1,99 €
Sie waren zu dritt und hießen Truman Black, Robert Wilson und Sean Carlesi. Sie hatten den Schwur geleistet, den Mörder ihres Freundes Ace Lintock zu fangen, der von einer Bestie unbeschreiblich grausam umgebracht worden war. Es war kein Mensch, kein Tier gewesen, sondern ein Zombie und Kannibale.
Die drei Männer fühlten sich wie Zombie-Jäger, doch sie ahnten nicht einmal, mit wem sie es wirklich zu tun bekamen. Denn das verdammte Geschöpf gehorchte Mandragoro und war längst noch nicht satt ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Zombie-Jäger
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Die Zombie-Jäger
von Jason Dark
Sie waren zu dritt und hießen Truman Black, Robert Wilson und Sean Carlesi. Sie hatten den Schwur geleistet, den Mörder ihres Freundes Ace Lintock zu fangen, der von einer Bestie auf unbeschreiblich grausame Weise umgebracht worden war. Es war kein Mensch, kein Tier gewesen, sondern ein Zombie und Kannibale.
Die drei Männer fühlten sich wie Zombie-Jäger, doch sie ahnten nicht einmal, mit wem sie es wirklich zu tun bekamen. Denn das verdammte Geschöpf gehorchte Mandragoro und war längst noch nicht satt ...
Der Nebel am Seeufer hatte sich gelichtet, und das Büchsenlicht war besser geworden.
Ace Lintock saß auf seinem Hochsitz und lächelte zufrieden. So genau hatte er es sich gewünscht. Ein klares und scharfes Licht. Ohne Nebel. Auch ohne Sonneneinstrahlung, die blendete. Beides konnte er nicht gebrauchen.
Der Jäger war ein Instinkt-Mensch. Und er war auch manchmal ein Einzelgänger, ebenso wie das Wild, das er jagte. Er würde den Menschenfresser noch an diesem Tag vor die Mündung bekommen. Daran hatte er nicht den geringsten Zweifel.
Über Lintocks Rücken kroch ein Schauer, als er daran dachte. Er wusste nicht genau, wer oder was hier hauste, aber es gab glaubwürdige Zeugen, die von einem Kannibalen sprachen. Lintock hatte ihnen zugehört, ebenso wie seine drei Freunde. Da hatten sie beschlossen, den Menschenfresser zu jagen.
Nur gehörte Ace Lintock zu den ungeduldigen Menschen. Er wollte nicht so lange warten. Er brauchte den Erfolg so schnell wie möglich. Deshalb hatte er seinen drei Freunden nichts gesagt und war auf eigene Faust losgezogen. Er hatte sich auf eine spezielle Art und Weise vorbereitet. In seinem Rucksack steckte all das, was er für einen besonderen Beweis brauchte.
Er wusste nicht, wo sich der Kannibale aufhielt. Es gab gewisse Orte, an denen er gesehen worden war. Die Zeugen hatten immer nur voller Furcht gesprochen. Diese Gestalt war ein irres Wesen. Sie war ein grauenvolles Etwas. Sie war kein Tier, sie sollte sogar einem Menschen gleichen, aber da klafften die Vorstellungen doch weit auseinander. Wer Angst hatte, konnte keine genaue Beschreibung geben.
Der See lag versteckt inmitten einer menschenleeren Natur. Auch der Hochsitz stand perfekt. Geschützt wurde er von mächtigen Bäumen, deren Blätter sich allmählich färbten.
An diesem Nachmittag hatte sich auch der Wind so gut wie schlafen gelegt. Ab und zu spürte Ace ihn auf der Haut.
Ace Lintock schob seine flache Mütze aus der Stirn und griff zum Fernglas. Eingestellt war es schon. Er drückte die weichen Wülste um seine Augen, schaute schräg nach unten und suchte langsam das Ufer des Sees ab.
Seine Sicht war gut. Die Natur stand hier auf seiner Seite. Vom Wald bis zum Ufer hin lag das Gelände frei vor ihm. Nur bewachsen mit Gras, mit nicht zu hohen Pflanzen und ein paar Büschen, die weit genug auseinander standen, sodass sie keine Verstecke bilden konnten.
Erst am Ufer wurde der Bewuchs wieder dichter. Da fiel das Schilfrohr auf, dessen harte Stäbe wie Gitter aufragten und sich langsam bewegten, wenn der Wind wieder einige flache Wellen produziert hatte, die zum Ufer hin ausliefen.
Das Fernglas holte alles zum Greifen nahe heran. Es war ein friedliches Bild an diesem Nachmittag. Es gab überhaupt keinen Hinweis darauf, dass dieser Kannibale auftauchen könnte. Seine drei Freunde hätten Ace Lintock ausgelacht.
Er lachte nicht. Er verließ sich mehr auf sein Gefühl. Da gab es die innere Stimme, die ihm sagte, dass etwas passieren würde und er an diesem Tag das Glück hatte.
Stück für Stück suchte er das Ufer ab. Nichts Verdächtiges war zu sehen. Alles blieb in dieser tiefen Stille. Tanzende Insekten zogen ihre Kreise über dem Wasser.
Etwas unzufrieden war Lintock schon. Er suchte jetzt die Oberfläche des Sees ab, wobei er sich hinstellte und einen besseren Sichtwinkel erhielt.
Das Wasser lag da wie grün eingefärbt. Es war kein großer See. Mehr eines der kleinen Gewässer in dieser Gegend, die sich vor Millionen von Jahren durch Verschiebungen und Eruptionen gebildet hatten.
Ein ruhiges Wasser mit wenig Wellen. An den Ufern noch dunkler als in der Mitte.
Hin und wieder bot ihm die Natur eine Szene. Da tauchte dann ein Fisch auf, der geschmeidig aus dem Wasser schnellte und nach dem einen oder anderen Insekt schnappte.
Ansonsten entdeckte er keine Lebewesen, auch nicht am gegenüberliegenden Ufer. Er wäre jetzt schon froh gewesen, hätte er den Kannibalen dort gesehen. Oder auch das Monster, das Raubtier, das sich verlaufen hatte, wie auch immer, aber die Umgebung des Sees blieb ebenso ruhig wie die beim Hochsitz.
Das Gras hatte noch die saftige Farbe des Sommers, der sich vom Kalender her längst verabschiedet hatte.
Seine Spannung hatte nachgelassen, aber sie kehrte zurück, als er plötzlich die Bewegung an seinem Ufer sah.
Das Blut schoss Lintock in den Kopf.
Da war etwas!
Er konzentrierte sich auf einen bestimmten Punkt. Es war eine Buschgruppe, deren Zweige sich zu den Seiten hin neigten. Bestückt mit kleinen Blättern, die leicht zitterten und wegen ihrer Menge einen dichten Schutz bildeten. Trotz des Fernglases konnte er nichts in der Buschgruppe erkennen. Er verfolgte nur die Bewegungen der Blätter. Sie glitten von links nach rechts. Für ihn ein Beweis, dass sich jemand hinter oder in den Büschen bewegte.
Er war es!
Innerlich lachte er auf. Er musste es einfach sein. Da gab es keine andere Möglichkeit. Lintock wartete darauf, dass sich das Wesen zeigte. Dann würde er zum Gewehr greifen. Ein Schuss und ...
Er dachte nicht weiter daran. Es würde noch dauern, bis sich der andere zeigte. Wenn er seinen Weg fortsetzte, musste er die Deckung einfach verlassen.
Ace Lintock wurde vom Jagdfieber gepackt. Er kannte dieses Gefühl sehr gut. Es trat immer dann auf, wenn er dicht vor dem Ziel stand.
Ja, da kam etwas.
Und dieses Wesen bewegte sich auch weiter. Es kroch über den Boden. Das Buschwerk dünnte aus, und Lintock sah bereits ein dunkles Etwas, aber noch immer sehr schattenhaft.
Urplötzlich war die Gestalt zu sehen. Sie hatte die Deckung verlassen und kroch hinaus ins Freie. Für einen Moment blieb Ace Lintock noch starr stehen und schaute durch sein Glas. Jetzt, wo er tatsächlich das Ding gesehen hatte, kam es ihm beinahe vor wie ein Traum. Seine Freunde würden ihn beneiden. Sie hatten sich vorgenommen, den Killer oder wen auch immer gemeinsam zu finden.
Nun hatte er das Glück gehabt!
Das Ding wurde nicht mehr völlig durch das Buschwerk verdeckt. Der größte Teil des Körpers lag frei, und zum ersten Mal sah Ace Lintock, wen er vor sich hatte.
Es war ein Mensch!
Zumindest der Form nach. Einer, der Arme und Beine hatte. Der zwar kniete und sich am Boden festzukrallen schien wie ein Affe, der aber keiner war.
Das Wesen war nackt, es war kompakt. Es war auch groß. Das erkannte er trotz dieser gebückten Haltung. Es hockte im ufernahen Gras und starrte vor sich hin, und es wandte ihm den Rücken zu.
Idealer hätte es gar nicht kommen können!
Ace Lintock machte sich keine Gedanken über sein Vorhaben, das eigentlich Mord war. Er schoss hier nicht ein Tier ab, sondern ein Wesen mit menschlicher Gestalt.
Sehr langsam, aber doch zielgerichtet griff er zu seinem Gewehr.
Es war die perfekte Waffe für die Jagd. Ausgerüstet mit einem guten Zielfernrohr.
Ace Lintock bewegte sich langsam und vorsichtig. Nur keine Geräusche verursachen, die den anderen hätten stören können. Killer wie er waren sensibel. Sie achteten auf jeden fremden Laut und würden dann sofort reagieren.
Er hob das Gewehr noch höher.
Drückte das Ende des Schafts gegen die Schulter. Er spähte durch das Zielfernrohr. Dabei legte er seinen rechten Finger um den Abzug.
Er spürte die Kälte des Metalls und zugleich ein Prickeln. Dieses Gefühl war gut. Da war er angespannt und höchst konzentriert.
Das Wesen hatte sich nicht bewegt. Es schien direkt auf ihn zu warten, ihn zum Schuss einzuladen, das grenzte schon an Dummheit.
Der gebogene Rücken tauchte im Fadenkreuz des Zielfernrohrs auf.
Jetzt bewegte er seinen rechten Zeigefinger. Alles lief ab wie immer.
Einatmen. Nicht zu tief. Ruhe behalten.
Dann schoss er!
Der peitschende Knall zerriss die Stille und bildete ein Echo, das durch die Bäume jagte und sich dann über dem See verlor.
Treffer! Blattschuss. Die Kugel war in den Rücken der Gestalt geschmettert und hatte sie durch ihre Einschlagwucht zu Boden getrieben. Das Wesen war nach vom gefallen, ein Stück über den feuchten Boden gerutscht und dann liegengeblieben.
Einen zweiten Schuss brauchte Ace Lintock nicht abzugeben.
Er sah das Wesen bewegungslos im Gras liegen. Er schaute noch einmal durch die Optik. Sie holte die Beute so nahe heran, dass er sogar das Einschussloch im Rücken der Gestalt entdeckte.
Lintock atmete tief durch. Dann war es mit seiner Beherrschung vorbei. Er stieß einen Triumphschrei aus, ballte die rechte Hand zur Faust und stieß den Arm vor.
Er fühlte sich nicht mehr wie ein Jäger. Eher wie ein König, dem die Welt gehörte. Er war der Sieger und hatte es allen gezeigt. Es gab keinen Menschenfresser. Zumindest nicht lebendig. Tot lag er im Gras, und dieses Gefühl auszukosten, war etwas Besonderes.
Ace Lintock setzte sich auf die rohe Bank. Von oben her fiel der Schatten des kleinen Dachs auf ihn herab. Seine Gefühle waren wieder da. Die kalte Luft spürte er jetzt deutlicher, und vor seinen Lippen kondensierte der Atem.
Teil eins seiner Aufgabe hatte er hinter sich gebracht. Die Welt war von einer Bestie befreit worden.
Teil zwei lag noch vor ihm. Lintock war überzeugt, dass auch hierbei alles glattgehen würde ...
Obwohl es ihn drängte, überstürzte er nichts, hob den Rucksack, der neben ihm stand, in die Höhe, hängte ihn sich um und nahm erst dann sein Gewehr hoch, das seinen Platz über der rechten Schulter fand.
So gerüstet machte sich Ace Lintock an den Abstieg vom Hochsitz.
Ace Lintock blieb noch einen Moment vor der Leiter stehen und wartete darauf, dass das leichte Zittern seiner Hände verschwand.
Sein Erfolg hatte ihn aufgewühlt. So lange war hinter dieser Bestie oder dem Monstrum hergejagt worden, und ihm war es gelungen, das Wesen zu töten. Wenn ihm das jemand in der letzten Woche gesagt hätte, er hätte ihn ausgelacht.
Seine Stiefel durchpflügten das Gras, als er auf den See zuging. Noch immer sehr angespannt und vorsichtig.
Er nahm das Gewehr wieder in die Hände und richtete die Mündung auf den dunklen Körper. Der Kannibale trug keinen Fetzen Kleidung am Leib, und das Einschussloch auf seinem nackten Rücken sah aus wie ein kleiner Krater.
Der Boden wurde weicher. Hin und wieder breitete sich der See nach starken Regenfällen aus und trat dabei weit über die Ufer. Selbst die Strahlen der Sonne im Sommer schafften in dieser kleinen Region nie, den Boden völlig zu trocknen.
Der Herbst hatte sich bereits angemeldet. Erste, lose Blätter sanken taumelnd dem Boden entgegen.
Noch einmal klopfte sein Herz schneller, als er neben seinem Opfer stehen blieb.
Er trat mit dem Fuß gegen den Körper.
Keine Reaktion.
Lintock war zufrieden. Er hängte das Gewehr noch nicht um, sondern lehnte es gegen die biegsamen Zweige eines Buschs. Danach löste er seinen Rucksack und stellte ihn auf den Boden.
Die Kugel hatte ein tiefes Loch in den Rücken der Gestalt gerissen. Das Gesicht sah er nicht, da der Erschossene auf dem Bauch lag. Er würde ihn später herumdrehen, um möglichst alles auf den Film zu bekommen.
Die Natur spielte mit.
Das Licht war günstig. Er brauchte nicht einmal eine besondere Beleuchtung. Aber das konnte sich schnell ändern. So gab er sein Vorhaben auf, den Erschossenen genauer zu untersuchen und ihn sich von allen Seiten anzusehen.
Der Nackte sah tatsächlich aus wie ein erlegtes Tier. Sein Haar wuchs wirr auf dem Kopf. Es wirkte wie Draht, zwischen dem Blätter und Lehm klebten.
Viel Blut sah er nicht. Aus der Wunde war nur eine dünne, wässrige Flüssigkeit getreten, die leicht grün aussah. Das allerdings konnte auch an den Lichtverhältnissen liegen. So genau wollte sich Lintock da nicht festlegen.
Das Opfer lag günstig. Er brauchte es nicht in eine andere Lage zu rücken.
Aber die Entfernung zwischen ihm und der Kamera musste stimmen. Aus dem Rucksack holte Lintock die entsprechenden Gegenstände. Zuerst die Video-Kamera, die er zur Seite legte, weil er das Stativ aufbauen wollte.
Er arbeitete schnell, aber konzentriert. Jeder Handgriff saß. Hin und wieder bedachte er den Erschossenen mit einem schnellen Blick. Die Gestalt war und blieb tot. Sie rührte sich nicht.
Das Stativ stand.
Jetzt musste er nur die Video-Kamera darauf befestigen. Sie war auf dem neuesten Stand der Technik und stellte sich automatisch auf die Lichtverhältnisse der Umgebung ein. Das alles brauchte er auch, aber am wichtigsten war für ihn der Selbstauslöser. Er sollte später seinen Triumph für die Nachwelt festhalten und dokumentieren, wie gut er war.
Zuerst aber filmte Lintock selbst. Er stellte sich hinter die Kamera, schwenkte sie und zeichnete so auch die Umgebung auf, in der er sich befand. Bei diesen Dokumentationen ging er immer gründlich vor. Nichts wollte er vergessen, alles musste immer so laufen, wie er es geplant hatte.
Erst ziemlich am Schluss richtete er das Auge der Kamera auf das eigentliche Ziel.
Auf dem seitlich angebrachten Kontroll-Monitor verfolgte er seine Arbeit. Er war zufrieden. Die Leiche des Kannibalen war voll und ganz auf dem Bild. Als ihm der Begriff wieder durch den Kopf fuhr, wurde er unsicher. War es wirklich der Typ, der Schafe, Schweine und Rinder gerissen hatte?
Es war kaum vorstellbar. Aber es hatte Zeugen gegeben, unter anderem einen Schäfer. Er hatte die Beschreibung abgegeben, und sie stimmte tatsächlich mit der Wirklichkeit überein. Das war ähnlich wie bei dem Yeti im Himalaja. Nur hatte Ace hier den perfekten Beweis erbracht. Darauf war er stolz.
Die Kamera lief weiter, während er sich von ihr wegbewegte.
Er hatte sie jetzt auf Automatik gestellt und brauchte sich nicht um das Gerät zu kümmern.
Was er nun vorhatte, war gute alte Jägersitte. Er wollte sich neben die erlegte Beute stellen und sich dabei auf den Film bannen lassen. Erst diesen Moment auskosten und später das ›Wild‹ herumdrehen, damit man es auch von allen Seiten sah.
Das Gewehr hängte er sich wieder über. Es war die typische Pose, auf die Ace nicht verzichten konnte. Bilder wie diese machten ihn stolz, wenn er sie seinen Freunden zeigte.
Sie würden staunen.
Sie würden den Mund gar nicht mehr zubekommen. Sie würden ihn verfluchen, sie würden sauer auf ihn sein, aber sie hätten alles selbst haben können. Er hatte den Vorschlag gemacht, ihn zu begleiten, doch darauf waren sie nicht eingegangen.
Stolz baute er sich neben seiner Beute auf. Er lächelte. Sehr aufrecht hatte er sich hingestellt. Das rote Licht leuchtete, die Kamera lief also. Sie würde alles für die Zukunft bewahren.
Er lächelte jetzt breit. Ja, so lächelten Sieger, so ...
Das Lächeln verschwand schlagartig.
Plötzlich nahm sein Gesicht einen genau gegensätzlichen Ausdruck an. Aus der Freude wurde Panik, denn den Griff um seinen rechten Knöchel bildete sich Ace Lintock nicht ein.
Es blieb nicht dabei.
Nach drei, vier Sekunden veränderte sich der Griff, und plötzlich wurde daraus ein Ruck.
Ace Lintock fiel nach hinten. Er wusste in diesen für ihn langen Augenblicken nicht, was er denken sollte. Sein Kopf war in den Nacken gekippt, und er hatte seinen Blick in den Himmel gerichtet. Der Himmel und auch die Kronen der Bäume gerieten in einen zackigen Tanz, als er sich noch während des Falls drehte, und dann den Aufschlag spürte, der ihn vom Kopf bis zu den Füßen erwischte.
Ace Lintock hatte sich geirrt. Die Gestalt war nicht tot. Und er wusste auch, was das bedeutete ...
Dass die Kamera lief und alles aufnahm, kam ihm dabei nicht in den Sinn. Ace dachte nur daran, sein Leben zu retten. Seine Chancen standen schlecht. Zudem war er unglücklich gefallen. Zuerst auf den Rücken, dann auf die rechte Seite. So hatte er das Gewehr unter sich begraben.
Hinzu kam der Schock. Er fühlte sich völlig steif. Er konnte sich nicht bewegen. Um seinen Körper herum schien ein Panzer aus Stahl oder Eis zu liegen.
Dafür waren seine Sinne scharf. Sogar überdeutlich hörte er das Rascheln in seiner Nähe, dann ein Stöhnen, das sich weniger menschlich und mehr urweltlich anhörte, als wäre ein längst ausgestorbenes Wesen dabei, sich hinter ihm aufzurichten.
Genau das musste er auch tun. Er war nicht verletzt. Er konnte sich bewegen, und er besaß noch sein Gewehr. Es blieb bei dem Versuch. Was er geahnt hatte, war längst eingetreten. Der andere stand bereits auf seinen Füßen, und er bückte sich sofort. Eine harte Pranke erwischte den Jäger in der Drehung und zog ihn hoch wie ein Stück Holz.
Die Bewegung war heftig. Das Blut schoss Lintock in den Kopf. Dabei rutschte das Gewehr noch von seiner Schulter und landete unerreichbar für ihn im Gras.
Der Kannibale brauchte nur eine Hand, um ihn zu drehen. Und plötzlich sah er ihn von vorn.
War das ein Mensch?
Er war größer als Ace. Er war ein Urvieh. Er besaß einen Kopf und ein Gesicht, das eigentlich keines war. Ein urwelthafter Auswuchs, eine flache Nase, eine hohe Stirn, ein breites Maul mit kräftigen Zähnen und starre Augen.
In seinem Körper steckte die Gewehrkugel, aber sie hatte ihm nichts getan. Er lebte noch immer. Er war nicht einmal angeschlagen.
Ace Lintock wusste nicht, wie lange er in das Gesicht dieser fremden Gestalt geschaut hatte. Es waren nur Sekunden, doch sie kamen ihm wie Minuten vor. Er hörte auch die röchelnden Laute, die aus dem offenen Maul wehten, aber sah nicht, wie dieser Kannibale seine freie Hand zur Faust ballte.
Damit schlug er zu.
Die Faust traf Lintock wie ein Stein unterhalb der Magengrube. Was er in den folgenden Minuten an Schmerz empfand, war einfach furchtbar. Das löste sich nicht mal in einem Schrei auf. Er rang um Atem und sah den Kannibalen nur verschwommen.
Der nächste Schlag traf sein Gesicht.
Er hörte es noch klatschen, dann hatte er das Gefühl, der Kopf würde ihm zerrissen werden. Etwas explodierte um ihn herum, auch in ihm, und der nächste Treffer wuchtete direkt auf seinen Schädel.
Wo Lintock stand, brach er zusammen.
Das Monstrum war zufrieden. Zuerst schaute es auf seine Hände, dann bückte es sich. Es war kein Atem zu hören, nur ein Schmatzen durchdrang die Stille. Es konnte mit einer gewissen Vorfreude auf das Kommende verglichen werden.
Der Kannibale bückte sich, dann ließ er sich am Boden nieder. Direkt neben seinem Opfer.
Er riss es zu sich heran und legte es dicht neben sich. In den Augen erwachte die Gier, dann senkte der Kannibale den Kopf, um wenig später seinem Namen alle Ehre zu machen.
Dass eine Kamera alles aufnahm, bekam er nicht mit ...
Bill Conolly hatte versprochen, Glenda, Suko und mich zum Mittagessen einzuladen. Suko und ich waren zu unserem Stamm-Italiener gegangen, aber Glenda hatte darauf verzichtet, weil sie einen dringenden Termin beim Optiker wahrnehmen musste. Sie war mal wieder mit ihrer Brille unzufrieden, die sie hin und wieder trug.
Bill kam nicht.
Zumindest war er nicht pünktlich, und ich schielte schon begehrlich auf den Nebentisch, wo zwei Kollegen saßen und sich die leckeren Nudeln zwischen die Zähne schaufelten. Wenn ich über unseren Tisch blickte, dann sah ich nur die Wasserflaschen.
Das Restaurant gehörte zu den Lokalen, in denen Handys nicht verboten waren. Es verkehrten einfach zu viele Kollegen hier, und oft wurden sie durch dringende Anrufe vom Essen weggeholt.
Diesmal meldete sich mein Handy.
»Wer stört?«, fragte ich.
»Dein lieber Freund Bill.«
»Der uns hier verhungern lässt.«
»Der liebe Freund steckt noch in einem Stau.«
»Typisch. Du hättest auch mit der U-Bahn fahren können. Aber das hat der kleine Macho ja nicht nötig.«
»Ihr könnt schon bestellen.«
»Mal sehen. Wann kannst du hier bei uns sein?«
»Ich versuche, mich zu beeilen.«
»Wir können uns auch im Büro treffen.«
»Nein, nein, esst mal was. Ist vielleicht sogar besser, wenn ihr damit fertig seid, bevor ich eintreffe.«
»Warum?«
»Ich komme nicht zum Spaß, John.«
Seine Stimme hatte plötzlich sehr ernst geklungen, und ich sagte nur: »Gut, dann bis gleich.«
Suko schaute mich fragend an. Ich erklärte Bills Problem und sprach auch von seinem Vorschlag.
»Gut, dann nehme ich mir den Vorspeisenteller. Das reicht völlig aus.« Er stand auf und ging zum Büffet.
Bills letzte Worte hatten mich nachdenklich gemacht. Wenn er in diesem Tonfall sprach, hatte er Probleme, die ihm selbst unter die Haut gegangen waren. Es kam nicht oft vor, dass er seine Lockerheit verlor.
Suko kehrte zurück und stellte den Teller ab. Er hatte ihn mit allem möglichen gefüllt. Mit gebackenen Auberginen, die neben den dünnen Kalbfleischscheiben mit der hellen Soße lagen. Schinken, Käse, eingelegte Zwiebeln, ein paar Salami-Scheiben, und sogar etwas Grünfutter verteilte sich auf dem Teller.
»Bist du ausgehungert?«
»Nein, aber die Masse täuscht. Es ist alles sehr dünn geschnitten worden. Außerdem verzichte ich auf das Hauptgericht, wenn du damit zufrieden bist.«
»Das will ich wohl meinen.«
Suko griff nach dem Besteck. »Du isst nichts?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
»Ich habe keinen Appetit mehr.«
Suko glaubte mir die Ausrede nicht so recht, denn er schaute mich schräg von der Seite her an. Aber er ließ es sich schmecken, und ich griff stattdessen zum Wasserglas.
Jetzt war ich wirklich gespannt auf Bills Erscheinen und seine schlechten Neuigkeiten.
Der Stau musste dichter sein, hinzu kam die Suche nach einem Parkplatz, und so vergingen fast zwanzig Minuten, bis er im Restaurant auftauchte. Suko hatte seinen Teller inzwischen leer gegessen und zur Seite geschoben.
Bill ließ sich auf einem freien Stuhl am Tisch nieder, begrüßte uns durch ein Nicken und zog die weiche rehbraune Lederjacke aus, die er über die Stuhllehne hängte.
»Ist Glenda nicht hier? Oder ist sie schon gegangen?«
»Gar nicht gekommen«, klärte ich ihn auf. »Sie hat einen Termin beim Optiker.«
»Ach ja, mal wieder eine neue Brille.«
»Kann sein.«
Bill Conolly grinste Suko an. »Aber dir hat es geschmeckt, wie ich sehe?«
»Das kann ich nicht bestreiten.«
»Was ist mit dir, John?«