1,99 €
Wenn Schiffe und Flugzeuge spurlos vor Amerikas Küste verschwinden, gibt man dem Bermuda-Dreieck die Schuld. Als die ATLANTIC QUEEN verschwand, irrten die Experten. Nicht das teuflische Bermuda-Dreieck hatte das Luxus-Schiff verschluckt, sondern die Jenseits-Falle.
Durch einen Riss in den Dimensionen war sie entstanden, weil Kara, das Mädchen aus Atlantis, den Trank des Vergessens suchte.
Um die Jenseits-Falle zu schließen, gab es für mich nur eine Chance. Ich musste mich gegen Kara und Myxin, meine beiden Verbündeten stellen ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Die Jenseits-Falle
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/nodff; Alex Malikov
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2764-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Die Jenseits-Falle
von Jason Dark
Der Wind schien aus der Ewigkeit zu kommen. Er brachte ein Lied mit, das von unendlicher Trauer, Tod, Vernichtung und Vergänglichkeit erzählte. Er wehte über das Land, und es hatte den Anschein, als würden zarte Hände die Saiten einer gläsernen Harfe streicheln.
Er spielte mit den Zweigen und Ästen der Bäume, sang um die hohen, vier markanten Steine, die an alte Menhire erinnerten, und fuhr dem kleinen Mann ins Gesicht, der dastand und dem Wind lauschte. Er wollte in seinem Säuseln eine Antwort finden, weil er selbst nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Doch der Wind verriet nichts. Er ließ den kleinen Mann allein und trocknete nur seine Tränen.
Der Mann senkte den Kopf. Er sah auf den Boden, wo das saftige Gras wuchs, seine Schultern hoben sich in einer verzweifelten Geste, und ein tiefes Stöhnen drang aus seinem Mund.
»Ich weiß, es ist nicht leicht für dich, aber es gibt einfach keinen anderen Weg …«
Eine Frauenstimme hatte die Worte gesprochen. Sie war hinter dem Mann aufgeklungen, der jedoch so tat, als hätte er sie nicht gehört. Er starrte weiterhin zu Boden.
»Dreh dich um, Myxin!« Die Frau sagte es bittend und legte eine Hand auf die Schulter des anderen. Sie gab ihren Fingern ein wenig Druck, und nur widerwillig wandte sich der Mann nach links.
Dann standen sie sich gegenüber. Sie sahen sich an. Ein ungleiches Paar, und dennoch würde einer für den anderen durchs Feuer gehen. Bis heute jedenfalls.
»Kara«, flüsterte Myxin, der kleine Magier, »ich bitte dich inständig, überlege es dir.«
»Das habe ich bereits. Ich bleibe bei meinem Entschluss, Myxin. Ich kann ihn nicht einfach umwerfen. Die andere Sache ist mir zu wichtig. Entweder stellst du dich auf meine Seite oder nicht.«
Der kleine Magier mit der leicht grünlich schimmernden Haut und dem langen Mantel ging einen Schritt zurück.
»Ich kann es einfach nicht glauben, dass du es bist, die diese Worte gesagt hat.«
»Siehst du sonst noch jemanden?«
»Nein, aber du bist anders geworden. Seit du Alassia kennengelernt hast, da ist plötzlich …« Er sprach nicht mehr weiter, sondern schüttelte den Kopf.
»Was ist plötzlich?«
»Nichts, gar nichts.«
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden. Sie blickten den ersten Abendwolken nach, die hoch am Himmel schwebten und an auseinandergerissene Watteschleier erinnerten. Keiner traute sich so recht, ein Wort zu sagen, jeder wartete darauf, dass der andere den Anfang machte.
Es war eine Situation, wie sie in der letzten Zeit nie vorgekommen war, urplötzlich war es dann geschehen, alles hatte sich verändert. Sie waren gezwungen worden, anders zu reagieren und alte Schwüre zu brechen. Die Begriffe wie Treue, Loyalität, Freundschaft waren auf einmal nicht mehr wert als tauender Schnee im März.
»Ist es dir denn so wichtig?«, fragte Myxin nach einer Weile, wobei seine Worte kaum zu verstehen waren.
»Noch wichtiger«, antwortete die Frau in dem langen Kleid und mit dem prachtvollen Schwert an der linken Hüftseite.
»Dann wage ich nicht mehr, die nächste Frage zu stellen«, flüsterte Myxin.
»Rede nur.«
»Ist es wichtiger als ich?«
»Das kann man nicht vergleichen«, erwiderte Kara. »Du selbst weißt, dass ich mein Leben bisher darauf verwendet habe, den Trank des Vergessens zu finden. Und nun habe ich die einmalige Chance …«
»Aber um welchen Preis!«, fiel Myxin der Schwarzhaarigen ins Wort. »Wir müssten all das verraten, für das wir bisher gekämpft und gelitten haben. Denk daran.«
»Der Trank ist es mir wert.«
»Nein, Kara, so darfst du nicht denken. So nicht.« Myxin schüttelte den Kopf. »Sollen wir zu Verrätern werden?«
»Das wird nicht geschehen. Wenn ich den Trank habe, wird alles anders. Dann können wir unseren Kampf gegen die Mächte der Finsternis noch effektiver führen.«
»Aber du verbündest dich mit einer Feindin. Du willst den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, so etwas ist noch nie gut gegangen. Denke immer daran.«
»Ich halte mit einem anderen Sprichwort dagegen: Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.«
»Aber nicht in diesem Fall. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.«
In Karas dunklen Augen blitzte es zornig. »So habe ich dich noch nie erlebt, Myxin.«
»Es ist auch noch nie so ein schrecklicher Fall eingetreten. Wenn du auf den Handel eingehst, dann öffnest du Alassia das Tor zu dieser Welt. Du sprengst Dimensionen. Dein Vater würde …«
»Lass ihn aus dem Spiel, Myxin!«
»Schon gut, entschuldige. Aber es ist deiner nicht würdig, dass du auf diese Art und Weise reagierst. Nein, Kara, so etwas darfst du nicht tun.«
»Ich will den Trank!«
»Und den kann dir angeblich nur Alassia geben, wie?«
»So ist es.«
»Hast du ihn jemals gesehen? Hat Alassia dir den Trank gezeigt? Schon einmal hat man dich aufs Glatteis geführt. Der Druide Kylon sollte angeblich wissen, wo sich der Trank des Vergessens befand. Was wusste er? Nichts, gar nichts. Du bist ebenso reingefallen wie ich.«
»Aber diesmal ist es anders.« Kara ließ sich nicht vom Gegenteil überzeugen. »Ich spüre es. Und wenn ich den Trank besitze, dann kann ich Alassia bekämpfen. Ich schleudere sie wieder hinein in ihre Dunkelwelt, wo sie für alle Ewigkeiten bleiben kann. Aber ich habe den Trank …«
»Nein, nein, nein! So wird es nicht sein.« Myxin ballte die Hände zu Fäusten. »Überleg logisch, bitte. Alassia hat sich bei dir gemeldet, um dich in eine Falle zu locken.«
»Sie will frei sein und nicht mehr in der Dunkelheit hausen. Wo Asmodina nicht mehr ist, hat sie freie Bahn. Ich gebe ihr die Chance und zahle dafür.«
»Mit Menschenleben.«
»Wer sagt das?«
»Ich sage es, denn ich ahne, dass Alassia etwas Schlimmes vorhat. Sie wird sich einen Herrschaftsbereich aufbauen, und wir alle werden darunter zu leiden haben.«
»Daran glaube ich nicht.« Ruckartig drehte sich Kara um. Der Wind warf ihre Haare hoch, und sie schaute Myxin, dem kleinen Magier, genau in die Augen. »Deshalb frage ich dich, Myxin: Stehst du auf meiner Seite, oder willst du dich trennen?«
Myxin überlegte lange. »Ich weiß es nicht«, meinte er nach einer langen Denkpause.
»Wenn du nicht bei mir bleibst, sind auch wir Feinde!«
Myxin erschrak. »Das würdest du tun?«
»Es gibt keinen anderen Weg!«
»Gut«, erwiderte der Magier. »Ich habe mich entschlossen. Dabei denke ich auch an das Versprechen, das wir uns einmal gegeben haben. Wir wollten zusammenhalten. In guten wie auch in schlechten Zeiten. Wir werden uns beide bewähren müssen.«
»Heißt das, dass ich mit dir rechnen kann?«
»Ja, du kannst!«
Da lächelte Kara. Und dieses Lächeln ließ ihr Gesicht weich und fraulich erscheinen. »Ich danke dir«, sagte sie, wobei sie ihren rechten Arm ausstreckte.
Myxin verstand die Geste. Ein wenig zögernd ergriff er ihre Hand. Kara drückte fest zu, und sie ließ auch bei Myxins folgenden, inhaltsschweren Worten nicht los.
»Wenn wir uns jetzt auf Alassias Seite stellen, dann wird auch unser Freund John Sinclair ein Todfeind sein.«
***
Als ich zum ersten Mal den Bericht über das spurlos verschwundene Schiff las, dachte ich sofort an Jo Barracuda, einen G-man aus Florida, der zu einem Zombie geworden war und den ich hatte töten müssen.
In Florida hatten wir einst Seite an Seite gegen die unheimliche Vampir-Flotte gekämpft. Damals hatten die Zeitungen vermutet, dass das Bermudadreieck schuld an dem grauenhaften Geschehen gewesen war.
Jetzt aber waren Schiffe verschwunden. Ein deutsches und ein englisches Schiff. Unser Boot hatte zur Marine gehört. Ein schneller Kreuzer, der urplötzlich von der Bildfläche verschwunden war.
Mein Chef, Sir James Powell, hatte mir den ansonsten geheimen Bericht zukommen lassen. Eigentlich hätte diese Angelegenheit auf meinem Schreibtisch nichts zu suchen gehabt, aber der Kreuzer war ausgerechnet im Gebiet des Bermudadreiecks verschwunden, und dort hatten sich schon manche rätselhaften Fälle ereignet, die bis heute nicht aufgeklärt werden konnten.
In der militärischen Führungsspitze wollte man natürlich nicht an Übersinnliches glauben. Nicht wenige Generäle waren davon überzeugt, dass ein argentinisches U-Boot das Schiff abgeschossen hatte, als einen Racheakt sozusagen, und die Militärs forderten Vergeltung, womit sie zum Glück in Regierungskreisen auf taube Ohren stießen.
Sir James sah den Fall anders. Er brauchte einfach eine logische Erklärung. Da er diese nicht bekommen hatte, schloss er ein Einwirken übersinnlicher Kräfte nicht aus. Zudem hatte man keinerlei Spuren oder irgendwelche Teile von dem verschwundenen Schiff entdeckt. Wenn es tatsächlich abgeschossen worden war, hätte man Wrackteile finden müssen. Die Ursache des Verschwindens blieb ungeklärt.
Ich vertiefte mich in die geheimen Protokolle. Suko war nicht da. Er war unterwegs in irgendeiner anderen Sache und würde wohl erst am Nachmittag zurückkehren. So hatte ich das Büro wieder für mich allein.
Als die Tür zum Vorzimmer aufgestoßen wurde und Glenda hereinkam, hob ich den Kopf. Ein wenig verwirrt fragte ich: »Was gibt es denn?«
»Es ist Mittagszeit.«
»Das heißt, ich soll essen?«
»Genau. Wie wär’s mit dem kleinen Schnellimbiss um die Ecke?«
»Einverstanden.«
Wir fuhren nach unten, verließen das Gebäude und wandten uns nach links. Der Schnellimbiss stand in einer kleinen Seitenstraße, mehr eine Baracke, aber das Geschäft lief, denn außer von uns, wurde der Laden noch von anderen Hungrigen angesteuert.
Der Besitzer hatte Tische und Bänke aufgestellt. Wir bestellten Kebab. Dazu eine Büchse Bier für mich und Cola für Glenda.
Meine Sekretärin sah mal wieder hinreißend aus. Sie trug eine flotte Hose, einen gestreiften Pullover und hatte ihre schwarze Haarflut im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden.
Unser Essen kam. Die Bude war voll. Stimmenwirrwarr erfüllte die Luft. Da wir saßen, gab man uns eine Gabel dazu, deren Zinken ich zuerst in den zuoberst liegenden Salat bohrte.
Auf einmal wurde mir komisch. Ich hatte das Gefühl, als würde die Gabel in dieser Tüte versinken. Sie verschwamm von meinen Augen, wurde zu einem nebligen Bild, und ich sah dann eine gewaltige, graue Hand vor mir, die aus einer grünen Tiefe hochschoss, die Finger gespreizt hielt, die Handfläche nach oben kehrte und mir vorkam wie die Plattform einer Bohrinsel.
So groß war sie sicherlich. Und sie ragte aus dem Meer!
Ich saß reglos, wollte fragen, was das alles zu bedeuten hatte, doch ich bekam meine Lippen nicht auseinander. Nur die Hand sah ich. Sie war so groß, dass sie leicht hätte ein Schiff umklammern können.
»He, John, träumst du?« Das war Glendas Stimme, die da durch den Nebel an meine Ohren drang.
Im selben Augenblick verschwand die Hand. Um mich herum waren wieder das laute Stimmengewirr, der Geruch des siedenden Fetts und vor mir die Tüte mit dem Kebab.
Glenda fasste nach meinem Handrücken. »He, John, ist alles in Ordnung?«
»Wieso?«
»Du warst vorhin so abwesend.«
Ich lächelte. »Manchmal hat man seine Gedanken eben nicht so recht beisammen.«
»Das habe ich gesehen.«
Ich deutete auf ihre Tüte, die bereits halb geleert war. »Dir scheint es zu schmecken.«
Glenda nickte heftig und rückte ein Stück zur Seite, weil sich jemand neben sie setzte. »Und wie es mir schmeckt, John. Einmal in der Woche leiste ich mir diese Kalorienbombe.«
»Das hat Jane auch immer gesagt.«
Glenda war zusammengezuckt, als sie meine Antwort hörte. Jane Collins war ein Thema, das sie nur ungern anschnitt. So etwas ließ sie lieber aus dem Spiel. Sie wusste, dass ich noch immer unter Janes Veränderung litt, denn die andere Seite, Wikka, genauer gesagt, hatte es geschafft, sie umzukehren. Jane war zu einer Dienerin des Bösen geworden, denn in ihr steckte jetzt der Geist des unheilvollen Rippers von Soho. Aber des echten. Jane war vorläufig für mich oder für uns verloren. Ich hoffte allerdings, dass sich da noch etwas ändern ließ, denn bestimmt würden sich unsere Wege noch einmal kreuzen.
»Entschuldige«, sagte Glenda, »aber ich wollte keine Wunde bei dir aufreißen.«
»Das hast du auch nicht.«
»Aber du warst plötzlich so abwesend. Als würden dich irgendwelche Sorgen bedrücken.«
Ich hob die Schultern. »Als Sorgen kann man das nicht so direkt bezeichnen. Seltsam war es in der Tat.«
»Was ist denn passiert?«
»Ich hatte eine Vision.«
Glenda war so erstaunt, dass ihr fast die Tüte aus der Hand gefallen wäre.«
»Du hattest was?«
»Ja, eine Vision.«
Dann berichtete ich ihr davon. Meine Sekretärin zeigte sich überrascht. Sie konnte es nicht begreifen. Ihr fehlte die Erklärung ebenso wie mir. Trotzdem fragte sie nach.
»Hat das vielleicht mit einem Fall zu tun, an dem du im Moment arbeitest?«
»Nein, ich habe keinen Fall.«
»Auch nicht in Vorbereitung?«
Das war eine schwierige Frage, die ich ihr leider nicht beantworten durfte. Deshalb wiegelte ich ab. »Lassen wir das. Du wolltest essen, und ich möchte dir nicht den Appetit verderben.«
»Mir schmeckt es auch nicht mehr«, erklärte sie und ließ die Tüte sinken.
Ihr Nebenmann sah sie an. Er war ein breitschultriger Typ, der einen schmutzigen Overall trug und seinen Kebab hinunterschlang, als wäre es ein Festessen. Der Kerl blickte so gierig auf meine Tüte, dass ich nicht anders konnte und sie ihm reichte.
Da strahlten seine Augen. »Für mich?«
»Ja, Mister. Sie sehen so aus, als könnten Sie noch eine Portion vertragen, nicht wahr?«
»Und wie, mein Lieber, und wie.«
Wir aber gingen. Über die Schulter blickend sah ich, wie sich der Mann auf mein Essen stürzte.
Für den Rückweg ließen wir uns Zeit. Es war ein herrlicher Frühherbsttag. Die Sonne schien, der Himmel zeigte eine blasse Bläue, und zahlreiche Menschen genossen die wärmenden Strahlen.
Schweigend gingen Glenda und ich nebeneinander her. Meine Sekretärin stellte auch keine Fragen. Sie wusste, was mich beschäftigte, und ließ mich erst einmal in Ruhe.
Eine Hand, die aus dem Wasser ragt. Dazu noch unheimlich und gewaltig in ihrer Größe. Wo gab es so etwas? Das fragte ich mich immer wieder, und es bohrte förmlich in meinem Gehirn. Ich ging die letzten Fälle in Gedanken durch, mit einer Hand hatte ich es jedoch nicht zu tun gehabt. Als wir das Yard-Gebäude erreichten, trafen wir Suko. Er war früher zurückgekehrt, als er angenommen hatte.
»Wie war es?«, wollte ich wissen.
»Ein Fehlschuss. Die Frau, die angeblich einen Dämon in der Wohnung gehabt hat, war nur hysterisch.«
»Dann lass uns nach oben fahren.«
»Du bist so arbeitsam«, sagte er.
»Es liegt was in der Luft.« Wir standen schon vor dem Lift in der Halle. »Ich erkläre es dir, wenn wir im Büro sitzen.«
Zu dritt fuhren wir hoch. Glenda betrachtete mich noch immer voller Skepsis. Sie machte sich Sorgen. Zudem war ich ihr nicht gleichgültig. Einmal hatte ich mit ihr ein ziemlich heißes Abenteuer. Es war einfach über uns gekommen, nach einem harten Kampf gegen den Dämon mit den vier Armen. Die Nacht nach dem Kampf hatte ich in Glendas Wohnung verbracht. Und da war’s dann passiert.1) Ich war auch nur ein Mann, und Glenda war sehr attraktiv.
Anschließend hatten wir darüber kein Wort mehr verloren und uns wie immer verhalten. Aber Suko hatte sich so seine Gedanken gemacht. Bestimmt ahnte er etwas, war allerdings taktvoll und schwieg.
»Eigentlich möchte ich zu Sir James«, sagte ich.
»Soll ich mitkommen?«, fragte Suko.
»Das wird wohl das Beste sein.« Sicherheitshalber rief ich bei unserem Chef an.
Der Superintendent hatte Zeit. Wenig später saßen wir ihm gegenüber. Ich hatte die Akte mit dem Vermerk Streng geheim mitgebracht. Sie lag zwischen uns. Suko hatte in Stichworten eingeweiht.
Der Superintendent nahm einen Schluck von seinem kohlensäurefreien Wasser, runzelte die Stirn und sah uns durch seine dicken Brillengläser zwinkernd an. »Ich befürchte Schlimmes«, sagte er.
»Wieso?«, fragten wir wie aus einem Mund.
»Soeben habe ich die Nachricht bekommen, dass wir ein zweites Schiff verloren haben.«
Mit einem Schlag wich das Blut aus unseren Gesichtern. Beide sahen wir plötzlich blass aus.
»Das ist doch nicht möglich«, flüsterte ich.
»Aber leider eine Tatsache. Die Atlantic Queen meldete sich nicht.«
Ich schlug mir gegen die Stirn. Ausgerechnet die Atlantic Queen. Dieses stolze Schiff. Ein Passagierdampfer vom alten Typ. Ein regelrechter Luxus-Liner. Mit dem Modernsten ausgestattet, was die Technik hergab. Wie konnte er so einfach verschwinden?
»Keine Havarie?«, fragte ich.
»Nein.«
»Das ist mir unbegreiflich, wirklich.« Ich sah Suko an. »Hast du eine Erklärung?«
Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Nein, John. Wenigstens keine realistische. Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass hier Kräfte am Werk sind, die wir nicht steuern können. Denk auch an deine seltsame Vision.«
Sofort horchte Sir James auf. Suko hatte ich davon berichtet, meinem Chef noch nicht.
»Was hatten Sie denn?«
Ich erzählte ihm, was mir passiert war. Danach saßen wir stumm auf unseren Plätzen, bis der Superintendent meinte: »Sicherlich haben Sie nach einer Erklärung gesucht und keine gefunden. Aber ich meine, dass diese Vision jemand geschickt haben muss. Sie kann doch nicht einfach so erscheinen.«
»Der Ansicht bin ich auch.«
»Aber es sollte Sie wohl warnen. Wovor?
»Das weiß ich leider nicht. Ich sah nur eine gewaltige Hand, die aus dem Wasser ragte, das war alles.«
»Hat die Hand sich bewegt?«
Ich hob die Schultern. »Tut mir leid, das habe ich nicht gesehen. Aber wenn ich eine etwas gewagte Verbindung ziehen darf, dann kann es durchaus möglich sein, dass es zwischen dem Auftauchen dieser Hand und dem verschwundenen Schiffen einen Zusammenhang gibt. Ich weiß, er kommt mir ein wenig konstruiert vor, aber wir dürfen nichts außer Acht lassen, Sir.«
Das war auch die Meinung des Superintendenten. Er überlegte eine Weile. Schließlich hob er die Schultern und griff zum Telefon. Er wählte eine Nummer, die wohl nur wenige Menschen kannten. Er sprach mit dem Teilnehmer und redete ihn dabei nur mit dem Vornamen an. Trotzdem wusste ich, dass es sich um den Geheimdienstboss handelte. Nach wenigen Minuten war das Gespräch beendet. Sir James legte den Hörer auf die Gabel, sah uns an und runzelte die Stirn.
»Ich habe grünes Licht bekommen. Kümmern Sie sich um die Sache. Fliegen Sie ins Bermudadreieck.«
***
Auf der Atlantic Queen war man bester Laune. Bisher hatten die Passagiere eine herrliche Überfahrt gehabt. Das Wetter war durchweg ausgezeichnet gewesen, und vor allem hatte der Reiseveranstalter ein Programm zusammengestellt, das jeden Abend eine Abwechslung bot.
Es traten bekannte Künstler auf, es gab Kinofilme, und auf den großen Decks wurden sportliche Wettkämpfe ausgetragen. Tagsüber verwöhnte man die Gäste. Die Stewards waren mehr als aufmerksam, hier wurde dem Passagier fast jeder Wunsch von den Augen abgelesen.
Nichts trübte die Stimmung, und als das Schiff wärmere Regionen anlief, da wurde die Laune sogar noch besser. An den drei Pools herrschte tagsüber Hochbetrieb, und in den Tanz- und Barräumen wurde dann später die Nacht zum Tag gemacht.
Auch die Besatzung war zufrieden. Die See war ruhig. Der riesige Luxus-Liner konnte unbehelligt seinen Kurs halten. Mit dem Bug schob er einen weißen Bart vor sich her, und als das Schiff sich allmählich dem Bermudadreieck näherte, da sagte der erste Steuermann zu seinem Kapitän: »Jetzt bin ich mal gespannt, ob wir diese Zone heil hinter uns bringen.«
Kapitän Fred Walter, ein braun gebrannter Mann mit asketischen Gesichtszügen, wandte den Kopf. »Wieso? Glauben Sie etwa an die alten Schauergeschichten?«
»Eigentlich nicht. Aber ich habe zu viel darüber gelesen.«
»Das ist doch alles widerlegt worden.«
»Nicht alles. Einige Rätsel bleiben trotzdem, Sir.«
»Die demnächst auch noch aufgeklärt werden. Davon bin ich fest überzeugt.«
»Ich lasse mich überraschen.«
»Das können Sie auch.«
Fred Walter überließ die Führung des Schiffes dem ersten Steuermann. Er wusste bei ihm den Kahn in guten Händen. Während er die Brücke verließ, lächelte er. An das Bermudadreieck glaubte er nur insofern, als dass es existent war. Es gab dieses Gebiet, das man als Bermudadreieck bezeichnete und das fast bis an die amerikanische Küste reichte, aber er glaubte nicht, dass hier Schiffe und Flugzeuge so mir nichts dir nichts verschwanden. Das war Spekulation. Außerdem waren für die meisten Fälle natürliche Ursachen verantwortlich.
Musikfetzen wehten ihm entgegen, als er eines der Tanzdecks betrat. Die Passagiere hielten sich draußen auf. Bunte Girlanden grenzten die Tanzfläche ab und bildeten über dem Boden ein großes Quadrat. Eine Dreimannband spielte Broadway-Songs, deren Melodien der Kapitän unwillkürlich mitpfiff.
Natürlich war sein Erscheinen bemerkt worden. Er wurde angeredet, begrüßt, und die Menschen taten so, als wäre er für das herrliche Wetter verantwortlich.
An der kleinen Bar ließ er sich ein Glas Sekt geben. Sie war dort aufgebaut, wo auch die meisten Passagiere an den Tischen saßen.
Tanzen wollte Fred Walter nicht, obwohl er ein paar Mal dazu aufgefordert wurde. Er kannte das. Wenn er einmal anfing, kam er überhaupt nicht mehr zur Ruhe.
Der Kapitän – er stammte aus Deutschland – setzte seinen Rundgang fort. Auch auf den anderen Decks begrüßte er die Passagiere und fand auch den Skatklub wieder. Drei Männer aus Deutschland hatten sich zusammengefunden und spielten jeden Abend Karten. Zu Hause hatten sie einen Klub gegründet. Das Geld floss in die Kasse. Damit konnten sie die Schiffsreise finanzieren.
Der Kapitän blieb einen Moment stehen. »Wird Ihnen das nicht zu langweilig?«, fragte er.
Einer der Männer lachte und strich über seine spiegelblanke Glatze. »Langweilig wird das nie. Außerdem müssen wir zusehen, dass wieder etwas in die Kasse kommt. Das soll ja nicht unsere letzte Schiffsreise werden.«
»Was sagen denn die Gemahlinnen?«
»Die fahren ja auch weg.«
»Mit dem Schiff?«
»Nein«, sagte der Mann, der das schlechteste Blatt hatte. »Unsere Damen besuchen Paris.«
Fred Walter lächelte. »Wie pikant.«
»Das kann man wohl sagen.«
»Und Sie haben keine Angst?«
»Eigentlich nicht. Wenn man so lange verheiratet ist wie wir …« Der Spieler ließ den Rest des Satzes unausgesprochen. Dafür begannen er und seine Freunde zu lachen.
»Dann wünsche ich Ihnen noch viel Vergnügen«, sagte der Kapitän.
»Danke. Und wenn Sie mal Lust haben …«