John Sinclair Sonder-Edition 218 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 218 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Name: Judas Delany!
Seine Tat: vierfacher Mord!
Drei Morde davon hatte er begangen, als er schon in der Psychiatrie saß. Überwacht, hinter dicken Mauern, ausbruchsicher. Und doch war Delany der Täter gewesen und kein Nachahmer. Damit wurde er ein Fall für Suko und mich, denn die Kollegen waren an ihre Grenzen gestoßen. Zusammen mit der Psychologin Marcella Ash sollten wir den Fall lösen und einen Killer fassen, der anscheinend an zwei Orten zugleich sein konnte. Spät, zu spät erfuhren wir die grausame Wahrheit ...


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Seitenzahl: 202

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Fürchte Deinen Nächsten!

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Fürchte Deinen Nächsten!

von Jason Dark

Sein Name: Judas Delany!

Sein Vergehen: vierfacher Mord!

Drei Morde davon hatte er begangen, als er schon in der Psychiatrie saß. Überwacht, hinter dicken Mauern, ausbruchsicher. Und doch war Delany der Täter gewesen und nicht irgendein Nachahmer. Damit wurde er ein Fall für Suko und mich, denn die Kollegen waren an ihre Grenzen gestoßen. Zusammen mit der Psychologin Marcella Ash sollten wir den Fall lösen und einen Killer fassen, der anscheinend an zwei Orten zugleich sein konnte ...

»Kommen Sie, Sinclair, kommen Sie! Das müssen Sie sich ansehen!« Alex Rankin zerrte mich beinahe wie einen Verbrecher aus dem Rover. Suko, der mit mir gefahren war, nahm er kaum zur Kenntnis.

»Immer mit der Ruhe, Meister!«

Rankin fuhr herum. Er war kleiner als ich, dunkelhaarig und trug eine Brille.

»Scheiß was auf die Ruhe!«, flüsterte er. »Das ist Grauen in Potenz! Und es ist schon die vierte Leiche. Ich habe die Schnauze voll, verstehen Sie? Ich will keine Psychopathen oder Soziopathen mehr jagen. Ich will auch kein Profiler mehr sein, obwohl man mich dazu gemacht hat. Mir steht es bis hier!« Er zeigte auf seine Oberlippe und nickte dazu.

»Ich verstehe Sie, Rankin.«

»Hören Sie auf.«

»Doch, ich kenne mich aus. Ich habe selbst schon Dinge genug erlebt, über die man nur den Kopf schütteln kann.«

Rankin atmete zweimal durch. Dann schaute er mich an und auch Suko, der neben mir stand.

»Sorry, aber manchmal ist es zum Heulen. Ich weiß ja, wer Sie sind. Aber dieser Killer ist ein Tier, ein ... ein ...«, er hob die Schultern, »ich weiß es selbst nicht. Es ist alles klar und trotzdem so verdammt kompliziert. Dann immer die verdammten Nachrichten, die mich und andere verhöhnen. Es ist ...«

»Sollten wir uns den Tatort nicht besser anschauen?«, schlug Suko vor.

»Ja, natürlich. Sie sind ja neu. Oder endlich hier. Wie auch immer.« Er winkte ab.

»Und immer in einer Kirche?«

»Ja, Suko, ja. Oder fast immer. Zwei haben wir in einer Kirche gefunden, einen im Gemeindehaus, und die Frau hier liegt wieder auf dem Altar.«

»Wer ist die Tote?«

»Eine Person, die hier putzte. Sie tat es freiwillig. Nur für Gotteslohn.« Rankin lachte bitter. »O verdammt, jetzt hat sie ihren Lohn dafür bekommen.«

Die Kirche lag vor uns. Sie war recht klein und von Pappeln umgeben. Die Bäume hatten ihr trauriges Spätherbstkleid angelegt.

An einigen Stellen in der Umgebung lag noch etwas Schnee. Die Reste waren grau geworden, wie mit Asche bestreut. Der Kirchturm ragte schmal auf. An der Westseite sah das Dach rot aus. Dort hatte es neue Pfannen bekommen.

Wir gingen auf die Tür zu. Für die Wagen der Mordkommission hatte ich keinen Blick. Auch die Mitarbeiter schauten ins Leere. Sie hatten ihre Arbeit getan, aber die Tote war noch nicht abtransportiert worden, weil Suko und ich sie uns noch ansehen sollten.

Wir waren neu in diesem Fall. Die genauen Hintergründe kannte ich auch nicht. Sir James hatte nur eine kurze und sehr ernste Unterredung mit uns gehabt. Er hatte uns auch auf Alex Rankin hingewiesen, der eben den Job als Profiler übernommen hatte.

Rankin war Polizist und Psychologe. Er gehörte zu den Menschen, die versuchten, sich in die Rolle des Verbrechers hineinzuversetzen, um sie irgendwo auch begreifen zu können, obwohl dies kaum möglich war, weil die Gehirne eben zu krank waren. Männer wie Rankin sammelten alles über die Täter. Sie wollten ein Puzzle zusammensetzen, um schließlich herauszufinden, wie sie eingreifen mussten. Möglicherweise konnten sie dann Verbrechen verhindern, warnen und vorbeugen.

Bei diesem Killer, von dem Suko und ich nicht viel wussten, hatte das nichts gebracht.

Alex Rankin ging neben uns her. Er hatte seine Hände in die Taschen des braunen Mantels gestopft. Ich war sicher, dass er sie auch dort zu Fäusten geballt hatte.

Rechts neben der Tür, die nicht versiegelt war, standen der Pfarrer und seine Frau. Der Mann war erkältet. Seine Nase schimmerte rot. Er rieb seine geschwollenen Augen, während seine Frau klein, schmal und totenblass neben ihm stand. Andere Neugierige hielten sich aber zurück und standen frierend zwischen den Pappeln. Zum Glück hatte die Presse noch nichts von dem Verbrechen erfahren; so waren wir bei unseren Ermittlungen ungestört.

»Die Frau des Pfarrers hat die Tote entdeckt«, berichtete Rankin. »Sie kam in die Kirche, um Weihnachtssterne aufzustellen.« Er zuckte die Achseln. »Sie können sich denken, welchen Schock sie bekommen hat. Ich wundere mich, dass sie noch auf den Beinen steht.«

»Ja, das wird schwer gewesen sein.«

Ich wollte nicht mit dem Pfarrer-Ehepaar sprechen, aber der Mann streckte mir seine Hand entgegen. »Sind Sie die Männer vom Yard?«

Suko und ich bejahten.

»Es ist grauenhaft«, flüsterte der Pfarrer. »So unmenschlich. Das hätte ich mir in den schlimmsten Träumen nicht ausgemalt. Ich ... ich ... weiß auch nicht, wie es geschehen konnte und komme nicht darüber hinweg, dass Menschen zu so etwas fähig sind.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist kein Mensch gewesen, auch kein Tier, denn Tiere tun so etwas nicht. Das war ...«, er holte noch einmal Luft, »... das war ein Teufel, Sir. Ein Teufel. Einen anderen Ausdruck finde ich nicht. Da muss jemand aus der tiefsten Hölle gestiegen sein, um auf die Erde zu kommen. Er hat die Kirche pervertiert, und das will mir nicht in den Kopf.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte ich.

Rankin schob mich weiter. »Kommen Sie mit in die Kirche. Dann werden Sie es selbst sehen.«

Der Pfarrer hielt mich noch fest. Seine Finger waren wie eine Kralle. »Bitte«, drang es flüsternd über seine bleichen Lippen. »Finden Sie den Killer. Holen Sie sich das Ungeheuer. Wenn ich keinem Menschen den Tod wünsche, und der Allmächtige möge mir verzeihen, aber ihm wünsche ich ihn. Einer wie er darf nicht mehr leben.«

»Wir werden alles tun, das verspreche ich Ihnen.«

»Danke.«

»Floskeln, nichts als Floskeln«, murmelte Rankin. »So etwas sage ich auch immer, wenn ich am Beginn stehe. Aber der Mann hat recht. Es ist unbegreiflich.«

Suko war schon vorgegangen und zog die Tür der Kirche auf. Sie knarrte, und es hörte sich an, als wäre der Eingang zu einer alten Gruft geöffnet worden.

Wir betraten die Kirche, die normal aussah, aber trotzdem anders war, denn das übliche Halbdunkel verteilte sich nur im hinteren Bereich. Weiter vorn, besonders in der Nähe des Altars, standen noch die Scheinwerfer, deren Strahlen auf den Altar gerichtet waren. Helle, schon brutale Lichter, die alles ausleuchteten.

Im ersten Moment hatte ich den Eindruck, als sollte hier ein Film gedreht werden. Am Set stand noch alles, und nur die Akteure waren für einige Minuten in die Pause gegangen.

In einer leeren Kirche ist es immer still, das wusste ich. Und es herrscht dort auch eine besondere Ruhe, die ich manchmal als heilige Stille empfand. Auch hier war es still, nur anders. Diese Ruhe kam mir bedrückend vor. Sie war wie ein unsichtbares Gitter, das alles eingeklemmt hatte, einschließlich Menschen.

Als wir nach vorn auf den Altar zugingen, dämpften wir unwillkürlich unsere Schritte. Jedes Geräusch empfand ich zumindest als störend. Selbst Rankin hielt sich zurück. Die Farbe seines Gesichts sah blauweiß aus, und er hielt die Lippen fest zusammengepresst.

Wir nahmen den Mittelgang. Für die Bankreihen hatten wir keinen Blick. Auf dem Boden befanden sich noch die Markierungen der Kollegen von der Mordkommission. Durch die Fenster sickerte das graue Licht des Spätherbsttages. Es verteilte sich wie blasser Nebel auf dem Boden. An einer Säule stand noch das Putzzeug der Toten. Zwei Eimer, ein Mopp, Wischlappen ...

Rankin hatte uns vorgehen lassen. Suko und ich schritten nebeneinanderher. Mit jedem Schritt, den wir zurücklegten, verkürzte sich die Entfernung. Es war völlig normal, aber ich empfand es in dieser Situation als anders. Für mich schien die Kirche zusammenzuwachsen. Sie verkleinerte sich, und sie verlor dabei ihre ureigenste Bestimmung. Das Gute war geflohen, ebenso wie die Hoffnung. Etwas Schreckliches, geboren in der Tiefe der Hölle, hatte von ihr Besitz ergriffen. Es strömte eine unerklärliche Kälte aus, die sich in mein Inneres hineinfraß und mich frösteln ließ.

Das war ein Augenblick, an dem ich mich weit, weit weg wünschte, doch ich konnte nicht kneifen und musste den Tatsachen ins Auge blicken.

Die Tatsache lag auf dem Altar. Sie war eine Frau, und sie war tot. Das nahm ich hin. Ich konnte es nicht ändern, ich ging aber auch nicht weiter, weil ich nicht in das Blut treten wollte, das aus den Wunden gesickert war und sich um den Altar herum verteilt hatte.

Mehr wollte ich nicht sehen, obwohl ich hinschaute. Ich nahm es einfach nicht zur Kenntnis. Das Bild war zu schrecklich. Eine innere Sperre baute sich bei mir auf. Ich war dabei, mich zu verwandeln. Ich wurde zu einem Baum, zu einem anorganischen Gegenstand, einem Stein oder irgendetwas in der Richtung.

Neben mir hörte ich Suko schwer atmen. Jetzt konnte ich verstehen, weshalb die Kollegen der Mordkommission so bleich ausgesehen hatten. Dieses Bild war einfach zu schrecklich. Da weigerte sich der Verstand eines Menschen, es aufzunehmen.

Wie lange ich vor dem Altar gestanden hatte, wusste ich nicht. Es konnten zwei oder auch zehn Minuten gewesen sein. Das Zeitgefühl war mir verlorengegangen. Irgendwann drehte ich mich um und schaute direkt in Alex Rankins Gesicht hinein.

Die Lippen des Mannes zuckten. Er stellte mir keine Frage, denn er wusste wie es in mir aussah.

Ich senkte den Kopf, atmete aus, schüttelte den Kopf. Selbst in dieser Kälte stieg der Blutgeruch in meine Nase, und dann legte Suko seine Hand auf meine Schulter.

»Wir sollten wieder gehen, John.«

»Ja, da hast du recht.« Meine Stimme war kaum zu verstehen. Ich ging den Weg zurück und fühlte mich so allein. Erst als ich die Kirche verlassen hatte, kam ich wieder zu mir und blickte hinein in die gestorbene Natur.

Suko und Rankin waren auch wieder bei mir. Der Kollege räusperte sich. »Tut mir leid, ich hätte Ihnen den Anblick gern erspart, aber da sie jetzt mitmischen, müssen Sie alles sehen.«

»Sicher«, murmelte ich.

Suko fragte: »Weiß man schon, welche Waffe der Mörder benutzt hat?«

»Nicht genau. Alles weist auf eine Machete oder ein ähnliches Instrument hin. Er hat gewütet ...«

»Wie war es bei den anderen drei Toten?«

»Ebenso, Suko. Kaum anders. Ich begreife es nicht. Vier Leichen, und es gibt keine Zusammenhänge. Er sucht sie sich wahllos aus, hat man das Gefühl. Ich habe ein Phantom gejagt. Ich habe alles versucht. Ich habe die Psychologie ebenso eingesetzt wie die Untersuchungsergebnisse der Kollegen. Aber es war nichts, gar nichts. Ich kam keinen Schritt weiter, und ich stehe noch immer am Anfang. Jetzt sind Sie im Spiel, und ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, den Killer zu fassen. Er muss endlich zerstört werden, verstehen Sie?«

Ich hatte den schrecklichen Anblick zwar noch nicht abgeschüttelt, das würde ich nie können, aber mich hatten die Worte des Kollegen schon verwundert. »Warum sprechen Sie von einer Zerstörung, Alex?«

Er nickte vor sich hin. »Das werde ich Ihnen gleich erklären. Zuvor aber das.« Er zog beide Hände aus den Manteltaschen, obwohl er nur in der rechten etwas hielt. Es war eine dünne Plastiktüte, und darin befand sich ein weißer Zettel. Auf dieser Unterlage malte sich die rote Schrift besonders gut ab, und die Worte sahen aus, als wären sie mit Blut geschrieben worden.

»Lesen Sie!«

Suko und ich lasen zugleich und halblaut. »Fürchte Deinen Nächsten!« Und dann gab es da noch eine Unterschrift. »Judas ...«

»Ja, Judas. Judas, der Verräter. So steht es schon in der Bibel!«, flüsterte Rankin. »Einer, der den Herrn verraten und sich dann aus Reue und Scham erhängt hat.«

»Dann hat der Killer einen Namen«, sagte Suko.

»Richtig. Und es ist sogar der echte!«

Ich schaute hoch. »Der echte? Moment mal, woher wissen Sie das? Wie kommen Sie darauf?«

Alex Rankin ließ sich mit der Antwort Zeit. Er steckte das Beweisstück wieder in die Tasche, holte Zigaretten hervor und zündete sich ein Stäbchen an. Dabei schaute er auf die kahlen Pappeln, als könnten ihm die wenigen, dunklen Blätter eine Antwort geben. Nach drei Zügen drehte er sich wieder um.

»Reden Sie schon!«, drängte ich. »Sie wissen mehr. Das sehe ich Ihnen doch an!«

Rankin sprach mit monotoner Stimme. »Der Killer heißt Judas Delany!«

»Das wissen Sie?«

»Ja, er ist mir bekannt.«

»Und weiter?«

»Nichts weiter. Oder doch. Er sitzt. Wir haben ihn. Er sitzt in einer Klinik für psychisch Kranke. Wir wissen, wer dieses Schwein ist, und trotzdem killt er weiter! So, Sinclair, jetzt wissen Sie, warum wir Sie und Suko geholt haben ...«

Das war der zweite Schock innerhalb kurzer Zeit. Nicht so schlimm wie der erste, aber er war verdammt schwer zu überwinden. Ich konnte es nicht glauben, es war einfach unmöglich, aber welchen Grund sollte Rankin gehabt haben, uns anzulügen?

»Sie haben sich nicht geirrt?« fragte Suko.

»Nein, das habe ich nicht. Judas Delany. Merken Sie sich diesen Namen ...«

»Und Sie haben ihn festgenommen?«

»Nicht ich, Suko. Kollegen. Nachdem er seine erste Bluttat begangen hatte. Es war ganz einfach. Er hat zu viele Spuren hinterlassen. Er leistete nicht einmal Widerstand. Es ging alles sehr schnell. Er wurde vor Gericht gestellt und aufgrund seiner wirren Aussagen in eine Klinik überwiesen, in der er noch immer ist. Sicher verwahrt. Er ist nicht einmal ausgebrochen. Dann hätten wir ja eine Spur. Er war in seiner Zelle, so habe ich es gehört.«

»Kann das jemand bezeugen?«

»Nein, nicht genau. Nicht zu den Stunden, als die Taten geschahen. Trotzdem war er da. Denn es gab keinerlei Spuren, die auf einen Ausbruch hingedeutet hätten. Keine Beschädigungen an der Tür, an den Gittern am Fenster, einfach nichts ...«

»Dann hat er einen Nachahmer gefunden«, sagte ich.

Ich erntete ein hartes Lachen. »Das wäre schön gewesen, wirklich treffend. Ist aber nicht so. Es gibt keine oder keinen Nachahmer. Er hat die Morde begangen. Er nimmt sie ja auf seine Kappe. Und nicht nur das. Er kündigt sie vorher noch an. Er hat nie Namen erwähnt, doch er erzählte, dass er jemand umbringen wird. Und das ist nach dem ersten Mord nun dreimal eingetreten. Alle stehen vor einem Rätsel, auch Marcella Ash.«

»Wer ist das, bitte?«

»Eine Kollegin aus der Klinik, die sich um ihn kümmert.« Rankin trat die Kippe aus. »Kümmert ist vielleicht zuviel gesagt. Sie betreut ihn auch nicht in dem Sinne. Für Marcella ist dieser Mann mehr ein Forschungsobjekt. Sie redet viel mit ihm, aber sie kommt nicht an ihn heran. Er hat ihr auch die Morde angekündigt, und er hat wirklich seinen Spaß dabei gehabt.«

»Steht der Mann unter Bewachung?«, fragte Suko,

»Klar. Er kann nicht raus. Würde er es versuchen, gäbe es sofort Alarm. Der sitzt in einem Hochsicherheitstrakt. Es ist Wahnsinn, ich weiß, aber wir stehen vor einem Rätsel. Und Sie beide sind dafür bekannt, Fälle zu übernehmen, die mit dem normalen Verstand nicht zu fassen sind. Hier ist etwas geschehen, mit dem ich nicht zurechtkomme. Es versagt die Wissenschaft, das gebe ich ehrlich zu. Für mich ist Judas Delany kein Mensch, sondern ein Übermensch oder einer, der mit dem Teufel im Bunde steht, wie der Pfarrer schon richtig bemerkte. Und der Teufel ist ja Ihre Sache, denke ich.«

Ich hatte meine Zweifel. »Kann man einfach alles auf den Teufel schieben?«

»Wenn es ihn gibt. Haben Sie ihn gesehen?«

»Vielleicht steckt in jedem Menschen ein Teufel«, antwortete ich ausweichend.

»Das ist auch möglich. Doch darüber denke ich nicht nach.« Alex Rankin ballte die rechte Hand zur Faust. »Ich möchte nur, dass es keinen fünften Toten gibt. Wenn Sie Unterstützung benötigen, kann ich sie Ihnen geben, falls es in meinen Kräften steht. Ansonsten sind Sie auf sich allein gestellt, sage ich mal.«

»Was ist mit dieser Marcella Ash?«, fragte Suko.

»Sie ist eine Kollegin. Eine gute Frau, das muss ich sagen. Sie gibt sich Mühe, und ihr Fachwissen ist enorm.«

»Sie kümmert sich um Delany?«

»Was heißt kümmern? Das ist zuviel gesagt. Der junge Mann ist für sie ein Forschungsobjekt.«

»Junge Mann?«

»Klar, Suko. Judas ist erst fünfundzwanzig und in seinem Alter schon ein vierfacher Mörder.«

»Falls er die drei anderen auch getötet hat«, sagte ich.

Rankin tippte mir gegen die Brust. »Da seien Sie mal sicher. Er hat sie getötet, darauf können Sie sich verlassen. Judas ist eine mordende Triebmaschine. Ich finde keine Worte mehr. Seine Taten haben auch mit seiner Vergangenheit zu tun, aber das kann Ihnen Marcella Ash genauer erklären, denn sie kennt ihn besser.«

»Haben Sie die Adresse der Klinik?«

»Sicher.«

Wir merkten uns den Namen. Für uns gab es hier nichts mehr zu tun. Alles andere war Sache der Kollegen. Die Wanne stand bereit, in die die Überreste gelegt werden sollten.

Ich erhaschte einen Blick auf den Pfarrer und seine Frau. Sie musste von ihrem Mann gestützt werden und hatte ihren Kopf gegen seine Schulter gelegt.

Bevor wir uns verabschiedeten, bekamen wir noch Rankins Karte mit allen wichtigen Daten. Schweigend gingen wir zurück zu unserem Rover. Wir stiegen ein, fuhren noch nicht los und schauten beide gegen die Frontscheibe.

Auf ihrer Fläche malte sich die Umgebung wie eine schwache Zeichnung ab. Wir sahen die Kirche, die Bäume und auch die Menschen. Wir wussten noch nicht, ob alle vier Opfer auf einem Altar gefunden worden waren. Es war jetzt nicht wichtig, darüber konnte uns sicherlich Marcella Ash Auskunft geben.

»Fürchte deinen Nächsten«, murmelte Suko. »Er hat eines der Zehn Gebote umgedreht und pervertiert.«

»Fehlt nur noch ›wie dich selbst‹«, sagte ich.

»Glaubst du das?«

»Was?«

»Dass er sich vor sich selbst fürchtet.«

»Ich würde es«, sagte ich.

»Aber nicht er.«

»Und er hat keinen Nachahmer«, murmelte ich.

Suko wiegte den Kopf. »Also das würde ich nicht unterschreiben, John. Wenn wir Rankin glauben sollen, dann ist es unmöglich für Delany gewesen, aus der Klinik zu entkommen. Wie aber kann jemand einen Mord begehen, wenn er in der Zelle sitzt und es keine Hinweise auf eine Flucht gibt? Kannst du mir das erklären?«

»Nein, aber wir werden es herausfinden.« Ich wollte starten, doch Suko legte mir eine Hand auf den Arm. »Warte noch.«

»Warum?«

»Ich möchte nicht mit in die Klinik fahren. Du wirst dich zwar wundern, aber ich werde mich ins Büro setzen und mir die Unterlagen kommen lassen, die es über Judas Delany gibt. Vielleicht finde ich dort einen Hinweis, während du dich mit dieser Psychologin unterhältst. Einer von uns muss ja etwas finden.«

»Das ist mir egal. Ich fahre auch allein zu ihr.«

»Okay, dann setze mich an der nächsten U-Bahn-Station ab. Ich bin sicher, John, dass dieser Judas einen Nachahmer hat.«

»Ich leider nicht, Suko ...«

Marcella Ash war fünfunddreißig und stand mit beiden Beinen mitten im Leben. Sie war Psychologin und beschäftigte sich mit den Abgründen der menschlichen Seele. Was sie in ihrer Berufspraxis schon erlebt hatte, war unvorstellbar, aber sie gehörte glücklicherweise zu den Menschen, die sich nicht in den Abgründen verloren hatten. Sie führte das Leben einer modernen Frau, und sie wohnte allein, denn vor zwei Jahren war ihre letzte Beziehung mit einem Musiker zerbrochen. Da war sie schon verzweifelt gewesen, doch sie hatte es geschafft, sich durch harten beruflichen Einsatz wieder aufzurichten, und kümmerte sich in der Klinik um die harten Fälle.

Besonders um Judas Delany, den Killer.

Sie wollte herausfinden, was ihn zu dieser fürchterlichen Tat getrieben hatte, doch bereits nach den ersten Gesprächen mit ihm war ihr Weltbild auf den Kopf gestellt worden, denn Judas hatte nicht nur weitere Taten angekündigt, er hatte sie sogar selbst durchgeführt. Er bestand darauf, die Morde begangen zu haben, obwohl er die Klinik nicht verlassen konnte.

Im Moment saß er in einem Seitentrakt der Klinik in ihrem Büro und schaute auf das halbvolle Whiskyglas. Ihr Blick fiel durch das Fenster in den frühwinterlichen Park, in dem nichts mehr auf die blühenden Bäume des Frühjahrs oder Sommers hinwies.

Sie brauchte den Schluck. Erstens wollte sie das kratzige und bedrückende Gefühl aus ihrem Magen vertreiben, und zweitens sollte ihr Gesicht wieder etwas Farbe bekommen.

Was sie vor einer Viertelstunde gehört hatte, war furchtbar gewesen. Es gab wieder eine Leiche. Man hatte die Frau auf einem Altar in einer Kirche gefunden, und sie war auf die gleiche Art und Weise umgekommen wie die drei ersten.

Judas!

Sie flüsterte den Namen einige Male vor sich hin, kippte dann einen Schluck in ihre Kehle und schüttelte den Kopf. Es war unmöglich, es konnte nicht sein. Dieser Killer saß hier fest. Er war sehr schnell nach der ersten Tat gefasst worden, und die drei anderen konnte er nach allen Gesetzen der Logik und nach menschlichem Ermessen nicht umgebracht haben.

Aber was war bei einem Menschen schon logisch?

Marcella Ash zweifelte selbst daran. Es hing mit ihrem Beruf zusammen. Sie hatte die menschliche Psyche nie logisch erklären können. Wäre es so gewesen, dann gäbe es auf der Welt keine Verbrechen mehr. Dann würden die Menschen friedlich zusammen leben, aber das traf einfach nicht zu. Es gab die Kriege. Es gab das Grauen, es war einfach alles da, und der Mensch war das schlimmste aller Lebewesen. Er handelte nicht logisch. Er verhielt sich nicht wie ein Tier, das nur dann tötet, wenn es hungrig war – nein, er killte seinen Nächsten aus oft primitiven Instinkten. Aus Rache, aus Habgier, aus Hass, aber auch aus Motiven, die kaum fassbar waren.

Da brauchte sie nur an die Kindermörder zu denken, die ganze Landstriche in Angst und Schrecken versetzt hatten. Sie als Psychologin saß ihnen oft ratlos gegenüber, denn sie konnte ihre Taten einfach nicht begreifen. Auch durch noch so intensive Befragungen war es ihr nie gelungen, in die Abgründe ihrer Seelen einzutauchen, und nun kam noch ein Problem hinzu.

Judas Delany!

Beinahe schon ein passender Name für diesen fünfundzwanzigjährigen Killer. Judas der Verräter, aber nicht Judas der Mörder. Hier schon. Delany wollte den Tod. Er freute sich über seine Taten, das hatte er ihr selbst erzählt.

Sie trank auch den letzten Rest und stellte das Glas hart auf ihren Schreibtisch zurück.

»Verdammt noch mal, was ist das nur?« Sie schüttelte den Kopf und fuhr mit den gespreizten Fingern durch das braunblond gefärbte Haar. »Das kann nicht sein! Er kann es nicht gewesen sein. Er sitzt hier fest. Ausbruchsicher ...«

Und trotzdem ..., dachte sie. Die drei weiteren Taten hatten der ersten in allem geähnelt. Genau das war das Problem. Ein Nachahmungstäter hätte das nicht schaffen können. Er hätte dafür die Einzelheiten der ersten Tat wissen müssen, doch die waren nicht bekanntgeworden. Selbst in der Boulevard-Presse nicht.

Also doch Judas?

Dr. Marcella Ash wusste es nicht. Sie würde es vielleicht nie wissen, denn auch ihr waren Grenzen gesetzt. Ebenso wie der Polizei, die ebenfalls vor einem Rätsel stand.

Mit dem Kollegen Alex Rankin arbeitete sie gut zusammen. Auch er versuchte, Verbrechen von der psychologischen Seite aufzuklären. Einige Erfolge hatte er schon errungen, doch bei Judas stand auch er vor einem Rätsel.

Inzwischen fragte Marcella sich, ob es nicht doch Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die nicht zu erklären waren. Die irgendwo zwischen Sein und Nichtsein schwammen und letztendlich akzeptiert werden mussten, auch wenn keine logische Begründung gefunden wurde.

Selbst die Kollegen von der Polizei wollten dies nicht mehr ausschließen und hatten sich deshalb mit einem Mann kurzgeschlossen, der auf übersinnliche Fälle spezialisiert war. Marcella kannte den Mann nicht persönlich, aber sie hatte schon von ihm gehört. Er hieß John Sinclair und wurde scherzhaft Geisterjäger genannt.

Marcella wusste nicht, wie sie sein Eingreifen einschätzen sollte. Noch vor kurzem hätte sie über einen derartigen Menschen nur gelächelt, doch Judas hatte sie eines Besseren belehrt, auch wenn sie es sich noch nicht eingestehen wollte.

Per Telefon hatte Alex Rankin ihr den Besuch des Kollegen angekündigt. Es war sogar möglich, dass sie zu zweit hier eintrafen, und sie würden sicherlich mit Judas sprechen wollen.

Es war wie immer. Er saß in seiner Zelle. Marcella hatte sich vorher informiert. Um diese Zeit nahm er ein kleines Essen zu sich. Gebäck, Süßigkeiten, die er in sich hineinstopfen konnte. Dazu trank er immer Schokolade.

Er war ein Mensch, der im Prinzip keinen Ärger machte. Jeder kam mit ihm zurecht. Judas war kein einziges Mal durchgedreht oder hatte irgendwelche Pfleger angegriffen. Nein, so wie ihn wünschte man sich im Prinzip jeden Insassen. Ruhig, manchmal sogar höflich, aber man brauchte nur in seine Augen zu schauen, um die zweite Seite, die Bestie, in ihm erkennen zu können.