich anziehen und durch die Innenstadt laufen sollte. Das würde auch nichts bringen, höchstens, wenn sie Pech noch mehr haben würde, einen Überfall durch einen Drogenabhängigen. Von denen hingen noch viele in der Stadt herum. Okay, Betty konnte sich wehren, sie hatte es gelernt, aber sie wollte an diesem Tag keinen Streit.
Sie entschied sich dafür, in der Wohnung zu bleiben. Sie stand auf und merkte, dass sie leicht schwankte. Alkohol auf nüchternen Magen war doch nicht das Richtige gewesen, aber er hatte dafür gesorgt, dass sich ihre Gedanken in eine andere Richtung bewegten. Sie konnte sich jetzt wieder ins Bett legen und noch etwas schlafen.
Im Schlafzimmer ließ sie das Licht der Nachttischleuchte brennen. Auch den Bademantel behielt sie an. Er kam ihr vor wie ein Schutz. Die Hände legte sie unter den Kopf. Der Blick war zur Decke gerichtet, und wieder kam ihr in den Sinn, welches Grauen sie durchlitten hatte. Aber die Bilder waren nicht so scharf und real, sie verschwammen bereits. Betty van Steen wurde müde und schlief bald darauf ein.
Diesmal träumte sie nicht.
Das Café lag in der Innenstadt. Es gehörte noch zu den alten Treffpunkten und hatte ein unwiderstehliches Flair. Wände und Decken waren mit Holz verkleidet.