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Auf einer menschenleeren Insel entwischte Arlene Shannon, die Terroristin, ihren Verfolgern. Dabei aber geriet sie in die Unterwelt der Insel, wo seit Jahrtausenden ein Gemälde im Fels verborgen war.
Zehn Jahre später entdeckten Wissenschaftler dieses Bild. Zu sehen war darauf auch eine Frau, die zu dem ansonsten frühgeschichtlichen Motiv einfach nicht passen wollte. Diese Frau war Arlene Shannon.
Suko und ich sollten dieses Rätsel lösen. Sehr bald mussten wir erleben, dass die Terroristin unser bei Weitem kleinstes Problem war, zeigte sich jetzt doch, dass diese Wandmalerei weit mehr war als nur ein Bild. Es war der Zugang zu Avalon und zum Reich der Riesen ...
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Seitenzahl: 192
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Das Höllenbild
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Das Höllenbild
von Jason Dark
Auf einer menschenleeren Insel entwischte Arlene Shannon, die Terroristin, ihren Jägern. Sie geriet in die Unterwelt der Insel, wo seit Jahrtausenden ein Gemälde im Fels der Höhle verborgen war.
Zehn Jahre später entdeckten Wissenschaftler das Bild. Mit einer Frau darin, die zu dem frühgeschichtlichen Motiv einfach nicht passen wollte. Aber sie wurde als gesuchte Terroristin erkannt.
Suko und ich sollten das Rätsel lösen. Sehr bald mussten wir erleben, dass Shannon das kleinere Problem war, denn das Gemälde war mehr als ein Bild. Es war der Zugang zum Reich der Riesen und zu Avalon ...
Wenn ich mal krepieren sollte, nehme ich so viele Feinde wie möglich mit in die Hölle! So lautete die Devise der Terroristin Arlene Shannon, denn Gewissensbisse beim Töten waren ihr fremd.
Schon mit zwanzig hatte sie angefangen, jetzt aber, zehn Jahre später, war sie ziemlich down. All ihre Freunde waren von den Kommandos entweder getötet oder gefangengenommen worden. Sie, Arlene, hatte als einzige entwischen können – bisher. Aber sie wusste nicht, ob sie die Sonne noch einmal würde aufgehen sehen, denn die Verfolger waren ihr dicht auf den Fersen. Im letzten Augenblick war sie entkommen und in dem kleinen Boot aufs nebelverhangene Meer geflüchtet.
Sie hatte gehofft, darin verschwinden zu können, doch der fast leere Tank machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie konnte nicht mehr weit fahren, sie musste genau auf den Schatten zulaufen, der vor ihr aus dem Nebel wuchs.
Arlene wusste, dass es eine dieser zahlreichen Inseln war, die wie Flecken vor der Küste lagen. Steine, Büsche, Bodenpflanzen. Ein menschenfeindliches Eiland, nicht für Einsiedler interessant.
Die rothaarige Frau mit der wilden Mähne steuerte das Boot auf die Insel zu. Es blieb ihr ja nichts anderes übrig.
Sie hielt das Steuer mit beiden Händen fest, die MP hing über ihrer Schulter. Mit einem Schnellfeuergewehr und einer Pistole war sie auch noch bewaffnet.
Sie fluchte leise vor sich hin, denn sie hätte gern gesehen, dass sich der Nebel zumindest nahe der Insel gelichtet hätte, dann wäre die Suche nach einem Anlegeplatz leichter gewesen. So jedoch war das Anlegen Glückssache.
Sie kämpfte sich vor, musste auf die Wellen achten, die jetzt unberechenbar waren und auch mal quer gegen ihr Boot anliefen, sodass sie es regelrecht durchschüttelten.
Natürlich war die Insel eine Falle, das wusste die Rothaarige, aber sie konnte nicht zurück. Sie würde auf dem Eiland gestellt und vielleicht getötet werden. Arlene kannte sich aus. Die Jäger würden wohl ebenso wenig Erbarmen kennen, wie sie es mit ihren Feinden gehabt hatte. Wie oft sie schön getötet hatte, meine Güte, sie hatte nicht mitgezählt. Doch heute ging es um ihr Leben, und das versuchte sie zu retten.
Inzwischen war Arlene schon ziemlich nahe an die Insel herangekommen, um das Boot herum schäumte das Wasser.
Die Frau konnte auf der Insel jetzt einige Felsen erkennen. Davor befand sich tatsächlich ein schmaler Sandstrand.
Glück gehabt, verdammtes Glück. Aber nur eine knappe Galgenfrist bis zum Tod. Sie würde sich aber nicht einfangen lassen, um vor Gericht gestellt zu werden. Eher dachte sie daran, sich selbst die Kugel zu geben, sollte sie keinen Ausweg mehr sehen.
Eine größere Welle erwischte ihr Boot, das nach vorn geschleudert wurde. Das Meer spielte mit dem Boot, schob es zur Seite, und Arlene hörte ein hässliches Geräusch, als Metall über Stein schrammte. Jetzt ist es aus, dachte sie, jetzt hat das Boot ein Leck.
Sie verfiel dennoch nicht in Panik. Ihre eisernen Nerven hatten sich in zahlreichen Einsätzen bewährt. Das Steuer hielt sie fest, während sie breitbeinig stand, den Blick geradeaus gerichtet und die Lippen zusammengepresst.
Es war die Haltung einer Kämpferin, die das Leben gestählt hatte. Sie vertraute auch diesmal auf ihr Glück und fuhr weiter. Mit dem letzten Tropfen Sprit gelangte sie an den Strand und wusste nun, dass ihr Boot kein Leck bekommen hatte. Ein Schrei der Erleichterung drang aus ihrem Mund.
Eine Welle rollte von der Rückseite heran, packte das Boot und schob es voran.
Arlene hörte ein schleifendes Geräusch. Die Freude darüber ließ ihr das Blut in den Kopf schießen. Der Kiel des Bootes schleifte über den Grund, und noch einmal gab sie Gas. Auch das letzte Stück schaffte die Terroristin. Der Bug schnitt in die weiche Masse aus Sand, Tang und Muscheln, dann steckte das Boot fest.
Der Tank war leer!
Gern hätte sie das Boot versteckt, doch über die Kräfte eines Herkules verfügte sie nicht. Wenn sich der Nebel lichtete, würde es spätestens entdeckt werden. Und dann ging es um alles.
Gepäck hatte die Frau nicht, abgesehen von einem Rucksack. Sie turnte zum Bug, stellte sich dort auf die Bordwand und stieß sich ab. Mit beiden Füßen landete sie im tiefen, kalten und nassen Sand, der nicht über den Rand ihrer halbhohen Stiefel reichte.
Arlene trug ihre Kampfkleidung. Grüner Drillich. Der Stoff hielt ewig. Nur fehlte ihr bei dieser Witterung eine Pelzjacke, denn der Winter war mehr als kalt.
Sie wollte wissen, wo sie sich befand. Dass sie auf einer Insel stand, war klar, aber wie sah es auf der Insel aus? Über die Größe und die Beschaffenheit des Bodens musste sie Bescheid wissen, eventuell auch über Verstecke.
Solange die vom Sonderkommando sie nicht gefunden hatten, konnte sie sich noch umschauen, und sie würde ein Versteck finden, das stand fest.
Kleine Mulden gab es immer. Höhlen auch. Das aber war nur das zweite Problem, das erste drehte sich um das Wasser. Meerwasser trinken konnte sie nicht, und sie dachte daran, dass in ihrem Rucksack noch etwas Notproviant steckte.
Wenn sie sich heftiger bewegte, hörte sie, wie die Blechdosen gegen das Eisen der Handgranaten schlugen. Zwei davon hatte sie eingesteckt.
Eigentlich sah es nicht so schlecht aus. Trotz der Nebelsuppe hatte sie rasch herausgefunden, welchen Weg sie nehmen musste, um den Mittelteil der Insel zu erreichen.
Auf dieser Seite stellten sich ihr keine hohen Wände oder Klippen entgegen. Das Gelände stieg relativ flach an und endete dort, wo sich Felsen in einer ungewöhnlichen Formation erhoben, die im Laufe der Zeit entstanden waren.
Sie sahen aus wie halbe Zähne, allerdings dicke Brocken. Oder wie die abgebrochenen Finger einer Hand, die jemand in den Sand und Lehm hineingedrückt hatte.
Das war ihr Ziel. Dort musste sie sich nach einem Versteck umschauen. In den letzten Wochen war das Schicksal gegen sie gewesen. Nun hatte sie das Gefühl, dass es sich änderte.
Leichtfüßig huschte sie den flachen Hügel hoch. Regelmäßig schaute sie sich um, denn der Respekt vor den Verfolgern war groß. Sie traute ihnen alles zu.
Arlene stapfte durch den schwach gefrorenen Sand und atmete mit offenem Mund. Trotz der Kälte schwitzte sie unter der Drillichjacke. Die Nervosität hatte sie abgelegt. Wenn sie sich von ihr einfangen ließ, hatte sie den falschen Job.
Dann blieb sie vor den hohen Steinen stehen. Arlene betrachtete die ungewöhnlichen Gebilde aus der Nähe. Sie wusste auch nicht, weshalb ihr ein Schauer über den Rücken rann, aber diese Steine erinnerten sie an die Monolithen von Stonehenge. Sie waren ähnlich geformt.
Zu den Menschen, die der Mystik zugetan waren, zählte Arlene Shannon nicht gerade. Aber sie war eine Irin, und sie kannte auch die Geschichten ihrer Heimat, die man sich von verwunschenen Orten und Plätzen erzählte. Da spielten oft genug Steine eine Rolle, magische Steine, in denen die Kraft von Jahrhunderten steckte.
Die Terroristin befand sich weiter von den Felsen entfernt, als es ausgesehen hatte. Drei Schritte musste sie gehen, um den ersten berühren zu können.
Ihre Bewegung hatte etwas Abwartendes an sich. Als würde sie sich nicht so recht trauen, dann aber griff sie zu und fuhr mit ihrer Handfläche über die Oberfläche hinweg.
Eiskalt hätte sie sein müssen.
Sie war es nicht!
Arlene war verunsichert. Die Augenbrauen zogen sich zusammen. Auf der Stirn hatte sich eine senkrechte Falte gebildet. Zugleich mit ihr erschien auch ein Wellenmuster, und sie wollte Gewissheit haben, deshalb fühlte sie noch einmal nach.
Keine Täuschung, der Stein fühlte sich tatsächlich warm an. Auf seiner Oberfläche befand sich ebenso wenig Eis wie in den Spalten. Er war einfach anders.
Sie schüttelte den Kopf. Kälte rieselte ihren Nacken hinab, aber zugleich schwitzte sie. Etwas störte sie gewaltig. Es war nicht mehr der Nebel, sondern die ungewöhnliche Aura, das kaum zu beschreibende Fluidum, das zwischen diesen Steinen herrschte, als befände man sich hier in einer anderen Zeit.
Arlene Shannon überlegte. Sie wollte sich nicht verrückt machen lassen, aber sie gab auch zu, keinen klaren Gedanken fassen zu können. Etwas irritierte sie, und als sie einige Schritte nach vorn lief und den unmittelbaren Bereich der Steine verließ, da hörte das seltsame Gefühl auf. Da spürte sie wieder die Kälte, die der leichte Wind noch verstärkte.
Sie drehte sich wieder um, wollte zwischen die Steine gehen, als sie etwas hörte, das ihr gar nicht gefiel.
Stimmen!
Nicht laut, relativ leise gesprochen, trotzdem hörbar. So sprach jemand auf der Bühne, der flüstern musste, aber noch in der letzten Reihe gehört werden wollte.
Arlene atmete durch die Nase ein. Ihr Herz schlug wieder schneller. In Panik verfiel sie deswegen nicht. Sie hatte schon genug erlebt, aber diese Stimmen waren keine Täuschung gewesen. Von vorn waren sie an ihre Ohren gedrungen. Diese Tatsache ließ darauf schließen, dass die Hundesöhne vom Sonderkommando auf der anderen Seite der Insel gelandet waren.
Wie viele Männer ihr auf den Fersen waren, wusste sie nicht. Sie rechnete mit einem Dutzend, denn diese miesen Kerle tauchten nie allein auf.
Was tun?
Zunächst einmal nicht die Nerven verlieren. Bisher hatte es immer einen Ausweg gegeben. Auch diesmal sah sie einen, und der befand sich seltsamerweise genau zwischen den Steinen. Arlene drängte es dorthin. Das kleine Gebiet schien eine Insel der Sicherheit für sie zu sein.
Arlene hatte die Maschinenpistole von der Schulter genommen, trug sie jetzt in den Händen. Die Mündung zeigte in die Richtung, aus der sie auch die Stimmen gehört hatte. Kam es jetzt zum Kampf?
Noch waren sie nicht da. Auch die Stimmen hörte sie nicht. Ich habe mich wohl geirrt, dachte die Frau. Verdammt, das ist mir doch noch nie passiert!
Ihr Blick war starr geradeaus gerichtet, in den Nebel, doch der war einfach zu dicht, aber das gute Gefühl, das die Steine absonderten, erreichte die Frau wieder. Auch ohne sich umzudrehen, wusste Arlene, wo sie sich befand.
Das tat ihr gut. Sie lächelte. Plötzlich war die Beklemmung verschwunden. Sie hätte auch die MP wieder über ihren Rücken hängen können, es hätte sich an ihren Gefühlen nichts geändert.
Das tat sie nicht.
Stattdessen ging sie noch einen Schritt zurück.
Es war der Schritt, der ihr Leben radikal ändern sollte. Urplötzlich gab der Boden unter ihr nach, so als hätte sich plötzlich eine Falltür geöffnet. Dann fiel Arlene Shannon in die Tiefe ...
Die Terroristin schrie auf!
Sie hatte es nicht gewollt, aber der Schrei war einfach aus ihrem Mund gedrungen. Möglicherweise auch deshalb, weil ihr Gehirn schreckliche Bilder produzierte, denn sie sah sich selbst fallen und dabei in einer bodenlosen Tiefe für immer verschwinden.
Das passierte nicht. Sie fiel auch nicht senkrecht nach unten, sondern rutschte vor, wobei sie mit dem Rücken auf dieser Rutsche lag wie ein Kind auf dem Spielplatz.
Jemand hatte mal von einem direkten Weg in die Hölle gesprochen. Dieser Vergleich schoss Arlene durch den Kopf, als es für sie abwärts ging.
Aber die Hölle lag nicht unten. Ebenso wie der Himmel oder wie immer man die große Glückseligkeit der Christen auch bezeichnen sollte, in der Höhe lag, über den Wolken gewissermaßen, zwischen den Sternen verborgen. Das waren Märchen. Sinnbilder, Metaphern, damit sich der Mensch eine Vorstellung machen konnte und glaubensmäßig nicht in einem luftleeren Raum schwebte.
Arlene Shannon hatte diesen Glauben schon in der Pubertät abgelegt. Sie war andere Wege gegangen, aber verdammt noch mal, bei der Rutschfahrt in die Tiefe schossen ihr die Bilder und die Vergleiche durch den Kopf. Nichts konnte sie daran ändern.
Abwärts auf der Schräge. Einem Ziel entgegen. Auch der Finsternis, dem aufgewirbelten Staub und der unnatürlichen Wärme. Sie bildete den krassen Gegensatz zu den draußen herrschenden Temperaturen, wo jeder Nebeltropfen zu einem Eiskorn geworden zu sein schien.
Endlich – endlos?
Arlene konnte nichts machen. Es würde ihr nicht gelingen, die rasende Fahrt zu stoppen. Sie jagte weiter, wie jemand, der den Mittelpunkt der Erde erreichen wollte.
So tief stürzte sie aber nicht. Die Dunkelheit fraß sie, und der plötzliche Aufprall, auf den sich die Frau nicht hatte vorbereiten können, wuchtete sie nach vorn.
Aber Arlene war eine ausgebildete Kämpferin. Sie nutzte den Schwung aus und überschlug sich mit einer Rolle vorwärts, wobei die Waffen sie noch behinderten, aber nicht verletzten.
Schluss, Ende.
Im Staub blieb sie liegen. Sie hörte ihr eigenes Keuchen. Sie schmeckte den Dreck auf den Lippen. Die kleinen Körner waren bitter. Sie klebten fest. Arlene tastete sich noch im Liegen ab. Ihr Körper fühlte sich normal an. Da war weder etwas gebrochen, verstaucht, noch geprellt. Sie hatte den Absturz in die Hölle gut überstanden, was sie als günstiges Omen ansah.
Sie musste lachen und stand auf. Die MP hängte sie nicht um. Sie behielt die Waffe in der Hand. Es war typisch für sie, denn auch hier unten traute sie ihrer Umgebung nicht. Das Leben hatte sie gelehrt, misstrauisch zu sein, aber hier war sie allein.
Zumindest hörte sie nichts. Sie konnte nur spüren, wie sich der Staub senkte, denn zu sehen war nicht mal die berühmte Hand vor den Augen. Die Dunkelheit hielt sie umfangen.
Das wollte Arlene ändern.
Im Rucksack steckten nicht nur die Handgranaten und etwas Proviant, auch eine Taschenlampe hatte sie darin verstaut. Wie ein kleines Kind freute sich die Terroristin über diese Lichtquelle. Sie legte den Rucksack ab, öffnete ihn im Dunkeln – jede Bewegung war dabei einstudiert –, dann fand ihre Hand zielsicher die Lampe.
Sie war leicht, zudem lichtstark. Arlene kam sich vor wie auf der ersten Stufe einer Treppe, die in eine neue Zeit hineinführte.
Zwar dachte sie noch an ihre Verfolger, im Augenblick aber fühlte sie sich sicher. Sie wollte zunächst ihre Umgebung kontrollieren, wobei sie schon davon ausging, in einem möglicherweise unterirdischen Höhlensystem gelandet zu sein, was nicht mal so schlecht gewesen wäre, da es möglicherweise einen zweiten Ausgang gab.
Arlene hatte die Lampe eingeschaltet. Der Strahl war breit wie ein normaler Oberarm. Sein Licht bohrte sich in das Dunkel hinein und auch in den Staub, der sich noch längst nicht gesetzt hatte. Deshalb war sie gezwungen, erst einmal abzuwarten, bevor sie sich ihre neue Umgebung anschaute. Um Energie zu sparen, schaltete sie die Lampe aus und hockte sich auf den Boden. Der Staub war trocken, fein und ähnelte dem Nebel auf der Insel und dem Meer. Einige Male musste sie husten; das Zeug kratzte einfach zu stark in der Kehle.
Geduld gehörte ebenfalls zu ihren Tugenden. Zudem hatte sie Zeit. Irgendwann würde es weitergehen, aber nicht nur für sie, auch für ihre Jäger. Sie würden die Insel durchkämmen, sie würden jeden Stein hochheben und nach irgendwelchen Schlupflöchern suchen, und sie würden auch den Eingang zu ihrer Welt finden, dort, wo der Boden eingebrochen war. Das würden sie einfach nicht übersehen können.
Bis dahin musste sich Arlene etwas einfallen lassen. Sie hatte nicht darauf geachtet, wie groß der Eingang war. Ein Loch im Boden, bestimmt nicht zu breit, sodass sich nur einer immer in die Tiefe abseilen konnte. Und wenn dieser eine kam, dann würde sie ihn sehen. Dann konnte sie ihn abschießen wie einen Hasen.
Die Terroristin lächelte kantig, als sie daran dachte.
Der Staub senkte sich. Minuten waren vergangen. Irgendwo rieselte immer etwas nach, und sie hörte dabei die schabenden und kratzenden Geräusche. Der Herzschlag hatte sich wieder normalisiert. Sie schaltete die Lampe ein und durchsuchte den Rucksack.
Die Handgranaten lagen gesichert neben den beiden Wasserdosen. Etwas hartes Brot besaß sie auch und sogar noch eingepackten Speck. Wie es weiterging, würde sie sehen. Schon oft hatte sie sich aus ausweglosen Lagen befreien können. Arlene leuchtete ihre Umgebung ab. Schon als sie den Strahl schwenkte, nickte sie mehrmals zufrieden.
Es gab so gut wie keine Störung. Es war alles perfekt. Alles okay. Das Licht wurde von den kleinen Teilchen kaum abgelenkt. Aber etwas Wichtiges stand ihr noch bevor. Sie wollte ihren Weg ableuchten, drehte die Lampe deshalb und strahlte in die Höhe.
Da musste einfach ein Schacht zu sehen sein. Ein Kamin, durch den sie nach unten gerutscht war.
Sie ging einige Schritte weiter, die Lampe erhoben. Da war nichts, gar nichts. Über ihr zeigte sich die Decke geschlossen ...
Komisch ...
Etwas lief kribbelnd über ihren Rücken. Arlene Shannon kannte dieses Gefühl. Es trat immer dann ein, wenn sie mit einem Vorgang oder einer Tatsache nicht zurechtkam. Auch diese Sache hier konnte sie nicht logisch erklären.
Sie atmete tief ein.
Die Luft war nicht gut. Stickig, verbraucht, wenig Sauerstoff. Der Strahl glitt in die Höhe, und dann war sie erleichtert, als sie den Kamin doch entdeckte. Nur einige Schritte seitlich. Sie hatte nicht daran gedacht, dass sie selbst es gewesen war, die nach dem Aufprall ihren Standort gewechselt hatte. Eine Vorsichtsmaßnahme, die ihr in Fleisch und Blut übergegangen war. Training eben.
Ja, der Schacht war vorhanden. Sie leuchtete ihn hoch. Arlene wollte wissen, wie weit sie ungefähr gerutscht war. Dabei war zu erwarten, dass dieser helle Schein auch den Einstieg erreichte, wo der Boden unter ihr zusammengebrochen war, denn so tief war sie schließlich auch nicht gerutscht.
Aber da war nichts.
Alles dicht!
Die Frau schüttelte den Kopf. Sie musste erst nachdenken. Ihre Gedanken drehten sich dabei sehr schnell um einen Mechanismus. So hätte es sein können. Sie war auf eine im Boden versteckte Abdeckung einer Fallgrube getreten und in die Tiefe gerutscht. Anschließend hatte sich diese Abdeckung automatisch wieder geschlossen. Eine andere Möglichkeit gab es für die Frau nicht.
Sollte dies tatsächlich so gewesen sein, dann war hier von Menschenhand gearbeitet worden. Also keine unbewohnte Insel. Vielleicht ein Eiland, das als Versteck und zugleich als Nachschubbasis gedient hatte. Möglich war alles, und sie wusste sehr gut, wie kreativ gewisse Militärs sein konnten.
Nicht unübel, nicht schlecht. Ein Lächeln huschte kurz über ihre Lippen. Auch die andere Seite war nicht dumm. Arlene konnte davon ausgehen, dass ihr noch einige Entdeckungen bevorstanden – möglicherweise auch ein zweiter Ausgang, durch den sie auf einem bequemeren Weg ins Freie gelangen konnte.
War sie der einzige Mensch in dieser Umgebung? Hatte es schon vor ihr welche gegeben, die vielleicht als Wachen eingeteilt worden waren oder sich jetzt noch hier aufhielten?
Die Spannung wuchs. Auf einmal setzte sich der Gedanke in ihrem Kopf fest, dass sie hier unten nicht unbedingt allein war. Es gab in der Nähe noch etwas anderes. Was es war, darüber konnte sie nur spekulieren. Sie hatte überhaupt keine Vorstellung, denn da reichte die Fantasie nicht aus.
Es war hier unten nicht nur warm. Es war einfach heiß. Zu heiß für Arlene.
Sie wollte sich nicht unbedingt ganz ausziehen, obwohl ihr dies besser gefallen hätte. Aber lockern musste sie ihre Kleidung, sonst fing sie noch an zu braten.
»Also doch so etwas wie eine Hölle«, murmelte Arlene. »Oder eine Vorhölle.« Sie knöpfte das Oberteil auf. In den Innenseiten der Hosenbeine schimmerten Reißverschlüsse. Auch die zerrte sie auf. Unter dem Oberteil trug sie so gut wie nichts. Ihre Brüste lagen beinahe frei, das machte ihr nichts. Sie wollte nur ein wenig gegen die verdammte Wärme ankämpfen.
Mit beiden Händen fuhr Arlene durch ihre rote Mähne. Sie wirkte in ihrem Aufzug wie eine wilde Kämpferin, die eine andere Hölle bereits hinter sich gelassen hatte.
Die äußeren Bedingungen waren jetzt besser geworden. Sie leuchtete ihre Umgebung ab und fand kaum noch Staub in der Luft. Obwohl Arlene Durst verspürte, griff sie nicht zu den Dosen. Das würde sie auf später verschieben, wenn sie wirklich nach Flüssigkeit lechzte.
Wohin jetzt?
Andere hätten vielleicht die Nerven verloren, nicht so Arlene Shannon. Sie gehörte zu den Pragmatikerinnen und war es gewöhnt, das Beste aus ihrer Lage zu machen.
Von diesem Weg ging sie auch nicht ab. Arlene hatte sich entschlossen, ihre Umgebung zu erkunden. Und nicht nur ihre unmittelbare, sondern auch die weitere.
Einen Tunnel, einen Gang fand sie. Bevor sie weiterging, leuchtete sie hinein.
Er kam ihr für einen Moment endlos vor, weil sich selbst das starke Licht darin verlor. Furcht kannte sie in diesem Augenblick nicht. Sie dachte wiederum sachlich und gelangte zu der Meinung, dass dieser Gang von Menschenhand angelegt worden war. Irgendjemand musste in der Vergangenheit diese Inseln besetzt gehalten haben. Er hatte auch einen Weg in die Erde gefunden, um das System anzulegen.
Aber wer?
Menschen, die das normale Licht scheuten? Oder Militärs, die eine geheime Basis angelegt hatten? Einen Stützpunkt tief unter der Erde? Alles war möglich. Ich kenne einfach zu wenig, dachte Arlene und setzte ihren Weg fort. Normalerweise hätte sie die MP in die Hand genommen, aber sie fühlte sich hier in dieser Gegend seltsamerweise nicht bedroht. Sogar das Feeling einer gewissen Sicherheit hatte sie überkommen, und das ließ sie plötzlich lächeln.
Ja, es war nicht schlecht, dass sie diesen Weg durch einen Zufall entdeckt hatte. Arlene wusste genau Bescheid. Überraschungen standen ihr noch bevor. Keine schlimmen. Eher welche, vor denen sie nur staunend stehen konnte.
Über ihre Lippen glitt sogar ein Lächeln, als sie den Weg fortsetzte. Zu weit würde sie nicht gehen können. Die Insel war nicht groß. Sehr bald schon konnte sie an eine Grenze stoßen, und hinein in das Meer würde der Tunnel sicherlich nicht führen.
Unter ihren Sohlen kratzten die Steine. Der Boden war damit bedeckt. Einige schimmerten sogar, wenn das helle Licht über das Gestein hinwegfloß.
Der Gang war nicht sehr breit. Die Decke zeigte eine leichte Wölbung. Aus ihr schauten ebenfalls Steinspitzen hervor, aber Arlene brauchte nicht den Kopf einzuziehen.
An die absolute Stille in ihrer Umgebung hatte sie sich längst gewöhnt. Geräusche wurden nur von ihr produziert. Und wenn sie eine Stimme hören wollte, sprach sie eben mit sich selbst. Das kannte sie, denn im Laufe der Jahre hatte sie viele einsame Stunden am Tag und auch in der Nacht verbracht.
Verfolger kamen nicht. Arlene lachte leise auf, als sie daran dachte, dass die Typen sicherlich auf dem kleinen Eiland umherirrten und sie jetzt suchten. Sie würden nichts, auch gar nichts verstehen und irgendwann vielleicht abziehen.
Etwas wurde anders.
Sie merkte es urplötzlich, und es traf sie mit einer gedanklichen Wucht, die sie unsicher machte.
Die Terroristin blieb stehen. Plötzlich hatte sie ihre Lockerheit verloren, war wieder gespannt und wirkte wie eine Person, die am Grund angeleint stand.
Etwas stimmte nicht mehr.
Äußerlich war nichts zu sehen, aber auf einem anderen Weg hatte sie eine Botschaft bekommen. Sie glaubte daran, sich einem Bereich zu nähern, der anders war, möglicherweise auch gefährlich, und Arlene beschloss, auf der Hut zu sein.
Ein Ziel für ihre MP war nicht zu sehen. Alles blieb still. Auch unverändert, aber die seltsame Botschaft war nach wie vor vorhanden, und Arlene spürte das Kribbeln auf ihrem Körper.
Ein Zeichen, dass etwas in der Luft lag.