John Sinclair Sonder-Edition 187 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 187 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Zavelstein - eine Burgruine, romantisch gelegen mitten im Schwarzwald. Ein Ort der Ruhe und der Einkehr. Auch für Hildegard von Zavelsreuth, die Regisseurin, die in ihrer Heimat eigentlich nur ausspannen wollte. Was die Regisseurin nicht wusste - seit Jahrhunderten schon bedrohte ein Fluch ihre Familie.
Urplötzlich geriet die Frau nun in einen Strudel bizarrster Ereignisse. Wer war der geheimnisvolle Geisterritter, der drohte, sie zu köpfen? Wie lange hauste dieser Geist schon in den Ruinen der Burg? Hildegard wusste sich keinen Rat mehr. Ihre letzte Hoffnung: ein guter Freund aus der Vergangenheit.
Und dieser Freund war ich!


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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Edelmann und Satansfreund

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Edelmann und Satansfreund

von Jason Dark

Zavelstein – eine Burgruine, romantisch gelegen mitten im Schwarzwald. Ein Ort der Ruhe und der Einkehr. Auch für Hildegard von Zavelsreuth, die Regisseurin, die in ihrer Heimat eigentlich nur ausspannen wollte. Was die Regisseurin nicht wusste – seit Jahrhunderten schon bedrohte ein Fluch ihre Familie.

Urplötzlich geriet die Frau nun in einen Strudel bizarrster Ereignisse. Wer war der geheimnisvolle Geisterritter, der drohte, sie zu köpfen? Wie lange hauste dieser Geist schon in den Ruinen der Burg? Hildegard wusste sich keinen Rat mehr. Ihre letzte Hoffnung: ein guter Freund aus der Vergangenheit.

Und dieser Freund war ich!

Der Tag war warm, die Sonne schien, der Frühling lockte die Menschen ins Freie. Aber nicht dorthin, wo Hildegard von Zavelsreuth jeden Morgen joggte. Diese Gegend war ziemlich einsam. Begleitet wurde sie nur von dem träge dahinfließenden Wasser eines alten Themsekanals, an dessen Ufern hin und wieder Hausboote lagen, die schon so verrottet waren, dass nicht einmal mehr Junkies darauf leben mochten.

Und doch sollte ihr ein solches Boot zum Verhängnis werden, denn plötzlich waren die beiden Gestalten da.

Sie mussten in Deckung der zerfallenen Aufbauten des alten Kahns gelauert haben und hatten genau den Moment abgepasst, der für ihr Vorhaben am günstigsten war.

Wie zwei Geister aus der Schattenwelt standen sie plötzlich vor ihr. Hilde konnte den Lauf nicht mehr stoppen. Sie federte in die ausgebreiteten Arme der beiden hinein, hörte das dreckige Lachen und erhielt einen Stoß, der sie zu Boden schleuderte.

Auf dem Rücken blieb sie liegen. Es war keine Zeit, um Schmerz zu empfinden. Die Frau starrte schräg in die Höhe und konnte erkennen, dass die Kerle nur zwei Schritte von ihr entfernt standen.

Breitbeinig, wie Säulen, die niemand aus dem Weg schaffen konnte. Die Wolken am Himmel waren aufgerissen, und die Sonne schickte ihre Strahlen auf die Erde.

Sie trafen auch die beiden Klingen der Messer, die aus den Händen der Kerle ragten. Da wurde Hildegard von Zavelsreuth endgültig klar, dass dies hier kein Spiel war und auch nicht zu einer Filmszene gehörte, wie sonst in ihrem Leben.

Das hier war echt. Verflucht echt sogar. Und es konnte blutig echt werden.

Sie hatte sich auf die Ellbogen der angewinkelten Arme gestützt und atmete heftig. Ihr grauer Jogginganzug mit den roten Streifen lag eng an. Bei jedem Atemzug hoben und senkten sich ihre Brüste, und genau auf diese Gegend ihres Körpers starrten die beiden Kerle mit hungrigen Blicken.

Sie hatte den Schock überwunden. Hildegard spürte den Schmerz an ihrem Hinterkopf, mit dem sie hart auf den Boden geschlagen war. Auf der Oberlippe lag ein Schweißfilm. Auch das blonde Haar, von einem roten Stirnband gehalten, war schweißnass von der Anstrengung des Joggens. Das Zittern jedoch war eine Folge der Angst.

Die beiden Typen sah sie wie durch einen Schleier. Sie waren noch jung, knapp über Zwanzig, aber sie gehörten zu den Verlierern in dieser harten Gesellschaft, das sah sie ihnen an. Sie wirkten ungepflegt. Schmutzige Jeans und Jacken. Fleckige T-Shirts. Turnschuhe, die aussahen wie löcheriger Käse.

»Was wollt ihr?« Hilde wunderte sich, überhaupt sprechen zu können. Es waren die einzigen Worte, die ihr einfielen.

Der Rechte der beiden lachte schrill. »Hast du gehört, Calvin? Sie will wissen, was wir von ihr wollen. Soll ich es ihr sagen?«

»Klar doch«, erwiderte Calvin, der sein dunkles Haar zu Zöpfen zusammengeflochten hatte.

»Wir wollen dich, Süße. Dich, verstehst du? Wir brauchen eine Frau. Wir sind echte Kerle und nicht schwul. Deshalb haben wir uns gedacht, dass du gerade richtig bist.«

»Nein«, flüsterte sie. »Nein, nicht das.« Blut schoss wie eine Welle in ihr Gesicht. »Bitte nicht. Ihr bekommt von mir Geld. Wir können in mein Hotel gehen, dann ...«

Calvin lachte. »Hör auf. Sehen wir denn aus, als wollten wir Geld von dir haben?«

»Aber das ist doch besser.« Hildes Nerven flatterten. »Da könnt ihr euch Frauen kaufen. Welche, die besser aussehen als ich. Versteht ihr das? Mit Geld kann man ...«

»Die wollen wir nicht«, sagte der zweite. Er hatte eine dunklere Hautfarbe. Ein Elternteil musste bei ihm aus einem exotischen Land stammen. Über seiner Oberlippe glühte feuerrot eine Narbe. »Wir sind nicht so scharf auf andere. Du reichst uns. Und wir werden alle drei viel Spaß haben, nicht wahr, Calvin?«

»Klar, Shooty.« Calvin deutete mit dem Messer auf seinen Freund, als er sich an die Joggerin wandte. »Shooty ist berühmt für sein Stehvermögen. Du wirst es erleben. Gleich, in wenigen Minuten.«

»Nein!«, brach es aus Hilde hervor. »Nein, ich will nicht. Ich will es nicht, mein Gott!« Sie bewegte sich auf dem Boden zurück, aber Shooty trat einen Schritt nach vorn, dann noch einen, und plötzlich drückte sein Fuß so hart auf Hildes Bauch, dass sie würgen musste.

Shooty grinste ihr von oben her ins Gesicht. »Sei doch nicht so blöd, Lady, ich bin wirklich gut. Das haben mir schon viele gesagt. Frauen wie du, die sich für was Besseres halten und ...«

Hilde würgte, aber sie sprach dazwischen. »Ich halte mich nicht für was Besseres, verdammt.«

»Das werden wir gleich sehen. Geschrien und gejubelt haben sie bei mir immer.«

Calvin lachte dazu. »Es stimmt, was Shooty sagt. Die Frauen waren stets zufrieden.«

Shooty leckte über seine Lippen, als er den Fuß wieder wegnahm. Hilde rang nach Atem. Für einen Moment verschwammen die Männer vor ihren Augen. Sie blickte noch nicht klar, als sie zum ersten Mal angefasst wurde. Die Messer hatten die beiden in den Händen behalten. Mit ihren freien Händen zogen sie die Frau ruckartig in die Höhe und hielten sie an den Ellbogen gepackt mit Griffen, die ihr Schmerzen zufügten. Sie schleiften sie vor, und Hilde setzte automatisch einen Fuß vor den anderen.

Hier, am Ufer des Kanals, blieben sie nicht. Nicht weit entfernt stand eine Brücke. Eine Bauruine, denn die Straße, die hier einmal über den Kanal hatte führen sollen, war nicht weitergebaut worden. Das Ding stand wie ein Mahnmal der Umweltzerstörung mitten im Gelände. An einer Seite führte eine Böschung zu ihr hoch, an der gegenüberliegenden war die Erde durch starke Regengüsse abgetragen worden.

Hilde ging zwischen den Kerlen. Sie wusste nicht, was sie noch tun konnte. Sie weinte. Tränen verschleierten ihren Blick. In einer derartigen Lage hatte sich die Deutsche noch nie befunden. Sie hatte nur immer wieder von Vergewaltigungen gehört oder darüber gelesen. Aber sie hätte nie gedacht, dass es einmal auch sie treffen könnte.

Beide waren guter Laune, als sie ihr Opfer unter die Brücke zerrten.

Das Unkraut wuchs hier kniehoch, was Calvin zu einer Bemerkung veranlasste. »Hier liegst du weich, Lady.« Er lachte wieder und stierte sie von der Seite aus großen Augen an. Seine Pupillen aber waren klein. Er stand unter Stoff, ebenso wie sein Kumpan.

Die Zeit verging zu schnell. Hilde wünschte sich in eine ihrer Filmszenen zurück oder in einen Traum, aus dem sie erwachen würde. Aber davon konnte nicht die Rede sein. Der ungeheure Stress hatte ihre Sinne geschärft. Sie merkte den Wind deutlicher, der kalt und zugig unter der Brücke wehte, und sie nahm auch die Gerüche stärker auf. Es gab hier Unkraut, das einen gewissen Duft abgab, sie kannte es aus ihrer Heimat, dem schönen Schwarzwald, aber sie nahm nur den Geruch der beiden Kerle wahr, und die stanken widerlich.

Der eine roch stark nach Kümmel und Schweiß. Der Farbige nach irgendwelchen fremden und exotischen Gewürzen, deren Duft aus seinen Poren drang.

Shooty summte einen Hit vor sich hin. Dann, fast brutal, zerrten die beiden Männer die Frau zurück, und die Wirklichkeit hatte sie wieder. Das bedeutete die Hand des Farbigen an ihrer Kehle. Hilde musste würgen. Sie öffnete den Mund. Speichel lief über ihre Lippen.

Shooty grinste sie mit geschlossenem Mund an. Dann schob er sie zurück, ohne dass er die Hand von ihrer Kehle nahm. Drei, vier Schritte taumelte Hildegard nach hinten, bis sie die Härte der Betonwand spürte und stehenbleiben musste.

Shootys Hand sackte nach unten. Wie zufällig kneteten die Finger für einen winzigen Augenblick die Brüste der Frau. Hilde zuckte unter der Berührung zusammen. Sie verkrampfte sich noch mehr. Das linke Bein hob sie an und presste die Wade gegen ihr rechtes Schienbein.

Wieder standen die Kerle vor ihr. Sie waren zufrieden. Mit den Blicken wurde Hilde bereits ausgezogen. Calvin meinte: »Sehr viel Zeit haben wir nicht, Lady, aber wir wollen auch nicht zu lange warten, weißt du? Shooty hat nämlich Druck.«

»Stimmt«, bestätigte dieser.

»Deshalb solltest du dich ausziehen«, sagte Calvin. »Und zwar sofort. Wir wollen deine Titten und noch mehr sehen.«

Hildegard von Zavelsreuth zitterte. Was, um alles in der Welt, sollte sie tun? Sie befand sich in einer aussichtslosen Lage. Wenn es einer gewesen wäre, okay, dem hätte sie ihr Knie in den Unterleib gerammt und wäre ihm bestimmt davongerannt, so wie sie im Training war.

Aber zwei?

Wenn sie einen erwischte, war immer noch der andere da. Und der hatte ein Messer. Sie ging davon aus, dass er es nicht zum Spaß bei sich trug, sondern auch damit umgehen konnte. Was Sekunden später Shooty bewies, dem alles zu lange dauerte.

Urplötzlich spürte Hilde die Stahlspitze an ihrer Kehle. Sie versteifte. Das Blut in ihren Adern verwandelte sich zu Eis, und sie wunderte sich darüber, wie starr ein Mensch werden konnte. Selbst ihr Herzschlag schien ausgesetzt zu haben. Sie wünschte sich plötzlich, tot zu sein. Aber sie lebte, sie blieb auch am Leben, denn ein Mensch kann in extremen Situationen viel aushalten.

Die Starre hatte sicherlich keine halbe Sekunde gedauert. Es kam ihr nur so vor, und sie merkte, wie sie in der Lage war, wieder die Umgebung auf sich einwirken zu lassen. Der Druck der Messerspitze war noch vorhanden. Auf ihrem Hals zeichnete sich eine kleine Wunde ab.

»Du hast es immer noch nicht kapiert!«, stieß Shooty heiser hervor. »Noch immer nicht. Ich bin geil. Ich will nicht mehr warten.«

Er bewegte seine rechte Hand nach unten, und mit ihr fand das Messer seinen Weg.

Hildegard von Zavelsreuth erlebte, wie scharf die Klinge auch an den Seiten war. Sie schnitt durch den Stoff ihres Jogginganzugs wie durch dünnes Papier, ohne dabei ihre Haut zu ritzen.

Sie ließ alles mit sich geschehen und starrte an der rechten Schulter des Mannes vorbei, direkt in das grinsende Gesicht des anderen, der seinen Spaß hatte und das Messer dabei immer wieder von einer Hand in die andere warf.

»Nach ihm bin ich an der Reihe. Und ich kenne noch andere Tricks. Soll ich sie dir schon verraten?«

Hilde schüttelte den Kopf. Sie wollte nichts, aber auch gar nichts wissen. Sie brauchte nur ihre Ruhe, sie wünschte sich in das Hotel zurück oder in das Studio. Stattdessen aber fuhr der kalte Wind über ihre Haut hinweg, denn Shooty hatte ihr mit einer blitzschnellen Bewegung das zerfetzte Oberteil abgerissen.

Jetzt trug sie nur noch ein dünnes Herrenhemd, unter dessen Stoff sich ihre Brüste deutlich abzeichneten.

Shooty lachte und machte weiter. Jetzt war die Jogginghose an der Reihe. »Mann, du bist ja wie ein Überraschungsgeschenk, Lady. Je mehr es ausgepackt wird, umso tollere Dinge kommen zum Vorschein. Wirklich super.«

Das Messer berührte das breite Gummiband der Hose.

Ein Ruck.

Der erste Schnitt war getan.

Hilde presste ihre Beine zusammen. Das Messer wanderte weiter. Der Wind strich bereits über ihre nackten Oberschenkel, und die Klinge näherte sich ihrer Intimzone. Sie fuhr rechts daran vorbei, das Hosenbein wurde geteilt, dann wanderte die Klinge wieder hoch, ohne die Frau allerdings zu verletzen.

Erst als sich Shooty um ihr linkes Bein kümmerte, spürte sie wieder den leichten Druck.

Der Stoff klaffte auseinander. Shootys Augen glitten nach unten, wo sich der Slip abzeichnete. Er war dünn und seidig. Der Farbige pfiff durch den linken Mundwinkel. »Du bist ja eine echte Blondine, Lady. Die mag ich besonders.«

Hildegard von Zavelsreuth versuchte es ein letztes Mal. »Bitte«, flehte sie. »Lassen Sie mich doch in Ruhe. Bitte ... bitte ... ich ... ich ...«

»Hör auf zu flennen. Später wirst du vor Wonne schreien, verdammt.« Shooty streckte seine rechte Hand aus. Die dunklen Finger mit den hellen Nägeln fassten in den halbrunden Ausschnitt des Herrenhemds, um das Kleidungsstück zu zerreißen.

Shooty hatte bereits angesetzt, als etwas völlig Unerwartetes passierte. Beide Männer hörten das lustige Pfeifen, das unter der Brücke besonders laut klang.

Sie blickten nach rechts.

Und sie sahen den Mann, der wie ein Betrunkener ging und auf sie zu torkelte.

Die Kerle waren so überrascht, dass sie zunächst einmal nichts taten, sondern nur hinschauten. Der Mann näherte sich, er pfiff auch weiter, bis Calvin schließlich nickte. »Okay, Shooty, halte du die Lady hier fest. Ich kümmere mich um den Ritter ...«

»Mach ich doch glatt, Kumpel. Und sei nicht zu zimperlich. Blut geilt mich noch mehr auf.«

»Keine Sorge, der wird so schnell nicht mehr aufstehen ...«

Es gibt Morgenstunden im Frühling, die können noch so schön und sonnig sein, aber man verflucht sie trotzdem. Mir erging es so an diesem Tag, denn ich hatte mich schon sehr früh mit einem Kollegen verabredet, der als sogenannter Undercoveragent arbeitete. Zwar wurde er von der Polizei bezahlt, mochte sich aber möglichst nicht zusammen mit seinen Kollegen blicken lassen und bevorzugte deshalb nur konspirative Treffpunkte – was wir akzeptieren mussten.

Normalerweise traf ich mich mit irgendwelchen Informanten immer am Abend oder in der Nacht. Da aber war Miller – so wurde er bei uns geführt –, unterwegs. Deshalb hatte er den frühen Morgen vorgeschlagen, und dazu einen Treffpunkt, der einsam lag. Nahe an einer Brücke, die aus Geldmangel nicht mehr zu Ende gebaut worden war und nicht weit von einem toten Arm der Themse entfernt lag.

Ich hatte meinen Wagen abgestellt und war den Rest zu Fuß gegangen. Zwar stand hier eine halbfertige Brücke, aber eine Straße gab es nicht. Auch keinen Weg. So hockte ich nahe der Brücke am Rand der Böschung direkt neben einem Kreuz, das einige Umweltschützer aufgebaut und mit einem Spruch versehen hatten.

HIER WURDE ERST GEBAUT UND ANSCHLIESSEND GESAUT.

Irgendwo hatten die Leute recht, denn dieses Ding war in der Tat ein Schandfleck, aber im Moment nicht mein Problem, da ich auf den guten Miller wartete.

Angeblich war er bei seinen Recherchen nach irgendwelchen Kokain-Haien auf eine asiatische Sekte gestoßen, die Menschen entführte, um ihr Blut der Göttin Kali zu weihen.

Mehr wusste ich auch nicht. Einzelheiten wollte er mir an diesem Morgen mitteilen.

Von Miller war weit und breit nichts zu sehen, also machte ich es mir bequem und ließ mich auf einem auf einem Stein nieder.

Eigentlich hatte ich es ja gut. Die meisten Menschen hockten um diese Zeit in überfüllten U-Bahnen oder in ihren Autos, mit denen sie unter Garantie in den Stau fuhren. Ich konnte die Sonne genießen und einen Geruch einsaugen, der so gar nichts mit der Londoner Abgashölle zu tun hatte. Hier stank es weder nach Abgasen noch nach irgendwelchen anderen Ausdünstungen. Und selbst der Kanal strömte keinen fauligen Geruch aus. Das würde erst bei schwülem Wetter geschehen, wenn auch die Mücken über dem Wasser tanzten.

Pünktlich war Miller nicht. Als ich den Arm bewegte und auf die Uhr schaute, war er bereits acht Minuten überfällig. Nicht jeder kann ein Pünktlichkeitsfanatiker sein, bei ihm hätte ich mir das schon gewünscht. Schließlich wollten wir uns hier nicht zu einem Kaffeeklatsch treffen.

Ich wusste nicht einmal, wie dieser Miller aussah. Man hatte mir gesagt, dass er mich finden würde. Wahrscheinlich tauchte er sogar verkleidet bei mir auf. Zuzutrauen waren ihm derartige Mätzchen, denn er wurde nur der Schatten genannt.

Vögel segelten über mir durch die Luft. Hin und wieder sah ich sogar eine Möwe. Diese Tiere waren jedoch in der Unterzahl. Zumeist drang das Gezwitscher von Spatzen an meine Ohren.

Da ich recht hoch auf der Böschung saß, war mein Blick dementsprechend gut. Ich konnte den Kanal überblicken, dessen Wasserfläche sehr dunkel war. Die Farben Grün und Schwarz flossen ineinander. An manchen Stellen schwamm Abfall auf der Oberfläche. Umweltsünder hatten das Gewässer als wilde Müllkippe zweckentfremdet.

Ein frischer, ein sonniger, einfach ein herrlicher Morgen. Miller brauchte nicht unbedingt hier zu erscheinen. Ich gab ihm noch zwanzig Minuten. Würde er bis dahin nicht auftauchen, würde ich wieder zum Wagen zurückgehen und langsam in die Stadt fahren, auch wenn es mich nicht gerade dazu trieb, ins Büro zu kommen.

Es herrschte eine angenehme Ruhe. So hörte ich die regelmäßig aufklingenden Geräusche, die sich mir näherten, sofort. Es war ein gleichmäßiges Tappen, begleitet von heftigen Atemzügen. Im ersten Moment war ich irritiert, dann aber musste ich lächeln, denn ich sah eine blonde Frau, die am Ufer des Kanals entlang joggte.

Es war eine Frau und nicht der verkleidete Miller. Die Sonne blendete mich etwas, sodass ich sie nicht genau erkennen konnte. Es musste Spaß machen, in dieser Einsamkeit zu joggen, denn hier wurde sie nicht von anderen Läufern gestört, die ihr in die Quere kamen, wie es in den großen Parks der Fall war, wo es regelrechte Parcours für Jogger gab.

Die Frau war von links gekommen. Sie entschwand meinem Blickfeld ungefähr dort, wo ich gerade noch die Aufbauten eines alten Boots erkennen konnte.

Ich lehnte mich wieder zurück. Die Sitzfläche war zwar hart, dafür genoss ich den Geruch des Grases auf der Böschung. Das roch schon alles nach einem herrlichen Urlaubsmorgen. Ich schloss die Augen und döste im warmen Sonnenschein tatsächlich vor mich hin.

Bis ich die Stimmen hörte.

Erschreckt und leicht schuldbewusst fuhr ich hoch, warf einen Blick auf die Uhr, dachte sofort an Miller, aber der stand nicht vor mir. Ich war nach wie vor allein. Nur hatte ich mir die Stimmen nicht eingebildet. Sie klangen zwar leise, aber die Leute mussten sich in meiner Nähe befinden.

Männerstimmen.

Dann die einer Frau!

Ich richtete mich auf. Der Klang der Frauenstimme hatte mir nicht gefallen. Er war nicht normal gewesen, sondern hatte sehr hoch und sogar schrill geklungen, fast wie ein Echo.

Ich dachte an die Joggerin. Ein ungutes Gefühl drückte in meiner Magengrube. So etwas wie eine Warnung. Da konnte sich möglicherweise etwas zusammenbrauen.

Der Schrei erschreckte mich. Hoch und ängstlich hatte er sich angehört.

Raues Lachen. Männer, die wohl ihren Spaß hatten. Plötzlich schrillten in meinem Kopf die Alarmglocken. Diese Gegend hier war einsam, aber nicht sicher, das hatte die Frau bestimmt erfahren müssen.

Plötzlich war Miller vergessen. Ich war auch wieder hellwach und lief mit raschen Schritten die Böschung hinab. Auf dem Weg zwischen ihr und dem Kanal blieb ich stehen. An dieser Stelle hatte ich die Frau vorbeilaufen sehen, aber jetzt war sie verschwunden.

Dafür hörte ich die Männerstimmen. Tatsächlich klangen sie unter dieser halbfertigen Brücke auf. Und was sie sagten, trieb mir zwar nicht die Schamröte ins Gesicht, ließ mich aber wütend werden. Denn diese Kommentare deuteten auf eine Vergewaltigung hin.

Der Boden war mit Gras bedeckt. So konnte ich mich der Brücke lautlos nähern. Ich blieb an der Ecke stehen und sah neben mir einige leere Bierdosen liegen. Das brachte mich auf eine Idee. Ich bückte mich, hob eine leere Dose auf und beschloss, den bühnenreifen Auftritt eines Betrunkenen hinzulegen.

Mit unsicherem Schritt umrundete ich den Pfeiler und fing an zu pfeifen. Ich taumelte dabei, hielt den Kopf gesenkt, schielte dabei jedoch in die Höhe. Was ich sah, gefiel mir überhaupt nicht. Zwei vergammelt aussehende, aber wohl auch gefährliche Typen hatten sich die Joggerin gekrallt und sie bereits halb ausgezogen. Die blonde Frau stand im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand. Sie hatte nicht die Spur einer Chance, den beiden Kerlen und ihren Messern zu entwischen.

Das heißt, einer von ihnen, der Weiße, wandte sich bereits ab. Er hatte mich gehört und gesehen, und das passte den Typen überhaupt nicht in den Kram.

Trotzdem spielte ich meine Rolle weiter. Ich pfiff, ich torkelte, sah, dass der Knabe mit dem Messer spielte, und bereitete mich auf einen harten Kampf vor. Aber ich tat so, als hätte ich ihn nicht gesehen, setzte noch die leere Dose mit der Öffnung beinahe gegen die Lippen und spielte ihnen weiterhin etwas vor.

Und dann war er da.

Plötzlich funkelte die Messerklinge in meiner Nähe, und ich stoppte. Schwankend blieb ich stehen. Es gelang mir, einen überraschten und zugleich dümmlichen Ausdruck in mein Gesicht zu zaubern. Mit der linken Hand wischte ich durch die Luft, wie jemand, der eine Mücke vertreiben will.

»He, was ist denn los?«

Das Messer berührte mein Kinn. Es tat weh, als es die Haut leicht einschnitt. Hinter der Klinge sah ich das Gesicht mit den tückischen Augen. »Hör zu, Schweinebacke.« Der Kerl hatte wohl den Film ›Die Hard‹ vor kurzem erst gesehen. »Du wirst dich jetzt hier verpissen, oder ich steche dich ab.«

»Abstechen?«, murmelte ich und spielte die Rolle auch weiterhin. »Was willst du abstechen?«

»Dich, du Arschloch.«

Ich lachte hoch und singend. »Das ist gut, das ist wirklich gut, mein Freund. Was tut ihr hier? Soll ich mit euch einen trinken? Ich habe nichts mehr. Dies ist die letzte Dose, weißt du, und ...«

»Stich ihn doch ab!«

Den Befehl hatte der andere gegeben, der Farbige, aber der Typ vor mir hörte nicht auf ihn. Stattdessen trat er zurück und schüttelte den Kopf. »Moment mal, bist du besoffen?«

»Nein, nur lustig.«

»Aber du riechst nicht nach Alkohol!«, flüsterte er. »Du willst mir hier was vorspielen, wie?«

Meine Hand mit der Dose rammte blitzschnell nach vorn und traf den Kerl mitten ins Gesicht. Er schrie nicht einmal auf, so überrascht war er. Dafür sah ich das Blut aus seiner Nase schießen. Zugleich lösten sich Tränen aus seinen Augen. Er würde mich kaum klar sehen können und musste auch den nächsten Hieb hinnehmen, der seinen Hals traf und ihn zu Boden schleuderte.

Dort blieb er liegen, während ich weiterlief, denn es gab da noch den zweiten, und der würde bestimmt nicht aufgeben.

Ich musste ihn erreicht haben, bevor er seine Überraschung überwunden hatte und in seiner Wut auf die Frau einstach oder sie als Geisel nahm.

Mit der Beretta konnte ich ihn am besten stoppen, aber ich sah, dass sich auch die Joggerin bewegte. Sie tat das einzig Richtige. Mit einem gezielten Tritt erwischte sie den Unterleib des Mannes, und der dachte nicht mehr an sein Messer, sondern nur noch an seine schmerzenden Genitalien.

Er riss seinen Mund weit auf. Dann ließ er das Messer fallen, um beide Hände freizuhaben, die er zwischen seine Beine presste. Wie ein Kreisel drehte er sich auf der Stelle. Ich packte ihn und wuchtete ihn ein Stück weiter zu Boden.

Diese Typen kannte ich. Sie waren der letzte Abschaum. Sie kannten kein Pardon, und sie töteten auch, wenn sie nicht bekamen, was sie wollten.

»Moment noch«, sagte ich zu der unbekannten Frau, lächelte und schleifte den Farbigen dorthin, wo sein Kumpan lag. Ein Paar Handschellen trug ich immer bei mir.

Bevor sich die Kerle versahen, hatte ich sie aneinander gekettet. Das Bein des Weißen war mit der Hand des Farbigen verbunden. Weg kamen sie so nicht.

Ich suchte sie noch nach Waffen ab, fand aber nichts. Die Kerle hatten sich nur auf ihre Messer verlassen.

Dann ging ich dorthin, wo die Frau noch immer an der Betonwand lehnte wie festgeklebt. Sie starrte mich ängstlich an. Sie zitterte und stand unter Schock.

Erst als ich lächelte, entspannte sie sich allmählich. Ich deutete auf ihre Kleidung. »Sie können sich jetzt wieder anziehen, Madam. Die Sache ist erledigt.«

»Danke, Mister«, sagte sie. »Vielen Dank!«

An der Aussprache hörte ich, dass sie Deutsche war. Wahrscheinlich eine Touristin, die irgendwelche Warnungen nicht ganz ernst genommen hatte und trotz allem allein joggte. Das war in dieser Zeit für eine Frau kaum noch möglich.