John Sinclair Sonder-Edition 230 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 230 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Zwölf Gräber waren auf verschiedenen Friedhöfen der Stadt geschändet worden, bis wir endlich eine Spur des Knochenräubers fanden. Sie führte zu einem Mann, der Warlock hieß und die Sekte Atlantis gegründet hatte. Die war ein Vorwand. Tatsächlich wollte Warlock das Erbe des Schwarzen Tods übernehmen. Dafür nahm er alles in Kauf.
Wie unsere Freundin, die Staatsanwältin Purdy Prentiss, hatte auch Warlock schon in Atlantis gelebt. Er glaubte, das Wissen zu haben. Er hatte sich überschätzt. Er trat das Erbe des Schwarzen Tods nicht an. Dafür mutierte er zu einer horrorhaften Gestalt - dem Blut-Skelett!

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Das Blut-Skelett

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Das Blut-Skelett

von Jason Dark

Zwölf Gräber waren auf verschiedenen Friedhöfen der Stadt geschändet worden, bis wir endlich eine Spur des Knochenräubers fanden. Sie führte zu einem Mann, der Warlock hieß und die Sekte Atlantis gegründet hatte. Die war ein Vorwand. Tatsächlich wollte Warlock das Erbe des Schwarzen Tods übernehmen. Dafür nahm er alles in Kauf.

Wie unsere Freundin, die Staatsanwältin Purdy Prentiss, hatte auch Warlock schon in Atlantis gelebt. Er glaubte, das Wissen zu haben. Allerdings hatte er sich überschätzt. Er trat das Erbe des Schwarzen Tods nicht an. Dafür mutierte er zu einer horrorhaften Gestalt – dem Blut-Skelett!

Wie scharf gezeichnet fiel der Lichtkegel der Lampe auf das alte Buch, dessen Ledereinband sehr brüchig aussah. Zwei Hände tauchten links und rechts in den Lichtschein ein. Dünne Finger mit langen, blassen Nägeln griffen zu und klappten zunächst den Deckel in die Höhe, bevor sie damit begannen, die ersten Seiten umzuschlagen.

Kein weiteres Geräusch war zu hören, nur das Umblättern. Seite für Seite wurde von der linken auf die rechte Hälfte gelegt. Manche Seiten waren eng mit Text beschrieben, andere wiederum zeigten nur Skizzen von irgendwelchen kultischen Gegenständen oder dämonischen und fratzenhaften Wesen.

Jemand holte Luft.

Es war ein lautes Geräusch, das das Umblättern der Seiten übertönte. Die Hände arbeiteten schneller, und sie zitterten dabei.

Zudem steigerte sich das Atemgeräusch. Manchmal war es von einem leisen Stöhnen unterlegt, auch ein Kichern klang zwischendurch auf. Derjenige, der das Buch durchblätterte, stand wie unter Strom. Er hatte es plötzlich eilig. Blatt für Blatt flog von einer Seite auf die andere, und dann der Stillstand.

Die Person hatte ihr Ziel erreicht.

Kein Blättern mehr. Die Seite, die sie sah und auf die sie starrte, blieb offen liegen.

Noch einmal atmete die Person aus. Es hörte sich mehr an wie ein Zischen, das allmählich verklang. Ein Handrücken strich sorgfältig über das Blatt hinweg, als sollten letzte Falten geglättet werden. Vielleicht war auch nur das Motiv damit gemeint. Die aufgeschlagene Seite wies keinen Text auf. Kein einziger Buchstabe war zu sehen. Dafür ein Bild. Eine Zeichnung. Schwarze Malereien auf dem weißen, etwas vergilbten Hintergrund des Blattes.

Obwohl das Buch sein Alter hatte, war die Zeichnung nicht verschwommen oder zerkratzt. Sie hatte etwas Lebendiges an sich. Die unheimliche Gestalt stand, aber der Maler hatte sie so geschaffen, dass sie wirkte, als wäre sie auf dem Sprung, um das Blatt jeden Augenblick zu verlassen.

Es war ein besonderes Bild. Es konnte andere abstoßen, aber den Betrachter zog es an. Ein Stöhnen war zu hören. Zugleich ein Laut der Erleichterung.

Die Augen konnten sich nicht von dem Motiv lösen, das so detailliert gemalt war. Feine und sensible Künstlerhände mussten dieses Werk geschaffen haben.

Es war ein Skelett!

Jeder Knochen stimmte dort. Jeder Winkel, jede Proportion und auch jeder Knorpel.

Aber es war nicht nur irgendein Skelett. Das hier besaß einen Namen.

Es war der Schwarze Tod!

Man kann das Wetter im Herbst lieben, man kann es aber auch hassen. Im Moment hasste ich es. Das lag an folgenden Umständen: Erstens war es dunkel, zweitens nieselte es, und drittens lag das herabgefallene feuchte Laub dick wie ein Teppich auf der Straße, sodass ich manchmal den Eindruck bekam, über Glatteis zu fahren.

Dementsprechend vorsichtig steuerte ich den Rover und musste mich voll konzentrieren. Einen Vorteil hatte ich trotzdem. Es war schon spät in der Nacht. Der Verkehr in diesem Teil Londons war so gut wie eingeschlafen, denn wer bewegte sich schon freiwillig in der Nähe eines Friedhofs entlang?

Suko hatte den besseren Part. Er saß neben mir und telefonierte mit dem Mann, der uns Bescheid gegeben hatte. Der Informant redete so laut, dass ich ihn sogar verstehen konnte, wenn auch nicht jedes Wort.

»Er ist noch da!«

»Gut«, bestätigte Suko. »Sehen Sie ihn denn?«

»Schwach.«

»Das ist besser als gar nichts. Andere Frage: Ist der Mann allein, oder hat er Helfer?«

»Das kann ich nicht sagen.«

»Warum können Sie das nicht?«

»Weil mir keine anderen aufgefallen sind. Außerdem ist es verdammt dunkel hier auf dem Friedhof.«

Suko räusperte sich. »Wenn Sie keine anderen Helfer gesehen haben, muss das nicht unbedingt heißen, dass dieser Mann nur allein gekommen ist. Ich meine, wer hebt schon gern allein mitten in der Nacht ein Grab aus? Ich möchte das jedenfalls nicht.«

»Dazu kann ich Ihnen nicht viel sagen, Sir.«

»Wie nahe sind Sie herangekommen?«

»Es geht. Nicht zu nahe. Das traue ich mich nicht. Jedenfalls ist kein Licht eingeschaltet worden. Wenn, dann öffnet er im Dunkeln das Grab. Geräusche hörte ich ja.«

»Okay, wir sind bald da. Ich schätze, es dauert noch zehn Minuten.«

»Würde mich freuen, Sir, denn ich ...« Die Stimme brach plötzlich ab, und es war ein anderes Geräusch durch das Handy zu hören. Kein Schrei, kein Seufzen, sondern ein Laut, der nicht zu identifizieren war, bei Suko und mir jedoch eine gewisse Besorgnis hinterließ.

»Was ist denn?«, fragte ich.

»Keine Ahnung.« Suko schaute mich erst gar nicht an, sondern sprach in das Handy hinein. Er redete schnell. Er rief den Namen des Informanten immer wieder.

»So melden Sie sich doch! Los, sagen Sie was ...«

Er sagte nichts mehr. Und zwei Sekunden später war auch die Verbindung unterbrochen.

Ich hatte vor Wut geflucht, doch Suko war besser erzogen als ich. Sein Kommentar hörte sich anders an.

»Es sieht nicht gut für den Mann aus. Zwar will ich nicht eben das Schlimmste befürchten, aber ich denke, wir sollten uns schon beeilen.«

»Können vor Lachen. Das riskiere ich nicht. Sieh selbst nach vorn, verflucht.«

Der Wind hatte das Laub von den Bäumen geweht und ausgerechnet auf die Fahrbahn und nicht auf den Friedhof, an dessen Mauer wir bereits entlangfuhren.

»Das ist glatt wie Schmierseife, Suko. Ich habe keine Lust, an der Mauer zu landen.«

Ja, du hast recht.«

»Was kann denn passiert sein?«

»Keine Ahnung, John. Es war plötzlich nichts mehr zu hören. Er war weg. Wie abgeschnitten.

Und du hast nichts zuvor gehört? Kein verdächtiges Geräusch oder so?«

»Nein. Bis auf dieses Seufzen. Es hörte sich auf keinen Fall glücklich an.«

»Warum auch?«

Wir schwiegen. Das kalte Licht der Scheinwerfer strich über die klebrigen Blätter hinweg, die wie Pflaster auf der Straße lagen. Der tiefe Herbst hielt uns im Griff. Es war die Zeit des Nebels, und an irgendeiner Stelle in der Stadt quoll der graue Dunst immer. Hier hielt er sich zum Glück in Grenzen. Er hing nur wie ein feines Gespinst über der Straße.

Wir fuhren auf der richtigen Straße. Das große Tor würde bald an der linken Seite erscheinen. Die Mauer begleitete uns schon seit geraumer Zeit. Über sie hinweg ragte das jetzt kahl gewordene Geäst der Bäume wie lange, dürre Arme. Manche Astenden waren nach unten gebogen und sahen aus, als wollten sie nach den Personen greifen, die nahe der Mauer hergingen oder fuhren.

Ich hätte nicht gedacht, dass sich der Plan unseres Chefs so bald als erfolgreich erweisen würde. Aber es war auch nötig gewesen, Friedhöfe überwachen zu lassen. Zu oft waren in der letzten Zeit Gräber geschändet worden. Man hatte die Toten nicht gestohlen, sondern nur immer Teile von ihnen.

Knochen!

Ja, Gebeine. Mal ein Teil von einem Arm, dann wieder vom Brustkorb, vom Fuß, von der Hand, der Rippe und so weiter.

Für uns ergab das keinen Sinn. Zumindest nicht beim ersten Hinschauen. Bei näherem Nachdenken gelangten wir zu der Überzeugung, dass jemand damit beschäftigt sein musste, aus dem Puzzle der verschiedenen Gebeine etwas herzustellen.

So sah ich es. So dachte auch Suko, und wir dachten gemeinsam einen Schritt weiter, ohne jedoch etwas Konkretes zu wissen. Für uns stand nur fest, dass sich da etwas zusammenbraute. Um das zu erfahren, mussten der oder die Grabräuber gestellt werden.

So einfach war das.

Wenn wir sie nur schon mal hätten! Der plötzliche Abbruch des Gesprächs gefiel mir nicht. Dieser Mann war nicht einmal mehr dazu gekommen, noch etwas anzudeuten. Urplötzlich war es vorbei gewesen, und das beunruhigte mich.

Endlich sahen wir den Eingang. Ein Tor. Es bestand aus Gittern. Es war hoch, und die Gitter sahen aus wie hochkant stehende Lanzen.

Natürlich war das Tor geschlossen, was uns allerdings nicht störte. Wir stellten den Rover am Straßenrand ab und stiegen aus. Das Laub raschelte unter unseren Füßen. Die Kante des Gehsteigs war gar nicht zu sehen.

Wir gingen auf das Tor zu. Es war recht schwierig, darüber zu klettern. Aus diesem Grund nahmen wir uns die Mauer vor. Sie bestand aus dicken Steinen, sie war glatt durch den leichten Nebel geworden, und dazwischen klebte das nasse Moos und irgendwelches Grünzeug, das sich wie ein grüner Schleim über die Steine gelegt hatte.

»Leg mal die Hände zusammen, John!«

Ich tat es. Was nun folgte, hatten wir schon oft hinter uns gebracht. Suko nahm meine zusammengelegten Hände als Stütze. Ich gab ihm zudem noch Schwung, sodass er gut in die Höhe schnellte und die ausgestreckten Hände die Mauerkrone erreichen konnten, an der er sich festhielt.

Ich stemmte ihn noch weiter hoch, und er konnte bequem auf die Mauerkrone klettern, auf der er flach liegen blieb.

Sein rechter Arm senkte sich. Ich umklammerte seine Hand, dann zog mich Suko wie ein kleines Kind, dem er auf das Klettergerüst am Spielplatz helfen wollte.

»Danke, Partner.«

»Keine Ursache. Beim nächsten Mal kletterst du zuerst.«

»Darauf freue ich mich jetzt schon.«

Wir knieten beide und ließen den Blick über den Friedhof schweifen. All die Gräber, Büsche und Grabsteine badeten in einem Meer aus Dunkelheit, durch das die feuchten Schleier zogen wie Totengeister, die ihre kalten Orte in der Erde verlassen hatten, um sich dort oben noch einmal umzuschauen.

Der Boden unter uns war nicht zu sehen. Bäume standen auch nicht mehr so nah an der Innenseite der Mauer. Sie würden uns beim Sprung nach unten nicht behindern.

Suko ließ sich als erster fallen. Er landete weich, winkte mir zu, dann sprang ich.

»Alles klar?«, fragte Suko, als ich gelandet war.

»Bei mir schon. Nur – wie geht es weiter? Der Friedhof hier ist verdammt groß und ...«

»Verlass dich auf mich, John. Unser Informant hat mir erklärt, wo wir ihn finden können. Von diesem Eingang aus ist das sogar recht leicht, hat er zumindest gesagt.«

»Dann los.«

Zunächst mussten wir uns in die Büsche schlagen. Wir erreichten die ersten Bäume und damit auch einen schmalen Weg, der bereits von Gräbern und Grabsteinen flankiert wurde, die uns wie stumme Wächter begleiteten und in der Dunkelheit zu einem Einerlei verschwammen.

Ich ging neben Suko her und flüsterte: »Wo hat er denn auf uns warten wollen?«

»An der Säule!«

»Bitte?«

»Ja, so heißt hier ein Grabstein, den irgendein verrückter Millionär im letzten Jahrhundert für sich errichten ließ. Das Ding soll wie ein Leuchtturm aussehen und praktisch vom Tor her auf dem direkten Weg zu erreichen sein.«

Das Gelände wurde übersichtlicher. Am Tag hätte uns das einiges gebracht, weniger in der Nacht, da wirkte dieser Friedhof wie eine dunkle und fremde Welt, in der die Toten die Regie übernommen hatten.

Es stand fest, dass unser Informant jemand gesehen hatte. Was oder wer immer auch von ihm entdeckt worden war, wir sahen es nicht. Um uns herum schwamm die Dunkelheit, und kalte Dunstschwaden legten sich wie Schals über unsere Gesichter.

Freund Suko hatte es ziemlich eilig. Mit schnellen Schritten eilte er weiter. Für die Gräber hatte er keinen Blick, aber ich sah, wie er den rechten Arm anhob und nach vorn deutete, denn dort lag das Ziel, das wir beide erreichen wollten.

Es war tatsächlich so etwas wie ein Turm. Eine Stele aus Stein, die in die Höhe ragte und mich eher an einen übergroßen Bleistift erinnerte als an einen Leuchtturm.

Suko blieb stehen. »Okay«, sagte er, »wir sind da.«

»Nicht ganz. Unser Informant fehlt noch.«

»Das genau bereitet mir Sorgen.«

Ich brauchte nicht nach den Gründen zu fragen, denn die lagen auf der Hand. Wenn er hier auf uns gewartet hätte, dann hätte er unsere Ankunft hören müssen. Aber in unserer Umgebung und auch direkt an der Stele blieb es still wie unter der Erde.

»Sieht nicht gut aus«, kommentierte Suko.

»Lass uns mal näher herangehen.«

Das war nicht schwierig, weil dieses Grabmal recht allein stand. Es war nicht durch irgendwelche Bäume oder Büsche geschützt.

Zur Spitze hin verjüngte sich die Stele, als sollte sie einen Kirchturm darstellen. Das Grab selbst war recht groß, es war auch bepflanzt, und wir rechneten damit, es betreten zu müssen.

Zunächst warteten wir ab. Wir hofften auf einen Laut, auf einen leisen Ruf des Informanten, aber es blieb sehr still.

Suko spähte der Stele entgegen wie jemand, der von seinem Häuptling zur Erkundung losgeschickt worden war. Das war bei ihm nicht normal, und ich stieß ihn leicht an.

»He, was hast du?«

»Weiß ich noch nicht, aber es kann sein, dass ich unseren Freund gefunden habe.«

Sein Kommentar hatte sich alles andere als gut angehört, aber ich stellte keine Fragen und ging hinter ihm. Wir betraten das Grab, ich blieb am Rand stehen, während Suko noch einen Schritt vorging und auch dabei zur Seite trat.

»Also doch!«, sagte er.

»Was meinst du?«

»Komm her.«

Ich war zwei Sekunden später bei ihm, und Suko kam mir selbst in seiner Starre vor wie eine kleinere Stele. Er gab keinen Kommentar ab und deutete nur auf das Grabmal.

Ich sah, was er meinte und was ihn so geschockt hatte. Vor uns sahen wir unseren Informanten, der uns kein Wort mehr sagen würde. Man hatte ihn an die Stele gebunden, damit er nicht umkippte. Sein Kopf war zur linken Seite hin gedreht. Ich glaubte auch, das frische Blut zu riechen, das aus seiner Kehle gesickert war.

Jemand hatte diesen Mann mit den dunklen, halblangen Haaren schnell und grausam getötet.

Suko ging um das Grab herum, das völlig normal aussah und keinesfalls aufgewühlt war.

Der oder die Mörder hielten sich nicht in unserer unmittelbaren Nähe auf.

Zumindest wurden wir nicht angegriffen. Vielleicht hatten sie auch nicht gewusst, dass der Mann mit uns verabredet gewesen war.

»War das der Grabschänder?«, fragte Suko leise.

Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich nehme an, dass er Helfer gehabt haben muss, und die haben den Mann erwischt, als er noch mit dir sprach.«

»So denke ich auch, John. Nur frage ich mich, was die Killer noch mitbekommen haben.«

»Hoffentlich wenig.«

»Sind sie nach der Tat auch verschwunden?«

Ich war mir nicht sicher. »Nur wenn der eigentliche Grabschänder auch abgetaucht ist, denke ich.«

»Möglich.«

»Jedenfalls sind wir ihm auf der Spur. Leider in der Nacht. Wir können bei Dunkelheit schlecht den ganzen Friedhof absuchen.«

»Das müssen wir auch nicht!«

Sukos Tonfall ließ mich stutzig werden. »Wieso? Wie kommst du darauf?«

Er hatte sich von mir entfernt und stand fast auf dem schmalen Weg, der zu anderen Gräbern führte. Den rechten Arm hielt er leicht angehoben und wies damit in eine bestimmte Richtung.

»Ich habe dort Lichter gesehen, John. Und zwar Lichter, die sich bewegten. Wahrscheinlich stammen sie von Taschenlampen.«

Ich verkniff mir die Frage nach dem genauen Ort, schaute ebenso wie Suko und war enttäuscht, weil ich sie nicht sah.

»Kein Irrtum?«

»Nein.«

»Dann lass uns gehen.«

Die Richtung stand fest. Wir würden tiefer in den großen Friedhof hineingehen und hoffen, dass uns ein hin und wieder aufflammendes Licht den entsprechenden Weg wies.

Da war nichts zu machen. Wir blieben in der Dunkelheit, sahen die Grabsteine als gespenstisch starre Geister, spürten den Nieselregen auf der Haut und wurden ab und zu von den nach unten trudelnden Blättern getroffen.

Buschgruppen nahmen uns des Öfteren die Sicht. Sträucher streiften uns mit ihren starren Zweigen, und der Himmel über uns erinnerte an eine sehr tiefliegende Decke.

Keine Stimmen, kein Licht. Totenstille, wie es sich für einen Friedhof gehört. Dennoch bezweifelte ich, dass sich Suko geirrt hatte; er war ein guter Beobachter.

Plötzlich waren die Lichter wieder da. Natürlich ist es schwer, in der Dunkelheit irgendwelche Entfernungen abzuschätzen, aber wir waren schon näher herangekommen, und wir hörten sogar Stimmen. Die Personen unterhielten sich leider nur halblaut. So drangen leider nicht alle Worte an unsere Ohren.

»Passt ihr auf. Ich bin gleich fertig!«

»Sie müssen sich beeilen. Er hat telefoniert.«

»Mit wem?«

»Das wissen wir doch nicht. Es war kein Zufall, dass er dort stand, glauben Sie mir.«

Suko drehte mir sein Gesicht zu. Er stellte dabei drei Finger von seiner rechten Hand in die Höhe. Das Zeichen war klar. Es mussten mindestens drei Männer sein, die vor uns in der Dunkelheit irgendwelchen Tätigkeiten nachgingen.

Zwei von ihnen spielten Aufpasser. Sie standen nicht dicht beisammen, sondern sich praktisch gegenüber. Ihre Lampen hatten sie eingeschaltet, und die Lichtkreise huschten über den Boden hinweg, wobei sie wie schnell wandernde Flecken wirkten.

Dabei gingen sie auf und ab, leuchteten aber auch in die Runde. So mancher Lichtschein huschte auf uns zu und kam uns auch gefährlich nahe, aber wir wurden nicht getroffen.

Von dem dritten Mann sahen wir nichts. Er war jedoch zu hören. Seine Arbeit hinterließ Geräusche, und wahrscheinlich war er noch immer damit beschäftigt, das Grab auszuheben. Erde klatschte auf Erde. Diese Laute waren typisch.

Zwei gegen drei!

Wenn wir es geschickt anstellten und den Augenblick der Überraschung nutzten, konnte eigentlich nichts schiefgehen. Suko teilte mir seine Meinung flüsternd mit. Er war der Ansicht, dass wir die drei Männer in die Zange nehmen sollten.

»Okay.«

Er nickte mir noch einmal zu. »Dann gehe ich jetzt, John. Ich nehme die andere Seite. Warte noch und greif erst dann ein, wenn du meine Stimme hörst.«

»Alles klar.«

Suko huschte davon.

Ich schlich näher an den Zielort heran. Es war gar nicht so einfach, leise zu gehen, denn überall lag das verdammte Laub herum, das trotz seiner Feuchtigkeit raschelte.

Es ging bisher alles glatt. Auch von Suko war nichts mehr zu sehen, aber auch nur noch das Licht einer Lampe. Die mir am nächsten liegende war ausgeschaltet.

Das passte mir nicht.

Das musste etwas zu bedeuten haben, und es war nicht positiv.

Ich hatte längst meine Beretta gezogen. Meine Augen waren jetzt auch an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich mich relativ sicher fühlte.

Trotzdem überraschte mich die Aktion.

Plötzlich war das zweite Licht wieder da. Es zuckte nur kurz auf, schwenkte wie ein Blitz und stach dann direkt nach vorn, wobei es mich erwischte.

Der Strahl fuhr in mein Gesicht. Es musste Zufall gewesen sein. Ich schloss instinktiv die Augen, duckte mich weg, hörte einen Schrei, und dann brach auf dem stillen Friedhof die Hölle los. Ausgelöst vom Hämmern einer Maschinenpistole ...

Dass unser Besuch auf dem Friedhof so enden würde, hatte ich mir in all meiner Phantasie nicht vorstellen können. Das tödliche Blei hätte mich erwischt, wenn ich nicht blitzartig zu Boden getaucht wäre. Ich landete im feuchten Laub. Die Kugeln pfiffen dort durch die Luft, wo ich noch vor Sekunden gestanden hatte. Jetzt war ich dabei, mich über den Boden zu rollen, und ich wurde von den verdammten Kugeln verfolgt, die in das feuchte Laub hineinhackten.

Auch eine zweite MPi ratterte los. Allerdings auf der anderen Seite des Grabs, die Besuch von Suko erhalten hatte. Ich wunderte mich darüber, dass Suko nicht seinen Stab eingesetzt hatte, aber weitere Überlegungen stellte ich nicht an, denn ich musste versuchen, den verdammten Kugeln zu entkommen.

Lichter tanzten über den Boden. Helle Flecken, die wanderten, die versuchten, mich zu erwischen.

Ich rappelte mich auf. Es würde nichts bringen, weiter durch das Laub zu rollen; irgendwann war eine Kugel immer schneller. Ich hechtete hinter einen Grabstein, der in diesem Fall tatsächlich als Kugelfang diente, denn ich hörte, wie die Geschosse gegen das harte Gestein schlugen.

Ich lag an der anderen Seite, hielt die Beretta noch immer fest und versuchte, am Grabstein vorbei nach vorn auf das andere Grab zu schauen. Es wurde nicht mehr geschossen. Auch die Lichter waren weg. Aber die Männer sah ich noch. Sie huschten wie Schatten von ihrem Ziel weg, und ich bekam eine wilde Stimme zu hören, die beide Killer antrieb.

»Rückzug, weg hier!«

Noch einmal schossen sie. Vermutlich gaben sie der dritten Person Feuerschutz. Sie schwenkten die Waffen, sie feuerten in einer breiten Linie, und die Geschosse pflügten auch gefährlich nahe in meine Umgebung. Ich traute mich nicht, zurückzuschießen, denn dabei hätte ich einen Teil der Deckung verlassen müssen.

Die Zeit kam mir lang vor, dann war es plötzlich still, sodass mir diese Ruhe schon wieder trügerisch vorkam. Noch hockte ich hinter dem Grabstein und wartete. Es konnte eine Finte sein. Die Killer brauchten nur darauf zu warten, dass ich mich zeigte. Sie hatten die starken Lampen, ich nicht.

Zudem bereitete mir immer mehr Sorge, dass ich von Suko nichts mehr hörte. Es war auch in seine Richtung geschossen worden, und es war auch möglich, dass sie ihn auf Grund der Streuwirkung ihrer Waffen getroffen hatten.

Zehn, vielleicht auch fünfzehn Sekunden waren vergangen, als ich mich hinter meiner Deckung hervorwagte. Ich blieb tief am Boden, aber ich wurde nicht mehr beschossen und hörte auch die Geräusche der fliehenden Männer.

Obwohl sie weit weg waren, hätte ich noch die Verfolgung aufgenommen, aber ich dachte auch an Suko, der sich schon längst hätte zeigen müssen, wenn alles normal gewesen wäre.

Ich sah ihn nicht. Ich sah kein Licht mehr. Wenige Schritte später entdeckte ich den Grabhügel aus Erde und Lehm. Dahinter lag das geöffnete Grab und auch der zerstörte Sarg. Durch eine Öffnung schaute ich bis auf den Boden und sah dort das Schimmern der bleichen Gebeine.

Aber wo steckte Suko?

Mit einem Satz sprang ich über das Grab hinweg zu seiner Seite hin. Es war einfach zu dunkel, um auf die schnelle etwas erkennen zu können, deshalb riskierte ich es jetzt, das Licht meiner kleinen Leuchte einzuschalten.

Weit brauchte ich nicht zu leuchten. Suko lag rücklings auf dem Boden, als wäre er wie ein Baumstamm gefällt worden. Der Lichtkegel tanzte über sein sehr bleiches Gesicht, und mir zog der Schreck wie eine glühende Pfeilspitze durch den Körper. Ich entdeckte auch das Blut an seiner Stirn, und ich fiel neben ihm auf die Knie.

Die Angst um Suko machte mich fast verrückt. Meine Hand zitterte, als ich die Finger gegen die Halsschlagader presste. Es war okay. Suko hatte Glück gehabt. Die Kugel, die ihn getroffen hatte, war nicht in seinen Kopf gedrungen, sondern hatte ihn nur gestreift. Der Treffer hatte ihn einfach umgehauen. In diesem Moment hätte ich jubeln können, und mir wurde erst jetzt bewusst, welches Glück wir bei dieser Aktion gehabt hatten.

Auf einen Schusswechsel mit Maschinenpistolen waren wir beide nicht eingestellt, denn unsere Gegner verließen sich zumeist auf andere Waffen.

Wahrscheinlich würde Suko noch für eine Weile bewusstlos bleiben. So blieb mir Zeit, mich um das ausgehobene Grab zu kümmern. Ich wollte es näher in Augenschein nehmen.