John Sinclair Sonder-Edition 189 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 189 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Ich begegnete Senta de Fries zum ersten Mal nachts an einer einsamen Tankstelle, und auf der Weiterfahrt entdeckte ich eine lebende Ratte im Auto. Später sah ich Senta in einem Biergarten wieder, und erneut erschien eine Ratte, die nun sogar eine Kellnerin angriff. Das dritte Mal traf ich auf die ungewöhnliche Frau in einer Bar, wo sie mit den Ratten tanzte. Da wusste ich über sie aber bereits Bescheid. Eine vierte Begegnung war unausweichlich, diesmal in den Abwasserkanälen unter der Stadt. Dort, im Reich der Rattenhexe, ging es für Suko und mich nun um Leben oder Tod ...


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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Die Rattenhexe

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Die Rattenhexe

von Jason Dark

Ich begegnete Senta de Fries zum ersten Mal nachts an einer einsamen Tankstelle, und auf der Weiterfahrt entdeckte ich eine lebende Ratte im Auto. Später sah ich Senta in einem Biergarten wieder, und erneut erschien eine Ratte, die nun sogar eine Kellnerin angriff. Das dritte Mal traf ich auf die ungewöhnliche Frau in einer Bar, wo sie mit den Ratten tanzte. Da wusste ich über sie aber bereits Bescheid. Eine vierte Begegnung war unausweichlich, diesmal in den Abwasserkanälen unter der Stadt. Dort, im Reich der Rattenhexe, ging es für Suko und mich nun um Leben oder Tod ...

Nackt bis auf einen schwarzen Slip lag Senta de Fries auf dem Fell. Es bedeckte die Liege und wurde von der Frau geliebt, weil es ihren Körper jedes Mal zu streicheln schien.

Senta atmete schwer. Sie fühlte sich als Eisklotz und als Vulkan zugleich. Paradox, aber so war sie. Und damit wurde sie auch fertig.

Im Raum war es dunkel. Und draußen lauerte die Nacht, sie versteckte ihre Boten. Senta wartete auf diese Boten, denn es waren ihre Freunde.

Es waren die Ratten ...

Es gibt Tage, die sollte man aus dem großen Tagebuch des Lebens einfach ausschneiden und sie in den Mülleimer werfen. Tage, an denen einem die Dinge keinen Spaß machen, zu denen man aber durch seinen Beruf verpflichtet ist.

So war es mir ergangen.

Ein zweitägiges Seminar. Schrecklich. Zuhören, aufschreiben, hin und wieder eine Pause. Anschließend ein neues Referat, Statistiken und natürlich die damit verbundenen Diskussionen über das Thema.

Eine Quälerei erster Güte, die ich so ziemlich an mir hatte vorbeirauschen lassen. Hinzu kam die Lage des Hotels, in dem das Seminar abgehalten wurde. Sehr einsam, für sich stehend, der nächste Ort war nur durch einen Fußmarsch zu erreichen, denn das Auto sollte man bekanntlich stehenlassen, wenn die Tassen hochgehoben wurden. Die Leute blieben also im Hotel, dessen Bar aber auch nicht das Wahre war.

Einen Abend hatte ich bereits hinter mir, doch es war noch eine zweite Übernachtung vorgesehen. Darauf konnte ich gut und gern verzichten. Als der letzte Redner seinen Vortrag beendete, fiel mir ein Stein vom Herzen.

Ich hatte sowieso nicht mehr hingehört und mich gedanklich verabschiedet. Hatte aber darauf achten müssen, nicht einzuschlafen. So etwas wäre natürlich aufgefallen. Zudem hatten mich einige der Redner schon auf dem Kieker, weil ich mich kaum an den Diskussionen über irgendwelche psychologischen Probleme beteiligt hatte.

Meine kleine Reisetasche stand schon gepackt neben der Zimmertür. Ich fuhr nach oben, holte die Tasche und machte mich wieder auf den Weg zur Rezeption. In meinem Kopf war noch einiges nicht klar. Da schwirrte noch immer das Gehörte umher, und ich schrak zusammen, als plötzlich die Leiterin des Kurses vor mir stand.

»Sie wollen schon reisen, Mr. Sinclair?«

»Ja, das hatte ich vor.«

»Aber dieser Abend hätte noch nett werden können. In gemeinsamer Runde hätten wir noch Unklarheiten durch gemeinsame Diskussionen aus dem Weg räumen können.«

»Das glaube ich Ihnen gern, Mrs. Snyder-Wolbrook. Aber ich habe leider zu tun und muss so schnell wie möglich zurück nach London.«

Die Psychologin war damit nicht einverstanden. »Meinen Sie denn, die anderen hätten nichts zu tun?«

»Das kann ich nicht beurteilen.«

»Ich finde es unfair von Ihnen.«

»Wieso? Ich schade keinem damit.«

Sie blieb hart. »Der Allgemeinheit schon, auch der Gemeinschaft.«

Ich grinste die Frau an. Mrs. Snyder-Wolbrook machte den Eindruck einer Person, die selbst eine Psychologin brauchte. Sie war so etwas wie ein spätes Mädchen. Oder eine graue Maus, was auch an ihrer Kleidung lag, diesem etwas unmodernen Kostüm, und ihrem ebenfalls unmodernen Haarschnitt. Zudem hätte das Gesicht ein wenig Makeup vertragen können.

»Was – was ist denn? Mr. Sinclair?«

»Eigentlich nichts.«

Sie holte tief Luft. »Das sind auch wieder Worte, die ich als Antwort nicht akzeptieren kann. Die gehören zu diesen Allgemeinplätzen, mit denen Sie anderen wirklich keine Freude bereiten, Mr. Sinclair. Sagen Sie es doch.«

»Ja, gern. Es geht um Sie.«

»Oh! Um mich?«

»Ja, um Sie als Frau.«

Da hatte ich den richtigen Knopf gedrückt. Ihr Räuspern klang schon ziemlich beleidigt. »So hätte ich Sie nicht eingeschätzt«, erwiderte sie, nachdem sie Luft geholt hatte. »Nein, auf keinen Fall, Mr. Sinclair. Ich erahne Ihre Gedanken ...«

»So? Was denke ich denn?«

Mrs. Snyder-Wolbrook wurde tatsächlich rot. »Darüber möchte ich mit Ihnen nicht diskutieren.«

»Das hatte ich mir schon gedacht, Sie kleine Psycho-Bombe, und deshalb habe ich meine Tasche gepackt und werde von hier verschwinden. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, trotz der Probleme, mit denen Sie sich herumschlagen müssen.«

Sie lachte kieksend auf. »Probleme – ich?«

»Klar.«

»Die haben Sie, denn Sie wollen uns verlassen.«

»Klar, Gnädigste.« Ich hatte mir meine lockeren fünf Minuten genommen. »Die werde ich haben, denn in den folgenden Nächten werde ich bestimmt von Ihnen träumen. Als Seminarleiterin sind Sie einfach unvergesslich. Super, kann ich nur sagen.«

Diesmal war sie sprachlos. Als ich dann noch zum Abschied ihre blasse Wange tätschelte, schnappte sie nach Luft. Ich ging auf den Ausgang zu, drehte mich dort noch einmal um und sah die Frau mit dem Doppelnamen noch auf derselben Stelle stehen. Sprachlos und mit offenem Mund.

Puh, das war geschafft.

Die Dunkelheit hatte sich noch nicht völlig ausbreiten können. Aber die Dämmerung lag bereits am Himmel und umschloss die Landschaft mit ihrem ersten Grau.

Der Weg zum Eingang wurde durch Laternen markiert. Kugelige Monde auf langen Stäben. Gelbliches Licht ließ Schatten entstehen, und meine Laune war um einige Grade gestiegen. Dieses Hotel lag hinter mir. Dieser Mief und Muff ebenfalls. Ich beschloss, einen Bericht zu erstellen, in dem ich darum bat, mich nicht mehr zu solchen Seminaren zu schicken. Das brachte im Endeffekt gar nichts.

Die Fahrzeuge der Teilnehmer standen auf dem Hotelparkplatz. Ich war mit dem Rover gekommen und hatte ihn direkt an der Ausfahrt geparkt, wo er auch noch stand. Die Reisetasche warf ich auf den Rücksitz, stieg ein und gönnte dem Hotelbau noch einen letzten Blick.

»Auf Nimmerwiedersehen«, murmelte ich, bevor ich den Zündschlüssel umdrehte. Das Radio ging an, und ich dachte darüber nach, dass gut zweihundert Kilometer Fahrt vor mir lagen. Vielleicht würde ich noch vor Mitternacht London erreicht haben.

Bis zur Autobahn würde es dauern. Der Weg führte quer durch die flache Landschaft. Einsamkeit und viel Gegend begleiteten mich. Durch das offene Fenster war die Natur zu riechen. Besonders freute ich mich über den Geruch des frisch gemähten Grases. Er erinnerte mich immer an Urlaub in den Bergen.

Im Radio dudelte die Musik. Hin und wieder von einem Sprecher unterbrochen, der irgendwelche Leute interviewte, die sich selbst für besonders wichtig hielten, sodass ich gar nicht hinhörte.

Mir gefiel die Fahrt. Ich fühlte mich auch fit, da ich in den vergangenen Stunden abgeschaltet hatte. Dabei überlegte ich, ob ich wirklich die Autobahn nehmen sollte oder nicht lieber über Land fahren sollte. Ich verschob die Entscheidung und fuhr an der ersten Auffahrt vorbei.

Im Hotel würde es jetzt ein Essen geben. Das am Abend zuvor hatte mir schon nicht geschmeckt, und es würde an diesem Abend wohl kaum besser werden. Da war mir ein Hamburger schon lieber.

Ich war ziemlich locker während der Fahrt. Meine Gedanken strahlten schon nach vorn. Etwas Wichtiges lag sicherlich nicht an, sonst hätte man mich längst angerufen. Ich würde mich also auf einen ruhigen Tag einstellen können.

Der Himmel dunkelte immer mehr, als hätte jemand einen riesigen Reißverschluss geschlossen. Manchmal fuhr ich an Bauernhöfen vorbei, dann wieder an Scheunen, oder ich rollte durch kleine Orte, deren Namen ich noch nie zuvor gehört hatte.

Meine gute Laune verschwand allerdings, als ich einen Blick auf die Tankanzeige warf. Es durchzuckte mich heiß.

Ich musste tanken, wenn ich nicht gleich auf freiem Gelände eine Zwangspause einlegen wollte!

Ich kam mir vor wie ein Jäger, der seine Beute suchte. Wo gab es die nächste Station?

Zu sehen war natürlich nichts. Auch eine Ortschaft befand sich nicht in der Nähe. Die Straße vor mir sah ich als graues Band, das sich in Richtung Süden schlängelte, hin und wieder Kurven bildete, wobei ein Ende nicht zu sehen war. Ein kleiner Ort lag an der rechten Seite der Straße. Ich hatte das Schild gesehen, den Namen aber nicht lesen können. Dort wollte ich es versuchen.

Ein paar ferne Lichter gaben mir schon Hoffnung, und so fuhr ich auf das Dorf zu, in der Hoffnung, dort eine Tankstelle zu finden.

Ich sah aber keine. Dafür dunkle Häuser und nur wenige Menschen auf der Straße. Einen jungen Mann, der besorgt zum Himmel schaute, sprach ich an.

»Tankstelle?«, fragte er.

»Ja, das wäre super.«

»Da müssen Sie noch fahren.«

»Wohin?«

»Aus dem Kaff raus. Hinter der Rechtskurve finden Sie die Tankstelle.«

Meine nächste Frage war sehr wichtig, und ich stellte sie mit leicht vibrierender Stimme. »Ist die auch offen?«

»Hä? Das weiß ich nicht.«

»Wieso?«

»Mal ja, mal nein. Kommt ganz auf die Tagesform des Besitzers an. Das ist keine richtige Tankstelle, sondern mehr ein Laden für Autoersatzteile. Benzin können Sie dort aber auch kaufen. Wenn der alte Josh jedoch besoffen ist, geht da nichts mehr.«

»Meinst du, dass er nüchtern ist?«

»Kommt auf einen Versuch an, Mister.«

»Mir bleibt also nichts anderes übrig. Danke für den Tipp.«

»Geht schon klar. Viel Spaß.«

Spaß brauchte ich nicht, nur eben das richtige Quäntchen Glück, um an meinen Sprit zu kommen. Die Tankstelle würde ich sicherlich rasch finden. Sie lag ja an dieser Straße. Meine Laune war nicht mehr dieselbe, und sie sackte noch tiefer, als es plötzlich anfing zu regnen.

Es passierte blitzschnell. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und schickte einen Schauer auf die Erde, der sich gewaschen hatte. Auf einmal konnte ich nichts mehr sehen, denn die Wischerblätter schafften die Wassermassen kaum, die auf die Frontscheibe nieder prasselten.

Das waren regelrechte Wasserbomben, als wollten sie den Rover von der Straße spülen. Ich befand mich in einer fremden Umgebung und hatte jetzt noch größere Mühe, mich zurechtzufinden. Im Licht der Scheinwerfer sah ich die langen Wasserschnüre wie unendliche Perlenketten auf die Gegend herniedersausen. Die Tropfen hämmerten auf das Blech. Ohrenbetäubend.

Ich fuhr sehr langsam. Der Rover tastete sich beinahe durch die Sintflut. Ich dachte über eine Pause nach, doch schon nach wenigen Minuten wurde aus dem heftigen Schauer ein normaler Landregen.

Den schafften die Wischer. Ich konnte wieder besser sehen und hatte den Eindruck, durch ein großes Gewässer zu fahren. Rechts und links der Straße war das Land regelrecht überschwemmt, und die großen Pfützen auf der Fahrbahn wirkten wie kleine Teiche, durch die ich meinen Rover lenkte.

Gischt schäumte in die Höhe, während die letzten Häuser des kleinen Ortes bereits hinter mir lagen.

Irgendwo vor mir sollte ich die Tankstelle finden, die hoffentlich noch geöffnet war.

Der Regen rieselte weiter, ließ sich aber durchaus ertragen. Meine Anspannung war größtenteils verschwunden. Die Fahrt führte mich wieder tiefer hinein in die Einsamkeit. Der junge Mann hatte von einer Kurve gesprochen, hinter der ich die Tankstelle finden würde. Die Kurve war noch nicht in Sicht.

Ein Lächeln huschte über meine Lippen, als sie dann doch auftauchte. Daneben leuchtete eine Lampe. Erleichterung erfasste mich. Wo ein Licht brannte, waren sicherlich auch Menschen, und die Hoffnung stieg. Ich fuhr etwas langsamer. Hinter mir sah ich zwei Lichter. Im Innenspiegel schimmerten sie auf. Wahrscheinlich ein anderes Fahrzeug. Auf Strecken wie diesen kam ich mir vor, als hätte man mich aus der normalen Welt herausgerissen, denn so wenig Verkehr war ich von London her nicht gewohnt.

Ich setzte den Blinker, als ich die schmale Auffahrt erkannte. Sie war mit Schottersteinen befestigt, die viel Licht reflektierten.

Mich interessierten die beiden Zapfsäulen, weniger der Hintergrund, der aus mehreren flachen, barackenähnlichen Bauten bestand. Licht war hinter einem Fenster zu sehen.

Neben den Zapfsäulen hielt ich an. Beim Aussteigen erwischten mich die ersten Tropfen, obwohl die Tanksäulen durch ein kleines Dach geschützt waren.

War hier Selbstbedienung?

Ich wusste es nicht und ging auf die Baracke zu, in der das Licht brannte. Der Regen fiel kalt auf mich nieder. Jeden Tropfen spürte ich, aber er ließ sich ertragen.

Vor dem Fenster blieb ich stehen und fluchte leise, weil ich in einer Pfütze gelandet war. Ich blickte durch die Scheibe, die von keiner Gardine verdeckt war, und verschaffte mir einen ersten Überblick.

Der Raum war nicht mal klein. Dort saß ein Mann an einem grauen Tisch und schaute fern. Eine Sportsendung lief, ein Fußballspiel. Der Mann hatte keinen Blick für seine Umgebung. Er stopfte Erdnüsse in seinen Mund, kaute darauf herum und spülte sie mit Bier hinunter. Dann begann er wieder von vorn.

Ich hatte ihn mir älter vorgestellt, aber Josh war noch relativ jung. Auf seinem Kopf klebte eine graue Strickmütze, das Jeanshemd war fleckig, die Hose bestand aus Leder, und im Gesicht fiel die große Hakennase auf.

Ich klopfte gegen die Scheibe.

Josh reagierte nicht. Er aß und trank weiter. Wahrscheinlich hatte ich zu leise geklopft, was ich beim nächsten Versuch änderte. Endlich wurde Josh auf mich aufmerksam. Er drehte sich auf seinem Stuhl in meine Richtung und sah dann, wie ich winkte. Wahrscheinlich musste ich ihm im Halbdunkel wie ein Gespenst vorkommen, denn seine Haltung auf dem Stuhl versteifte sich.

Schließlich stand er auf. Er kam zum Fenster und öffnete es. Aus dem Raum drang mir ein komischer Geruch entgegen. Es roch nach Öl, aber auch nach Erdnüssen und Bier, denn Josh atmete mich direkt an.

»Guten Abend«, sagte ich.

»Okay, was gibt's?«

»Man hat mir gesagt, dass ich hier tanken kann.«

»Sicher.«

»Auch jetzt?«

»Ja, Sie haben Glück. Eine halbe Stunde später und ich wäre nicht mehr hier gewesen.«

»Der Regen, nicht?«

»Klar.«

»Dann kann ich also los?«

»Immer. Aber ich komme mit.« Er stieg durch das Fenster und sprang genau in die Pfütze hinein, in der ich zuvor gestanden hatte. Das gefiel ihm gar nicht. So lernte ich einige neue Flüche kennen.

Das Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Die Dose Bier hatte der Mann mitgenommen. Er blieb unter dem Vordach stehen und schaute zu, wie ich den Rüssel in die Tanköffnung steckte.

»Haben Sie es noch weit, Mister?«

Ich stemmte die Hände in die Hüften und sah aus wie ein Arbeiterdenkmal. »Bis London.«

»Das geht.«

»Klar, ist zu schaffen.«

Mit der freien Hand wies er zum Himmel. »Ist ein beschissenes Wetter.«

»Da haben Sie recht. Wissen Sie mehr?«

»Was heißt wissen.« Er schleuderte sich den Rest des Biers in den Rachen. »Es soll erst mal so bleiben. Ist aber typisch.« Er nickte mir zu. »Moment, ich schließe nur ab.«

Was er damit ausdrücken wollte, bekam ich wenig später zu sehen. Da stapfte er auf seine Bude zu, löschte das Licht und schloss das Fenster, kam mit einer Tasche heraus und verschloss die Tür. Die Tasche warf er in einen alten Ford Mustang, der ein paar Schritte entfernt parkte. Dann kam er wieder zu mir.

Der Tank war inzwischen voll. Ich hatte den Schlauch wieder eingehängt, und Josh schloss die Säule ab. Das Geld hielt ich schon in der Hand. Er nahm es, ohne nachzuzählen.

»Sie wollen auch weg?«, fragte ich.

»Ja. Ich habe noch zu tun.« Er grinste so breit, dass ich mir alles und nichts unter der Antwort vorstellen konnte.

»Dann darf ich Ihnen viel Spaß wünschen.«

»Den werde ich haben.«

»Und dass Sie nicht angehalten werden.«

Josh war schon auf dem Weg zum Mustang, blieb stehen und drehte sich um. »Wieso?«

»Wegen der Fahne.«

»Das ist nichts. Nur zwei Dosen Bier. Es gehört zur Nahrung. Ich war mal in Germany, in Bayern, da hat man mir das gesagt. Sehr gut, die Deutschen. Daran muss man sich halten.«

»Wie Sie meinen. Jedenfalls vielen Dank.«

»Wofür? Sie haben doch bezahlt.« Er öffnete die Tür seines Wagens und stieg ein. Als er startete, machten der Auspuff und der Motor gleichzeitig Krach. Der gute Josh würde besser seinen eigenen Wagen reparieren als die seiner Kunden.

Ich schaute den Heckleuchten nach. Es regnete noch immer. Die Tropfen ließen die roten Lichter verschwimmen, und es sah aus, als wäre der Mustang dabei, eine Blutspur hinter sich herzuziehen, die aber bald verschwand.

Ich war wieder allein. Jetzt, wo der Tank gefüllt war, ging es mir besser. Der Weiterfahrt nach London stand nichts mehr im Weg, abgesehen vom miesen Wetter. Wer auf der Insel lebte, war daran jedoch gewöhnt.

Ich setzte mich wieder in den Rover, wollte starten, als meine Hand bewegungslos vor dem Zündschlüssel hängenblieb. Ich machte dabei den Eindruck eines Mannes, der etwas vergessen hatte, aber das war es nicht, was mich irritierte.

Das Licht!

Es füllte den Innenraum des Rovers mit seiner unnatürlichen und schon blendenden Helligkeit, die durch das Rückfenster in den Wagen drang. Ich hörte auch ein anderes Fahrzeug – und den leichten Rums.

Scheiße! dachte ich. Verfluchter Mist! Da hatte mich doch jemand neben der Zapfsäule gerammt!

Ich war sauer, stinksauer sogar. Wie konnte man nur so blöd sein, aufzufahren? Die Person, die hinter dem Lenkrad saß, schien den Führerschein bei einer Lotterie gewonnen zu haben.

Viel konnte nicht passiert sein, denn ich war kaum nach vorn geworfen worden, aussteigen musste ich trotzdem. Der Gurt glitt an meiner Brust hoch, als ich ihn gelöst hatte, die Tür öffnete und den Rover verließ.

Er war tatsächlich von einem anderen Fahrzeug ›geküsst‹ worden. Dunkel stand es hinter mir, größer als der Rover, und der Regen hatte sich auf die Karosserie gelegt wie Lack.

Ich warf den Wagenschlag wieder zu und ging betont langsam zum Heck. Der andere Wagen war ein großer BMW, und ich war jetzt wirklich auf den Fahrer gespannt.

Irrtum – es war eine Fahrerin.

Ich sah es, als sich die Fahrertür öffnete. Dann kam ich mir vor wie in einem Film, denn da hätte die Szene nicht besser gedreht werden können.

Zwei Beine.

Herrlich gewachsen und lang, unendlich lang. Ein sehr kurzer, schwarzer Rock, der die Oberschenkel erst weit oben umschloss. Zum Rock passte der enge, weiße Pullover, und diese Farbe fand sich auch in den Haaren der Frau wieder, die ihr superblond und kurzgeschnitten auf dem Kopf lagen. Sie waren zu Strähnen zusammengefügt, die dort ein geordnetes Chaos bildeten. Ein sehr hübsches, rundes Gesicht mit großen Augen, in denen sich der Schrecken abmalte, was durchaus im Licht der einzigen Lampe zu sehen war.

Die Fahrerin strich mit der linken Hand über ihre Wange. »Meine Güte, was werden Sie jetzt von mir denken, Mister?«

»Das sage ich Ihnen lieber nicht«, erwiderte ich und lächelte dabei, denn der große Zorn war schon verraucht, was bei einem Mann wohl anders gewesen wäre.

»Ich ... wissen Sie, es kam so plötzlich. Ich wollte tanken. Ich war in Gedanken, dann habe ich zu spät gebremst. Das ist mir noch nie passiert.«

»Es erwischt jeden irgendwann.«

»Danke, dass Sie es so sehen.«

»Mal schauen, was passiert ist.« Ich sah mir die Stelle an, wo der BMW meinen Rover erwischt hatte. Viel war nicht zu erkennen. Die Wagen standen zu dicht beisammen, außerdem war das Licht nicht optimal.

»Soll ich mal etwas zurückfahren?«

»Das wäre gut.«

»Einen Moment.« Die Blonde stöckelte auf ihren hohen Absätzen zu ihrem Fahrzeug und stieg ein. Im Licht der Innenbeleuchtung gelang mir ein Blick in den BMW. Ich sah, dass sie eine Kiste oder etwas Ähnliches auf dem Rücksitz stehen hatte, dann konzentrierte ich mich wieder auf die Fahrerin, die das Auto behutsam zurücksetzte und nach einem halben Meter stoppte.

Der Zwischenraum war groß genug, um den Schaden begutachten zu können. Als die Frau ausstieg, hatte ich mich schon gebückt und schaute mir meine Stoßstange an.

Da war wirklich nicht viel passiert. Leicht eingedrückt in der Mitte, mehr nicht. Ich leuchtete mit meiner kleinen Lampe noch andere Stellen der Rückfront ab, ohne jedoch etwas zu finden.

»Und?«, hörte ich die zitternde Stimme in meiner Nähe.

Ich richtete mich wieder auf. »Es hält sich in Grenzen«, erklärte ich lächelnd.

»Was heißt das denn?« Sie war noch immer unsicher und sah so aus, als erwartete sie ein gewaltiges Donnerwetter, aber ich schüttelte nur den Kopf. »Das wird keine Probleme geben.«

Sie presste ihre Hand auf die linke Brust. »Da bin ich aber froh. Sie wollen nicht die Polizei einschalten?«, erkundigte sich die Frau noch einmal.

»Nein, warum? Fürchten Sie die Polizei? Haben Sie den Wagen vielleicht gestohlen?«

»Nein, das nicht. Um Himmels willen. Ich habe ihn nicht gestohlen. Er gehört mir nur nicht.«

»Aha.«

»Mein Chef hat ihn mir geliehen.«

»Zu einem solchen Chef kann man Ihnen nur gratulieren. Aber was treibt Sie überhaupt in diese nächtliche Einsamkeit hinein?«

»Ich muss nach London.«

»Sie auch?«

Die Frau lachte. »Ah, Sie ebenfalls. Das ist aber ein netter Zufall.« Sie kam näher und streckte mir die Hand entgegen. »Ich heiße übrigens Senta de Fries.«

»John Sinclair«, sagte ich und fasste ihre Hand, wobei ich zugleich das Streicheln ihrer Finger auf meiner Haut spürte und dann den Blick ihrer Augen sah, der schon einem Versprechen glich. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte diese Frau sehr helle und sehr blaue Augen, beinahe schon strahlend. Unsere Hände lösten sich wieder voneinander, und ich fragte sie, was wohl ihr Chef zu diesem kleinen Unfall sagen würde.

»Ach, der wird es kaum merken.«

»Meinen Sie?«

»Klar. Außerdem kommen wir gut miteinander aus.«

Ich wollte mich trotzdem überzeugen und trat dicht an ihren BMW heran. Auch dort war wirklich nicht viel zu sehen. Ein paar Schrammen, das war alles. »Glück gehabt«, sagte ich.

Sie konnte mich nicht hören, weil sie bereits wieder im Auto saß. Auf dem Fahrersitz hatte sich Senta de Fries gedreht und fuhrwerkte mit der Hand auf dem Rücksitz herum. Was sie dort tat, konnte ich nicht sehen, aber sie hörte auf, als sie mich an ihren BMW herantreten sah. Überraschend schnell stieg sie aus, ohne die Tür zu schließen. Ich bemerkte dies so nebenbei, dachte mir aber nichts.

Sie trat an eine Zapfsäule.

»Da werden Sie Pech haben, Miss de Fries. Der Pächter hat gerade Feierabend gemacht.«

»Was?«

»Leider.« Ich hob die Schultern. »Ich war sein letzter Kunde, dann ist er losgedüst.«

»Tja, da habe ich eben Pech gehabt.« Sie schaute für einen Moment ins Leere.

»Müssen Sie denn unbedingt tanken?«

»Nein, eigentlich nicht. Ich hatte gedacht, dass ich hier noch einen Schluck zu trinken bekomme. Deshalb habe ich die Tankstelle angefahren. Der Tank ist noch fast zur Hälfte gefüllt. Damit komme ich spielend bis London.«

»Das stimmt.«

»Gut«, sagte sie und lächelte mich an. »Dann werde ich jetzt wieder losdampfen. Und Sie machen auch keinen Ärger?«

»Bestimmt nicht.«

Senta nagte auf der Unterlippe und sah dabei sehr nachdenklich aus. Sie schien zu überlegen, ob sie meinen Worten trauen konnte. Dann legte sie plötzlich die Arme um mich, drückte mir zwei Küsse auf die Wangen und bedankte sich.

»Keine Ursache.«

Senta ging wieder zu ihrem Wagen, behielt mich dabei aber im Auge. »Vielleicht sehen wir uns mal. Meinen Namen kennen Sie ja, John. Würde mich freuen. Ehrlich.«

»Mich auch.«