John Sinclair Sonder-Edition 233 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 233 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Der starke Wind war kalt. Er heulte über das Land. Er rüttelte an den laublosen Bäumen und riss mit seiner Wucht auch stärkere Äste ab, die dann durch die Luft trudelten.
Aber er brachte auch noch etwas anderes mit. Es war ein Heulen und nicht typisch für den Sturm. Mehr für ein Tier. Mal wütend, sogar aggressiv, dann ins Klagende und Melancholische wechselnd.
So heulte kein Mensch und auch keine Sirene. Selbst ein Tier nicht. Es sei denn, es war ein besonderes Tier.
Ein Werwolf, zum Beispiel ...

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Werwolf-Hölle

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Werwolf-Hölle

von Jason Dark

Der starke Wind war kalt. Er heulte über das Land. Er rüttelte an den laublosen Bäumen und riss mit seiner Wucht auch stärkere Äste ab, die dann durch die Luft trudelten.

Aber er brachte auch noch etwas anderes mit. Es war ein Heulen und nicht typisch für den Sturm. Mehr für ein Tier. Mal wütend, sogar aggressiv, dann ins Klagende und Melancholische wechselnd.

So heulte kein Mensch und auch keine Sirene. Selbst ein Tier nicht. Es sei denn, es war ein besonderes Tier.

Ein Werwolf, zum Beispiel ...

Es war warm in der kleinen Wohnung. Er hatte geschwitzt, und jetzt schwitzte er noch stärker. Das merkte Tony Hogan nicht, der auf dem Bett in einem ungewöhnlichen Schlaf lag.

Er schlief. Es war jedoch kein normaler Schlaf. Es war auch keine durch das Unterbewusstsein gelenkte Unruhe, dieser ungewöhnliche Zustand drang von draußen auf den Schläfer ein. Er konnte weder durch Fenster noch Mauern aufgehalten werden, und Tony Hogan befand sich in einer Art von Warteschleife, die er aus eigenem Willen nicht verlassen konnte.

Er lag auf dem Rücken. Sein Oberkörper war nackt. Die Arme ruhten auf der Bettdecke. Die Augen hielt er nicht ganz geschlossen. Er schien durch die Spalten das Zimmer durchsuchen zu wollen, obwohl sich dort nur das einheitliche Grau einer Nacht abzeichnete.

Der kalte Glanz berührte das Fenster von außen. Es lag am Licht des Mondes. Der Erdtrabant stand als kaltes, gelbes Auge am Himmel und zeigte einen metallischen Glanz, als hätte jemand mit einem Tuch darüber hinweg gewischt. Sein Licht zeichnete eben auch das Viereck des Fensters nach, das sich von der üblichen dunklen Umgebung abhob.

Der Schläfer hatte den Kopf leicht gedreht. Seine Hände bildeten Fäuste, die jedoch nicht ganz geschlossen waren. Der Atem drang ruhig aus seinem Mund, und seine Brust hob und senkte sich kaum.

Das Stöhnen klang leise und auch gequält. Danach folgte ein kurzes Röcheln, dann war es wieder still.

Die ersten Anzeichen der Unruhe waren vorbei. Aber die Ruhe des Schläfers blieb nicht bestehen. Tony Hogan begann sich zu bewegen. Die starre Haltung löste sich auf, als er sich auf die Seite drehte, dabei die Beine anzog, und sich die Bettdecke bewegte. Die Augen noch geschlossen, blieb er nur für einen Moment auf der rechten Seite liegen, um Sekunden später die Haltung zu verändern.

Jetzt lag er wieder auf dem Rücken.

Eine kurze Ruhepause folgte. Die Starre des Gesichts löste sich auf, ein Zucken umlief die Mundwinkel, und wie von der Schnur gezogen bewegte der Mann im Bett seinen Kopf nach links, um dorthin zu schauen, wo sich das Fenster abmalte.

Es war und blieb die einzige helle Quelle im Mond. Der Mond schien auf der gesamten Erde nur ein Ziel zu haben, eben dieses Fenster, das er mit seinem mattkalten Glanz ausleuchtete.

Hogan blieb noch liegen. Ein Arm rutschte über die Bettkante hinweg, und die ausgestreckten Finger schwebten über den Boden. Es war genau der Arm, der zuerst zuckte. Eine knappe Bewegung nur, dann wurde die Hand in die Höhe gezogen. Sie und der Arm schleiften über die Bettkante hinweg, bis sie wieder neben dem Körper zur Ruhe kamen.

Er wartete.

Sein Atem hatte sich verändert. Er ging längst nicht mehr so ruhig wie noch vor Minuten. Der Mund stand offen, und wie im Zeitlupentempo öffneten sich auch die Augen.

Tony Hogan wurde wach und wurde es trotzdem nicht. Er befand sich in einem Zustand zwischen Wachsein und Traum. Er konnte auch nicht auf seine Gefühle hören, denn das normale Menschsein war schon etwas anderes.

Der Mann richtete sich auf. Sehr steif. Jemand schien ihn an einem Band in die Höhe zu ziehen. Er blieb im Bett sitzen, tat nichts und behielt auch seine gerade Haltung bei. Ob er etwas sah oder erkannte, konnte man nicht feststellen. Hogan war nicht mehr er selbst. Eine andere Macht oder Kraft hielt ihn in ihren Klauen, und sie dirigierte ihn.

Bisher hatte er das erleuchtete Fenster noch nicht direkt angeschaut. Das änderte sich in den folgenden Sekunden. Nun galt seine Konzentration dem kaltgelben Viereck.

Auch in seinem Gesicht tat sich etwas. Die Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, die Augen öffneten sich weit, und jetzt strömte auch der Atem warm aus seinem Mund.

Mit der rechten Hand griff er nach dem Rand der Bettdecke und schlug sie zurück. An der anderen Seite des Bettes rutschte sie zu Boden, was Hogan nicht kümmerte.

Im Dunkeln stand er auf. Er dachte nicht daran, das Licht einzuschalten. Das des Mondes reichte ihm völlig, und so bewegte er sich in diesem schwachen Schein durch den kleinen Raum, den er sich als Schlaf- und Arbeitszimmer eingerichtet hatte.

Wer ihn sah, hätte ihn für einen normalen Menschen halten können, was er auch war. Nur hätte sich der Beobachter an den Bewegungen gestört. Sie wurden langsam vollzogen, aber durchaus zielsicher. Tony Hogan wusste genau, was er tat. In seiner sehr steifen Haltung und den Rücken durchgedrückt, ging er auf den schmalen Schrank zu, der neben seinem Schreibtisch stand.

Der rechte Arm zuckte nach vorn. Zwei Finger umfassten den Schlüssel, und wenig später war die Tür offen.

Hogan trug eine kurze Hose, die bis zu den Oberschenkeln reichte. Er zog sie nicht aus, als er nach einem T-Shirt griff, es über den Kopf streifte, dann die Jeans aus dem Schrank holte, sie ebenfalls überzog und wenig später nach dem Pullover griff.

Er war dick gestrickt worden und besaß ein Zopfmuster. Hogan schlüpfte auch in seine Schuhe. Es waren Slipper mit dicken, geriffelten Gummisohlen.

Auch die Lederjacke zog er vom Bügel und zog sie an. Jede Bewegung wirkte wie einstudiert. Er kam auch in der Dunkelheit zurecht. An der Innenseite der Schranktür hing ein Spiegel. Beim Anziehen der Jacke drehte er sich so, dass sein Blick in den Spiegel fiel. Sehr schwach zeichnete sich dort sein Gesicht ab. Er nahm es zur Kenntnis, doch er reagierte nicht. Kein Streichen durch das Haar, kein Zurechtzupfen der Revers, er war voll und ganz mit sich zufrieden.

Tony Hogan befand sich in einem ungewöhnlichen Zustand. Er war nicht wach, er schlief auch nicht. Er war das, was man einen Schlafwandler nennt, und dazu tat der Mond sein Übriges. Sein Schein leitete ihn. Er war für Tony wie ein Magnet. Deshalb blieb er auch nicht mehr länger vor seiner offenen Schranktür stehen, sondern drehte sich und schaute auf das mattgelbe Fenster-Viereck.

Langsam setzte er sich in Bewegung. Roboterhaft. Den Blick hatte er starr nach vorn gerichtet und schaffte es trotzdem, nicht über einen Gegenstand zu stolpern, der mitten im Weg lag. Es war ein würfelförmiges Sitzkissen aus Leder, auf dem noch seine Kleidung lag, die er am Abend ausgezogen hatte.

Mit einem weiten Schritt stieg er darüber hinweg und hatte die Hälfte der Strecke bis zum Fenster schon hinter sich gelassen.

Die restlichen Schritte schaffte er auch noch in sehr kurzer Zeit. Er blieb dicht vor der Scheibe stehen. Zum ersten Mal seit dem Verlassen des Schrankes zeigte sich in seinem Gesicht eine Regung. Wieder verzog er die Lippen, und dieses Lächeln sah lockend und auch freudig aus.

Der Glanz des Mondes traf seine Augen und spiegelte sich darin wider. Sie waren plötzlich heller geworden. Normalerweise blickten die Pupillen dunkelbraun, passend zu seinen kurzgeschnittenen Haaren. Sekundenlang verharrte er in dieser Stellung. Den Blick durch das Fenster in die Nacht gerichtet und auf den vollen Kreis des Mondes konzentriert. Er wirkte wie aus dem Dunkel des Himmels geschält, als hätte dort jemand ein Loch hinterlassen.

Bei ihm traf die alte Regel der Schlafwandler zu. Der Mond war für ihn wie ein Magnet, und er füllte den einsamen Mann auch mit Sehnsucht aus.

Hogan holte tief Atem. Er würde etwas Bestimmtes tun, was er gedanklich jedoch nicht nachvollziehen konnte, da er von anderen Kräften übernommen worden war.

Ob er bei der nächsten Bewegung aus eigenem Antrieb handelte oder nicht, wusste er nicht zu sagen. Jedenfalls hob er seinen rechten Arm an, und wenig später umschlang seine Hand den Fenstergriff, den er nach links drehte. So war das Fenster offen.

Mit einem Ruck zog er es völlig auf. Kühle Winterluft schlug gegen sein Gesicht.

Es war für ihn wie ein Eisschauer, aber er erzeugte keine Gänsehaut, denn der Mann wurde von anderen Gefühlen durchweht.

Er beugte sich vor.

Das Fenster gehörte zu einer Dachgaube. Über dem vierten Stock des Hauses angebracht, schaute es zur Rückseite hin, wo ein leeres Gelände lag, sodass der unverbaute Blick bis weit in die dunkle Winternacht hineinreichte.

Über ihm stand ein Himmel, von dem viele Menschen träumen. Wolkenlos, sternenklar. Ein großer dunkler Staudamm mit zahlreichen Löchern, durch die Licht funkelte, aber nicht gegen den Schein des Mondes ankam.

Er beherrschte alles.

In dieser klaren Nacht schien er zum Greifen nahe zu sein und direkt über dem Fluss zu schweben, dessen welliges Wasser einen harten Glanz erhalten hatte.

Tony Hogan wartete etwa eine halbe Minute in seiner starren Haltung. Mitternacht war vorbei, und er wusste instinktiv, welche Zeit nun angebrochen war.

Er saugte den Schein des Mondes auf. Seinen Kopf hielt er schräg, um den grauen Winkel erreichen zu können. Wieder lag das Lächeln auf seinen Lippen, als er beide Hände gegen die Fensterbank stemmte. Es war der Beginn seines Verschwindens, denn mit einer kurzen, aber kräftigen Bewegung stemmte er sich in die Höhe.

Den Kopf musste er einziehen, da das Fenster nicht hoch genug war. Das waren seine geringsten Probleme, und auch vor der Dachschräge fürchtete er sich nicht.

Geduckt blieb er sitzen. Noch ein letzter Blick hinauf zum Mond, dann war Hogan zufrieden.

Geschickt glitt er nach draußen und berührte das schräge Dach, auf dem er seinen linken Fuß sofort schräg stellte, um den nötigen Halt zu bekommen.

Dann schaute er nach rechts zum First hoch. Er lag nicht weit entfernt, und auch die Schräge war nicht zu steil. Geduckt überwand er sie. Vor seinem Mund quollen die hellen Atemwolken, als er sich auf dem First aufrichtete und wie der Kaminkehrer aus dem Musical Mary Poppins wirkte. Er wollte keinen Kamin säubern. Für ihn war das Dach der ideale Weg.

Tony schlief noch immer, obwohl er seine Augen geöffnet hatte. Er ging und bewegte sich dabei nicht wie ein normaler Mensch. Vorsichtig setzte er Schritt für Schritt auf dem schmalen Dachfirst. Um das Gleichgewicht zu halten, hielt er seine Arme zu den Seiten hin ausgestreckt. Kein einziges Mal rutschte er ab. Er bewegte sich so sicher wie ein Seiltänzer, der unter dem Schutz des Mondlichts stand.

Zeugen gab es keine. In dieser Nacht blieben die Menschen lieber in den Häusern. Es war zu kalt. Auch wenn viele auf Grund des Vollmonds nicht schlafen konnten, waren nur wenige unterwegs wie Tony Hogan, der jetzt den seitlichen Rand des Hauses erreicht hatte.

Vor ihm gähnte die Tiefe. Ein Mensch hätte den Fall zu Boden bestimmt nicht lebend überstanden, aber das Mondlicht reichte auch bis hierher, und so konnte der Mann den Anbau sehen, der gar nicht mal so weit entfernt unter ihm lag.

Der Hausbesitzer selbst hatte den Bau errichtet. Dort hatte er sich eine kleine Werkstatt eingerichtet, in der er an seinen Motorrädern bastelte.

Hogan sprang noch nicht. Seine Fußspitzen reichten fast über die Kante hinweg, so dicht stand er am Rand des Daches. Nicht ein Zittern durchlief seinen Körper. Auch die Kälte machte ihm nichts aus. Nur traute er sich noch nicht, in die Tiefe zu springen, denn er wartete auf etwas. Geräusche waren kaum zu hören. Durch die kleine Straße fuhr um diese Zeit kein Wagen. Nur aus der Ferne hörte er ab und zu ein schwaches Geräusch.

Das andere war stärker, auch wenn es noch so leise klang. Aber Hogan hatte darauf gewartet, und deshalb war er sofort in der Lage, es aufzunehmen.

Ein unheimliches Heulen, wie es ein Mensch kaum hervorbringen kann. Es wehte durch die Nacht wie vom Wind getragen und schien nur für ihn zu gelten.

Tony Hogan lächelte jetzt. In seinen Augen verstärkte sich der Glanz. Er knickte in den Knien ein, beugte sich etwas nach vorn und stieß sich ab. Einen Moment später fiel er hinein ins Leere. Aus seinem Mund drang so etwas wie ein Jubelschrei. Er erlebte ein Gefühl, das einem alten Menschheitstraum glich.

Fliegen, nur fliegen ...

Die kurze Zeitspanne war für ihn etwas Wunderbares. Er schaute auch nicht zu Boden, sondern nur nach vorn, wo sich die Fassaden der anderen Häuser in der Dunkelheit abzeichneten.

Dann prallte er auf.

Es war ein sehr harter Schlag, der ihn erwischte. Er spürte ihn von den Füßen bis zum Kopf, und er war nicht in der Lage, sich auf dem Dach des Hauses zu halten. Er kippte nach vorn, überschlug sich dabei, aber er hatte sich nichts verstaucht und auch keinen Knochen gebrochen. Nicht einmal der Fuß tat ihm weh. Seine Gebeine mussten sich in Gummi verwandelt haben.

Auf dem Bauch blieb er liegen. Mit dem Kinn berührte er das kalte Dach. Er öffnete den Mund, streckte die Zunge hervor und fühlte sich plötzlich so geschmeidig wie ein Tier. In ihm musste etwas vorgegangen sein, das er sich noch nicht erklären konnte.

Nach einer Weile richtete sich Tony Hogan auf.

Es waren zwei Stockwerke, die er bei seinem Sprung überwunden hatte. Eigentlich ein Wahnsinn, so etwas ohne Verletzung zu überstehen, aber er war anders geworden. Eine fremde Kraft durchfloss ihn, und Hogan war dem Mond so dankbar, dass dieser ihm die Kraft geschickt hatte. Geduckt näherte er sich dem Rand des Flachdachs. Unter seinen Füßen zog sich eine dunkle Regenrinne entlang. Um den Hof zu erreichen, musste er sie überspringen.

Noch ein letzter Blick nach unten. Hogan wollte keine Zeugen für seine Aktion haben. Dann hatte er sich entschlossen, sackte wieder leicht in den Knien ein und stieß sich ab.

Abermals flog er durch die Luft. Sein Körper war leicht gekrümmt, die Arme vorgestreckt, die Beine angewinkelt. Er sah das holprige Pflaster auf sich zukommen – und landete abermals auf allen vieren. Auch diesmal schleuderte ihn die Wucht nach vorn, und dann hatte er den Sprung ebenfalls überstanden.

Er richtete sich auf. In seiner Nähe lehnte ein altes und halbfertiges Motorrad an der Wand des Anbaus. Beide Räder fehlten. Der Besitzer würde daran noch basteln.

Der Hof war nur von einer Seite durch eine Hausfassade begrenzt. Sie lag direkt vor ihm. Nach rechts hin war der Weg frei. Er führte auf ein Feld, das früher mal ein Garten gewesen war. Dahinter lag dann eine schmale Straße, die in einer langen Kurve hinein in die Dunkelheit der Nacht führte.

Zielsicher und langsam bewegte sich Tony nach rechts. Er dachte daran, dass er das Heulen gehört hatte. Es war die Botschaft gewesen, und er würde sie nicht vergessen, denn dieser Laut war noch wichtiger gewesen als das kalte Licht des Mondes. Beides musste zusammenpassen, nur dann konnte sich das Schicksal erfüllen.

In den folgenden Sekunden überkam ihn doch eine gewisse Unsicherheit. Er fühlte sich allein gelassen, auch wenn das helle Licht des Mondes auf die Erde schien. Das Haus stand am Rand des Ortes, der von einer düsteren Landschaft umgeben war.

Über seine Umgebung dachte Tony nicht nach. Er war zwar noch ein Mensch, doch er fühlte nicht so. Hogan wollte anders werden, den ersten Schritt hatte er getan, und wenn er überhaupt dachte, dann erschien vor seinem Gesicht die Gestalt einer wunderschönen Frau.

Sie war einmalig. Er hatte nie zuvor eine derartige Schönheit gesehen. Das sollte bei ihm schon etwas heißen, denn er war nie dem weiblichen Geschlecht abhold gewesen.

Er musste und er würde sie wiedersehen. Etwas anderes kam für ihn nicht in Frage. Sie und der Mond waren seine besten Freunde. Und sie hatte ihm versprochen, dass sich in dieser Nacht etwas ändern würde. Dann schaffte er es, in ihren engeren Kreis aufgenommen zu werden, hatte sie ihm geheimnisvoll erklärt.

Noch war die Nacht nicht zu Ende. Das Treffen mit der Schönen konnte in den nächsten Stunden erfolgen.

Kaum hatte er den Schutz der Mauern verlassen, spürte er den Wind, der über die freie Fläche gegen sein Gesicht wehte.

Es war keine Kälte, die ihn frieren ließ; sie gehörte einfach dazu. Sein gesamtes Sinnen und Trachten war nur darauf ausgerichtet, sich mit der Frau zu treffen, und er wusste auch, dass sie ihr Versprechen halten würde.

Tony ging weiter. Er war ein einsamer Wanderer in der Nacht. Noch bewegte er sich in der alten Welt, die er von seiner Geburt her kannte. Aber er würde sie bald verlassen, und das noch in dieser Nacht, denn auf das Versprechen der Schönen konnte er sich verlassen.

Jetzt war es ihm auch möglich, wieder seine eigenen Gedanken zu steuern. Er holte sich ihr Bild herbei. Es war wunderschön. Eine Frau, wie ein Mann sie sonst nur in seinen Träumen erlebt. Langes, rötlichbraunes Haar. Ein wunderschönes Gesicht mit großen, klaren Augen. Dazu ein herrlich geschwungener Mund, aus dem unzählige Lockungen dringen konnten, die einem Mann den Himmel auf Erden versprachen. Er war erfüllt von einer wahren Sehnsucht, die immer stärker in ihm hochtrieb. Der vorherige Zustand hatte sich zurückgezogen. Tony Hogan fühlte sich immer stärker wie ein normaler Mensch. Es war genau diese Freude, die ihn antrieb, schneller zu gehen.

Längst bewegte er sich über das Feld.

Und über allem wachte der Mond.

Sein Schein umschmeichelte Tony Hogan weiter, als er über das Feld auf die schmale Straße zuging.

Sie würde kommen. Sie hatte ihn nicht grundlos genau an diesen Ort bestellt.

Er blieb stehen und wartete. In seiner Haltung wirkte er wie ein Anhalter, der darauf hoffte, dass im Laufe der nächsten Zeit ein Fahrzeug vorbeikam, der Fahrer stoppte und ihn einsteigen ließ.

Hogan blickte wieder zum Himmel. Er brauchte seltsamerweise schon jetzt das Mondlicht. Genau dieser Fall war eingetreten, nachdem er mit der Schönen in Kontakt gekommen war. Sie hatte ihn umarmt, sie hatte ihn geküsst, und er war dabei wie in einen tiefen Strudel hineingerissen worden.

Hogan sah den Mond – und er sah noch mehr!

Zuerst wollte er es nicht glauben. Am Himmel konnte sich vieles abzeichnen, und auch Wolken schufen manchmal die skurrilsten Gebilde, aber nicht so etwas, das er jetzt sah.

Das war kein aus Wolken geschaffenes Gebilde. Dieser Schatten oder diese Figur musste aus der dunklen Tiefe des Himmels gekommen sein und hatte sich vor den Mond geschoben. Es war ein Tier. Es war der mächtige Umriss eines sprungbereiten Wolfes ...

Es gibt Menschen, deren Leben darauf fixiert ist, den Augenblick zu genießen. Dazu gehörte Tony Hogan im Prinzip nicht. Alles kann sich ändern, nichts bleibt gleich, alles gerät in einen nie abreißenden Fluss, und so ähnlich fühlte er sich auch hier.

Vergessen war sein ungewöhnlicher Zustand der Schlafwandlerei. Hogan begann diesen Augenblick zu genießen, der andere Menschen erschreckt hätte. Er dachte an das ferne Heulen, das ihn wie Sirenenklang erreicht hatte. Die ferne Botschaft aus dem Unendlichen – vorhin noch. Aber nun zeichnete sich dort oben vor dem Mond der gewaltige Tierkörper ab und sorgte dafür, dass durch seinen Körper ein anderes Gefühl strömte. Er konnte es nicht beschreiben, wollte es auch nicht, er wollte einfach nur auf der Stelle stehen bleiben und es genießen.

Der mächtige Körper zeichnete sich ab, als wäre er an den Rändern mit dünnen Pinselstrichen gemalt worden. Der Mond sah nicht mehr so voll aus, weil der Wolf mit seiner Schnauze in den hellen Kreis hineinragte.

Wie viele Menschen wären schreiend davongelaufen und hätten sich versteckt. Nicht so der einsame Mann auf dem Feld. Er merkte genau, dass eine bestimmte Kraft von dieser Gestalt ausging. Sie war einfach wunderbar. Sie war allumfassend. Sie strömte auf ihn nieder. Sie erreichte ihn wie eine Botschaft, und er fühlte sich durch sie wie vom Erdboden angehoben, um gegen den dunklen Himmel zu schweben. Hogan wusste genau, dass es eine Verbindung zwischen dem Wolfschatten und ihm selbst gab, sonst hätte er ihm nicht diese Sympathie entgegenbringen können, und er hätte sich auch nicht so wohl gefühlt.

Seine Umgebung interessierte ihn nicht mehr. So wusste er nicht, ob es kalt oder warm war. Alles Normale war dahin geflossen und irgendwo versickert. Er hatte nur Augen für den mächtigen Wolfskörper. Er war dunkler als der Himmel und malte sich innerhalb des vollen Kreises gut mit seiner Schnauze ab, die halb offenstand und sich nicht bewegte.

Für Hogan war klar, dass er es hier mit einer Botschaft zu tun hatte. Jemand wollte ihm etwas mitteilen. Dabei musste die Verbindung zwischen ihm und dem Schattenkörper geschaffen werden. Er hoffte. Er wartete. Er wollte wissen, was die andere Gestalt von ihm wollte. Obwohl sie sich nicht bewegte, glaubte er fest daran, dass sie am Leben war. Irgendwo im Hintergrund musste das Tier lauern, das diesen Schatten gegen den Mond geworfen hatte.

Der Mond, der Wolf, der Mensch!

Drei völlig unterschiedliche Begriffe, die nichts miteinander zu tun hatten und bei denen es doch eine Gemeinsamkeit gab. Sie hatten sich zusammengefunden. Sie waren zueinander hingeführt worden, um zu einer Einheit zu verschmelzen.

Aus der Höhe herab floss etwas auf Hogan zu. Erklären konnte er es nicht, er nahm es einfach nur als gutes Gefühl hin, das ihn von Kopf bis Fuß durchdrang. Es war so leicht. Es sorgte dafür, dass andere Dinge verschwanden. Sie traten zurück und hielten sich im Hintergrund auf. Es gab für ihn keine Belastungen mehr. Die größte Kraft des Universums schien in ihn hineingeflossen zu sein. Transportiert von dieser mächtigen Gestalt am Himmel, die eine Brücke zwischen Mensch und Tier geschlagen hatte. Er zitterte nicht. Er stand ganz ruhig. Auch weiterhin wollte er die Botschaft empfangen, die einzig und allein ihm galt.

Allmählich wich die Starre aus seinem Gesicht. Der Mund verzog sich zu einem Lächeln. Er hatte das Gefühl, seine Augen würden mit der Kraft des Mondes gefüllt. Hinzu kam die Stärke des Wolfes, sodass er zu einer anderen Person wurde.

Er riss die Arme hoch. Er streckte der Erscheinung die Hände entgegen, als wollte er sie vom Himmel ziehen, damit sie immer bei ihm blieb. Seine Augen leuchteten dabei, und darin hatte sich das gleiche Licht festgesetzt, das der Mond auch abstrahlte. Zugleich verschwand die Ruhe. In seinem Körper machte sich etwas breit, das er nicht kannte. Er hielt es zunächst für Unruhe, aber das stimmte auch nicht. Es war etwas anderes. Etwas, das er nie erwartet hätte. Die fremde Macht füllte ihn aus. Sie überschattete sein Denken und Handeln. Er gab sich ihr einfach hin und schien wegzufließen, obwohl er nach wie vor auf der Stelle blieb.

Tony Hogan wurde von einer gewaltigen Sehnsucht erfüllt. Zuvor in all den Jahren hatte er so etwas noch nie erlebt. Jetzt, wo das neue Millennium begonnen hatte, war es über ihn gekommen, und er nahm es als einen Neuanfang hin.