John Sinclair Sonder-Edition 21 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 21 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Die Lampe war so eingestellt, dass ihr Strahl nur auf die untere Gesichtshälfte des Mannes fiel. Und besonders die Lippen wurden von dem Schein eingefangen.

Es waren dünne, blasse Lippen. Durch das Licht bekamen sie einen leicht bläulichen Schimmer, und als die Tür des kleinen, fensterlosen Raums aufgestoßen wurde, verzogen sich diese Lippen zu einem kalten, dünnen Lächeln.

Er kam.

Wieder ein Opfer, dachte der Mann mit den bläulich schimmernden Lippen, doch seine Stimme klang freundlich, als er den Abkömmling aufforderte, sich zu setzen.

"Bitte, nimm Platz!"

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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Trumpf-Ass der Hölle

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Vuk Kostic; armo.rs

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2763-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Das Trumpf-Ass der Hölle

von Jason Dark

Die Lampe war so eingestellt, dass ihr Strahl nur auf die untere Gesichtshälfte des Mannes fiel. Und besonders die Lippen wurden von dem Schein eingefangen.

Es waren dünne, blasse Lippen. Durch das Licht bekamen sie einen leicht bläulichen Schimmer, und als die Tür des kleinen, fensterlosen Raums aufgestoßen wurde, verzogen sich diese Lippen zu einem kalten, dünnen Lächeln.

Er kam.

Wieder ein Opfer, dachte der Mann mit den bläulich schimmernden Lippen, doch seine Stimme klang freundlich, als er den Abkömmling aufforderte, sich zu setzen.

»Bitte, nimm Platz!«

»Danke, Sir!«

Der Mann mit den dünnen Lippen hieß Arsenius. Der andere hatte »Sir« zu ihm gesagt. Ja, man zollte ihm Respekt. Es schien sich herumgesprochen zu haben, dass er etwas Besonderes war, und so wurde er auch behandelt.

Arsenius hörte, wie ein Stuhl über den rauen Betonboden schabte. Der andere räusperte sich, sein Schatten war zu sehen, unbeweglich, aufrecht, die Hände lagen auf den Knien, die Arme waren angewinkelt.

»Du willst es also wagen«, stellte Arsenius nüchtern fest. Sein Mund bewegte sich kaum beim Sprechen.

»Ja, Sir.«

»Hat man dir gesagt, um was es geht?«

»Nein, Sir.«

»Um ein Kartenspiel.«

»Ich beherrsche nicht alle, Sir.«

»Mein Kartenspiel ist einfacher als irgendeines sonst auf dieser Welt. Es ist ein Spiel mit nur einer Karte. Hast du verstanden?«

»Natürlich, Sir.«

»Dann beginnen wir. Hast du noch eine Frage?«

»Die habe ich allerdings, Sir. Was geschieht mit dem Gewinner und dem Verlierer?«

Da lachte Arsenius. »Es kann nur einen Gewinner geben.« Während des Sprechens hatte er seine Hand bewegt und die Lampe rechts von ihm erfasst. Sie ließ sich sehr leicht drehen. Ein Griff nur, und es klappte.

Arsenius drehte stärker. Ein wischender heller Schein, und im nächsten Augenblick leuchtete die Lampe den Mann an, der ihm gegenübersaß. Er trug Gefängniskluft. Die Augen hielt der Mann geschlossen. Über seiner hohen, weiß schimmernden Stirn mit den zahlreichen Schweißperlen begann dunkles Kraushaar. Ein Typ wie er fehlte noch in Arsenius’ Sammlung.

»Du bist also bereit?«, stellte der Hellseher fest.

»Das bin ich, Sir.«

»Dann wollen wir mal sehen«, murmelte Arsenius und versenkte seine Hand in der rechten Tasche seines langen Mantels.

Er holte eine Karte hervor, die etwa doppelt so groß war wie eine normale Spielkarte. Verdeckt legte er sie auf den Tisch, der zwischen ihm und dem Schwarzhaarigen stand. Die Rückseite der Karte schimmerte rötlich. Ein feines Wabenmuster war eingezeichnet, und es verschwand, als Arsenius seine Hand auf die Karte legte.

»Wir spielen mit dieser einen Karte«, erklärte er flüsternd. »Nur mit dieser Karte.«

Sein Gegenüber war überrascht. »Kann … kann es wirklich nur einen Sieger geben?«

»Natürlich.«

»Und … und meine Chancen stehen …«

»Fünfzig zu fünfzig«, erklärte Arsenius. »Wie es sich bei einem Spiel mit zwei Partnern gehört.«

Der andere beugte sich vor. Seine Hände umklammerten den Rand des Tisches. Plötzlich lag ein gehetzter und gleichzeitig hoffnungsvoller Ausdruck in seinen Augen. »Komme ich dann hier heraus?«

Arsenius lachte. »Wieso denn das?«

»Man spricht davon. Die Freunde sagen, wenn einer von uns gegen Sie gewinnt, Sir, dann hat er die Freiheit errungen.«

Arsenius erwiderte nichts. Nur das Lächeln klebte wieder auf seinen Mundwinkeln. Seine Hand lag auf der verdeckten Karte. Die Finger trommelten einen Takt auf den Tisch.

»Sir …« Die Stimme des Schwarzhaarigen klang flehend. »Bitte, geben Sie Antwort. Ich will es wissen.«

»Du bist zu neugierig«, erklärte Arsenius kalt. »Aber ich bin kein Unmensch. Nimm es einfach an, dass du, wenn du gewinnst, hier aus dem Knast kommst.«

»Das wäre, das wäre …« Der Mann atmete tief ein. Seine Augen begannen zu leuchten, die Lippen zuckten, er schüttelte den Kopf, und für einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte.

Arsenius beobachtete ihn mit kalten Blicken. Auf seinem glatten Gesicht spiegelten sich die Gedanken nicht wider, aber hinter seiner Stirn arbeitete es.

»Wann können wir anfangen, Sir?« Der Gefangene war schrecklich aufgeregt. Er hatte seine Chancen durchgerechnet, sie standen nicht schlecht. Wirklich nicht …

»Sofort!« Arsenius’ Stimme unterbrach den Gedankengang des Mannes.

Der hob den Kopf und senkte ihn sofort, denn Arsenius bewegte seine Finger, die bisher ruhig auf der Karte gelegen hatten. Er schob die Nägel unter den Rand der Karte und drehte sie dann gedankenschnell um.

»Da ist sie!«, sagte er.

Der Schwarzhaarige starrte auf die Karte. War sie ihm schon in der Größe seltsam vorgekommen, so wunderte er sich über das Motiv, das sie zeigte. Da war kein Ass oder ein König zu sehen. Weder Dame, Bube noch eine Zahl. Die Karte bestand aus zwei Motiven. In der Mitte war sie geteilt. Die eine Hälfte, und zwar die, die auf den Gefangenen wies, zeigte das Gesicht eines Vampirs. Eine schrecklich entstellte Fratze mit grässlichen Zähnen in einem weit aufgerissenen Maul. Die andere Hälfte zeigte ebenfalls ein Gesicht, das der Gefangene jedoch nicht genau erkennen konnte, weil diese Seite zu Arsenius hin gewandt lag.

Arsenius beobachtete den Gefangenen genau. Er sah zuerst den Schrecken im Gesicht des Mannes, dann die Verständnislosigkeit, und zum Schluss war der Mann ratlos.

»Warte, ich drehe sie um.« Geschickt wendete Arsenius die Karte, sodass jetzt das Gesicht des anderen Monsters auf den Gefangenen wies.

Der Mann geriet ins Schwitzen. Diesmal starrte er auf keinen Vampir, sondern auf den Kopf einer ähnlichen Bestie. Es war ein Werwolf!

Arsenius ließ dem Mann Zeit. »Nun?«, erkundigte er sich nach einer Weile.

»Ich … ich habe es gesehen, Sir. Aber ich weiß nicht, was das alles bedeuten soll.«

Arsenius lachte. »Das kann ich mir vorstellen. Aber wir wollen spielen, und das Spiel ist sehr einfach. Gib genau acht! Ich drehe die Karte jetzt. Das ist alles.«

»Und dann?«

»Werden wir weitersehen.«

Dem Schwarzhaarigen war alles egal. Fünf Jahre saß er bereits wegen Raubüberfalls hinter Gittern. Zwei sollte er noch absitzen. Zu verlieren hatte er nichts, und wenn er das Spiel gewann, kam er eventuell frei, obwohl er noch nicht so recht daran glauben wollte.

»Bist du bereit?«, fragte Arsenius.

»Ja.«

»Dann gib bitte genau acht.« Arsenius spreizte zwei Finger. Die Kuppe des Zeigefingers lag auf dem Feld, das den Werwolf zeigte, der Daumen auf dem mit dem Vampir.

Der Gefangene starrte die Karte an. Er war nass geschwitzt und bekam kaum mit, wie Arsenius die Karte gedankenschnell drehte. Sie bewegte sich wie ein Kreisel, und der Gefangene glaubte, sogar ein schwaches Leuchten auf ihr zu sehen. Hastig wischte er sich über die Augen. Er hielt den Atem an. Stille hatte sich über den Raum gelegt.

Allmählich nur kam die Karte zur Ruhe. Die Kreise wurden langsamer, höchstens noch zweimal konnte sie sich um die eigene Achse drehen, dann musste sie liegen bleiben.

Schnaufend atmete der Gefangene aus, während sein Gegenüber leicht geduckt dasaß und seine Blicke nicht von der Karte lösen konnte. Wie würde sie liegen bleiben?

Die Karte stoppte. Ein Bild zeigte auf den Schwarzhaarigen. Es war der Vampir!

Für zwei Sekunden schloss Arsenius die Augen. Dann öffnete er den Mund und atmete tief durch. Langsam lehnte er sich zurück, legte beide Hände auf den Tisch und sah den Mann an, der sich noch immer nicht rührte.

Intervallweise hob der Gefangene den Kopf, sodass die Blicke sich begegnen konnten. Seine Lippen bewegten sich. Es fiel ihm schwer, die nächste Frage zu formulieren.

»Du bist neugierig, wie?«

Froh darüber, dass Arsenius ihm die Frage abgenommen hatte, nickte der Gefangene.

»Nun, ich will dir sagen, was mit der Karte und unserem Spiel geschehen ist. Du hast gewonnen!«

Gewonnen, gewonnen …

Die Worte hallten wie Gongschläge im Kopf des Mannes nach. Gewonnen und frei sein. Mein Gott, er hatte es geschafft, seine Chance wahrgenommen. Er kam hier raus. Endlich, nach fünf Jahren.

Aber würde der andere sein Versprechen auch halten? Davor fürchtete er sich, und diese Furcht lag auch in dem fragenden Blick, den er Arsenius zuwarf.

Der lehnte sich zurück, legte seine Stirn in Falten und nickte. »Was ich versprochen habe, das halte ich«, erklärte er. »Du wirst dieses Gefängnis als freier Mann verlassen, das habe ich dir gesagt, das halte ich auch …«

»Aber ich …«

»Kein aber. Steh auf, und geh!«

»Wirklich?«

»Wenn ich es dir sage!« Die Stimme des Mannes klang schneidend.

Wieder rückte der Stuhl. Der Schwarzhaarige stemmte sich in die Höhe. Kopfschüttelnd, fassungslos. Fast wäre der Stuhl noch umgekippt, und als der Mann rückwärts ging, da ließ er Arsenius nicht aus den Augen, als hätte er Angst, dass dieser es sich noch anders überlegen würde.

Arsenius tat nichts. Er saß nur da und lächelte. Dabei sah er zu, wie der Gefangene sich mit weichen Knien der Tür näherte, mit dem Rücken dagegen stieß und sie erst dann öffnete, wobei er fast noch die Klinke verfehlt hätte.

Es war nicht abgeschlossen, er konnte die Tür bequem aufziehen, stolperte über die Schwelle und warf noch einen Blick zurück in den fensterlosen Betonraum. Arsenius hatte seinen Platz nicht verlassen. Er saß hinter dem Tisch und hob grüßend die Hand. Als er den Arm nach unten sinken ließ, fiel auch die Tür ins Schloss.

Arsenius blieb auch weiterhin sitzen. Er blickte auf die Karte, lächelte und schüttelte den Kopf.

»Wieder einer«, murmelte er. »Wieder einer.« Mit den Handflächen schlug er auf den Tisch, atmete tief ein, lachte, griff nach der Karte und steckte sie in seine Tasche.

»Das Spiel geht weiter«, murmelte er. »Das Trumpf-Ass der Hölle kann keiner besiegen. Die Todeskarte sticht immer! Und gleich kommt der Nächste.«

Nach diesen Worten zeigte auch er eine Reaktion. Arsenius lachte, und sein Lachen hallte wie ein Donner aus der Hölle von den kalten Betonwänden wider.

Das Spiel ging weiter. Und wie …

***

Kenny Rogers sang – und ich trank.

Aus den Boxen hörte ich wie alle anderen Gäste auch den Song um Lucille. Ein wehmütiges Lied. Irgendwie passend zu der Stimmung, die in der Kneipe herrschte. Die meisten Gespräche waren verstummt, jeder konzentrierte sich auf die etwas raue Stimme des Sängers.

Ich nahm noch einen Whisky. Es war der zweite. Und er sollte gleichzeitig auch mein letzter sein, denn unter Umständen musste ich noch fahren. Der Barmann schob mir das Glas rüber. Dann lehnte er sich wieder an einen Pfeiler und lauschte der Musik.

Ich war dienstlich hier. Es war ein Lokal, das Touristen kaum kannten, zudem lag es sehr versteckt in einem Hinterhof, aber es war eine der brisantesten Kneipen der Millionenstadt London.

Das Lokal hieß Treff. Mehr nicht, einfach so. Aber wer sich hier traf, hatte mindestens seine fünf Jahre Knast auf dem Buckel. Der Treff war eine Anlaufstelle für Zuchthäusler. Hier hockten sie zusammen, hier sprachen sie über die Zeit hinter Gittern, und hier wurden auch die ersten Geschäfte getätigt.

Der Wirt hatte früher einmal als Gefängnisaufseher gearbeitet, und er hatte auch jetzt noch einen heißen Draht zu den Zuchthäuslern. Sie und ihn verband so etwas wie eine Hassliebe. Einerseits lehnte er die Knastbrüder ab, andererseits verdiente er gut an ihnen. Sein Verhältnis zur Polizei war ebenfalls zwiespältig. Handelte es sich um ein besonders verabscheuungswürdiges Verbrechen, z. B. Kindermord oder Kidnapping, gab er den Kollegen Tipps. Deshalb ließ man ihn auch in Ruhe und drückte bei anderen Dingen, von denen der Wirt bestimmt auch etwas wusste, beide Augen zu.

Und einen dieser Tipps hatte man an mich weitergeleitet. In der letzten Zeit hatte der Wirt Angst bekommen. Ein Gerücht, das sich allerdings auf schreckliche Art und Weise bestätigt hatte, machte die Runde. Entlassene waren nicht mehr so wie früher. Sie wurden zu anderen, wenn sie aus dem Gefängnis kamen, zu regelrechten Monstern. Einmal hatte der Wirt einem zugehört, der sprach von einem Werwolf, der sich auf seinem Hinterhof versteckt hatte. Er hatte zwar auf ihn geschossen, doch nicht getroffen, so konnte er uns keinen Beweis vorlegen.

Mein Chef, Sir James Powell, war misstrauisch geworden. Vor Jahren noch hätte er über so etwas gelacht. Mittlerweile waren wir es gewohnt, jeder auch noch so kleinen Spur nachzugehen, denn unsere Gegner, die Mächte der Finsternis, konnten überall zuschlagen.

Also hatte man mich losgeschickt, um dem Treff einen Besuch abzustatten. Mittlerweile verbrachte ich meinen dritten Abend hier, ohne dass sich etwas ereignet hätte. Keiner wusste, wer ich war. Auch den Wirt hatte ich nicht eingeweiht, ich spielte den mürrischen Einzelgänger, der sich an die Theke setzte und in Ruhe gelassen werden wollte.

Mehr war allerdings nicht zu erfahren gewesen. Spuren gab es nicht. Allerdings hatte mich stutzig werden lassen, dass es, laut Aussagen des Wirts, immer die Gefangenen gewesen waren, die frisch aus dem Gefängnis kamen.

Ich wollte herausfinden, was dahintersteckte. Allerdings nicht allein. Ich hatte Suko mitgenommen. Nur saß mein Partner nicht in der Kneipe, sondern hielt an der Rückseite Wache. Der Hinterhof bot zahlreiche Verstecke, und sollte sich dort irgendetwas tun, würde mir Suko per Walkie-Talkie Bescheid geben. Wir hatten sehr neue und flache Geräte mitgenommen, kaum größer als eine Zigarettenschachtel.

Fünf Tage wollte ich meinen unbekannten Gegnern geben, keinen Tag länger.

Ich nahm einen Schluck. Über den Rand des Glases hinweg blickte ich hinter die Theke. Dort standen die beiden Barkeeper. Der Wirt hatte sich zurückgezogen. Er brauchte nicht mit zu bedienen, denn an diesem Abend war im Treff nicht viel los. Höchstens zur Hälfte war es besetzt, und mir war aufgefallen, dass sich keine Frau in das Lokal verirrt hatte. Nur Männer saßen an den Tischen und der langen Theke. Hier herrschte das Motto: Bei Geschäftsbesprechungen stören die Frauen nur.

Ich zündete mir eine Zigarette an. Kenny Rogers sang nicht mehr. Augenblicklich wurde es unruhiger. Die beiden Barkeeper bewegten sich schnell, um den Bestellungen so rasch wie möglich nachzukommen.

Die Einrichtung des Lokals konnte man als rustikal bezeichnen. Dicke Holzbalken unter der Decke und auch senkrechte Holzträger, die die Decke abstützten. Der Fußboden bestand aus Holzbohlen, ebenso die Theke. Hier war nichts poliert, sondern alles nur abgeschliffen. Um die kleinen, runden Lampen hatten sich Rauchschleier gelegt, so wirkte das Licht wie ein gelber Nebel.

Ich holte eine Zigarette aus der Packung und warf dabei gleichzeitig einen Blick auf die Uhr. Eine Stunde noch bis Mitternacht. Und doppelt so lange gab ich mir noch, dann wollte ich verschwinden. Als die Zigarette zwischen meinen Lippen klemmte, zuckte links neben mir die Flamme eines Feuerzeugs auf. Nicht der Barkeeper war so freundlich, sondern einer der Gäste.

Ich drehte den Kopf und blickte den Mann aus halb geschlossenen Augen über die Flamme hinweg an. Da mich das Feuer ein wenig blendete, sah ich nur die Umrisse seines Kopfs. Der war sicherlich doppelt so groß wie meiner.

Ich zog an dem Glimmstängel und bedankte mich mit einem Kopfnicken. Dann wollte ich mich wieder meinem Glas zuwenden, doch dagegen hatte der andere etwas.

»He, du Schweiger«, sagte er und rutschte links neben mir auf den Hocker. »Kannst du nicht reden?«

»Danke.«

»Wofür?«

»Für das Feuer.«

Der Mann lachte freudlos. Ich taxierte ihn blitzschnell. Er war ein regelrechter Bulle. Die schwarze Lederjacke glänzte. Zudem stand sie offen, und darunter trug der Knabe ein kariertes Hemd. Die zwei oberen Knöpfe waren nicht geschlossen. Ein Blick auf seine behaarte Brust war somit möglich. Sein Kopfhaar war fettig. Das breite Gesicht zeigte einen lauernden Zug, unter den kleinen Augen hingen dicke Tränensäcke.

»Ich bin Hucky«, stellte er sich vor. »Aber sag nur nicht Waldspecht zu mir, dann haue ich dich zu Brei.«

»Fällt mir gar nicht ein.«

Wieder lachte er und umklammerte mit seiner Pranke ein Whiskyglas. In der Hand war es kaum zu sehen. »Wer bist du?«

»John.«

»Okay, John. Und wie weiter?«

»Nur John. Aber sag nicht John Denver zu mir, so gut kann ich nämlich nicht singen.«

Der wuchtige Kerl neben mir verzog das Gesicht. Wahrscheinlich fühlte er sich auf den Arm genommen, oder er begriff den Scherz nicht, was auch möglich war.

»John also.«

»Ja.«

»Und was machst du hier?«

»Ich trinke Whisky.«

»Das sehe ich.«

»Na bitte.«

»Woher kommst du?«

So fragt man Leute aus, dachte ich. Und ich ahnte, dass der Typ auf Ärger aus war, aber ich sah keinen Grund, ihm irgendetwas unter die Nase zu reiben, und spielte meine Rolle des großen Schweigers weiter. Ein wenig drehte ich mich nach links und deutete auf die Tür. »Von dort komme ich.«

Hucky blickte tatsächlich dahin und bekam einen roten Kopf. Jetzt fühlte er sich auf den Arm genommen. »Wenn du mich verarschen willst, musst du dir einen anderen aussuchen.«

»Du hast mich gefragt, ich habe dir geantwortet«, gab ich gelassen zurück.

»Man merkt, dass du neu bist. Das halte ich dir auch zugute, denn ein anderer hätte Hucky diese Antworten nicht gegeben, darauf kannst du Gift nehmen.« Er streckte den Arm aus und vollführte eine umfassende Bewegung. »All die Jungs, die du hier siehst, sind meine Freunde. Meine besten Freunde sogar.«

»Dann freu dich, Hucky. So gute Freunde bekommt man nicht immer. Ehrlich.«

»Und sie würden mir auch helfen«, sagte er, wobei er sein Gesicht so sehr in meine Nähe brachte, dass ich seinen verbrauchten Atem riechen konnte.

»Brauchst du denn Hilfe?«

Da grinste Hucky. »Meistens nicht.« Er wechselte das Thema. »Wo hast du gesessen?«

»In den Staaten.«

»Und dann bist du hier?«

»Ja, man hat mich entlassen. Ich bin in meine Geburtsstadt zurückgekehrt.«

»Aha. Suchst du einen Job?«

»Nein, ich habe Erspartes. Und jetzt lass mich bitte meinen Whisky trinken. Ich bin müde.«

Ich war tatsächlich der Meinung, dass ich Hucky erschöpfend Auskunft gegeben hatte, er war jedoch an diesem Tag besonders empfindlich und bewies mir dies auf drastische Art und Weise.

Zuerst schnappte er mein Glas und kippte den Whisky nebst Eiswürfeln zu Boden. Danach grinste er mich an.

»Du kannst mir einen neuen bestellen, Hucky.«

Der Bulle rutschte vom Hocker. Wahrscheinlich gab es jetzt Zoff. Der Bulle mit dem großen Schädel hatte den Boden kaum berührt, als er seinen Arm schon auf die Reise schickte. Es war ein klassischer Rundschlag, der mich traf.

Zum Glück nicht am Kopf, sondern nur an der Brust. Aber die Kraft reichte aus, um mich vom Hocker zu schleudern. Mit den Schultern riss ich noch zwei Stühle um und stieß mir heftig das Kreuz und auch den Hinterkopf.

Spätestens jetzt war es den übrigen Gästen klar geworden, dass sich hier eine kleine Abwechslung anbahnte, und es wurde auf einmal totenstill in der Kneipe. Wie auf Kommando drehten sich die meisten um. Sie starrten in unsere Richtung. Als sie mich am Boden liegen und Hucky vor mir stehen sahen, da begannen einige unverhohlen zu lachen. Wetten wurden angeboten, aber auf mich setzte keiner. Mir gab niemand eine Chance gegen den Riesen.

Hucky stand vor mir wie ein Gebirge, während ich lag und mich auf den angewinkelten Armen abgestützt hatte. Stühle wurden gerückt, die meisten Gäste erhoben sich von ihren Plätzen, denn sie wollten etwas sehen. Die beiden Barkeeper griffen nicht ein. Aus Erfahrung schienen sie zu wissen, dass es besser war, wenn man sich nicht einmischte.

Erste Kommentare schwirrten durch die Kneipe. Eine raue Stimme schrie: »Bring den Schweiger zum Schreien, Hucky!«

Ein anderer sagte: »Hau ihm die Ohren ab!«

Hucky stand vor mir. Er genoss es, von seinen Kumpanen angefeuert zu werden. Sein Gesicht hatte sich zu einem breiten Grinsen verzogen, und er rieb seine mächtigen Pranken. Über seinem Kopf hing eine Lampe. Ihr Licht traf auch Huckys Gesicht und ließ ihn aussehen wie einen Leberkranken.

Hucky war flink. Das hatte ich bereits zu spüren bekommen. Er würde nicht fair kämpfen und versuchen, meine Bodenlage auszunutzen. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, als Hucky seinen rechten Fuß hob.

***

Der Tritt hätte mich bestimmt in Schwierigkeiten gebracht, doch diesmal war ich schneller. Mein Oberkörper schlug praktisch eine Brücke, dann schleuderte ich mein Bein vor und gleichzeitig in die Höhe. Es knallte, als meine Schuhspitze Huckys Schienbein traf.

Der Bulle wurde blass, er röhrte und knickte leicht mit dem rechten Bein ein. So ein Tritt gegen das Schienbein war äußerst schmerzhaft, der konnte einem schon das Wasser in die Augen treiben.

Ich war gedankenschnell auf den Füßen. Hucky hatte noch mit sich selbst zu tun, und er fing sich von mir einen Handkantenschlag ein, der in seinen Specknacken klatschte und ihn noch tiefer trieb. Plötzlich hockte er auf allen vieren am Boden. Ich hätte ihn jetzt fertigmachen können, hoffte allerdings, dass er vernünftig war, und blieb vor der Theke stehen. Dabei lehnte ich mich mit dem Rücken gegen den Handlauf.

Die anderen Gäste bekamen große Augen. So wie ich war wahrscheinlich noch niemand mit dem guten Hucky umgesprungen, und das Schweigen stand um uns herum wie eine Mauer.

Unterbrochen wurde es von Huckys Stöhnen. Das klang nicht sehr schmerzerfüllt, sondern eher wütend. Ich wusste, dass Hucky noch nicht fertig war, und er warf sich plötzlich herum. So viel Schnelligkeit hatte ich dem Bullen nicht zugetraut. Nur mühsam kam ich weg, sodass mich seine Hand nicht erwischte, sondern nur den Hosenstoff streifte.

»Los, Hucky!«

Dieser Anfeuerungsruf irgendeines Zuschauers verfehlte seine Wirkung nicht. Der Schläger kam auf die Beine und stand kaum, als er seine rechte Faust auf die Reise schickte.

Diesmal erwischte er mich an der Schulter, schleuderte mich herum, und ich gab mir selbst noch genügend Schwung, sodass ich mit dem Rücken gegen einen der Holzbalken krachte.

Da blieb ich stehen. Aus blutunterlaufenen Augen stierte Hucky mich an. Sein Atem ging schnell. Aus dem offenen Mund tropfte milchiger Speichel. Er bot ein widerliches Bild – und schlug zu.