John Sinclair Sonder-Edition 205 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 205 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Ich wusste, dass es im Leben meines Vaters ein Geheimnis gab. Bisher war es mir nicht gelungen, es zu enträtseln. Umso überraschter war ich, als ich den Anruf einer gewissen Janine Helder erhielt, einer ehemaligen Jugendfreundin meines Vaters. Sie lebte in einem kleinen Ort in Mittelengland.
Ich fuhr zu ihr, doch meine Erwartungen wurden enttäuscht. Stattdessen lernte ich Doreen La Monte kennen. Eine ungewöhnliche Frau, die mich darum bat, sie endlich zu töten, weil sie ihr Doppelleben - einmal Mensch, einmal Vampir - nicht länger ertragen konnte.
Das vermochte ich nicht übers Herz zu bringen und suchte nach einem Ausweg. Gemeinsam mit Doreen machte ich mich daher auf den Weg zur Burg der La Montes. Dorthin, wo sich bei Vollmond die Nachtgespenster und Doreens Vater, der Earl of La Monte, zum grässlichen Vampirreigen trafen ...


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Nachtgespenster

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Nachtgespenster

von Jason Dark

Ich wusste, dass es im Leben meines Vaters ein Geheimnis gab. Bisher war es mir nicht gelungen, es zu enträtseln. Umso überraschter war ich, als ich den Anruf einer gewissen Janine Helder erhielt, einer ehemaligen Jugendfreundin meines Vaters. Sie lebte in einem kleinen Ort in Mittelengland.

Ich fuhr zu ihr, doch meine Erwartungen wurden enttäuscht. Stattdessen lernte ich Doreen La Monte kennen. Eine ungewöhnliche Frau, die mich darum bat, sie endlich zu töten, weil sie ihr Doppelleben – einmal Mensch, einmal Vampir – nicht länger ertragen konnte.

Das vermochte ich nicht übers Herz zu bringen und suchte nach einem Ausweg. Gemeinsam mit Doreen machte ich mich daher auf den Weg zur Burg der La Montes. Dorthin, wo sich bei Vollmond die Nachtgespenster und Doreens Vater, der Earl of La Monte, zum grässlichen Vampirreigen trafen ...

Es war eine einsame, wilde und trotzdem romantische Gegend, durch die ich den Rover lenkte. Es dämmerte bereits. Schatten entstanden wie dunkle Inseln, als wollten sie alte, verwunschene Geschichten und Ereignisse vor den Blicken der Menschen verstecken.

Das Laub der Bäume ließ keinen Strahl mehr durch, denn die Sonne stand bereits tief im Westen. Sie hatte dort den Himmel gerötet, als wäre die Klappe eines Backofens geöffnet worden.

Ich fuhr nicht schnell. Die Umgebung zwang mich praktisch dazu, mir Zeit zu nehmen. Zwischen den beiden Städten Preston im Süden und Lancaster im Norden verteilten sich nur kleine, weit verstreute Orte in einer hügeligen, waldreichen Landschaft, die den überwiegenden Teil der Provinz Lancashire prägte.

Es war alles gut. Die Straße lud zum entspannten Fahren ein. Ich erlebte ständig ein anderes Bild. Mal rahmten dichte Laubbäume die Straße ein, dann wiederum befreite sich das schmale Asphaltband von seinen eigenen Schatten, ganz so, als wollte es die Bäume nicht mehr sehen und sie weit in den Hintergrund schieben. Der Blick des Fahrers klärte sich dann, und auch ich sah auf die Hügel und die sie überragenden Berge, die nicht allzu hoch waren, aber schon ein imposantes Bild abgaben und mich dabei an eine wellige Mauer erinnerten.

Nein, es war nicht alles gut!

Zumindest nicht bei mir, denn ich spürte eine innere Unruhe. Für die gab es äußerlich keinen Grund, denn es war niemand da, der mir hätte Böses tun wollen.

Die Unruhe war trotzdem da, und sie blieb.

Ein paarmal schon war ich versucht gewesen, anzuhalten, auszusteigen und einige Male um den Rover herumzugehen, um mich lockerer zu machen. Da wäre ich dann aber nur körperlich fitter geworden, nicht aber innerlich.

Ein Schweißfilm lag auf meiner Stirn und verteilte sich auch auf den Wangen.

Es musste wohl mit meinem Besuch in Claughton zusammenhängen. Dieser Ort in der Landschaft von Lancashire war mein Ziel. Denn dort wohnte eine Witwe namens Janine Helder, die mich vor zwei Tagen angerufen und zum Nachdenken gebracht hatte.

Noch jetzt, wenn ich daran dachte, lief die Szene wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab. Es war am frühen Abend gewesen, und ich hatte es mir in meiner Wohnung gerade bequem gemacht, als sich das Telefon, der moderne Quälgeist, meldete.

Nach dem Abheben hatte ich zuerst kaum etwas gehört, abgesehen von schnellen, hastigen Atemzügen. Für mich zunächst kleine Alarmsignale, die aber aufhörten, als sich die Frau meldete.

»John Sinclair?«

»Ja, am Apparat.«

»Mein Name ist Janine Helder.«

»Okay. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich rufe aus Claughton an.«

»Oh – muss ich das kennen?«

Sie lachte leise auf, und es hatte wie eine Entschuldigung geklungen. »Nein, das brauchen Sie nicht, Mr. Sinclair. Ich weiß auch nicht, ob es gut ist, was ich hier tue, habe lange gezögert, ob ich Sie überhaupt anrufen soll, aber jetzt ist es nun mal passiert. Sie können sich kaum vorstellen, wie aufgeregt ich bin, ausgerechnet mit dem Mann zu sprechen, der ... der ... nun ja, ich ...«

Ich wollte die Frau beruhigen. Ihre Stimme war immer hektischer geworden. Wie ein Wasserfall waren die Worte aus ihrem Mund geströmt, und zuletzt war sie leicht ins Stottern geraten. »Keine Sorge, Mrs. Helder, beruhigen Sie sich. Ich höre Ihnen gern zu.«

»Ja, das ist gut.«

»Worum geht es also?«

Wieder hörte ich den langen Atemzug, auch das Räuspern, dann endlich war die Frau in der Lage, auf den Kern des Problems zu sprechen zu kommen. »Es geht um Ihren Vater, Mr. Sinclair!«

Auf einmal war der Schmerz da. Wie mit einer Säge fraß er sich in meine Brust. Ich hatte Mühe, Luft zu bekommen, umfasste den Hörer fester und zitterte unmerklich, als wäre eine gewisse böse Vorahnung in mir hochgestiegen. »Bitte reden Sie weiter, Mrs. Helder«, erwiderte ich leise.

»Ich habe erfahren, dass er tot ist.«

»Das stimmt leider.«

»Und nun ... ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, Mr. Sinclair. Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen. Auch wenn der Tod Ihres Vaters schon länger zurückliegt.«

»Danke. Die Wunden sind noch frisch. Und es ist nicht nur mein Vater ums Leben gekommen. Meine Mutter ebenfalls.«

»Ja, das hörte ich auch. Ich kannte sie leider nicht. Sie muss eine liebe Frau gewesen sein.«

»Sicher«, sagte ich, »das war sie.« Ich setzte mich, weil ich ahnte, dass dieses Gespräch länger dauern würde. »Sie haben also meinen alten Herrn gekannt?«

»So ist es.«

»Wie gut, Mrs. Helder? Und wann ist das gewesen?«

»Vor langer Zeit. Da waren wir beide noch jung, sehr jung. Ihr Vater war auch ledig. Zu Studentenzeiten haben wir uns kennengelernt, und wir waren befreundet.«

»Nur? Oder ...«

Ich hörte ein etwas verlegen klingendes Lachen. »Es war das ›oder‹.« Dann seufzte die Anruferin. »Vielleicht wären wir sogar für immer zusammengeblieben, wenn ich nicht mein Studium hätte abbrechen müssen, um nach Haus zu kommen, wo meine Eltern auf mich warteten. Mein Vater ist damals verunglückt. Er war nicht tot, aber so schwer verletzt, dass er sich Zeit seines Lebens davon nicht mehr erholt hat. Wir wohnten damals in Blackpool, direkt an der Küste. Dort betrieben meine Eltern einen Gewürzhandel, und ich musste in die kleine Firma einsteigen.« Sie schien für einen klitzekleinen Moment von der eigenen Erinnerung überwältigt zu werden.

»Heute ist die Firma längst von einem größeren Unternehmen geschluckt worden, aber ich möchte nicht klagen, auch wenn ich jetzt wieder allein bin. Ich habe vor zwei Jahren meinen Mann verloren, und unsere Ehe ist leider kinderlos geblieben.« Sie seufzte. »Aber was erzähle ich Ihnen da, Mr. Sinclair, ich schweife nur ab.«

»Nein, nein, so dürfen Sie das nicht sehen, Mrs. Helder, ich höre schon gespannt zu.«

Sie musste sich räuspern. »Und nun steht die Vergangenheit wieder vor mir«, gab sie zu. »Als ich vom Tod Ihres Vaters erfuhr, war ich zunächst mal geschockt. Der berühmte Tritt in den Magen, wie Sie bestimmt verstehen können. Ich dachte mir, es mal zu versuchen. Das heißt, ich habe herausgefunden, dass Horace F. einen Sohn hat, der in London lebt. Nun, jetzt spreche ich mit Ihnen, Mr. Sinclair, und ich möchte Ihnen sagen, dass es mir leid um Ihre Eltern tut. Ich möchte mit meinem Anruf auf keinen Fall kaum verheilte Wunden aufreißen, aber gewisse Dinge im Leben müssen einfach ausgesprochen werden.«

»Da haben Sie recht, Mrs. Helder. Wie lange kannten Sie meinen Vater denn?«

»Einige Monate, fast ein Jahr waren wir zusammen. Später haben wir uns dann noch geschrieben. Das schlief allerdings ein. Unsere Wege waren zu verschieden.«

»Das ist eine relativ lange oder auch kurze Zeit«, sagte ich. »Da kommt es ganz auf den Blickwinkel an.«

»Sie sagen es.«

Während des Gesprächs hatte sich in meinem Kopf etwas aufgebaut. Es war ein erster nebulöser Plan. Dessen Basis hing zwar mit dem Tod meines Vaters zusammen, aber die Vergangenheit war in diesem Fall wichtiger.

Mein Vater hatte zeitlebens ein Geheimnis mit sich herumgetragen, über das selbst meine Mutter nicht eingeweiht worden war. Es war um die Sekte des äthiopischen Königs Lalibela gegangen, bei der mein Vater Mitglied gewesen war. Selbst ich hatte nichts davon gewusst und erst nach seinem Tod davon erfahren.

Noch jetzt erinnerte ich mich voller Schaudern daran, dass sich die Augen meines toten Vaters verfärbt hatten. Damals war ich tief erschüttert worden. Ich war später versucht gewesen, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, was mir leider nicht gelungen war. Aus Zeitgründen nicht, denn andere Fälle hatten mich zu sehr in Anspruch genommen.

Allerdings war mir bekannt, dass mein Vater dieser Sekte oder Vereinigung schon in frühen Jahren beigetreten war. Als junger Erwachsener gewissermaßen. Nur wusste ich über diese Zeit einfach zu wenig, und mit meiner Mutter konnte ich darüber auch nicht mehr sprechen.

Aber mit Janine Helder?

Es bot sich mir plötzlich eine Chance, Licht in das Dunkel der Vergangenheit meines Vaters zu bringen, und das war ein Ansatzpunkt, den ich mir nicht entgehen lassen wollte. Vielleicht konnte mir Janine Helder dabei weiterhelfen, doch nicht am Telefon.

»Ja, Mr. Sinclair, das hatte ich Ihnen eigentlich mitteilen wollen. Ich entschuldige mich noch einmal für diese Störung und möchte auch keine frisch verheilten Wunden aufgerissen haben, sodass ...«

»Ich bitte Sie, Mrs. Helder. Nein, das haben Sie auf keinen Fall getan. Ich bin ja froh, dass Sie mich angerufen haben.«

»Ach!«, staunte sie. »Tatsächlich?«

»Ja, Mrs. Helder. Sie haben mir praktisch ein Tor geöffnet, um es sinnbildlich zu sagen.«

»Das müssen Sie mir aber erklären.«

»Gern.« Ich schlug ein Bein über das andere. »Sie wohnen in Claughton, sagten Sie?«

»Genau. Es ist ein kleiner, ruhiger und schon beinahe romantischer Ort in Lancashire.«

Auch wenn sich meine Frage spontan anhörte, sie war es nicht. Ich hatte zuvor schon nachgedacht. »Darf ich Sie in Claughton besuchen, Mrs. Helder?«

Schweigen – Pause. Dann ein leiser, überrascht klingender Laut. »Besuchen, Mr. Sinclair? Sie wollen mich hier besuchen?«

»Sie haben richtig gehört«, bestätigte ich. »Nur wenn es Ihnen passt, natürlich.«

»Passt? Und ob es mir passt. Natürlich passt es mir. Ich freue mich darauf. Sie können auch bei mir übernachten. Mein Haus ist groß genug. Ich lebe allein. Jemand wie ich, der ist für jede Abwechslung sehr dankbar, Mr. Sinclair.«

»Das freut mich.«

»Wann darf ich Sie denn bei mir erwarten?«

»So schnell wie möglich komme ich zu Ihnen.«

»Morgen schon? Oder übermorgen?«

»Morgen früh fahre ich los. Sehr früh. Ich denke, dass ich dann gegen Abend bei Ihnen sein werde.«

»Das ist gut, Mr. Sinclair. Ich kann Sie verstehen. Sie möchten sich bestimmt mit mir über Ihren Vater unterhalten. Das ist oft so bei Söhnen, denke ich mir. Sie werden auch nicht enttäuscht sein, denn mir stehen noch die alten Fotos zur Verfügung, die damals geschossen worden sind.«

»Das ist mehr, als ich zu hoffen wagte.«

»Eine genaue Adresse brauche ich Ihnen nicht zu geben. Mich kennt in Claughton praktisch jeder.«

»Gut, bis morgen, Mrs. Helder.«

»Ich freue mich. Gute Reise.«

Der Hörer sank nur langsam wieder nach unten. Die Bewegung stand im glatten Gegenteil zu meinem inneren, aufgewühlten Zustand. Das Gespräch hatte mich zwar nicht aus der Bahn geworfen, aber nervös gemacht. Zum ersten Mal glaubte ich daran, so etwas wie das Ende eines Fadens in der Hand zu halten, was die jungen Jahre meines verstorbenen Vaters anging.

Auch eine Spur zu Lalibela?

Das war meine große und intensive Hoffnung. Mir war klar, dass es da noch große Geheimnisse gab. Diese Zeit war wie eine Schatztruhe für mich. Ich musste nur den Deckel abheben, um ihre Geheimnisse entdecken zu können. Zu welcher Seite sie sich allerdings neigten, das stand in den Sternen. Ich konnte positive, aber auch negative Überraschungen erleben. Auf beides stellte ich mich ein.

Allmählich drängten sich die Erinnerungen wieder aus meinem Kopf weg, und ich fand wieder zurück in die Wirklichkeit. Die sehr gerade Straße mit dem wenigen Verkehr, die Umgebung, die einen grauen Schleier erhalten hatte und jetzt sichtbar vor mir lag, denn die waldreichen Gebiete hatten sich zurückgezogen.

An der rechten Seite baute sich das Gelände zu mehreren grünen Hügeln auf, wobei einer von ihnen – der höchste –, schon einen bergigen Charakter angenommen hatte. Kurz vor der Spitze ging es ziemlich steil hoch, was nicht grundlos geschah. Die Umrisse einer alten Burg oder eines Schlosses fielen mir auf. Im Hintergrund zur Landschaft und zu dem dunkler werdenden Himmel wirkte die Burg wie gemalt. Einfach von einem Künstler sehr realistisch in die Luft hineingezeichnet, als wollte sie wie ein Wächter über die verstreut liegenden, kleinen Ortschaften wachen.

Weshalb mir beim Anblick der Burg ein kühler Schauer über den Rücken rieselte, wusste ich nicht. Es war einfach so, und ich nahm es hin, auch wenn es unnatürlich war.

Ich ging mit dem Tempo etwas herunter und griff nach der Karte. Das Ziel hatte ich rot markiert. Meiner Schätzung nach befand ich mich nur noch wenige Kilometer entfernt. Um nach Claughton zu gelangen, musste ich zuvor noch ein Waldstück durchqueren. Es lag wie ein dunkler Tunnel vor mir und rahmte die Fahrbahn ein.

In diesem Zwielicht wirkte das Licht der Scheinwerfer sehr bleich und irgendwie verloren. Totenlichter, die durch eine schattige Welt wanderten. Es war keine Gegend, die meine Stimmung anhob. Ich fühlte mich immer bedrückter und grübelte dabei über den Grund nach. Offiziell gab es keinen. Es war alles so normal, wie auch die Zeit zwischen Tag und Nacht.

Es machte mich nervös, nicht zu wissen, woher meine Unruhe rührte. Na ja, Gründe gab es ja immer irgendwelche. Gerade bei mir, denn ich beschäftigte mich nicht mit normalen Fällen.

Schatten, verzerrt und manchmal bösartig aussehend, huschten schwach über die Scheiben hinweg. Es waren die Abbildungen der Sträucher am Straßenrand, die immer höher wuchsen, als wollten sie mich irgendwann verschlingen.

Nur eine Einbildung, denn sie hatten den ersten Bäumen Platz schaffen müssen.

Äste und Zweige noch voller Laub, denn der Herbst würde noch auf sich warten lassen. Die Blätter hatten sich noch nicht gefärbt. In einigen Wochen würde es anders aussehen.

Der letzte Blick nach rechts hoch zur Burg. Sie war noch da, sie begleitete mich, und wieder erwischte mich das Rieseln, mit dem ich nicht zurechtkam.

Für einen Moment kam mir der Gedanke an eine Falle. Verbunden mit der Existenz der Janine Helder. Sollte sie mir etwa eine Falle gestellt haben?

Daran wollte ich nicht glauben, schloss es allerdings auch nicht aus. Ich hätte nach ihrem Anruf Erkundigungen einziehen sollen. Das hatte ich nicht getan. Mein Vertrauen war relativ naiv gewesen, aber ich würde und musste alles auf mich zukommen lassen. Man kann seiner eigenen Zukunft nicht entrinnen.

Die Landschaft an beiden Seiten der Landstraße war nicht mehr zu sehen. Der Wald hatte mich geschluckt, als wäre ich mit meinem Rover in ein großes Maul hineingefahren.

Schatten. Graues Licht. Lücken im Unterholz und im Geäst. Durch das Spiel aus Licht und Schatten entstanden seltsame Bilder, als hätten sich hier unruhige Geister zur Ruhe gesetzt, die nur dann erwachten, wenn sie vom Licht der Scheinwerfer erfasst wurden. Dann sah ich das Zucken am Wegrand.

Geister, ging es mir durch den Kopf.

Die Fantasie eines Menschen konnte sich schon bestimmte Vorstellungen machen, doch ich litt nicht darunter. Ich nahm es einfach hin. Es war mehr meine eigene Dummheit, dass ich mir derartige Dinge vorstellte. Und das passierte ausgerechnet mir, einem Geisterjäger. Schon lächerlich, wenn ich ehrlich war.

Sinclair, reiß dich zusammen, schärfte ich mir ein. Du reagierst wie ein kleiner Junge. Gleichzeitig suchte ich nach einer Entschuldigung. Ich war vorbelastet, denn das Gespräch mit Janine Helder hatte mich mehr aufgewühlt, als ich zugeben wollte. Zudem hoffte ich, nicht zu müde zu sein. Die Nacht würde sicherlich sehr lang werden.

Etwas huschte von links nach rechts durch das Licht der Scheinwerfer. Das Eichhörnchen war aus dem Unterholz hervorgesprungen und raste hüpfend über die Fahrbahn, bevor es auf der rechten Seite wieder Deckung suchte.

Ich hatte beim Erscheinen des Tieres reagiert und war automatisch langsamer gefahren. Das Tempo blieb, da ich damit rechnen musste, dass noch weitere Tiere auftauchten. Und ich wollte keines plattfahren. Ich schaltete das Fernlicht ein.

Helle Strahlen füllten diesen natürlichen Tunnel mit Licht. Rechts und links streiften sie das Unterholz und ließen es aussehen wie mit hellem Staub gepudert.

Auch die Stämme der Bäume hatten diese Farbe angenommen. Ihre dunkle Rinde erschien immer dann bleich und wie verzaubert, wenn das Licht darüber hinwegglitt.

Verzaubert kam mir auch die Gestalt an der rechten Seite der Straße vor. Sie stand einfach nur da. Das Licht erfasste sie, für einen Moment sah ich sie sehr gut und erkannte auch, dass sich dort eine junge Frau aufhielt.

Mein Denken benötigte eine zu lange Zeit, um zu realisieren, was ich da gesehen hatte. Dann aber war ich voll da und trat auf die Bremse. Ich wollte die Person aus der Nähe sehen und mit ihr sprechen.

Der Rover stand sofort.

Das Fernlicht strahlte ins Leere. Diesmal überquerte nicht einmal ein Tier die Straße. Die Frauengestalt kam mir vor wie ein Spuk. Aber ich hatte sie gesehen und sie mir nicht eingebildet.

Tatsächlich nicht?

Mein Zustand war nicht der beste. Die schummerige Realität, verbunden mit den Erinnerungen an die Vergangenheit hatten mich schon beeinflusst, aber nicht paranoid gemacht – eine Halluzination war diese Frau nicht gewesen! Ich hatte sie gesehen, und sie hatte am Wegrand gestanden. Im hohen Unterholz und mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt.

Zwar war ich darauf bedacht gewesen, so rasch wie möglich Janine Helder zu erreichen, jetzt aber kam es auf ein paar Minuten auch nicht mehr an. Ich wollte Klarheit über die Person haben, und deshalb stieg ich aus. Die Tür drückte ich sehr leise zu. Das Fernlicht hatte ich gelöscht. Wie ein starrer und dunkler Schatten stand mein Rover am Wegrand.

Ich verzichtete darauf, die Warnblinkanlage einzuschalten. In den letzten Minuten war mir kein Fahrzeug entgegengekommen, und ich hatte auch keines im Rückspiegel gesehen. Neben dem Rover blieb ich stehen, den Kopf zum Waldrand hin gedreht. Es passierte nichts. Der Wald schlief. Ein Geruch nach feuchter Erde und Blättern erreichte meine Nase. Es wehte ein ganz leichter Wind, nur ein paar höher wachsende Grasspitzen zitterten leicht.

Wo befand sich die Frau?

Ich sah sie nicht. Vor mir lag der graue Wald. Er war nicht mehr grün, die Schatten der lautlos anschleichenden Dämmerung hielten ihn bereits in seiner Gewalt. Sie waren in Bodenhöhe dichter als in den Kronen der Bäume, in denen ich noch hellere Stellen wie graue Flickstücke sah.

Ich hatte mir merken können, an welchem Baumstamm die unbekannte Frau gelehnt hatte. Dort ging ich hin und blieb in der gleichen Haltung stehen.

Es war vergebliche Liebesmüh, denn es fiel mir nichts auf. Selbst dann nicht, als ich den Boden im Strahl meiner kleinen Lampe absuchte.

Manchmal kann auch ich zäh sein. Eine innere Stimme sagte mir, dass ich nicht aufgeben durfte, und so erweiterte ich den Suchkreis. Und dann hatte ich Glück!

Ja, die Person hatte hier gestanden, und sie war schnell verschwunden, denn durch ihr Gewicht hatte sie das Gras zusammengedrückt und entsprechende Spuren hinterlassen.

Sie führten in den Wald hinein.

Es tat mir gut, einen ersten Erfolg erreicht zu haben, und ich dachte sofort daran, die Verfolgung aufzunehmen. Ohne Licht war es allerdings nicht so leicht. Andererseits wollte ich mich nicht unbedingt als Zielscheibe präsentieren.

Also begann ich meinen Weg in der Dunkelheit. Noch konnte ich erkennen, wo ich hintreten musste. Unter mir federte der Boden nach. Hin und wieder trat ich auf altes Laub, das raschelte. Auch knackten dürre Zweige unter meinem Gewicht. Das alles gehörte dazu, und ich konnte es nicht ändern.

Der Wald glich einem großen dunklen Monstrum, das mich mit seinen Armen umfasst hielt.

Hohe Bäume, in denen sicherlich zahlreiche Vögel saßen, die mich beobachteten. Geheimnisvolle Geister schlichen unsichtbar um mich herum. Ab und zu waren sie nur zu hören, wenn es irgendwo raschelte oder knackte.

Das alles entsprang meiner Fantasie. So stellte ich mir automatisch die Frage, ob die Frau am Wegrand auch nur ein Produkt meiner Fantasie gewesen war.

Ich wollte es nicht hoffen, denn Halluzinationen hatte ich bisher nicht gehabt. Die Beschaffenheit des Untergrunds änderte sich, je tiefer ich in das Waldstück eindrang. Der Boden nahm an Weichheit zu. Er war nicht mehr so federnd. Ich hatte den Eindruck, mit den Füßen irgendwann einmal steckenzubleiben, denn der Untergrund saugte sich an meinen Schuhen fest.

Der Boden war leicht sumpfig geworden. Ich wäre nicht überrascht gewesen, plötzlich an einem Gewässer zu stehen. Vor einem verwunschenen Teich, der sich mitten im Wald versteckt und nur von den hohen Bäumen bewacht wurde.

Auch war es für mich nicht mehr leicht, den Weg fortzusetzen. Es gab einfach zu viele Hindernisse, die mich störten. Manchmal wurden meine Füße und auch die Beine von Sträuchern umfangen, die mich wie Fesseln halten wollten.

Ich ging langsamer. Es lag etwas in der Luft, und nicht nur ein bestimmtes Feeling. Neben einigen hohen Farnen blieb ich stehen, schaute in die Höhe und hörte genau in diesem Moment das Brausen. Es waren keine Windgeräusche, die sich den Weg durch den Wald bahnten und mit dem Laub der Bäume spielten. Das hier hörte sich anders an. Mehr wie ein Brausen, als wäre irgendetwas in die Luft geschleudert worden, das sich dort nun flatternd bewegte.

Diese Vorstellung zwang mich, den Kopf zu heben. Ich schaute nach vorne, zugleich schräg in die Höhe, wo es Lücken im hohen Astwerk gab. Dort hätte ich den grauen Himmel sehen müssen, auch den bleichen Mondschein, denn der Erdtrabant stand schon seit zwei Tagen hell wie ein Scheinwerfer am Himmel.

Beides sah ich nicht.

Dafür die Bewegungen.

Unzählige Tiere flatterten in einer bestimmten Höhe und hatten sich zu einer dunklen Wolke zusammengefunden. Auf den ersten Blick waren sie für mich nicht identifizierbar. Es dauerte lange zwanzig Sekunden, bis ich wusste, was sich da zwischen den Bäumen bewegte.

Eine Unzahl von Fledermäusen hatte ihre Schlafstellen verlassen und sich ins Freie begeben. Es gab sicherlich einen Grund dafür, der mich neugierig machte.

Es war schwer zu schätzen, wie weit sich die Wolke der Fledermäuse von mir entfernt befand. Ich wollte unter allen Umständen dorthin, wo sie flatterten.