John Sinclair Sonder-Edition 206 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 206 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Wenn der Kürbis das Grauen bringt, dann ist Halloween. Jedes Jahr neu, immer wilder, immer schauriger, immer exzessiver. Halloween war zu einem verrückten Spektakel aus Lust und Schrecken verkommen.
In diesen Mahlstrom hinein tauchte Mister Mirakel. Für ihn war das Fest der Geister höllischer Ernst, und seine Magie stellte die alte Legende auf den Kopf. Er vertrieb die Geister nicht, er holte sie! Menschen sollten außer Kontrolle geraten und sich gegenseitig umbringen. Und dann geriet auch Johnny Conolly, mein Patenjunge, der mit seinen Freunden einfach nur Halloween feiern wollte, in die Fänge dieses Teufels ...


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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Mister Mirakel

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Mister Mirakel

von Jason Dark

Wenn der Kürbis das Grauen bringt, dann ist Halloween. Jedes Jahr neu, immer wilder, immer schauriger, immer exzessiver. Halloween war zu einem verrückten Spektakel aus Lust und Schrecken verkommen.

In diesen Mahlstrom hinein tauchte Mister Mirakel. Für ihn war das Fest der Geister höllischer Ernst, und seine Magie stellte die alte Legende auf den Kopf. Er vertrieb die Geister nicht, er holte sie! Menschen sollten außer Kontrolle geraten und sich gegenseitig umbringen. Und dann geriet auch Johnny Conolly, mein Patenjunge, der mit seinen Freunden einfach nur Halloween feiern wollte, in die Fänge dieses Teufels ...

Es roch nach Herbst auf diesem kleinen Markt in Chelsea, nach lehmiger Erde, nach den ersten Tannenzweigen, die auf Gräber gelegt wurden, nach gerösteten Maronen und Tee mit Rum.

Eigentlich aber roch es noch nach etwas anderem – nach Angst!

Angst kann man wohl nicht riechen, aber sie war da. Ebenso wie die Gestalt mit der bösen Halloween-Maske und dem langen, an eine Machete erinnernden Messer, dessen Schneide vor kurzem noch Kokosnüsse geknackt hatte.

Jetzt suchte sie neue Opfer. Menschen! Die waren schreiend vor der Gestalt geflohen.

Zwei Ausnahmen gab es. Suko und mich. Wir wollten den Maskenmann stellen und blutiges Unheil verhindern. Der Killer passte in die Zeit hinein, denn es war ein Tag vor Halloween.

Er war über den kleinen Markt gehuscht wie ein tödlicher und schneller Schatten. Wild hatte er seine Machete geschwungen, und es glich einem Wunder, dass noch niemand verletzt worden war. Suko und ich hatten ihn nur einmal kurz gesehen. Vielmehr nur seinen Kopf, der nur aus einer Maske zu bestehen schien.

Es gab zahlreiche Halloween-Masken. Der ausgehöhlte Kürbis spielte da nicht mehr unbedingt die Hauptrolle. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. So waren die »Freddy-Krueger«-Masken ebenso begehrt wie die schlichten Totenschädel oder die Maske des Serien-Killers aus dem »Freitag, der 13.«-Streifen. Hauptsache, schlimm und schrecklich. Wichtig war, dass sich andere Menschen erschreckten und möglichst rasch vor dem Monster flohen. Und das war auch hier der Fall gewesen. Allerdings war es hier kein Spaß mehr, denn eine Horror-Maske zu tragen war etwas anderes als eine tödliche Machete zu schwingen.

Das wussten auch Suko und ich. Deshalb wollten wir den Kerl – oder wer immer sich unter der Maske versteckte –, haben. Einen Vorteil hatte das Ding, das sein Gesicht verdeckte. Es gab ein Licht ab. Und das wiederum strömte aus den Öffnungen hervor und hinterließ bei den raschen Bewegungen einen hellen Schweif. Im Augenblick sahen wir ihn nicht mehr. Er war einfach abgetaucht. Deckung boten die zahlreichen Verkaufsstände in Hülle und Fülle. Sie waren unterschiedlich groß. Von Winterkleidung bis hin zu Töpfen und Krügen, von Blumen und Tannenzweige bis zum ersten Weihnachtsschmuck, Gestecke für Gräber und auch Spielzeug aus zweiter Hand war hier alles zu bekommen.

Wir hatten uns bis zur Mitte des kleinen Marktes durchkämpfen können. Es war ungewöhnlich ruhig geworden. Möglicherweise empfanden wir es auch nur so, denn die erste Panik hatte sich gelegt. Die Menschen waren längst in Deckung gegangen.

Es war ein großer Stand, ein Viereck, praktisch das Zentrum des Marktes. Von diesem Zentrum zweigten nach allen Seiten Gassen ab, an denen dann die übrigen Buden lagen.

Eine Frau hetzte an uns vorbei. Sie zog ihre beiden Kinder hinter sich her, die nicht wussten, weshalb die Mutter es plötzlich so eilig hatte, und sich lautstark beschwerten.

Ich drehte mich nach links. Ein älterer Mann stand in meiner Nähe und atmete heftig. Er schnaufte in seine Hand, von der Blut nach unten tropfte. Der Jackenärmel war aufgeschlitzt worden, und der Mann konnte kaum fassen, was ihm widerfahren war. Er schüttelte immer wieder den Kopf.

Ein Opfer des Maskenmanns!

Ich sprach ihn an. »Wo ist er? Sie haben ihn doch gesehen! Wo hält er sich versteckt?« Laut und deutlich hatte ich gesprochen, aber der Mann schaute mich an, als hätte er mich nicht verstanden. In seinen Augen lag ein irrer Ausdruck. Er konnte nicht reden, nickte mir aber seine Antwort zu.

Der große Stand war damit gemeint. Nichts bewegte sich dort. Zudem war es schwer, etwas zu erkennen. Unter der Plane war es ziemlich düster, weil der Tag recht trübe und dunstig war.

Aber die Maske musste doch eigentlich leuchten. Jetzt aber nicht, weil ihr Träger die Chance genutzt und sich hinter den breiten, mit Kleidung vollgestopften Ständern versteckt hatte.

Halloween war nah. Noch einmal schlafen, dann würde der schaurige Karneval gefeiert werden, der in den vergangenen Jahren immer mehr Zuspruch gefunden hatte. Und auch auf dem Markt wurden jetzt Masken verkauft, wenn es sich dabei meist auch um ausgehöhlte Kürbisse handelte.

Ob sich der Kerl mit der Machete auch einen solchen Kürbis besorgt hatte, wussten wir nicht. Für uns war jetzt nur wichtig, dass wir ihn schnell stellten, damit er nicht noch mehr Menschen verletzen konnte.

Suko stieß mich an. »Wir nehmen ihn in die Zange, John!«

»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund!«

»Danke, aber es war meine Idee.«

»Soll sie auch bleiben.«

»Dann gehe ich nach rechts.« Suko hatte den Satz kaum ausgesprochen, da zog er sich aus meiner Nähe zurück und ging sehr schnell und geduckt weiter, ohne allerdings seine Waffe zu ziehen. Er wollte die in der Nähe stehenden Marktbesucher nicht erschrecken.

Ich wandte mich in die entgegengesetzte Richtung und dachte daran, dass ich eigentlich mit dieser ganzen Sache nichts zu tun hatte, in die wir nur zufällig hineingeraten waren.

Wir waren von den Conollys gekommen, weil Bill uns unbedingt etwas hatte zeigen wollen. Bilder von angeblichen Außerirdischen, die ihm zugespielt worden waren.

Suko und ich waren nicht darauf erpicht gewesen, uns näher mit den blassen Fotos und deren Hintergründen zu beschäftigen. Das hatten wir Bill auch gesagt und ihn etwas enttäuscht und verstimmt zurückgelassen.

Wir hatten ihm unter Sheilas Gelächter noch vorgeschlagen, lieber Halloween zu feiern, doch das hatte Bill lieber seinem Sohn überlassen. Der war bereits mit Freunden verschwunden, um eine besonders schaurige Nacht zu erleben. Irgendwo außerhalb Londons in einem kleineren Ort, der für Halloween besonders geeignet sein sollte.

Ich persönlich mochte dieses Fest zwar, es entstammte einer alten irischen Druiden-Tradition, aber wir hatten auch schon böse Erfahrungen damit erlebt. Nicht zuletzt ein blutiges Halloween an einer Schule.*

Von Suko sah ich nichts mehr. Ich war auch näher an den großen Stand herangekommen. Man konnte ihn von verschiedenen Seiten betreten, musste aber achtgeben, nicht gegen die mit Kleidung vollgehängten Ständer zu stoßen, die hier wie bewegliche Mauern aufgebaut waren. Vier starke Stäbe an den Seiten des Standes stützten die Plane, die vor Regen schützen sollte.

Der aber fiel nicht vom Himmel. Es war einfach nur ein trüber Herbsttag, aufgeladen mit dem Dunst, der durch die Straßen kroch und alle Autofahrer zwang, die Scheinwerfer einzuschalten. Ein typisches Wetter für Ende Oktober oder Anfang November. Und wie für einen Film bestellt.

Ich drückte mich an einem Kleiderständer vorbei, der mir einen Großteil der Sicht genommen hatte und blieb an seinem anderen Ende stehen. Hier war mein Blick freier, und ich konnte jetzt Suko sehen, der auf der gegenüberliegenden Seite stand. Wir kamen uns vor wie auf einer Insel inmitten des Trubels, denn die Geräusche und Stimmen der Umgebung waren zurückgeblieben, sodass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren konnten.

In der Mitte war eine Theke aufgebaut worden. Hier wurde kassiert, aber auch verkauft. Sogenannte Kurzwaren, Knöpfe, Garne, Steck- und Nähnadeln, Decken, Sets, Modeschmuck, bis hin zu Hosenträgern, waren hier ausgelegt.

Die Theke selbst war nicht wichtig. Ihre Umgebung umso mehr. Denn hinter ihr stand der Killer. Sein Kopf war uns zugewandt, und es war, als würde die Kürbismaske in der Luft schweben.

Gut, der Killer hielt es also mit der Tradition. Und trotzdem kam mir diese Maske schauriger vor als all das moderne Zeug, das sich die Kids, aber auch ältere Halloween-Fans über ihre Köpfe stülpten.

Diese Maske hatte etwas!

Sie war traditionell gefertigt worden. Kreise für die Augen, ein dreieckiger Einschnitt für die Nase, ein breiter für den Mund. Das alles gehörte dazu, aber nicht das Licht, das aus diesen Öffnungen drang. Die Maske leuchtete von innen, und das wunderte mich. Normalerweise wurden diese Kürbisse durch die Lichter der Laternen angeleuchtet, die ihre Träger ebenfalls mitbrachten, wenn sie von Haus zu Haus gingen und ihren Tribut forderten – Süßigkeiten.

Diese Maske war anders. Sie leuchtete von innen. Es konnte gut sein, dass dort kleine Lampen angebracht worden waren, die durch eine Batterie gespeist wurden. Möglich war schließlich alles. Ich nahm es hin, nur wunderte ich mich darüber, dass sich der Maskenträger dieses Haumesser besorgt hatte und damit zwei Menschen bedrohte.

Die hatte er auf die Knie gezwungen, hielt sein Messer schlagbereit, wie ein Henker sein Beil. Das Licht floss aus den Öffnungen hervor, und es war hart und grell und kam mir irgendwie böse vor.

Spielte sich hier etwas anderes ab? Hatten andere Mächte eingegriffen? Ein Wunder wäre es nicht gewesen, denn gerade derartige Gruselfeste mussten die andere Seite einfach reizen.

Ich sah, dass es zwei Frauen waren, die vor dem ›Henker‹ knieten. Sie zitterten, hielten ihre Köpfe gesenkt und wagten nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Das breite Messer schwebte über ihnen, und auf der blanken Klinge verteilte sich der Lichtschein der Maske wie in einem bösen Spiegel.

Ich schaute zu Suko hinüber.

Er hatte den rechten Arm erhoben. In seiner Hand hielt er bereits die Beretta. Wenn alle Stricke rissen, mussten wir schießen. Oder aber zu einer anderen Möglichkeit greifen, die ich Suko andeutete, denn ich wies mit meinem ausgestreckten Zeigefinger auf die linke Brustseite.

Mein Freund nickte. Er wusste genau, was ich mit dieser Bewegung hatte andeuten wollen. Dort steckte ein Stab, mit dem er die Zeit für fünf Sekunden anhalten konnte. Er brauchte nur ein bestimmtes Codewort zu rufen, und die Bewegungen in seiner Umgebung froren ein.

Mit dieser Aktion gingen wir auf Nummer Sicher. Hätten wir den Macheten-Mann einfach angesprochen, hätte er sich möglicherweise erschrocken und im Reflex zuschlagen können. Ein oder zwei geköpfte Menschen auf einem Markt, das hätte uns gerade noch gefehlt.

Suko stand günstig, ebenso wie ich. Glücklicherweise war das Sichtfeld des Maskenträgers begrenzt. Er konnte weder nach rechts noch nach links schauen.

Sukos Hand glitt an der linken Seite des Körpers hoch. Dann verschwand sie unter der Jacke. Noch hatte er den Stab nicht gezogen oder berührt, aber es wurde Zeit, denn der Maskenmann stieß ein bösartiges Geräusch aus. Es hörte sich an wie das Knurren eines Raubtiers. Er wartete nur darauf, etwas in die Wege leiten zu können.

Suko war bereit.

Ein Wort reichte aus.

»Topar!«

Die berühmten fünf Sekunden blieben ihm, und Suko wusste, dass er es schaffen konnte. Er hatte bewusst laut gerufen, damit der Maskenträger das Wort ebenfalls hörte und für die Zeitspanne praktisch erstarrte. Alle anderen würden ebenfalls in diesen magischen Kreis hineingeraten.

Suko beeilte sich. Sehr schnell und mit langen Schritten legte er die Entfernung zwischen sich und dem Maskenträger zurück, der in seiner Haltung eingefroren war.

Suko riss seinen Arm in die Höhe. Er drehte ihn dabei, und es war für ihn ein leichtes, die Schlagwaffe an sich zu nehmen.

Bevor er zurücktrat, gab er der Gestalt noch einen Stoß, der sie weg von ihren Opfern katapultierte. Gehen konnte der Maskenträger nicht, er fiel steif wie eine Holzlatte zu Boden.

Im selben Augenblick war die Zeit abgelaufen!

Ich hatte dieses Anhalten der Zeit schon oft genug erlebt und gehörte auch nicht zu den Menschen, die überrascht waren, wenn sie sich plötzlich mit anderen Situationen konfrontiert sahen. Das Umdenken passierte bei mir sehr schnell, und auch diesmal war es nicht anders.

Die Szene hatte sich grundlegend verändert. Suko war jetzt bei den beiden Frauen, die unter Schock standen und noch immer stumm waren, obwohl sie nicht mehr bedroht wurden, denn die Waffe hatte Suko ja an sich genommen.

Der Maskenträger aber lag am Boden. Suko hatte ihn auf den Rücken geschleudert, aber der Kürbis hatte seinen Aufprall gedämpft und dafür gesorgt, dass er nicht verletzt worden war.

Er war die Beute für mich. Die beiden Frauen überließ ich Suko. Dass sich mittlerweile Zuschauer eingefunden hatten, bemerkte ich nebenbei, aber sie griffen nicht ein.

Der Maskenmann hatte mich gehört. Er rollte sich zur Seite, wollte aufstehen, und dabei half ich ihm. Mein Griff war sehr hart, als ich den Typ in die Höhe zerrte und ihn in den Polizeigriff nahm, den rechten Arm angewinkelt und nach oben gebogen. Der Schmerz zwang ihn dazu, still zu sein, und er beugte auch seinen Oberkörper vor, was für mich ideal war. So zerrte ich ihm mit der freien Hand die Maske vom Kopf, die mit einem satten Laut auf dem Boden aufschlug.

Der Kerl keuchte und jammerte plötzlich. Der Schmerz in seiner Schulter war ziehend und stark. Am Rande nahm ich sein Outfit wahr, das auch zu ihm passte. Er trug eine schwarze Hose und einen ebenfalls schwarzen Pullover mit einem Aufdruck am Rücken. In roten, blutigen Buchstaben war dort das Wort ›Halloween‹ zu lesen.

Diese Partie war für ihn vorbei. Das stand fest. Suko versuchte, die beiden Frauen zu beruhigen. Ich wollte mehr über den jungen Mann erfahren, denn es war ein junger Mann, das sah ich, obwohl ich ihm nicht ins Gesicht schaute. Was hatte ihn dazu veranlasst, mit einem Haumesser Menschen zu bedrohen?

Wir standen hier wie auf dem Präsentierteller. Ich schob ihn vor, und er stolperte dorthin, wo ich es haben wollte, in den Schutz eines mit Kleidung vollgehängten Ständers.

Dort drückte ich ihn in die weichen Stoffe hinein und tastete ihn schnell nach Waffen ab.

Es waren keine zu finden. Nicht einmal der Umriss eines Taschenmessers malte sich ab. Umso besser für uns beide. Aus dem Griff ließ ich ihn trotzdem nicht. »Für dich ist es vorbei!«, flüsterte ich scharf in sein Ohr. »Ich will, dass du dich umdrehst, wenn ich dich jetzt loslasse. Und versuche gar nicht erst, mich anzugreifen. Du würdest es nicht schaffen.«

»Ist schon okay, Mister, ist schon okay!« Er sprach dumpf in die Kleidung hinein. Es hörte sich sogar an, als würde er weinen, was mich schon irritierte, denn so etwas passte einfach nicht zu seinem vorherigen Verhalten. Er hatte Menschen mit dem Tode bedroht, und jetzt weinte er wie ein kleines Kind? Wieso?

Ich ließ ihn los, was er kaum merkte. Er wäre gefallen und hätte noch einige Mäntel von der Stange gerissen, doch ich packte ihn und zerrte ihn hoch, um ihn umdrehen zu können.

Hinter mir war es zu einem wilden Gedränge gekommen. Die Menschen drängten jetzt in den Stand hinein. Sie schrien, sie schimpften, sie wollten dem Mann an den Kragen, der vor Angst zitterte. Ich drehte mich um und sorgte dafür, dass er hinter mir blieb und so einigermaßen geschützt war.

Irgendwo schrillten die Pfeifen der Bobbies, die auch hier in der Nähe präsent waren. Suko versuchte ebenfalls, die Leute aufzuhalten. Er hatte die Halloween-Maske aufgehoben und gab sich als Polizist zu erkennen.

Aber die Leute wollten sich nicht aufhalten lassen, drängten meinen Freund immer mehr in meine Richtung zurück. Der kritische Punkt lag nicht mehr fern, an dem die Masse zum Mob werden und über uns herfallen würde. Das musste auf jeden Fall vermieden werden. Wenn nicht anders möglich, dann durch Schüsse in die Luft.

Dazu kam es aber nicht, denn plötzlich waren die uniformierten Kollegen da. Zum Glück kamen sie zu viert, und ihr Erscheinen ließ die Masse stocken.

Noch immer flogen uns Wort- und Satzfetzen um die Ohren. Da wurde von einem Mörder gesprochen, der keinerlei Rücksicht kannte und unter Zeugen Menschen hatte köpfen wollen. Die Kollegen waren verunsichert, aber sie entspannten sich etwas, als Suko ihnen seinen Ausweis zeigte und dabei auch auf mich deutete. Er informierte sie kurz über das Geschehen, und die Kollegen taten dann das, was getan werden musste: sie drängten die wütenden Menschen zurück, damit wir einen Freiraum bekamen.

Der junge Mann stand noch immer dicht an meiner Seite. Er zitterte, er schnappte nach Luft, er weinte, und ich fragte mich, ob so einer reagierte, der vor wenigen Minuten noch bereit gewesen war, einen anderen Menschen zu köpfen.

Die Maske lag in meiner Nähe.

Sie leuchtete nicht von innen. Sie sah aus wie ein normaler, ausgehöhlter Kürbis, in den Öffnungen hineingeschlitzt worden waren. Mehr nicht.

Ich drehte den jungen Mann herum, sodass ich ihn anschauen konnte. Himmel, er war höchstens sechzehn oder siebzehn Jahre alt.

»Wie heißt du?«, fragte ich ihn.

Er zog die Nase hoch. Seine Unterlippe zitterte. Die Augen waren vom Weinen gerötet. Das braune Haar klebte auf seinem Kopf. Sein Gesicht war bleich wie Kalk.

»Hast du mich nicht verstanden?«

»Frank Stockwell.«

»Okay, Frank, danke. Ich bin John Sinclair und rein zufällig ein Polizist.«

»Weiß ...« Er nickte.

»Möchtest du dich hier mit mir unterhalten? Oder sollen wir woanders hingehen?«

»Lieber weg. Die Leute hier, die wollen mich ... mich ... lynchen.«

»Das wird nicht geschehen. Wir können uns auch hier unterhalten.«

»Gut, ja ...« Er zog seine Nase hoch und schaute aus ängstlichen Augen über den kleinen Markt. Doch es gab niemand mehr, der ihn bedroht hätte.

»Du weißt, was du getan hast, Frank?«, fragte ich.

»Ich fürchte schon. Aber nicht genau ...«

»Wieso?«

Er hob die Schultern und schielte dabei an mir vorbei auf die am Boden liegende Maske.

»Sie hat damit zu tun – oder?«, fragte ich ihn.

»Kann sein.«

»Jetzt leuchtet sie jedenfalls nicht mehr.«

Meine Bemerkung hatte ihn verunsichert. »... leuchtet ...«, wiederholte er und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, aber sie hat eigentlich nie geleuchtet, Sir.«

»Doch!«

»Nicht als ich sie kaufte!« Er widersprach so heftig, dass ich ihm glaubte.

»Dann muss sie geleuchtet haben, als du sie über deinen Kopf gestülpt hast. Und mit diesem Leuchten ist eine Veränderung bei dir vorgegangen. Liege ich da in etwa richtig?«

Er schaute mich an wie jemand, der erst noch über gewisse Dinge nachdenken musste. Dann stöhnte er leise auf und schüttelte den Kopf. »Es ist alles so schwer, Sir«, gab er mit gepresst klingender Stimme zu.

»Das glaube ich dir gern. Wie wäre es denn, wenn du der Reihe nach berichtest? Einfach von Beginn an. Du hast die Maske gekauft, sagst du. Bei wem war das?«

»Bei einem fliegenden Händler.«

Ich lächelte ihn an. »Kannst du mir das genauer erklären, Frank?«

Er knetete nervös seine Hände. »Das war eigentlich ganz einfach. Ich habe die Maske bei einem Mann gekauft, der mit seinem Wagen auf einem Markt stand.«

»Welcher Mann und welcher Wagen?«

»Das war so ein ... ein ... Wohnmobil. Ganz dunkel. Schwarz oder grau, glaube ich.«

»Gut, Frank. Und dieser Mann fuhr mit seinem Wohn- oder Verkaufswagen über Land?«

»Das nehme ich an.«

»Verkaufte er nur Masken?«

Er hob die Schultern. »Daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Er hat mir das Ding jedenfalls angedreht.«

»Seinen Namen kennst du nicht?«

Stockwell überlegte einen Moment. »Doch. Er war so komisch und auch außergewöhnlich. Er nannte sich Mister Mirakel.«

»Ach.«

Frank dachte wohl, dass ich ihm nicht glaubte. Er bestätigte seine Aussage. »Ja, er hieß so. Mister Mirakel. Ich habe mich auch gewundert. Aber zu Halloween ist eben alles möglich, sagte er mir und hat besonders das Wort ›alles‹ betont.«

»Wie sah er aus?«

»Teuflisch!«

Die Antwort überraschte mich. Darunter konnte man sich vieles und nichts vorstellen. »Kannst du mir das nicht genauer erklären?«

Frank atmete schwer aus und sackte in den Knien leicht zusammen. »Ich weiß nicht, Sir, ich weiß es wirklich nicht. Aber er kam mir vor wie der Teufel.«

»War er verkleidet?«

»Nein – oder ja. Er hatte ein fieses Gesicht. Hinterlistig war sein Blick. Er hat mich richtig fertiggemacht. Eigentlich hatte ich die Maske nicht kaufen wollen. Er hat mich allein durch seinen Blick dazu überredet. Seine Augen waren so anders ...«

»Wie denn?«, fragte ich, als keine Erklärung folgte.

»Ja ... die Farbe.«

»Nicht wie deine oder meine?«

»Nein, so schimmernd. Gelb, glaube ich. Sie waren richtig gelb. Meine ich wenigstens.«

»Und wo hast du die Maske gekauft?«

»Nicht hier. Im Süden, in der Nähe von Wimbledon. Mister Mirakel stand am Straßenrand. Er meinte, er wäre der Meister des Halloweens. Nur bei ihm wäre das Fest richtig.«

»Hast du ihn noch mal gesehen?«

»Später nicht mehr.«

»Hat er was gesagt?«

»Eigentlich nicht. Er meinte nur, dass ich jetzt zu ihm gehören würde. Aber ich habe das nicht begriffen. Ich begreife überhaupt nichts mehr.« Er fing wieder an zu zittern. »Ich ... ich ... muss etwas Schreckliches getan haben, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Es wurde alles anders, nachdem ich die Maske aufgesetzt hatte.«

»Warum hast du sie aufgesetzt?«, fragte ich. »Halloween ist erst morgen.«

»Das ist klar. Doch da war eine Stimme, die mich dazu gezwungen hat. Plötzlich, wissen Sie. In meinem Kopf.« Er tippte gegen seine Stirn. »Irgendwas stimmt da nicht mehr. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kann es die Stimme von Mister Mirakel gewesen sein. Da habe ich die Maske dann aufgesetzt. Ich wollte die Leute nur erschrecken oder sie zum Lachen bringen, doch dann ...«

»Es war nicht gut, Frank, was du getan hast. Du hast dir ein großes Messer geschnappt und damit Menschen bedroht. Zwei Frauen haben vor dir gekniet wie Delinquenten vor einem Henker. Ich weiß nicht, ob du es tatsächlich getan hättest, aber mein Kollege und ich sind gerade noch rechtzeitig gekommen, um es zu verhindern.«

Frank Stockwell senkte den Kopf. Er hob auch die Schultern. Beide Gesten waren nicht gespielt. Sie sagten mir, dass er möglicherweise unter fremder Kontrolle gestanden hatte. Wenn das stimmte, hatten wir hier wirklich in ein Wespennest gestochen. Zufall oder Schicksal, ich wusste es nicht.

»Was passiert denn jetzt mit mir?«, fragte er leise. Noch immer knetete er seine Hände. »Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll. Ich bin von der Rolle. Werde ich vor Gericht gestellt, eingesperrt?«

»Nein, ich denke nicht, wenn alles so stimmt, wie du es gesagt hast, Frank.«

»Ich habe nicht gelogen. Ehrlich nicht. Es ist alles so passiert. Ich kann nichts dafür, dass ich mich nicht mehr erinnere. Sie haben gesagt, Sir, dass die Maske geleuchtet hat, nicht?«

»In der Tat.«

»Das weiß ich gar nicht. Ich kann mich an ein Leuchten nicht erinnern. Tut mir leid.«

»An was kannst du dich erinnern?«

»Nun ja, es war so. Ich setzte die Maske auf, was ich früher mit einer anderen Maske schon oft getan hatte. Es schien auch alles wie früher. Die Umgebung, meine ich. Man kann so schlecht durch die Augenlöcher sehen. Immer nur nach vorn und nie zur Seite. Aber ich habe etwas in meinem Kopf gehört, und das waren richtige Befehle. Dann war alles vorbei ...«

Ich schlug ihm auf die Schulter. »Du hast Glück gehabt, Frank, an mich und meinen Kollegen geraten zu sein.«

»Wieso, Sir?«

»Das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass es kein Blutvergießen gegeben hat.«

»Ja, da haben Sie recht.«

»So, du wirst noch bei uns bleiben. Was weiter geschieht, darüber reden wir später.«

»Okay, Sir.«