John Sinclair Sonder-Edition 186 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 186 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Schon als Kind wurde Susan Wade von allen gemieden. Ob Kind oder Erwachsener - niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben. Keiner konnte verstehen, dass es dem Mädchen gefiel, Käfer, Spinnen, Würmer und Ameisen zu essen. So weit ging die Ablehnung, dass man Susan schließlich sogar die Stadt verlassen musste.
Zehn Jahre später aber kehrte sie zurück. Allerdings hörte sie jetzt nicht mehr auf den Namen Susan Wade. Jezebel, so nannte sie sich nun. Und sie war nicht alleine gekommen, sondern hatte ihre Freunde mitgebracht - riesige, mutierte Insekten. Spinnen, Schaben, Käfer. Mit deren Hilfe wollte sie Rache üben an den Einwohnern von Euston. Jeder einzelne sollte vernichtet werden, sogar ihre eigene Großmutter ...


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Seitenzahl: 188

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Jezebel

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Jezebel

von Jason Dark

Schon als Kind wurde Susan Wade von allen gemieden. Ob Kind oder Erwachsener – niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben. Keiner konnte verstehen, dass es dem Mädchen gefiel, Käfer, Spinnen, Würmer und Ameisen zu essen. So weit ging die Ablehnung, dass Susan schließlich sogar die Stadt verlassen musste.

Zehn Jahre später aber kehrte sie zurück. Allerdings hörte sie jetzt nicht mehr auf den Namen Susan Wade. Jezebel, so nannte sie sich nun. Und sie war nicht allein gekommen, sondern hatte ihre Freunde mitgebracht – riesige, mutierte Insekten. Spinnen, Schaben, Käfer. Mit deren Hilfe wollte sie Rache üben an den Einwohnern von Euston. Jeder einzelne sollte vernichtet werden, sogar ihre eigene Großmutter ...

»Holt diesen Bullen her! Holt diesen verdammten Sinclair! Wenn nicht, töte ich das Kind! Mir ist alles egal. Ich bin sowieso verloren. Aber ich will mit Sinclair reden!«

Die Männer des Sonderkommandos, die das Haus umstellt hatten, wussten nicht mehr weiter. In dieser Bruchbude befand sich Archie Todd. In seinen Händen befand sich ein siebenjähriges Mädchen, das er auf der Straße in seine Gewalt gebracht hatte.

Der Einsatzleiter schwitzte unter seiner kugelsicheren Weste. Das Nervenspiel dauerte jetzt schon eine Stunde, und Todd hatte seine Forderung bereits mehrmals wiederholt.

Die Experten sahen im Augenblick keine Chance, das Mädchen zu befreien, und der Einsatzleiter lenkte ein. »Okay«, sagte er zu den anderen. »Wenn ihm so daran gelegen ist, dann holt diesen Sinclair her!«

»Wer ist das eigentlich?«, fragte jemand.

»Ein entfernter Kollege«, antwortete ein anderer.

Der Einsatzleiter, er hieß Burns, präzisierte. »Ich kenne ihn. Sinclair ist ein Yard-Mann.«

Jemand lachte. »Warum will er ausgerechnet mit dem sprechen?«

»Das frage ich ihn selbst.« Burns griff zu seiner Flüstertüte, setzte das Megafon dicht vor die Lippen und ließ seine Stimme in die Nacht hineinschallen, die hier vor Ort nicht mehr so dunkel war, weil ein Scheinwerfer das Haus anstrahlte. Alle anderen Scheinwerfer hatten ausgeschaltet werden müssen, das hatte Todd durchgesetzt. »Hören Sie mich, Todd?«

Sekunden später kam die Antwort. »Ja, verdammt, ich höre euch. Habt ihr es euch überlegt?«

»Ja.«

»Und?«

»Wir holen Sinclair.«

»Gut, sehr gut. Ich werde die Kleine freilassen, sobald er zu mir gekommen ist. Nicht vorher. Und keine Tricks! Seine Kanone kann er ruhig mitbringen, das ist mir egal. Es kommt mir nur darauf an, mit ihm zu reden. Und das verdammt schnell, hört ihr? Ich gebe euch zwei Stunden. Keine Sekunde mehr!«

»Zu wenig!«, rief Burns zurück.

»Halt's Maul!« Todd keuchte, weil seine Stimme allmählich versagte. »Zwei Stunden, ihr Hundesöhne! Das schafft er von London aus. Wenn nicht, schneide ich der Kleinen hier die Kehle durch.«

»Dann hacke ich dir den Schwanz ab!«, sagte Burns, nachdem er die Flüstertüte hatte sinken lassen. Kurz danach hob er sie erneut an, um zu sprechen. »Einverstanden, Todd. Zwei Stunden. Ich hoffe, wir erreichen ihn.«

»Bestimmt!«

Burns stellte das Megafon ab und holte aus seiner Jackentasche ein Handy. Er kannte die Telefonnummer dieses Sinclair nicht, hoffte aber, sie über die Zentrale beim Yard zu erfahren. Es war genau drei Minuten vor zweiundzwanzig Uhr, als er die Nummer des Yards eintippte ...

Todd, dachte ich, Archie Todd. Dabei schüttelte ich den Kopf, während ich den Rover durch die Nacht in Richtung Nordosten scheuchte. Den Namen hatte ich noch nie gehört, und ich wusste auch nicht, weshalb der Mann mich sprechen wollte.

Aber ich war über ihn informiert worden und wusste, dass er sich mit einem Kind als Geisel verschanzt und den Kollegen vom Einsatzkommando ein Ultimatum gestellt hatte.

Zwei Stunden. Wenn ich dann nicht bei ihm auftauchte, würde er das Kind umbringen. Das hatte ich so recht nicht glauben wollen, aber Kollege Burns, der Einsatzleiter, hatte mich bei unserem Telefongespräch davon überzeugt, dass Archie Todd zu allem fähig war. Er agierte wie jemand, der sich bereits aufgegeben hatte.

So war ich also losgefahren.

Hinein in die kalte Nacht. Hinein in die Dunkelheit, die einen sternenklaren Himmel zeigte. Die Temperatur lag nur knapp über dem Gefrierpunkt.

Suko wusste er nichts von meiner nächtlichen Reise und lag wohl im Bett. Dieser Todd hatte ja nur mich verlangt.

So sehr ich auch grübelte, der Name sagte mir nichts, und ich wusste auch nicht, woher mich Todd kannte. Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett zeigte mir, dass mir noch eine gute halbe Stunde Zeit blieb. Das war leicht und locker zu schaffen.

Sternenklar und kalt. Nächte für den Winter, aber nicht für das Frühjahr, das wir laut Kalender schrieben. Das Licht vor dem Wagen gab der Straße einen hellen Anstrich. Rechts und links flog die Landschaft vorbei, von der ich nichts erkannte. Sie war wie ein einziger großer Schatten, der ab und zu Lücken aufwies, dann aber wieder zusammenwuchs. Und fremde Lichter sah ich nur wenige. Einzelne Häuser oder Orte, die abseits meiner Route lagen.

Der Verkehr war nicht erwähnenswert, und so konnte ich mich auf das konzentrieren, was vor mir lag.

Ein Geiselgangster wollte mich sprechen. Meine Reaktion war ein Kopfschütteln, denn ich wusste nicht, was uns beide verbinden sollte. Ich kannte keinen Archie Todd, aber die Stimme des Einsatzleiters hatte verdammt ernst geklungen. Nur ich konnte das Leben des Mädchens, dessen Name den Leuten nicht mal bekannt war, retten.

Sie wussten auch nicht, welche Waffen dieser Todd bei sich trug. Aber sie hatten das Haus, in das er sich zurückgezogen hatte, umstellt. Ich fuhr schneller, vorbei an Cambridge und in Richtung Thetford. Zwei Kilometer hinter dem Ort musste ich abbiegen und nach Süden fahren.

Der Ort war nur ein Kaff. Er hieß Euston. In dieser Ecke sagten sich Fuchs und Hase gute Nacht.

Eine riesige Lichtglocke lag über Thetford, immerhin eine größere Stadt.

Zwei Kilometer später erwischte ich die Abzweigung nach Süden. Zwanzig Minuten standen mir noch zur Verfügung. Die brauchte ich auch, denn die Straße war kurvig, stellenweise nass, was bei diesen Temperaturen leicht zu Glatteis führen konnte, und so fuhr ich angemessen, das heißt vorsichtig.

Die Umgebung kam mir fast menschenleer vor. Viele Wiesen und Felder, kein Wald. Hin und wieder eine Hütte, ein Haus oder eine Scheune.

Burns hatte mir erklärt, dass ein Feldweg von der Straße zum Ziel führte. Das sah ich schon, bevor ich den Feldweg erreicht hatte, denn ein helles Licht warf einen weißen Fleck in die Dunkelheit. Selbst aus dieser Distanz sah ich, dass der Kegel auf ein bestimmtes Ziel gerichtet war.

Wenig später hatte ich die Einmündung des Feldwegs erreicht. Das hüpfende Scheinwerferpaar meines Wagens war bereits von den Männern entdeckt worden, denn eine Gestalt tauchte im Fernlicht auf und winkte mit beiden Armen.

Sieben Minuten vor dem vereinbarten Zeitpunkt – pünktlicher konnte man nicht sein. Ich fuhr bis an eine Absperrung heran, stieg aus und kletterte über das rotweiße Flatterband.

Ein Mann kam mir mit schnellen Schritten entgegen. Er trug Kampfkleidung, aber keinen Helm. Dafür eine schusssichere Weste.

»Ich bin Burns«, stellte er sich vor und strich über seine Kurzhaarfrisur.

»John Sinclair.«

»Gut.« Er schaute mich an, aber seinem Gesicht war nicht zu entnehmen, ob er mich mochte oder nicht. Vielleicht wirkte ich ihm nicht durchtrainiert genug.

»Todd ist noch drin?«

»Ja.«

Ich tippte auf meine Uhr. »Dann werde ich mal ein Plauderstündchen mit ihm halten.«

Burns hob nur die Schultern und sagte: »Kommen Sie mit.«

In einer gewissen Distanz blieben wir vor dem Haus stehen.

Während Burns die Flüstertüte anhob, um mit Todd Kontakt aufzunehmen, schaute ich mich um.

Die Männer hatten einen Ring um das einsam stehende Haus gezogen, auf dessen Dach noch Schneereste lagen. Ein Scheinwerfer war auf die Eingangstür gerichtet, alles andere lag versteckt im Dunkel der Nacht. Archie Todd zeigte sich nicht an den dunklen Fenstern, und das Kind war erst recht nicht zu sehen.

Genau um zwei Minuten vor Ablauf des Ultimatums sprach Burns den Kidnapper durch das Megafon an. »Hören Sie, Todd! Wir haben Ihre Bedingung erfüllt. John Sinclair ist hier.«

»Das habe ich gesehen!«, schrie er zurück.

»Dann lassen Sie jetzt das Kind frei!«

Ein dreckiges Lachen fegte uns entgegen. »Von wegen, ihr Hundesöhne! Erst wenn Sinclair bei mir ist und ihr versprecht, dass ihr nicht angreifen werdet, lasse ich die Kleine frei. So war es abgemacht, und so wird es auch bleiben.«

»Das ist okay«, sagte ich zu Burns.

»Ist schon gut. Ich verstehe das zwar noch immer nicht, bin aber froh, dass Sie gekommen sind.«

Ich nickte in Gedanken.

»Sollen wir ein Zeitlimit ausmachen?«

»Nein!«

Todd dauerte alles zu lange. »Verflucht, Sinclair, komm endlich! Ich habe nicht ewig Zeit.«

Ich trat in das Scheinwerferlicht hinein und hob den rechten Arm, damit er mich auch sehen konnte. Dann setzte ich mich in Bewegung. Es gab schon einige Dinge, die mich störten, abgesehen vom Licht, durch das ich ging. Ich wunderte mich darüber, dass dieser Todd keinen Unbewaffneten erwartete. Darauf hatte er nicht bestanden, und auch seine letzte Antwort hatte mich nachdenklich gemacht. Er hatte nicht ewig Zeit. Warum nicht? Ich wollte einfach nicht glauben, dass diese Worte etwas mit seiner Geisel zu tun hatten. Mein Gefühl sagte mir, dass etwas anderes dahintersteckte.

Ich hatte die Hälfte der Strecke zurückgelegt, aber die Tür blieb auch weiterhin geschlossen. Rechts und links von ihr sah ich zwei Fenster, weiter oben auch, aber hinter den Scheiben malte sich keine Gestalt ab. Todd ließ sich Zeit. Ich war sicher, dass er mich beobachtete und möglicherweise mit einer Waffe auf mich zielte. Dieser Gedanke gefiel mir gar nicht.

Eine Körperlänge vor der Tür blieb ich stehen. Der Lehmboden war hart.

Ich wollte den Kerl schon anrufen, als ich das Knarren der Türangeln hörte. Sehr langsam wurde sie aufgezogen, aber nicht Archie Todd erschien, sondern seine Geisel, das Mädchen.

Klein, verschüchtert, verweint. Mich durchschoss in diesem Augenblick eine irre Wut auf den Geiselnehmer, aber ich riss mich zusammen und lächelte die Kleine an.

»Wie heißt du denn?«

»Sandra.«

»Ein schöner Name. Ich bin John.«

»Quatsch keine Opern, Sinclair! Komm endlich rein! Ich habe mit dir zu reden.«

»Und du hältst dich an die Regeln?«

»Ja, verdammt.«

Seltsamerweise fühlte ich mich nicht beunruhigt. Bevor ich die Schwelle übertrat, strich ich der Kleinen noch über das Haar. Sie fasste meine linke Hand an und betrat mit mir das Haus, in dem es dunkel war, abgesehen von zwei Flammen, die an Kerzendochten tanzten.

In ihrer Nähe hielt sich Archie Todd auf, aber ich sah von ihm nur den Umriss.

»Kann Sandra jetzt gehen?«, fragte ich ihn.

»Ja.«

Ich brauchte nichts mehr zu sagen. Das Kind machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Ich fragte mich sowieso, wie das Einsatzkommando überhaupt auf die Entführung aufmerksam geworden war. Aber das war jetzt ohnehin zweitrangig, denn Archie Todd, der sich noch immer versteckt hielt, sagte einen Satz, mit dem ich nicht gerechnet hatte.

»Sinclair, ich habe nicht mehr lange zu leben ...« Das war ein Schock, denn mit dieser Eröffnung hatte ich beileibe nicht gerechnet.

Es fiel mir zunächst schwer, eine Antwort zu finden, und das passte ihm nicht. »He, hast du nicht gehört?«

»Doch.«

»Und was sagst du?«

»Pech für dich.«

Er lachte. Nur klang es nicht amüsiert, sondern bitter und böse. Ich wusste, dass er es ernst gemeint hatte, das aber war noch lange kein Grund, eine Geisel zu nehmen, dazu noch ein Kind! Zum Glück hatte er sein Versprechen gehalten und die Kleine laufen lassen.

Etwas war mir schon bei meinem Eintritt aufgefallen. Dieser ungewöhnliche Geruch. Ich kannte ihn, aber ich wusste nicht, woher er stammte. Es stank muffig, alt, aber nicht nach irgendwelcher Graberde oder Verwesung. Es roch nach Kartoffeln.

Ja, das war es. Hier mussten irgendwann einmal Kartoffeln eingelagert gewesen sein! Dieses Haus gehörte wohl einem Bauern und war als Schuppen benutzt worden. Elektrisches Licht schien es nicht zu geben, deshalb hatte Archie Todd die Kerzen angezündet.

»Ist das alles, was du an Licht hier hast?«, fragte ich ihn.

»Ja.«

»Gut, Archie. Ich habe deinen Wunsch erfüllt, das siehst du. Wie geht es weiter?«

Er atmete schwer. »Ich hoffe nur, dass die Hundesöhne dort draußen stillhalten werden.«

»Das wurde mir versprochen.«

»Ich traue keinem dieser Scheißer.«

»Das solltest du aber, Archie. Es ist wirklich besser für dich, nein, für uns. Wie ich herausgefunden habe, hast du Probleme, über die du mit mir reden willst.«

Er schwieg und blieb stehen, wo er war. Viel hatte ich bisher noch nicht von ihm sehen können. Er hustete laut und spuckte aus, doch er sagte nichts mehr. Es zog in dem Haus, die Wände waren nicht isoliert.

»Sollen wir hier anfrieren?«, fragte ich ihn.

»Nein.«

»Dann rede!«

Er überlegte es sich noch. Vielleicht suchte er auch nach den richtigen Worten.

»Bevor ich anfange, Sinclair, will ich dich etwas fragen.«

»Bitte.«

»Du ... ähm, du bist also der Mann, der sich mit bestimmten Dingen beschäftigt. Der so einer ist wie aus dem Film.«

Ich musste lachen. »Das glaube ich nicht. Was meinst du denn genau damit?«

»Na ja. Einer, der Dämonen und Zombies jagt.«

»Ich stimme dir mal zu.«

»Gut.« Er atmete hechelnd. Dann hörte ich würgende Geräusche, die bald verklangen. »Gut, Sinclair, dann kann es sein, dass ich bei dir richtig bin. Ich habe von dir gehört. Von wem, das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass du für mich der richtige Mann bist.«

»Es bleibt abzuwarten. Und es kommt auf dein Problem an.«

»Bevor ich anfange, will ich dir sagen, dass ich nicht zu denen gehöre, die Kinder ... also, ich habe mir die kleine Sandra nur geschnappt, weil ich keine andere Möglichkeit gesehen habe. Du wärst sonst nie gekommen. Ich habe auch ihre Eltern informiert – und die Bullen.«

»Stammte das Mädchen aus Euston?«

»Ja. Alles ist dort zusammengekommen. Euston, Sinclair, merk dir den Namen.«

»Ist klar. Und weiter?«

Er trat jetzt nach vorn und damit in das Licht der Kerzen. Viel konnte ich von ihm noch immer nicht sehen, aber ich erkannte, dass er nicht eben Designer-Klamotten trug, sondern mehr aussah wie jemand, der auf der Straße lebte und seine Kleidung willkürlich zusammengesucht hatte.

Er trug eine Wollmütze, die er tief in die Stirn gezogen hatte. Zwischen den Augenbrauen und dem Rand der Mütze war nicht mehr viel Platz. Darunter sah ich ein blasses Gesicht mit dunklen Bartschatten. Seine Augen, in deren Pupillen sich der Widerschein der Flammen fing, befanden sich in einer ständigen Bewegung, als suchten sie nach irgendwelchen Hinterlistigkeit, die er seiner Meinung nach von mir zu befürchten hatte.

»Nichts weiter.«

»Warum nicht?«, fragte ich.

»Es geht jetzt um mich.«

»Gut, Archie. Du hast also ein Problem. Und kein kleines, nehme ich mal an.«

»So ist es. Das Problem ist schlimm. Es macht mich fertig. Es frisst mich auf.« Er stöhnte und schwankte leicht. »Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin fertig. Sie hat mich wieder. Sie ist wieder da, Sinclair, das merk dir genau.«

»Sie?«

»Ja, sie.«

»Darf ich fragen, wer sie ist? Von wem redest du überhaupt?«

Er war dabei, mir eine Antwort zu geben. Nur fiel es ihm schwer. Er hatte schon den Mund geöffnet und wollte etwas sagen, was er nicht mehr schaffte. Mit einer zackigen Handbewegung winkte er mich näher zu sich heran, und ich tat ihm den Gefallen.

Mir rieselte es plötzlich kalt über den Rücken, als ich ihn sah. Er hatte sich auf eine schreckliche Weise verändert. Zumindest, was sein Gesicht anging. Der Mund stand so weit offen, dass er schon doppelt so groß aussah wie vorher. Gurgelnde Laute drangen mir entgegen. Er hob seinen Arm und streckte den linken Zeigefinger aus. Die Spitze deutete dabei auf seine Mundöffnung. Darauf also sollte ich mich konzentrieren.

»Grrg – grrrg ...« Die Laute hörten sich schrecklich an. Der Mann japste nach Luft.

Die Kerzen brachten nur wenig Licht, deshalb holte ich die Lampe hervor. Ich strahlte das Gesicht des Mannes an. Obwohl auch seine Augen davon getroffen wurden, reagierte er nicht. Er schwankte, er röchelte, und als ich den Strahl senkte, da entdeckte ich die Zunge, wie sie von einer Seite zur anderen schlug.

Nein, das war keine Zunge.

Da bewegte sich etwas anderes.

Auch mir wurde jetzt komisch zumute, als ich weiter auf seinen Mund starrte.

Aus ihm krabbelte etwas hervor. Dick, mit einem ovalen, harten Panzer, der in violetten Farben schimmerte und die Unterlippe erreichte.

Verdammt, ich musste schlucken, denn mit einem derartigen Anblick hatte ich nicht gerechnet.

Was da begonnen hatte, aus seinem Mund zu kriechen, war ein dicker, widerlicher Käfer ...

Größer, viel größer als ein normales Insekt. Der Käfer hockte in der Mundöffnung und füllte sie zum Großteil aus, sodass der Mann vor mir nur durch die Nase Luft holen konnte.

Obwohl ich nur sekundenlang auf dieses eklige und auch schlimme Bild schaute, kam es mir vor, als hätte ich es schon stundenlang beobachtet. Auch ich war nur ein Mensch, erlebte noch Überraschungen und ich ließ mich auch in ihren Bann ziehen.

Der Käfer war nicht normal. Zu groß für diese Breiten, eine Mutation. Er beugte sich plötzlich vor, als wollte er am Kinn des Mannes nach unten krabbeln.

Das geschah nicht.

Plötzlich kippte der Käfer in die Tiefe und landete zwischen uns beiden am Boden.

Ich hörte, wie Archie Todd aufheulte, senkte den Strahl der Lampe und erwischte den Käfer, bevor dieser entwischen konnte. Blitzschnell trat ich zu.

In dieser Situation tat es mir sogar gut, das knackende Geräusch zu hören, aber Archie ging es weniger gut. Er kämpfte gegen eine Macht an, die ihn übernommen hatte. Die rechte Handfläche hielt er auf den Mund gepresst, als wollte er so ein erneutes Herauskr‍abbeln eines Käfers vermeiden. Ich hörte die dumpf klingenden, würgenden Geräusche, wollte ihm helfen und sah beim Umdrehen, dass es ihm schwerfiel, sich auf den Beinen zu halten.

Er war zur Seite gegangen, sein Körper zuckte, und die Hand lag nicht mehr vor seinem Mund, sondern war zurückgerutscht bis an den Hals, wo sie sich festklammerte. Bestimmt wollte er sich nicht selbst erwürgen, auch wenn dies so aussah. Er kriegte immer schlechter Luft.

Sein Körper warf einen Schatten. Der Kerzenschein ließ Archie mal dunkel, mal hell aussehen, dann fiel er plötzlich um. Die Hand löste sich noch von der Kehle, fasste aber ins Leere, denn einen Halt konnte Todd nicht finden.

Mit einem Sprung stand ich bei ihm und fing ihn auf. Er federte in meine Arme. Für eine oder zwei Sekunden schaute ich in sein verzweifeltes und entsetztes Gesicht, dann ließ ich ihn zu Boden gleiten. Auf der linken Seite blieb Archie Todd liegen. Der Mann war aus dem Kerzenschein herausgefallen. Er lag nicht starr da, seine Beine zuckten, die Arme ebenfalls, die Hände bewegten sich.

Ich leuchtete ihn an und ging dabei selbst in die Knie. Archie bot einen schlimmen Anblick. Er würgte, sein Körper bewegte sich auf und nieder. Seine rechte Hand umfasste meine Schulter wie eine Kralle. Ich gab ihm etwas Halt.

Archie litt entsetzliche Qualen. Ich war nicht in der Lage, ihm zu helfen, aber ich bemerkte auch, dass er mir etwas sagen wollte, denn sein weit geöffneter Mund bewegte sich. Die Lippen zuckten. Er versuchte, die Worte zu formulieren und würgte sie förmlich hervor, doch zu verstehen war nichts.

Dafür weiteten sich seine Augen. Sie hatten im Strahl der Lampe einen ungewöhnlichen Glanz bekommen. Mich erinnerten sie an kalte Totenaugen, und ein schrecklicher Verdacht kam mir, weil seine Hand plötzlich von meiner Schulter abrutschte, auf dem Boden liegenblieb und sich dann etwas in Archies Rachen bewegte.

Es lag nicht an ihm, es war eine andere Kraft, die sich ihre freie Bahn schaffen wollte.

Ich zuckte zurück.

Zuerst wollte ich nicht glauben, was mir das Licht enthüllte, aber es stimmte leider. Aus dem weit geöffneten Mund des Mannes drang ein Strom hervor. Eine dunkle, krabbelnde und widerliche Masse.

Käfer!

Kleine Käfer der widerlichsten Sorte, die ich hier nicht erwartet hätte. Nicht in einem Menschen. Da gehörten sie nicht hin. Sie hatten ihren Platz in der freien Natur. Aber diese hier strömten aus seinem Mund, und es wurden immer mehr. Sie ließen sich nicht aufhalten, sie krabbelten weiter, sie bewegten sich über den Boden, blieben dort noch zusammen, aber außerhalb des Lichtstrahls fächerten sie auseinander und verteilten sich gedankenschnell in irgendwelchen Löchern, Spalten oder Ritzen. Ich ließ sie laufen, und es waren jetzt nur noch wenige, die aus dem Mund ins Freie drängten.

Der letzte Käfer wurde von meiner Faust zerquetscht. Es blieb nur ein feuchter Fleck. Ich hatte mich einfach nicht mehr zurückhalten können, aber jetzt ging es um Archie Todd, der reglos neben mir lag und die schlimmsten Befürchtungen in mir aufsteigen ließ.

Meine Hand glitt an seiner linken Halsseite entlang. Da war nichts mehr zu spüren. Kein Zucken, kein Schlagen – nichts. Für einen Moment schloss ich die Augen. Ich fühlte mich ausgelaugt, wie jemand, der verloren hat. Ich hatte Archie Todd nicht helfen können.

Die andere Kraft hatte schon lange in ihm gesteckt, und er hatte es gewusst. Deshalb auch seine verzweifelte Tat, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich sah ihn nun in einem anderen Licht, auch wenn ich für die Entführung keine Entschuldigung gelten lassen konnte.

Er hatte mit mir reden wollen, aber es war ihm nicht mehr gelungen, die ganze Wahrheit zu sagen. Die andere Seite war eben zu stark gewesen und hatte ihn grausam erwischt.

Ich spürte in meinen Beinen die Spannung, stand wieder auf und leuchtete in die Runde.

Nichts war zu sehen. Es krabbelte kein einziger Käfer davon. Alle hatten sie es verstanden, sich in irgendwelchen Löchern zu verstecken, und sie hatten einen Toten hinterlassen.

Schon jetzt bauten sich bei mir die Fragen auf. Woher waren sie gekommen? Wie hatten sie den Weg in Archies Körper gefunden?

Für mich stand eines fest: Es würde meine Aufgabe sein, dies herauszufinden.

Ich schrak zusammen, als Burns' Stimme plötzlich meine Ohren malträtierte. Er hatte in seine Flüstertüte hineingebrüllt und wollte wissen, wie es mir ging und was geschehen war.

Ich ging zur Tür. Die Männer da draußen hatte ich völlig vergessen.

Als ich die Tür öffnete, blendete mich das Licht der Scheinwerfer. Auf mein Winken hin reduzierten die Männer das Licht.

Burns kam auf die Tür der Hütte zu. Das Megafon trug er nicht mehr bei sich. Als er in Sprechweite stehenblieb, versuchte er, an mir vorbei in das Innere zu schauen, aber ich versperrte ihm das Blickfeld. »Was ist geschehen, Sinclair?«

»Todd lebt nicht mehr.«

Burns' Kinnlade fiel nach unten. »Das darf doch nicht wahr sein«, sagte er, als er sich wieder gefasst hatte. »Er ist tot?«

»Wie ich es Ihnen sagte.«

Sein Mund zeigte ein schiefes Grinsen. »Jetzt mal langsam, Sinclair! Dann haben Sie ihn, ich meine ...«

»Nein, nicht ich.«