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Der erste Blutsauger war in einer Fuchsfalle gefangen worden. Der zweite baumelte erhängt in einem Wald. Nur der dritte der Männer, die der Mafiosi Luciano Goff verloren hatte, ließ sich nicht finden.
In seiner Not wandte er sich an Suko und mich. Zähneknirschend übernahmen wir einen Auftrag, der uns mitten in eine besondere Hölle führte. In Assungas Liebesnest ...
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Seitenzahl: 188
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Assungas Liebesnest
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Assungas Liebesnest
von Jason Dark
Der erste Blutsauger war in einer Fuchsfalle gefangen worden. Der zweite baumelte erhängt in einem Wald. Nur der dritte der Männer, die der Mafiosi Luciano Goff verloren hatte, ließ sich nicht finden.
In seiner Not wandte er sich an Suko und mich. Zähneknirschend übernahmen wir einen Auftrag, der uns mitten in eine besondere Hölle führte. In Assungas Liebesnest ...
Es war eine jener Bars, bei denen es mir schwerfiel, sie einzustufen. Entweder billiger Puff oder Edel-Bordell. Wahrscheinlich lag die treffende Bezeichnung in der Mitte.
Jedenfalls hieß sie Flash-Blitz. Man hatte den Namen noch thematisiert. Über dem Eingang war deutlich der Blitz aus Neonröhren zu erkennen, der hellgelb gegen das Schamzentrum einer Frau fuhr, die natürlich ebenfalls aus mit Gas gefülltem Glas bestand.
Es schneite. Keine dicken Flocken, mehr Schneeregen. Es war ein Wetter zum Weglaufen oder zum Inder-Wohnung-Bleiben, aber davon konnten wir nur träumen.
Einen Platz für den Rover hatten wir auch gefunden. Er stand dort, wo auch das Auto des Chefs stand, auf einem kleinen dunklen Platz an der Seite, eigentlich nicht für Gäste gedacht, aber wir fühlten uns auch nicht als normale Gäste.
Das ungemütliche Wetter hatte für wenig Betrieb auf den Straßen gesorgt. Selbst die Autofahrer ließen ihre Wagen lieber in den Garagen stehen, und Fußgänger waren nur unterwegs, wenn es sein musste.
Hinzu kam der unangenehme Wind, der uns die nassen Flocken gegen die Gesichter blies. Die Kragen der Jacken hatten wir hochgestellt, und vor dem Eingang blieb Suko noch einmal stehen. Er warf einen misstrauischen Blick nach oben.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind, John?«
»Goldrichtig. Das ist Luciano Goffs Home.«
Er nickte. »Ein toller Name, den kann man einfach nicht vergessen. Passt auch in die Szene.«
Damit hatte der Inspektor den Nagel auf den Kopf getroffen. Luciano Goff. Darauf reimte sich Zoff. Und Zoff hatte es wohl in der Londoner Unterwelt gegeben, seit es den großen Meister Logan Costello nicht mehr gab. Er hatte zu hoch gereizt und gedacht, stärker als die Blutsauger zu sein. Ein Irrtum. Er war selbst zu einem Blutsauger geworden und war letztendlich deswegen auch zur Hölle gefahren.
Es hatten Nachfolgekriege stattgefunden, um die wir uns nicht gekümmert hatten. Das war nicht unsere Plattform, auf der wir uns bewegten. Außerdem war Goff uns nicht in die Quere gekommen, im Gegensatz zu Costello, der immer versucht hatte, sich mit den Mächten der Finsternis zu verbünden, was ihm letztlich zum Verhängnis geworden war.
Wir hatten uns erkundigt und erfahren, dass Goff noch längst nicht die Macht eines Logan Costello besaß. Ob es zu dieser Machtfülle überhaupt noch einmal kommen würde, war mehr als fraglich. Die Zeiten hatten sich geändert. Da konnte kein einzelner Mensch mehr alles beherrschen. Zumindest nicht in einer Stadt wie London.
In der Unterwelt gärte es also weiter. Verschiedene Gruppen versuchten, Terrain zu gewinnen und alles genau abzustecken. Ob sich daraus der ganz große Chef entwickeln würde, stand in den Sternen.
Die Tür war verschlossen. Wir mussten klingeln. Ein Vordach schützte uns zumindest hier vor dem Schnee. Aus lauter Spaß an der Freude waren wir nicht gekommen, denn der große Meister Goff selbst wollte uns sprechen. Er hatte sich sogar mit unserem Chef, Sir James, in Verbindung gesetzt. Wir waren also im offiziellen Auftrag unterwegs, ohne direkt über den Grund informiert worden zu sein. Angeblich sollten uns Goffs Probleme ebenfalls etwas angehen.
Ich hatte geklingelt und wartete darauf, dass geöffnet wurde. Eine Video-Überwachung gab es nicht. Dafür existierte noch das berühmte Guckloch in Augenhöhe. Auch wenn wir nichts sahen, waren wir sicher, gemustert zu werden.
Siehe da – die Tür wurde aufgezogen.
Vor uns stand ein Typ, der zwar Europäer war, aber Ähnlichkeit mit einem Sumoringer aufwies. Dass man ihn in einen Anzug gezwängt hatte, ließ ihn fast lächerlich wirken. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, auch wegen des kleinen Kopfs, der wie eine Kugel auf seinem fetten Nacken saß.
Der Typ hatte mein Grinsen wohl gesehen, und das hatte ihm nicht gefallen. »Wir sind ein Club. Haut wieder ab.«
Jetzt konnten wir uns drehen und gehen. Auch wenn mir die Sache nicht passte, irgendwie hatte ich schon meinen Stolz und nickte. »Ja, wir wissen, dass es ein Club ist.«
»Dann haut ab!«
»Wir wollen zu Goff!«, sagte Suko.
Der Sumo-Mann lachte. Wahrscheinlich hätte er auch so reagiert, wenn wir gesagt hätten, dass wir zum lieben Gott wollten. So etwas Ähnliches war Goff ja hier.
Plötzlich lachte er nicht mehr. Da war er stocksauer. Sein Gesicht zeigte eine gewisse Bösartigkeit, und er wollte uns mit seinem Körper zurückrammen, aber da war Suko schneller.
Er kannte so einige Tricks aus alter Zeit, und einen davon setzte er ein. Wie eine Lanze schnellte sein rechter Arm vor. Zwei ausgestreckte Finger hatte er mit dem Daumen abgestützt, und der harte Stoß erwischte den Typ dort, wo es ihm wehtat.
Er taumelte zurück. Dabei schnappte er nach Luft und dachte nicht mehr daran, uns aufzuhalten. Der massige Körper drängte sich von allein zur Seite, sodass wir den Laden ohne Schwierigkeiten betreten konnten.
Ich schloss die Tür ab und sah Suko, der neben dem Aufpasser stehen geblieben war. Der Sumo-Mensch hatte sich auf den Boden gesetzt wie ein dicker Kloß. Er schnappte nach Luft.
Es war ein Vorraum. Wer wollte, der konnte auch seine Garderobe abgeben. Das alles hier wirkte plüschig und überaltert. Eigentlich so spießig, dass es schon wieder modern war. Vor einigen Jahrzehnten hatten die Bars wohl so ausgesehen. Allerdings fehlte an der Garderobe das Girl. Man musste seine Klamotten schon selbst aufhängen.
Um die Bar zu betreten, mussten wir nach vorn gehen. Direkt auf die Tür zu, die ebenfalls sehr dick aussah. Das war sie auch im wahrsten Sinne des Wortes, denn als wir sie aufzogen, fiel uns die innen angebrachte Polsterung auf.
Und wieder lag eine andere Zeit vor uns. Die runden Tische, die kleinen Sessel. Viel Plüsch und Messing. Besonders bei den Lampen, die mit roten Schirmen geschmückt waren und dieser Bar wohl etwas Verruchtes geben sollten.
Es gab eine Theke. Es gab rotes Licht, das aus Lampen drang, die die Form von Blitzen aufwiesen, und es gab natürlich die Gäste.
Männer und Frauen.
Letztere waren sehr gut vertreten. Sie kümmerten sich besonders intensiv um diejenigen, denen das Geld locker in der Tasche saß, und wie sie sich kümmerten, war schon jugendgefährdend. Man saß nicht nur auf den Plätzen, man bewegte sich auch auf der kleinen Tanzfläche in einem bestimmten Rhythmus hin und her, der schon mehr einem Vorspiel glich. Man konnte auch eine Treppe höher gehen und nach oben ins Nirwana verschwinden, das auf einer Galerie lag, die in eine schummerige Atmosphäre aus blassem Licht und Schatten eingetaucht war.
Wir waren in den ersten Sekunden nicht aufgefallen. Erst als wir uns in Richtung Bartheke bewegten, wurden einige Typen aufmerksam, die nur so taten, als wären sie normale Gäste. Tatsächlich gehörten sie zu Goffs Leuten, wie auch der Sumo-Mensch an der Tür.
Wir brachten Kälte hinein. Auch Nässe, denn der Schnee auf unseren Lederjacken war geschmolzen. Dieses Outfit passte eben nicht zur meist dunklen Kleidung der Gäste. Die Blicke der entsprechenden Typen waren beredt genug und zudem etwas überrascht, weil wir es geschafft hatten, den Schuppen überhaupt zu betreten, wo er doch angeblich ein Club war. Bestimmt zweifelten jetzt einige an den Künsten des Sumo-Mannes.
Die Bar war blank geputzt. Weiche, bequeme Hocker standen zur Verfügung, und es waren auch noch genügend frei, sodass wir sie uns aussuchen konnten.
Wie immer saßen einige Mädchen auch an der Bar. Als wir kamen, veränderten sich ihre Haltungen. Sie saßen nicht mehr so steif, bewegten sich entsprechend und zupften ihre wenige Kleidung so zurecht, dass es nach noch weniger aussah.
Wir fanden unsere Plätze. Hinter der Bar bediente ein Schwarzer, aber auch eine farbige Frau mit einer tollen Figur, die von einem aus Perlen bestehenden Kleid nachgezeichnet wurde, das nur wenig verbarg.
Bevor wir etwas zu trinken bestellen konnten, wurde ich schon angesprochen.
»Durst ist schlimmer als Heimweh, großer Mann. Ich habe Durst, und ich denke, dass du mich nicht verdursten lassen willst. Du siehst sehr großzügig aus.«
Die folgende Reaktion bestand aus einem leisen Schrei, denn plötzlich war der Typ im schwarzen Hemd da und zerrte die Frau ziemlich brutal zurück.
»Dein Platz ist woanders!«
Die Kleine gehorchte eingeschüchtert. Sie war wirklich klein, doch mit einer prallen Figur bestückt.
Jetzt stand der Knabe neben mir. Zum schwarzen Hemd trug er einen wunderbaren weißen Schlips. Ebenso hell wie die falschen Zähne, mit denen er mich angrinste.
»Eigentlich stehe ich nicht auf Männer«, sagte ich.
»Ich auch nicht. Und deshalb werdet ihr beide sofort von hier verschwinden.«
»Meinen Sie?«
»Es liegt an euch, wie ihr die Bar verlasst. Es kann auch mit den Füßen nach vorn geschehen.«
»Durch den Sumo-Knaben?«
»Nicht nur.«
»Hm.« Ich nickte und ließ meinen Blick über die blankpolierte Fläche der Bar gleiten. In Griffweite lag ein Obstmesser. Es war schmal und spitz.
Ich fasste blitzschnell zu. Mit der rechten Hand hatte ich zugleich nach der Krawatte des Kerls gegriffen, ihn zu mir herangezerrt und ihn durch einen Stoß mit der Schulter zur Seite hin auf die Bar gewuchtet. Er räumte noch einige Gläser ab, dann schwebte plötzlich die Klinge des Messers über ihm, aber sie erwischte ihn nicht, sondern seine Krawatte, die ich auf die Bar nagelte.
Er hing fest und starrte mich an, als wäre ich ein Geist.
»Hör zu«, sagte ich nur. »Wir sind nicht zum Spaß gekommen. Goff selbst wollte mit uns reden. Bevor du jetzt deine Kumpane herholst, will ich dir sagen, dass wir vom Yard sind. Hast du das kapiert?«
Der Typ saugte scharf die Luft ein. Schweiß glitzerte auf seiner Stirn. Die solariumbraune Haut begann allmählich zu verblassen.
»Ja, verstanden.« Sein Schlips klemmte noch immer fest.
»Dann sag deinem Boss, dass der gewünschte Besuch eingetroffen ist.«
»Mach ich.«
Ich zog das Obstmesser wieder hervor und warf es in eine Spüle. Erst dann drehte ich mich um. Zwei weitere Männer standen in der Nähe. Sie taten nur nichts, weil Suko sie locker mit der Beretta in Schach hielt.
»Die fühlen sich stark, John.«
»Ihr Pech.« Ich deutete auf den Krawattenträger. »Hol deinen Boss. Wir haben nicht ewig Zeit.«
»Ja, schon gut.« Er bedachte uns mit hasserfüllten Blicken, bevor er sich an seine beiden Kumpane wandte und ihnen etwas zuflüsterte. Wahrscheinlich teilte er den beiden mit, mit wem sie es hier zu tun hatten.
Sollte er, das war mir egal.
Dann zog er sich zurück. Er verschwand dort, wo mit dem Licht sehr gespart wurde.
Suko und ich hatten Ruhe. Selbst die ›Damen‹ hielten sich zurück, und auch die beiden hinter der Bar fragten nicht, ob wir etwas trinken wollten. Wir hätten auch abgelehnt.
Sehr schnell war die Krawatte wieder zurück. Der Mann hatte einen hochroten Kopf bekommen. Sicherlich nicht nur wegen meiner Aktion. Goff musste ihm die Leviten gelesen haben.
»Na, war dein Chef sauer?«
»Ihr könnt mitkommen.«
»Aber gern.«
Er ging vor uns her und zitterte dabei vor Wut. Auch wir tauchten in das Dunkel an der Seite ein. Der Mann stieß vor uns eine Tür auf. Endlich andere Luft und nicht mehr das Gemisch aus Parfüm und Rauch, das sich zwischen Boden und Decke so gut gehalten hatte.
Es war ein kahler Gang. Sehr ernüchternd im Vergleich zur Bar. Zu den Toiletten führte er nicht. Einzig und allein zu den Privaträumen des Luciano Goff.
Vor der breitesten Tür blieb der Mann stehen, klopfte, öffnete und trat über die Schwelle. Er wollte uns anmelden und hatte kaum zwei Worte herausgebracht, als wir Goffs raues Organ hörten.
»Ja, schon gut, du Versager. Lass uns allein.«
Das passierte sehr schnell. Der Kerl war froh, sich wieder in andere Gefilde zurückziehen zu können. Die Tür hatte er offengelassen, und so wurde uns ein Blick in den Raum gestattet, der so gar keine Ähnlichkeit mit dem Büro eines Barbesitzers aufwies, sondern eher wie ein großes Wohnzimmer wirkte mit einer halbrunden Polstergarnitur, die ich mir auch gut als Lotterbett vorstellen konnte.
Die drei Monitore fielen auf. Auf ihren Bildschirmen sahen wir Szenen aus der Bar, die sich Goff genüsslich anschaute und nun darauf verzichtete, da er Besuch erhalten hatte. Er schaltete die drei Dinger aus und winkte uns zu.
»Kommen Sie näher und schließen Sie die Tür. Ich möchte mit euch allein sein.«
Goff wirkte wie ein jovialer Geschäftsmann, der es im Leben zu etwas gebracht hatte. Dabei musste er vergessen haben, auf sein Gewicht zu achten, denn er sah ziemlich kompakt aus. Nicht so schlimm wie der Sumo-Mann, aber doch recht fett.
Er trug einen dunklen Anzug, schon leicht zerknittert, und ein weißes Hemd, dessen drei obere Knöpfe offenstanden. Luciano Goff hatte das Gesicht eines Genießers. Irgendwie feist. Runde Wangen, kleine Augen, ein feuchter Mund, der von einem wohlgestutzten dunklen Bart umrahmt wurde. Da wucherte nichts, der Bart sah mehr aus wie ein Schatten. Das Haar hatte er gescheitelt. Es fiel in zwei gleichen Bögen beinahe bis hin zu seinen Ohren.
Ein Glastisch war ebenfalls vorhanden. Darauf standen Flaschen und Gläser. Die Hälse der Champagnerflaschen schauten aus einem mit Eis gefüllten Kübel hervor. Ein Fenster gab es nicht im Büro. Für frische Luft sorgte eine Klimaanlage.
Es gab auch noch einen Schreibtisch und Büroschränke. Diese Möbel verteilten sich in einer Ecke.
»Ja, dann nehmen Sie Platz, Gentlemen.« Goff war überaus freundlich. Ein gemütlicher Typ, der durch sein Aussehen schon einige Konkurrenten getäuscht hatte, für die es dann ein böses Erwachen gegeben hatte, sofern sie überhaupt noch dazu gekommen waren.
Da die Couch praktisch über Eck stand, setzten wir uns Goff gegenüber hin. So hatten wir ihm den Blick auf die Monitore genommen. Der Mann liebte Champagner. Er trank ihn aus einem schmalen Kelch, der für seine dicken Hände zu filigran war. Wir rechneten jeden Augenblick damit, dass er zerbrach.
»Nehmt euch, was ihr wollt.« Goff deutete auf Flaschen und Gläser.
»Deshalb sind wir nicht hergekommen«, sagte Suko.
»Ach, noch im Dienst?«
»Sonst säßen wir nicht hier, sondern woanders.«
Goff lachte. »Klasse, gut gesagt, toll. Man scheint mir doch die richtigen Leute geschickt zu haben. Ich wollte ja auch mit denjenigen sprechen, die sich früher um Costello gekümmert haben. Der gute alte Logan, ha, ha – er wollte eben zu viel. Seine Machtgier kannte keine Grenzen. Ich sagte immer, dass man sich auf eine bestimmte Sache konzentrieren muss. Erst dann kann man einen Erfolg erreichen.« Er zwinkerte uns zu. »War übrigens super, was Sie da gemacht haben.«
»Was meinen Sie?«, fragte ich.
»Wie Sie an der Tür und dann ...«
»Hören Sie auf und kommen Sie zur Sache, Goff.« Mir gefiel die schleimige Art nicht. Ich war auch nicht gekommen, um mich einwickeln zu lassen. Ich wunderte mich sowieso, dass Goff es geschafft hatte, unseren Chef für sich zu gewinnen.
Auf den kam er auch zu reden. »Sir James hat sich kooperativ gezeigt. Nicht, dass es ein Vorwurf gegen Sie sein soll, aber er war freundlicher.«
»Jeder hat so seine Art«, meinte Suko. »Dass er uns geschickt hat, dafür muss es schon einen triftigen Grund geben. Wir würden ihn gern von Ihnen erfahren.«
Luciano Goff lächelte, doch sein Blick blieb hart. »Darf ich fragen, ob Sie bewaffnet sind?«
»Ja. Warum?«
Er nickte Suko zu. »Das müssen Sie auch. Es könnte sein, dass Sie Ihre Waffen brauchen.«
»Rechnen Sie mit einem Überfall?«
»Nein.«
»Da wären wir auch die falschen Leute.«
»Ich weiß.« Goff neigte sich vor. »Es geht hier um etwas anderes, und ich weiß sehr genau, dass auch Sie beide davon betroffen sind, denn es ist Ihr Job. Außerdem will ich mich nicht auf das gleiche Eis begeben wie Logan Costello.«
»Sollen Sie ihn denn beerben?«, fragte ich.
»Ich würde es nicht wollen.«
»Aber Sie scheinen mir auf dem Weg dorthin zu sein.«
Luciano Goff wusste im Moment nicht, was er mir darauf antworten sollte. Er schaute auf den Tisch, als könnte er dort die Lösung seiner Probleme erfahren. Die Hände mit den dicken Fingern bewegten sich unruhig, und ich hatte das Gefühl, als wollte er sie zum Gebet falten.
»Ewig haben wir nicht Zeit«, sagte Suko. »Wir können leider am Morgen nicht so lange schlafen.«
»Das weiß ich.«
»Wir hören.«
Er trank sein Glas leer und schenkte sofort nach. Der Champagner schäumte über, weil Goff zu hastig eingegossen hatte.
»Logan Costello ist tot und damit auch alles, wofür er sich so stark interessiert hat. Verstehen Sie?« Goff schaute uns fragend an.
»Im Moment noch«, erwiderte ich.
»Ja, das habe ich auch gedacht«, erklärte Goff nickend. »Aber es stimmt leider nicht. Es ist alles zu einer Farce geworden, weil es auch mich erwischt hat.«
»Jetzt begreifen wir nichts«, sagte Suko trocken.
Der Gangster wischte mit seinem Handrücken über die Lippen. Für einen Moment betrachtete er die feuchte Stelle. Dann sagte er mit leiser Stimme. »Mich hat der Fluch oder sein Erbe auch erreicht.«
»Werden Sie deutlicher«, wies ich ihn an, als er nicht weitersprach.
»Ja, ja nur keine Hektik. Ich muss mich erst sammeln. Es ist nicht einfach, den Tatsachen ins Auge zu sehen.«
»Sie wollen damit nicht sagen, dass Costello zurückgekehrt ist ...«
»Nein, Sinclair, nein. Aber ich habe nie an Vampire geglaubt. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass es so etwas in der Realität gibt, auch wenn immer wieder Gerüchte um Costello herum entstanden. Aber jetzt habe ich meine Meinung geändert, und Ihr Chef hat mir sogar recht gegeben.«
»Und Sie glauben jetzt daran?«, fragte Suko.
»Ja, das tue ich.«
»An Vampire?«, vergewisserte ich mich.
Er nickte.
»Und was war der Grund für diese Kehrtwendung?«
Goff suchte nach Worten. »Ich habe selbst einen Vampir gesehen«, stieß er flüsternd hervor. »Er ... er ... befindet sich unter uns. Im Keller ...«
Jetzt war es heraus, und Goff griff zu seinem Glas, trank es schlürfend leer und drückte sich zurück in das Rückenpolster seiner Couch. Er schwitzte noch mehr und brauchte ein Tuch, um sich das Gesicht abzuwischen.
Log er? Machte er uns etwas vor? Anscheinend nicht.
Er war kein guter Schauspieler. Das konnte ich mir zumindest nicht vorstellen, und Sir James hatte er ebenfalls überzeugen können.
»Warum sagen Sie nichts? Sie sind doch die Fachleute.«
»Sie erlauben uns, ebenfalls überrascht zu sein«, sagte ich. »Wir haben uns richtig verstanden, Goff. In Ihrem Keller befindet sich ein Vampir?«
»So ist es.«
»Wie kam er dort hin?«
»Es ist eine lange Geschichte.«
»Wir hören sie gern«, sagte ich.
»Fabio ist einer meiner Leute.«
»Hat er sich mit einem Vampir eingelassen?«
Goff starrte mich an und zuckte mit den Schultern. »Das muss wohl so gewesen sein.«
»Und er ist dann als Vampir zu Ihnen zurückgekehrt, um seinen Blutdurst zu stillen. Sehe ich das richtig?«
»Nein, so war es nicht. Wir haben ihn eingefangen. Das heißt, er hat uns geholt, denn er besaß noch sein Handy. Er hat sich in einer Fuchsfalle verfangen.«
Au, das war ein Schlag. Nicht nur für mich, auch für Suko. Wir schauten uns an und wussten nicht, ob wir uns regelrecht verarscht fühlen sollten. Aber Goff war es ernst.
Er sprach auch weiter: »Diese Falle ist verdammt stark, ein Fangeisen, aus dem man sich aus eigener Kraft nicht befreien kann, und wir haben es Fabio auch nicht abgenommen. Zusammen mit dem Fangeisen schafften wir ihn in den Keller, wo wir ihn noch zusätzlich anketteten.«
»Und Sie sind sicher, dass er wirklich ein Vampir ist?«, erkundigte sich Suko.
Goffs Augen glitzerten plötzlich. »Hundertprozentig«, erklärte er. »Ich brauche mir nur seine Zähne anzuschauen. Wir haben auch auf ihn geschossen, aber normale Kugeln erreichen bei ihm ja nichts, das haben wir leider feststellen müssen. Ich dachte natürlich an Costello, der ja auch zu einem Blutsauger geworden ist. Dann entschloss ich mich, euren Chef anzurufen.«
Zwar klang sein Bericht noch immer unwahrscheinlich, doch ich glaubte, dass er den Tatsachen entsprach, und wollte wissen, wo dieser Fabio gefunden worden war.
»In einem Waldstück.«
»Klar, da liegen Fallen. Was hat er denn dort gemacht?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Aber etwas wissen Sie schon – oder?«
»Nur Gerüchte. Fabio hat einem Freund erzählt, dass er einen Ort weiß, wo die Weiber besonders locker sind. Er redete von einem Liebesnest. Sehr versteckt, nur für Kenner. Dort muss er wohl gewesen sein, denke ich mir. Und da hat es ihn auch erwischt. Er hatte sich eine Woche frei genommen. Angeblich wollte er zu seiner Schwester nach Mailand, um den Taufpaten zu spielen. Alles gelogen. Tatsächlich hat er dieses Liebesnest aufgesucht, und dort hat es ihn erwischt.«
»Aber nicht die Fuchsfalle«, sagte Suko.
»Nein, das ist wohl später gekommen.« Luciano Goff holte schnaufend Luft. »Als er sich auf dem Rückweg befand. Er hätte bestimmt versucht, uns das Blut auszusaugen.«
»Er rief Sie dann an, und Sie haben Ihre Leute zu ihm geschickt und ihn geholt«, fasste Suko zusammen.
»Ja.«
»Wie verhielten sich Ihre Männer?«
»Sie waren entsetzt. Wenn Sie die Leute sprechen wollen, so ist das nicht möglich. Ich habe sie weggeschickt. Sie sollen sich erholen. Zudem sind sie nicht geeignet, Vampire zu vernichten. Eichenpflöcke sind nicht ihre Spezialität.«
Ich lächelte kalt. »Dann erinnerten Sie sich an uns.«
»Ja, wegen Costello.«
»Wird er bewacht?«, fragte ich.
»Vor der Tür steht einer meiner Leute. Er wird Alarm schlagen, wenn sich etwas tun sollte. Noch hat er sich ruhig verhalten. Wir haben auch nicht mehr nach ihm geschaut.«
Suko nickte mir zu. »Dann wollen wir uns den Typ mal ansehen. Das ist wohl der Sinn der Sache.«
»Ich habe es gehofft«, flüsterte Goff.
»Gut, dass die Polizei für alle Menschen da ist«, sagte ich und stemmte mich aus der weichen Couch hoch. »Gehen Sie mit nach unten?«
»Ungern.«
»Sorry, aber es ist Ihr Haus.«
»Schon gut. Ich begleite Sie.« Auch Goff stand auf. Sein Jackett sah zerknittert aus, und sein Gang wirkte schaukelnd, als er zu seinem Schreibtisch ging und irgendjemandem im Lokal erklärte, dass er in der nächsten Zeit nicht im Büro sein würde. Damit war für ihn diese Sache erledigt.
Wir ließen ihn vorgehen. Nachdem er sein Büro abgeschlossen hatte, ging er den Gang bis zu seinem Ende durch und stieß eine Holztür auf. Er machte Licht. Die nach unten führende Treppe bestand aus Holz und war recht primitiv.
»Jedes Lokal besitzt irgendwie einen Lagerkeller, auch hier.«
Ich hatte mich geduckt, um nicht gegen die Decke zu stoßen.
»Können Sie mir sagen, wo Sie den Vampir eingesperrt haben, Goff?«
»Es gibt da unten vier Kellerräume. In den letzten auf der rechten Seite.«