John Sinclair Sonder-Edition 212 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 212 E-Book

Jason Dark

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Frauen waren wohlhabend, lebten in einer guten Gegend und hatten alles, von dem andere nur träumten. Aber dieses Leben hatte seinen Preis. Ihre Männer waren oft unterwegs, und bei den grünen Witwen entstand ein großer Frust. Liebhaber hatten deshalb ein leichtes Spiel. Die Damen holten sich, was sie brauchten. Nur rechneten sie nicht mit einem besonderen Moralisten ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Mr. Postman

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Mr. Postman

von Jason Dark

Die Frauen waren wohlhabend, lebten in einer guten Gegend und hatten alles, von dem die meisten nur träumten. Aber dieses Leben hatte seinen Preis. Ihre Männer waren oft unterwegs, und bei den einsamen Ladys entstand ein großer Frust. Liebhaber hatten deshalb ein leichtes Spiel. Die Damen holten sich, was sie brauchten. Nur rechneten sie nicht mit einem besonderen Moralisten ...

Mr. Postman kam in der Nacht. Ein Skelett in der Uniform eines Briefträgers. Er wollte strafen. Die treulosen Frauen, ihre gewissenlosen Lover – einfach alle. Und so wurde Mr. Postman zum blutigen Albtraum der Schönen und Reichen – und auch für John Sinclair ...

Es war nicht besonders hell im Zimmer. Die Beleuchtung reichte gerade aus, um die graue Fläche des Monitors erkennen zu können. Wie eine in der Luft schwebende Leinwand malte sie sich ab.

Der Mann davor saß auf einem Stuhl. Er schaute sich selbst an. Nicht im Spiegel, sondern im Viereck des Monitors.

Dort malte sich sein Gesicht schwach ab. Die Haare dunkler als die übrige Fläche. Die Gesichtszüge allerdings verschwammen, und dies passierte auf eine ungewöhnliche Art und Weise.

Obwohl der Mann sich nicht bewegte, ging in seinem Gesicht etwas vor. Es entwickelte ein Eigenleben. Die Haut wanderte über die Knochen hinweg. Sie spannte sich dabei an verschiedenen Stellen und wurde sehr straff. So straff, dass sie überdehnte und riss.

Knochen erschienen.

Gelbliches Gebein. Augenhöhlen waren plötzlich vorhanden. Es gab keine Lippen mehr, keine Nase. Nur noch Löcher, in denen die Dunkelheit lauerte.

Finstere Schächte. Unheimlich anzusehen. In Tiefen weisend, die das Grauen anderer Welten beinhalteten.

Der Mann war zufrieden und lachte.

So wie er lachte kein Mensch. Es waren glucksende Laute, tief in der Kehle geboren, die aus dem offenen Loch des ehemaligen Mundes drangen. Geräusche, die nicht aufhörten, sich verstärkten und sich dabei auch auf irgendeine Art und Weise auf den Sitzenden übertrugen, denn sein Körper wurde durchgeschüttelt.

Auf dem Monitor bewegte sich die Skelettfratze. Sie zuckte. Sie hüpfte hin und her, und aus den Augenhöhlen rannen dunkle Streifen hervor, die nur schwarz aussahen, es aber nicht waren.

Die zittrigen Fäden schimmerten in einem dunklen Rot und bestanden aus Blut.

Erst jetzt war der Mann zufrieden und nickte sich selbst zu ...

Lilian Evans stand vor dem Spiegel. Wie jeden Morgen, wie so oft. Es gehörte zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, denn sie hatte Zeit, viel Zeit.

Da ihr Mann wochentags unterwegs war, fühlte sich Lilian als eine grüne Witwe. Eine Frau, die allein gelassen wurde mit all ihrem Frust. Finanziell ging es ihr gut, aber das Geld war nicht alles. Auch innerhalb der Woche brauchte sie jemanden, mit dem sie reden konnte. Der auch mal mit ihr ins Bett stieg, darauf aber musste die kinderlose Frau verzichten, wenn Barry unterwegs war, um das Computergeschäft anzukurbeln. Er war Vertriebsleiter der Firma und musste entsprechend viele Kunden besuchen.

An den Wochenenden war er zumeist ausgepowert. Da wollte er nur seine Ruhe haben, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er konnte nicht begreifen, dass eine fünfunddreißigjährige Frau keine sexuelle Altlast war, sondern mitten im Leben stand.

Lilian seufzte. Wie oft hatte sie versucht, ihrem Mann das beizubringen. Es war nicht möglich gewesen. Sie hatte gegen eine Wand geredet und ihn nur immer abwinken sehen. Dabei wollte sie nicht daran glauben, dass ein Mann wie er keine Affären hatte, denn die Abende verbrachte er sicherlich nicht allein.

Beweise dafür hatte Lilian nicht gefunden. Ihr Misstrauen war trotzdem nicht gewichen, und sie hatte das Fremdgehen ihres Mannes für sich selbst als Tatsache akzeptiert.

Wie du mir, so ich dir!

Nach diesem Motto hatte sie schließlich gehandelt und sich ebenfalls hin und wieder einen Liebhaber gegönnt. Nicht sehr oft, aber ihr reichte es aus. So konnte sie an den Wochenenden die glückliche Ehefrau spielen, weil sie Tage zuvor ihren sexuellen Frust hatte ablassen können. Lilian hatte sich arrangiert und lächelte ihrem Spiegelbild jetzt zu.

Schlecht sah sie nicht aus, auch wenn ihre Haare blondiert waren, da sie die ursprüngliche Farbe, dieses sehr fahle Blond, einfach nicht mehr sehen konnte.

So leuchteten sie jetzt wie reifer Weizen, hochgesteckt zu einer Turmfrisur. Ein wenig erinnerte sie an Ivana Trump, eine Frau, die sie mochte. Sie war für Lilian ein Vorbild, denn sie hatte es ihrem Mann so richtig gezeigt.

Das tat Lilian auch, nur eben auf ihre Art und Weise.

Der Spiegel war breit. Er war vor allen Dingen ehrlich. Er zeigte alles in ihrem Gesicht. Auch leider die kleinen Falten, die sich heimlich in die Haut hineingegraben hatten. Draußen dämmerte es bereits. Das Licht fiel von zwei verschiedenen Seiten auf den Spiegel und auch auf die davor sitzende Frau.

Um die Augen herum waren die Falten besonders gut zu sehen, was ihr gar nicht passte. Sie beugte sich der Fläche noch weiter entgegen und sorgte dafür, dass die Haut straffgezogen wurde, damit von den Falten nichts mehr zu sehen war.

Danach nahm sie etwas Schminke und anschließend einen hautfarbenen Puder, den sie über die beiden Stellen strich. Erst dann war sie zufrieden.

Danach knetete sie ihre Wangen. Sie tat es langsam, beinahe schon genussvoll. Sie rieb auch ihr Kinn, um die Haut dort ebenfalls zu straffen.

Ihre Augen waren hell. Die Stirn wirkte hoch, weil kein Haar hineinfiel. Die Nase kam ihr persönlich etwas zu dick oder zu fleischig vor, aber sie passte zu dem breiten Mund, dessen Lippen ein helles Rot zeigten.

Sie mochte die modernen, dunklen Lippenstifte nicht. Sie liebte kräftige Farben, auch bei ihrer Kleidung. Unter dem grünen Hausmantel aus Seide trug sie nur ein Nichts von Slip. Seide liebte sie und musste jetzt lachen, als sie daran dachte, dass dieser Stoff, der ihre Brustwarzen so sanft streichelte, auch Barry so gut gefallen hatte. Er hatte ihr den Mantel sogar ausgesucht.

Ihr war es egal. Barry mochte ihn, aber er zog ihr das Kleidungsstück niemals aus. Das würde der Liebhaber besorgen, der eintraf, sobald es dunkel war.

Er musste aufpassen. Er durfte seinen Wagen nicht in der Nähe abstellen. Er musste die Laternen meiden, wenn er sich dem Haus näherte, in dem Lilian Evans lebte.

Es war eine gute Gegend. Obere Mittelklasse. Wer hier eine Wohnung gemietet hatte, stand nicht nur mit beiden Beinen im Beruf, er verdiente auch nicht schlecht. Broker, Ärzte, Anwälte, auch hohe Beamte hatten sich in diesem Viertel niedergelassen. Zumeist in Wohnungen, die ihnen gehörten.

Alte Häuser, perfekt renoviert. Gehsteige, auf denen kein Schmutz lag. Gepflegte Vorgärten, insgesamt eine Idylle. Aber auch nur eine Fassade, denn hinter diesen feinen Mauern ging es oft hart her. Da gab es dann den großen Frust, wenn die Leistung nicht mehr stimmte. Auch das kannte Lilian, denn es gab genügend sogenannte Freundinnen, die hin und wieder eine Andeutung hatten fallen lassen.

Sie selbst hatte nur zugehört und ihre eigene Ehe gelebt. Das perfekte Lügen war ihr leichtgefallen. Schließlich hatte sie bei ihrem Gatten üben können.

Nicht hinter die Fassade blicken lassen. Immer die perfekte und glückliche Frau spielen. Wie in den oft so kritisierten, aber immer gern gesehenen Familienserien aus den Staaten.

Lilian schaute auf die Uhr.

Eine halbe Stunde musste sie noch warten, bis ihr Galan kam. Sie benutzte gern diesen Ausdruck. Oder auch Kavalier. Das gefiel ihr. Es klang so hoffnungslos altmodisch und erinnerte sie zugleich an die Zeiten, als die Männer noch echte Kerle gewesen waren und es ihren Frauen auch bewiesen hatten.

Sie trauerte diesen Zeiten nicht nach, sondern holte sie sich zurück, und das tat ihr sehr gut. Wie immer konnte sie es kaum erwarten. Bereits jetzt spürte sie das Kribbeln in ihren Adern.

Sie war erregt. Kein Blut mehr in den Adern, dafür Champagner. So sehr kribbelte es in ihr.

Das teure Gesöff hatte sie längst kalt gestellt. Wenn ihr Galan erschien, erwartete er den Schluck. Er regte ihn an, da konnte er auf eine Viagra-Pille gut verzichten.

Sie stand auf. Sehr langsam, sich dabei im Spiegel beobachtend. Als sie neben dem Spiegel stand und sich im Profil sah, streckte sie ihren Körper. Dabei verrutschte der Ausschnitt, und sie konnte die weichen Rundungen ihrer Brüste sehen, deren Spitzen schon hart aufgerichtet waren. Sie saugte die Luft scharf durch die Nase, als sie sich mit ihren schlanken Fingern selbst streichelte. Wie wunderbar leicht sie über die Seide glitten und dabei die Haut massierten! Es war ein gutes Gefühl und steigerte bei Lilian die Vorfreude.

Ein Geräusch an der Tür ließ sie erstarren!

Plötzlich löste sich Lilian aus der Traumwelt. Sie stand wieder inmitten der Realität. Das Geräusch hatte ihr überhaupt nicht gefallen. Es war einerseits so fremd und andererseits so bekannt gewesen. Es passte einfach nicht in diese Uhrzeit hinein, denn die Post war schon am Vormittag gebracht worden.

Jetzt aber hatte die Innenklappe des Briefkastens geklappert, als sie wieder zugefallen war.

Vor Schreck war sie bleich geworden. Allmählich fand das Gesicht wieder zu seiner normalen Farbe zurück, und Lilian überlegte, was sie tun sollte.

Wenn tatsächlich die Briefkastenklappe das Geräusch verursacht hatte, dann musste ihr jemand eine Nachricht überbracht haben. Kein Reklamewurf, der erfolgte früher. Um diese Zeit waren keine Boten mit den Zetteln unterwegs.

Es war schon seltsam. Lilian spürte die leichte Gänsehaut auf ihrem Rücken. Sogar ihre Füße wurden kalt, obwohl sie teilweise von den leichten, flachen Schuhen bedeckt waren.

Ob die Nachricht etwas mit ihrem Besucher zu tun hatte? Daran wollte sie nicht glauben. Wenn ihm etwas dazwischengekommen wäre, hätte er sie sicherlich angerufen. Da musste jemand anderer an der Haustür gewesen sein.

Lilian dachte auch an ihren Mann, obwohl es Unsinn war, wie sie sehr bald selbst zugab. Aber sie war und blieb vorsichtig. Deshalb bewegte sie sich auch durch ihre Wohnung wie eine Fremde und achtete auf das geringste Geräusch.

Zu hören war nichts.

Sie schritt durch die Stille, die sich im gesamten Haus ausgebreitet hatte. Die Wände waren sehr stabil gebaut worden. Da störte kein Nachbar den anderen.

Sie ging durch den Flur. Es brannte nur eine Lampe. Ihr Licht schwebte geisterhaft über dem Boden. Als hätte sich dort ein Geist verdichtet. Sie passierte den Schein. Die Haustür war innen weiß gestrichen worden und in zwei unterschiedlich große Hälften geteilt. In der schmaleren befand sich auch die Öffnung für den Briefkasten, und durch sie war tatsächlich etwas geschoben worden, das allerdings nicht den Boden erreicht hatte, sondern leicht gekippt festklemmte.

Ein Brief!

Helles Papier. Mehr breit als hoch. Nichts weiter als eine Nachricht, über die sie eigentlich hätte lächeln müssen, was sie aber nicht tat, denn es war ihr schon komisch, auf die Tür zuzugehen. Sie spürte wieder den kalten Hauch auf ihrem Rücken, der dort lag wie kleine, eisige Graupen.

Lilian Evans kam sich im Prinzip lächerlich vor, als sie nahe der Tür stehenblieb und sich nicht traute, den Brief aus dem Schlitz zu ziehen. Das ungute Gefühl hielt sie zurück. Sie glaubte daran, dass sich mit dieser Nachricht ihr Leben ändern könnte, was natürlich nicht stimmte. Nur gelang es ihr nicht, über diesen Schatten hinwegzuspringen. Mit großer Mühe fasste sie den Brief an, und das auch nur mit ihren Fingerspitzen.

Behutsam zog sie ihn hervor.

Der Umschlag kam ihr kühl vor. Es lag daran, dass die Hälfte noch draußen gesteckt hatte und dieser Maiabend nicht eben zu den wärmsten zählte.

Sie hielt den Brief hoch und drehte ihn um.

Kein Absender auf der Rückseite. Auch die Adresse auf der Vorderseite war nicht vollständig ausgeschrieben. In großen Buchstaben hatte nur jemand ihren Namen geschrieben.

Lilian überlegte, ob sie den Brief öffnen sollte. Die große Vorfreude war vergangen. Wenn sich jetzt etwas bei ihr veränderte, dann lag es allein an der Kälte, die sie durchrieselte.

Auch klopfte das Herz schneller. In der Brust spürte sie leichte Stiche. Schweißperlen malten sich auf der Stirn ab. Auch an den Händen spürte sie die Feuchtigkeit.

Sie nahm den Brief mit in die Küche, die aufgeräumt war wie ein Ausstellungsstück in einem Möbelhaus. Ihre Hand zitterte noch immer, als sie ein Messer aus der Schublade holte. Sie hielt es in der rechten Hand, den Brief in der linken.

Sie schlitzte den Brief mit einem Ruck auf.

Sie schaute in den Umschlag. Nur ein weißer Zettel war zu sehen. Aber er war beschrieben, das erkannte sie deutlich.

Warum sie die Augen schloss, als sie die Finger in den Umschlag schob, wusste sie selbst nicht.

Sie tat es einfach und hielt die Nachricht für einen Moment fest.

Lilian brauchte den Zettel nicht erst auseinanderzufalten. Sie zog ihn so hervor und drehte ihn herum.

Wieder erschrak sie!

Eine rote Schrift. Sie dachte sofort an Blut und nicht an einen Liebesbrief. Noch hatte sie die Nachricht nicht gelesen. Dazu musste sie den Brief erst drehen. Auch das tat sie langsam, um das Erkennen der Wahrheit so lange wie möglich hinauszuzögern. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als die Botschaft zu drehen und zu lesen. Das Licht reichte gerade noch aus.

Lilian hatte das Gefühl, ihr wären die Beine unter dem Boden weggezogen worden. Plötzlich drehte sich die Küche. Der Fußboden, die Wände, auch die Decke, alles war in Bewegung geraten, und sie selbst kam sich ebenfalls vor wie in einem Boot sitzend. Lilian hatte den Text gelesen. Sie kannte jedes Wort, aber sie wollte nicht glauben, was man ihr da geschrieben hatte.

Mit einem hastigen Schritt näherte sie sich der Spüle, drehte das Wasser an, beugte sich dem Strahl entgegen und trank einen Schluck. Viel besser ging es ihr danach nicht, aber sie raffte sich auf, um dorthin zu gehen, wo der Brief lag.

Dass ihre Hände feucht geworden waren, störte sie nicht weiter. Lilian nahm den Brief in die Hand, und nun schaffte sie es, die Worte halblaut zu lesen.

»Deine Zeit ist um, du Nutte! Lange genug hast du es getrieben! Jetzt werde ich kommen und es dir heimzahlen ...«

Lilian stand auf dem Fleck, ohne sich zu rühren. Noch immer war sie nicht in der Lage, die Nachricht zu fassen, auch wenn sie schon mehrere Minuten zur Salzsäule erstarrt war.

Damit kam sie nicht zurecht! Von Beginn an hatte sie genau gewusst, dass diese Nachricht kein Scherz gewesen war. Nein, da wusste jemand verdammt gut über sie Bescheid. Aber wer war derjenige? Wer hatte sie beobachtet? Wer konnte den verdammten Brief geschrieben haben?

Barry! Der erste Gedanke galt ihrem Mann, doch sie kam davon wieder ab. Sie kannte Barrys Schrift. Auch wenn er sie verstellt hatte, sie hätte es bestimmt bemerkt, wenn er diese Nachricht geschrieben hatte.

Außerdem war Barry ein Typ, der so etwas nicht tun würde. Er war ihr gleichgültig. Zwischen ihnen lief nichts mehr. Wen immer sie auch hier in ihrer Wohnung empfing, so etwas brauchte ihn nicht zu stören, da ihre Ehe sowieso nur eine Farce war.

Wie lange Lilian unbeweglich in der Küche gestanden und sich wie in einem fremden Haus gefühlt hatte, wusste sie selbst nicht. Irgendwann drehte sie sich mit einer schwerfälligen Bewegung herum und ging wieder zurück in den Flur.

Dort lehnte sie sich gegen die Wand, den Kopf leicht gedreht und den Blick auf die Haustür gerichtet. In ihr zeichnete sich keine Glasscheibe ab. Sie war durchgehend aus Holz gefertigt worden. So konnte sie auch nicht sehen, was sich dahinter abspielte. Sie war wie die Tür eines Tresors. Auf irgendeine Art und Weise fühlte sich Lilian auch eingeschlossen. Sie war eine Gefangene im eigenen Haus.

Wie ging es weiter? Würde der Unbekannte die Drohung wahrmachen und tatsächlich bei ihr erscheinen? Sie hoffte es nicht, aber sie konnte auch nicht sicher sein.

Der nächste Blick auf die Uhr ließ sie abermals erstarren. Die halbe Stunde war vorbei. Eigentlich hätte Charlie längst bei ihr sein müssen. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die immer pünktlich waren, besonders, wenn es um bestimmte Besuche ging.

Heute nicht.

Zwei Minuten über die Zeit!

Der Eindruck, in einem Gefängnis zu sitzen, verstärkte sich immer mehr in ihr. Das Kribbeln auf dem Rücken hatte sich längst zu einer zweiten Haut verdichtet. Obwohl sich die Luft nicht verändert hatte, kam sie ihr viel dichter und dicker vor.

Sie bewegte ihren Kopf. Schaute zurück. Da war nichts. Danach wieder der Blick zur Tür.

Auch da war alles gleich geblieben. Wie auch hätte sich etwas verändern sollen?

Welche Chancen gab es denn? Keine. Sie hätte sich lächerlich gemacht, wenn sie die Polizei angerufen hätte. Was hätte sie den Beamten sagen sollen? Dass sie einen Brief erhalten hatte, in dem eine Drohung stand, weil sie fremdgegangen war?

Man hätte sie ausgelacht, und das zu Recht.

Flucht? Das Haus verlassen? Zu einer Freundin fahren und sich ihr zu offenbaren? Nein, das war auch nicht gut. Bisher hatte sie all ihre Seitensprünge selbst vor der besten Freundin geheim halten können. Das sollte auch so bleiben.

Lilian hatte sich – wie auch immer – in diese Lage hineingebracht, und sie musste auch allein da wieder raus. Egal, was mit ihr noch passierte.

War es wirklich egal?

Das wollte sie plötzlich nicht mehr glauben. Durch die offene Tür konnte sie nicht schauen, aber sie hatte gute Ohren und wusste, dass sich dahinter etwas tat.

Da war jemand!

Augenblicklich kehrte die Angst wieder zurück. Lilian fühlte sich von ihr umklammert und zugleich aus ihrer normalen Welt hinausgedrückt. Schritte hatte sie nicht gehört, aber es war jemand an der Tür. Davon ging sie aus.

Dann hörte sie das Kratzen von außen. Ein schreckliches Geräusch, wie von langen Totenfingern hinterlassen.

Es bewegte sich über die gesamte Tür hinweg. Es begann oben, wanderte weiter, baute dabei eine Figur, ein Viereck, einen Kreis, was auch immer.

Die Zeit war für Lilian Evans nicht mehr existent. Sie stand auf dem Fleck, starrte aus leblosen Augen gegen die Tür und hörte dieses verfluchte Geräusch.

Kratzende Finger, deren Weg sich genau verfolgen ließ, der dann plötzlich stoppte.

Wo?, schoss es Lilian durch den Kopf. Wo habe ich das Kratzen zuletzt gehört?

Sie war nicht in der Lage, sich eine Antwort zu geben. Sie glaubte auch nicht, dass sich der unheimliche Besucher zurückgezogen hatte. Außerdem war die Beleuchtung aus gutem Grund nicht eingeschaltet worden. Zwar lebte die Evans' in einer Wohnung, die jedoch war innerhalb des Komplexes so gebaut worden, dass sich der Mieter vorkam wie in seinem eigenen kleinen Haus.

Um in die Wohnung zu gelangen, musste man keinen Treppenflur durchqueren. Da gab es eben die Tür nach draußen und auch zum Vorgarten hin. Etwas bewegte sich. Die Klappe wurde von außen angedrückt und in die Höhe geschoben.

Ein leichter, kaum wahrnehmbarer Luftzug drang in das Haus und streichelte Lilians Gesicht, wo sie einen Schauer spürte. Sie nahm ihn nur am Rande wahr. Sie wollte einfach nichts mehr merken, denn ihr Augenmerk galt einzig und allein der Klappe.

Eine andere Kraft drückte sie hoch. Nur war niemand da, um einen Brief hindurchzuschieben. Leer blieb sie allerdings auch nicht, denn etwas kroch durch den breiten Spalt. Verbunden war diese Bewegung mit schabenden Geräuschen. Innerhalb der Klappe füllte sich der Raum aus.

Ein gelblicher Gegenstand. Aufgeteilt. Wie Finger.

Nicht wie Finger.

Es waren Finger. Nur keine normalen. Durch den Briefschlitz in der Tür hatte sich eine Knochenhand geschoben, über deren hautlose Finger zähes Blut rann ...

Charlie Parker war happy!

Er hätte laut gelacht, doch das verbiss er sich lieber. Er wollte nicht auffallen, denn wenn man sich ein bestimmtes Leben aufgebaut hatte, dann musste man sich auch an bestimmte Regeln halten, und das war bei ihm der Fall.

Offenheit war fehl am Platz. Heimlich erledigte er seine Geschäfte, die sich in erster Linie um Frauen drehten. Sie brachten ihm nicht nur die Zufriedenheit auf finanziellem Gebiet, auch sein Sexleben war sehr abwechslungsreich, und genau das hatte er immer gewollt. Nur deshalb hatte ihm der Liebe Gott dieses Aussehen geschenkt, um andere Menschen beglücken zu können. Dass dabei des Öfteren ein erkleckliches Sümmchen abfiel, nahm er gern mit.

Charlie stufte sich als alterslos ein. Stets gepflegt, einmal im Jahr eine Generalüberholung seines Körpers, nicht zu unsolide leben, auch mal allein schlafen, sich richtig ernähren, das alles waren Angewohnheiten, die er unbedingt beibehalten musste, um nicht so schnell zu altern. Er war über vierzig, sah aber jünger aus. Zudem passte er sich in seinem Outfit stets der neuen Mode an, wobei er niemals übertrieb und die Kleidung immer im Rahmen blieb.

Die Frauen stuften ihn als chic ein. Man konnte sich mit ihm sehen lassen, was allerdings nicht für alle zutraf. Einige Heimlichkeiten gönnte er sich schon. Wie die abendlichen Besuche bei den Frauen, die er rein ›zufällig‹ kennengelernt hatte. Da er tagsüber frei hatte, konnte er sich bewegen, wo er wollte, was Charlie Parker auch weidlich ausnutzte. So hatte er eine nette Brünette an einer U-Bahn-Haltestelle gesehen und angesprochen. Danach war alles wie von selbst gelaufen, und so war es auch bei Lilian Evans gewesen.

Im Supermarkt hatte er sie gesehen und sich an sie herangemacht. Charlie besaß eine gute Nase für Frauen, die sexuell frustriert waren oder brachlagen, wie er es für sich ausdrückte. So ein Wild war leicht zu erlegen. Auch Lilian hatte ihm kaum Schwierigkeiten bereitet. Sich zuerst ein wenig zieren, okay, das gehörte dazu. Danach hatte alles wie von selbst geklappt. Schon beim zweiten Treffen waren sie gemeinsam in einem Hotelbett gelandet. Später hatten sie dann abgemacht, dass er zu ihr kam, wenn sie es wollte.

Einmal in der Woche war die Regel, und auch jetzt, wo Charlie sie schon länger kannte, ließ er die gebotene Vorsicht nie außer Acht. So parkte er seinen 3er BMW noch immer ein Stück entfernt in einer Seitenstraße.

Von dort aus hatte er es nicht weit. Auch wenn ihm jemand begegnete, fiel er nicht auf. Dank seiner gepflegten Kleidung wirkte er stets wie einer der Bewohner dieser Häuser. Wer hier lebte, war nicht eben arm.

Charlie lächelte, als er seinen Wagen verließ. Sein Stammparkplatz war frei gewesen. Niemand hatte sein Fahrzeug unter dem Geäst der ausladenden Kastanie abgestellt. Die meisten Besitzer ärgerten sich wohl, wenn der Blütenstaub auf ihre Autos regnete.

Charlie war das egal. Er blieb nie lange und auch niemals bis zum Morgen. Die Helligkeit störte ihn. Die mied er wie ein Vampir die Sonne.

Immer das gleiche Ritual. Aussteigen, danach der Blick in die Runde. Ausloten, ob die Luft rein war.

Sie war es. Wie immer. Es hatte nie Schwierigkeiten gegeben. Parker lächelte. Wie hätte es auch anders sein können bei seinem Glück? An eine Gefahr dachte er nicht. Wer hätte ihm auch gefährlich werden können? Keiner. Glückspilze wie er lebten immer auf der besonderen Schiene, die stets zum Erfolg führte.

Er freute sich auf Lilian. Sie war ebenfalls ein Glücksgriff gewesen. Ein verdammt heißer Feger. Ein Weib, das man nicht allein lassen durfte. Zumindest nicht zu lange. Das aber hatte ihr Gatte getan. Da lagen die Konsequenzen auf der Hand.

Locker ging Charlie Parker um den BMW herum. Auch jetzt hielt ihn noch der Schatten des Astwerks bedeckt und auch der des Stamms. Dass dort jemand auf ihn warten könnte, dieser Gedanke kam ihn nicht.

Dort wartete der Tod, und er meldete sich mit einem hohl klingenden Kichern an.

Parker hörte es. Er blieb stehen und drehte sich. Vorbei war es mit seiner schon euphorischen Laune. Was er da gehört hatte, war ihm auf den Magen geschlagen.

Noch sah er nichts. Der Stamm wuchs vor ihm hoch. Über ihm breitete sich das Geäst aus. In der Dunkelheit bildete es einen Schatten, einen großen schwarzen Pilz. Zugleich ein Dach, vor dem sich der Mann fürchtete. Nichts war mehr wie sonst. Er hatte sich in dieser Gegend stets wohl gefühlt, das war nun vorbei. Natürlich dachte er an die zahlreichen Überfälle, die immer wieder stattfanden, aber nicht hier, sondern ...

Seine Gedanken brachen ab.

Jemand hatte erneut gekichert.