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Früher war das Hotel eine Oase für Stars gewesen. Da waren sie unter sich geblieben und hatten das Haus in ein Sündenbabel verwandelt.
Später hatte es über Jahrzehnte hinweg leer gestanden. Bis Aram de Fries es gekauft hatte, um es wieder zu einem Star-Treffpunkt zu machen.
Aber das Hotel war und blieb verrucht. Die Vergangenheit konnte nicht abgeschüttelt werden. Die alten Gäste kehrten zurück - und mit ihnen Sex, Mord und Totschlag ...
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Arams Sündenbabel
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Arams Sündenbabel
von Jason Dark
Früher war das Hotel eine Oase für Stars gewesen. Da waren sie unter sich geblieben und hatten das Haus in ein Sündenbabel verwandelt.
Später hatte es über Jahrzehnte hinweg leer gestanden. Bis Aram de Fries es schließlich gekauft hatte, um es wieder zu einem Star-Treffpunkt zu machen.
Aber das Hotel war und blieb verrucht. Die Vergangenheit konnte nicht abgeschüttelt werden. Die alten Gäste kehrten nach und nach zurück – und mit ihnen Sex, Mord und Totschlag ...
Da war es wieder!
Dieses verdammte Gefühl einer irrsinnigen Angst. Es kroch heran. Heimlich und lautlos wie eine Schlange. Schließlich war es da. Es stahl sich in den Körper hinein. Es war eine fremde Seele. Zugleich auch etwas Mörderisches und Grauenhaftes, das kaum zu beschreiben war und einen immer stärkeren Druck ausübte. Es kannte keine Grenzen und nahm alles in seinen Besitz. Egal, ob Mensch oder Tier.
In diesem Fall war es ein Mensch!
Er hatte all dies gespürt. Jede Einzelheit. Vom Heranstehlen bis zum Eindringen in seinen Körper.
Und dieser Mensch war nicht in der Lage, sich gegen die Angst zu wehren, denn im Schlaf schaffte er es nicht, Abwehrkräfte zu mobilisieren. Obwohl gegen die Angst kein Kraut und keine Kraft gewachsen war, auch wenn er wach war.
Aram aber schlief. Er lag in seinem verdunkelten Zimmer, das er manchmal als Zelle bezeichnete, weil es einfach zu klein war. Es gab das Bett, den Schrank, ein Fenster und neben der Tür einen Stuhl. Mehr nicht.
Er lag auf dem Rücken. Im Schlaf hatte er sich bewegt und die Decke nach unten gestrampelt. Sein Oberkörper war bis zu den Hüften hin zu sehen. Bedeckt wurde er von einem ärmellosen, grauen Unterhemd und einer kurzen Schlafanzughose.
Den Mund hielt er offen. Die Arme waren leicht angewinkelt, die Hände zu Fäusten geballt.
Der Atem strömte stoßweise und leicht röchelnd aus der Kehle. Das Gesicht war von einer Schweißschicht bedeckt, ein Zeichen, dass er litt und unter großen Anstrengungen stand.
Manchmal ging ein Zucken durch seinen Körper. Dann zog er die Beine an oder bewegte den Kopf. Wenig später lag er wieder ruhig da, bis der Schlafende den nächsten Ansturm der Angst spürte.
Das Stöhnen, das plötzlich seinen Mund verließ, hätte auch zu einem Gefolterten gepasst. Quälend, langgezogen, dann wimmernd. Der Höhepunkt der Angst war erreicht. Im Schlaf quälten ihn die Foltergeister, denen er nichts entgegensetzen konnte.
Alles war so grauenhaft. In seinem Innern tobte eine Hölle, und die brachte ihn schließlich zum Erwachen.
Aram öffnete die Augen!
Das Stöhnen verwandelte sich in einen Schrei, als hätte er sich in diesem Augenblick erschreckt. Dabei gab es nichts, was ihn dazu hätte verleiten können, abgesehen von der Erinnerung an seine Träume.
Er war jetzt wach, aber er blieb auf dem Bett liegen. Nichts im Zimmer bewegte sich. Es war auch nicht völlig dunkel. Draußen drückte die Morgendämmerung bereits gegen die Scheibe, und erstes Tageslicht sickerte an den Vorhängen vorbei und breitete sich als schwacher Glanz auf dem Boden aus.
Aram blieb starr liegen. Er musste sich erst mit dem Gedanken vertraut machen, wach zu sein. Aram lauschte seinen eigenen Atemzügen. Er lebte in seinem Hotel als Besitzer, und er war zugleich ein Gefangener.
Sein unheimlicher Begleiter war die Angst, die auch tagsüber nicht verschwand, aber in der Nacht immer schlimmer wurde.
Wenn er am Tag durch sein Hotel schlich, dann begleitete sie ihn auf Schritt und Tritt. Dann sah er die anderen Gestalten, die Geister, die unheimlichen Schatten, die das Haus übernommen hatten und die eigentlichen Besitzer waren. Dann hörte er die Geräusche, die Stimmen, und er sah die schattenhaften Gestalten wie Rächer durch sein Sündenbabel ziehen.
Aram wusste nicht, ob er nach dem Erwachen geschrien hatte. Er wusste überhaupt nichts mehr.
Die Erinnerung war dahin, nur die Angst blieb. An Einzelheiten seines Albtraums erinnerte er sich nicht mehr.
Das Laken war feucht geworden, so stark hatte er geschwitzt. Auch das war ihm nicht neu. Er kannte diese verdammten Nächte, in denen nichts normal lief. Wie sehr sehnte er sich nach den Zeiten zurück, in denen alles normal gewesen war.
Sein Reich war die obere Etage des Hotels. Hier lagen die kleinen privaten Räume. In den Etagen darunter schliefen die Gäste, wenn welche da waren.
Meistens nicht. Der Laden stand fast immer leer. Er war auch zu einsam. Er war in keinem Führer vermerkt, obwohl er mit einer großartigen Geschichte verbunden war. Damals, da war das Hotel noch super gewesen. Da hatten die Besitzer stolz auf das Gästebuch sein können, in dem sich die Gäste mit den berühmten Namen verewigt hatten.
Aber heute ...?
Heute gehörte Aram de Fries das Hotel, das all seinen Glanz und Glamour verloren hatte.
Er saß jetzt im Bett und konnte sich nicht mehr daran erinnern, sich aufgerichtet zu haben. Mit beiden Händen fuhr er an seinem Gesicht entlang. Wie jemand, der die Erinnerung an die schrecklichen Träume vertreiben will.
Das war nicht möglich. Sie blieben. Sie ließen sich nicht manipulieren, denn sie manipulierten sich selbst. Die Angst tat immer genau das, was sie wollte, und im Moment hatte sie sich zurückgezogen, um Aram mit ihren Folgen allein zu lassen.
Mit fünf Fingern fuhr er durch sein dunkles Haar. Es war nicht mehr völlig schwarz. Aus einer Laune heraus hatte er sich dunkelrote Strähnen hineinfärben lassen. Es gefiel ihm, auch wenn andere darüber den Kopf schüttelten. Die gingen ihn nichts an. Aram de Fries wollte und würde sein Leben allein durchziehen.
Er lachte bitter auf, als er an das Wort ›allein‹ dachte. Nein, allein war er nicht. Auch wenn es hier so aussah, aber er war nicht allein. Es gab andere, die er zwar nicht sah, die trotzdem vorhanden waren. Das Hotel stand nicht leer. Jemand hatte es besetzt, und es waren keine normalen Gäste. Sie alle hielten zusammen, und sie alle waren gegen ihn. Sie ließen es auch nicht zu, dass er floh. Er sollte in diesen alten Mauern bleiben.
Aram wünschte sich die Zeiten zurück, in denen er normal erwacht war. Da war er kein Hotelbesitzer gewesen, sondern ein Mann mit Plänen und Vorsätzen. Nun aber fühlte er sich an manchen Tagen wie ein Greis, dem jeder Knochen schmerzte.
Seine Schuhe standen vor dem Bett. Es war leicht, in sie hineinzuschlüpfen. Er stand auf.
Mit müden, schlurfenden Schritten näherte er sich dem Fenster. Langsam zog er den Vorhang zur Seite. Die Scheibe war von innen beschlagen. Wie immer. In dieser Bude war es feucht. An manchen Tagen klebte alles.
Viel sah er nicht. Es würde kein Sonnentag werden und auch kein richtiger Wintertag. Mal Regen, mal Nebel, kein Schnee.
Aram de Fries wischte einen Teil der Scheibe frei. Endlich gelang ihm der Blick nach draußen. Was er sah, war nicht viel. Ein freies Gelände, kein Haus, kein Dorf. Der Bach, die Wiesen. Niederholz, Gestrüpp, in der Ferne ein Waldstück, aber auch die Spitze eines Kirchturms. Der Bau gehörte zum nächsten Ort. Er lag ein paar Meilen entfernt. Das Besondere an ihm war, dass es nichts Besonderes gab. Da war alles eingeschlafen. Die Menschen, die dort wohnten, kamen nicht zu ihm, und er ging auch so gut wie nicht hin.
Er zog sich vom Fenster zurück. Der trockene Geschmack im Mund war nicht verschwunden. Er hatte das Gefühl, Sand im Mund zu haben.
Die Nacht war vorbei. Der neue Tag hatte begonnen. Wieder ein Tag, der ihm lang werden würde, das wusste er. Er verfluchte ihn schon jetzt, aber er konnte einfach nichts dagegen tun. Die anderen Mächte waren stärker.
Langsam näherte er sich der Tür. Aram wirkte wie ein Mensch, der den Schlaf noch vor, aber nicht hinter sich hat. Auch jetzt noch waren seine Lider schwer.
Die Luft im Zimmer kam ihm zum Schneiden dick vor. Dabei hatte niemand geraucht. Sie war nicht normal. Etwas hatte sich in sie hineingestohlen, wie in seine Träume.
Noch zögerte Aram, die Tür zu öffnen. Er kannte das Spiel. Er hasste es, aber er wusste auch, dass er nicht daran vorbeikam. Er konnte nicht immer hier in seinem Schlafzimmer hausen. Ihm gehörte das Haus, und er war auch dafür verantwortlich.
Für alles, was hier passierte ...
Aram zog die Tür auf. Schon jetzt beschlich ihn das bedrückende Gefühl. Über seinen Rücken kroch ein Schauer. Er fror plötzlich, obwohl es in seiner Nähe nicht kalt war.
Behutsam setzte er den ersten Schritt über die Schwelle und trat in den Flur hinein. Der Boden bestand aus Holzdielen, die in den Jahren dunkel geworden waren. Er blieb auf der Schwelle stehen und schaute auf die nach unten führende Treppe. Die ersten Stufen wurden noch vom Licht berührt, das durch das Fenster rechts an der Wand drang. Ansonsten tauchten sie ab in die Dunkelheit.
Obwohl Aram immer das Gefühl hatte, jemand würde vor der Tür auf ihn warten, wurde er auch diesmal enttäuscht. Es gab keinen, der ihn in Empfang nahm, und so konnte er wieder einmal tief durchatmen. Auch sein Herzschlag beruhigte sich.
Ich bin allein! redete er sich ein. Ich bin wirklich allein! Das musste er sich jeden Morgen sagen, obwohl er wusste, dass es nicht so war. Es gab die anderen, und sie hielten sich auch in seiner Nähe auf. Manchmal sah er sie oder glaubte, sie gesehen zu haben. Hier ein Huschen, dort ein Schatten, eine Stimme, die flüsternd mit ihm sprach. Anschließend war er wieder allein.
Es stimmte nicht. Es gab die Kontrolle. Jemand gab genau auf ihn Acht. Keine Menschen, aber möglicherweise Wesen, die einmal Menschen gewesen waren.
Aram de Fries ging einen Schritt vor. Dann schloss er die Tür hinter sich.
Es gab noch zwei Zimmer hier oben, die von ihm bewohnt wurden. Hinter einer Tür lag das kleine Bad, hinter der anderen ein Wohnzimmer, in dem auch der Fernseher stand.
Aram wollte zuerst ins Bad. Einen Schluck Wasser trinken und sich dann unter die Dusche stellen, um sich den Schweiß der Nacht abzuwaschen.
Er ging wie ein reuiger Sünder mit gesenktem Kopf. So einer bewegte sich, wenn er Angst hatte. Tatsächlich, seine Furcht war noch nicht vorbei. Sie nagte in ihm. Aram erwartete etwas. Er lauschte auf Geräusche. Manchmal hörte er von unten her das Kichern oder auch mal ein Poltern, einen Fluch oder auch einen Schrei. Auch Bitten und Flehen waren ihm nicht neu. Er hatte dann stets das Gefühl, dass hinter den Kulissen im Unsichtbaren etwas ablief.
»Guten Morgen, Aram ...«
Abrupt blieb er stehen. Da war sie wieder – diese verdammte Stimme!
»Gut geschlafen?«
Er schwieg.
Dann das Kichern. »Keine Träume gehabt? Keine bösen Träume, lieber Aram?«
De Fries schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, woher die Stimmen kamen. Aber er hatte sie sich nicht eingebildet. Sie waren da, und sie meinten immer nur ihn. Das war einfach so. Das alles hörte er heute nicht zum ersten Mal.
»Lasst mich in Ruhe!«, keuchte er. »Verdammt noch mal, lasst mich endlich in Ruhe. Ich will mit euch nichts zu tun haben. Ich kenne euch nicht. Ich mag euch nicht. Ich hasse euch. Ich habe euch nichts getan, verflucht noch mal!«
»Aram ...«, hörte er wieder das Flüstern, und er wusste nicht, ob die Stimme nur von einer Person oder von mehreren stammte. »Wir sind doch bei dir, mein Freund. Wir werden immer bei dir sein, verstehst du?«
»Ja, ja, aber ich ...«
»Kein Aber, Aram. Es ist das Schicksal. Du kannst nicht dagegen an. Du bist bei uns, wir sind bei dir. Und wir müssen dir wieder einmal sagen, dass wir uns wohlfühlen. Ja, Aram, wir fühlen uns hier wohl und wunderbar. Wir mögen dich.«
Schmerzen zuckten durch seinen Kopf. Nicht die Geisterstimmen hatten sie verursacht. Es lag an ihm selbst. Ohne zu schauen, war er nach vorn gelaufen. Er hatte die Tür zum Bad verfehlt und sich den Kopf an der Wand gestoßen. Er fluchte wütend.
Er trat etwas zurück und schaute angespannt in die Runde.
Es war nichts zu sehen. Vor ihm gab es die absolute Leere. Keiner erschien. Kein Mensch, kein Geist, einfach nichts. Er war allein und glaubte es trotzdem nicht.
Es gab sie.
Sie machten sich über ihn lustig. Und er wusste auch, dass er es nicht mehr lange durchstehen konnte. Er wollte zu keinem Spielball einer fremden Macht werden.
Glücklicherweise ließ der Schmerz in seinem Kopf nach. Er war auch nicht zu wuchtig gegen die Wand geprallt. Ins Bad wollte er noch immer. So stieß er die Badezimmertür nach innen. Er wollte schnell hinein und wäre beinahe über die eigenen Füße gestolpert.
Das Bad war ziemlich düster. Ein mit grauen Schatten gefülltes Viereck. Es gab nur die Dusche, keine Wanne. Ein Waschbecken mit Spiegel, daneben ein Regalbrett, auf dem die Handtücher lagen.
Er fuhr mit der Hand an der Wand entlang und erwischte den Lichtschalter.
Die Lampe unter der Decke gab nur schwaches Licht ab. Es legte sich wie ein gelblicher Filter über den kleinen Raum.
Aram de Fries ging auf das Waschbecken und den Spiegel zu.
Vor dem Becken blieb er stehen. Ihm war plötzlich übel. Er betrachtete sein Spiegelbild.
Er sah sich auch.
Das schmale Gesicht mit der bleichen Haut. Die dunklen Augen, die tief in den Höhlen lagen. Er sah seinen Bartschatten, das eckige Kinn, die Ringe unter den Augen. Das dunkle Haar mit den roten Strähnen – das alles konnte er erkennen, aber das andere, das der Spiegel zeigte, war viel wuchtiger.
Eine Bemalung.
Jemand hatte auf der Fläche mit Blut einen Skelettschädel hinterlassen ...
Aram de Fries reagierte nicht. Er hatte nur Augen für den verdammten Schädel, und er war überzeugt, dass er mit Blut und nicht mit Farbe gemalt worden war.
Plötzlich überkam ihn ein gewaltiges Zittern. Er konnte ohne Hilfe nicht mehr stehen bleiben und musste sich auf dem Waschbecken abstützen.
Der Schädel glotzte ihn an, obwohl das nicht stimmen konnte. Aber es kam ihm so vor. Das Gebilde war auch nicht glatt gezeichnet worden. Mit zitternden Linien und Rundungen, die aussahen, als würden sie jeden Augenblick auslaufen.
Ein offenes Maul. Offene Augen. Eine Nase, die nur angedeutet war. Insgesamt ein widerliches und äußerst hässliches Bild, und er war überzeugt, dass es nicht von ihm stammte. Er war sicherlich nicht als Schlafwandler durch die Nacht gelaufen und ins Bad gegangen, um einen Schädel mit Blut auf den Spiegel zu malen. Außerdem – wo hätte er das Blut hernehmen sollen?
Aram zitterte. Es war ihm unmöglich, den Blick von diesem Gebilde zu lösen. Er hatte vorgehabt, zu duschen, doch dieser Vorsatz war vergessen. Die mit Blut gezeichnete Skelettfratze war einfach zu schrecklich. Für ihn war sie wie eine Warnung aus dem Reich der Geister, das ihn unsichtbar umgab.
Aram schloss die Augen. In der Brust spürte er einen starken Druck. Er musste husten. Dicker Speichel landete im Waschbecken. Er spülte ihn nicht weg. Kalte und heiße Schauer jagten durch seinen Körper.
Er starrte wieder in den Spiegel.
Aram sah nur sich!
Zunächst fühlte er sich regelrecht hintergangen. Er fluchte sogar leise, aber es stimmte. Der aus Blut gezeichnete Umriss des Skelettkopfes war verschwunden.
Er glaubte nicht an Geister. Er wollte nicht daran glauben, obwohl er tagtäglich mit ihnen konfrontiert wurde. Aber er hatte den Schädel nicht verschwinden lassen. Dafür trug ein anderer die Verantwortung. Er wusste nicht, wer aus dem Unsichtbaren eingegriffen hatte, doch es musste ein Unsichtbarer gewesen sein, denn zu Gesicht bekommen hatte er niemand.
Seine Hände waren noch immer feucht, obwohl kein Wasser sie berührt hatte. Im Kopf der Druck, das Zittern der Glieder. Mit Mühe hielt er sich auf den Füßen und drehte sich um.
Da war nichts in seiner Nähe. Ein leeres Bad. Oder nur mit dem gefüllt, was immer hier stand. Aram hörte keine Stimmen mehr, und so gelangte er zu dem Schluss, das durchzuführen, was er beim Betreten des Bads vorgehabt hatte.
Es hatte keinen Sinn, wenn er sich jetzt anders verhielt als sonst. Er musste den normalen Tagesablauf so weiterführen wie immer. Die Unsichtbaren waren nun mal hier, daran konnte er nichts ändern.
Es dauerte nicht lange, bis er die Kleidung abgestreift hatte. Als er die Duschkabine betrat, fror er. Auch das Wasser war nicht eben heiß, und es hatte hier oben auch nicht so viel Druck wie unten. In einem gutgeführten Hotel wären die Duschen längst erneuert worden. Doch hier war das nicht nötig. Es gab so gut wie keine Gäste. Und wenn mal jemand zu ihm kam, dann hatte er sich eher verirrt und übernachtete auch nicht immer. Da reichte ihm dann der erste Blick in das Zimmer.
Aram de Fries hatte sich nun mal für das Hotel entschieden, und dabei sollte es auch so lange wie möglich bleiben.
Die Dusche tat ihm gut. Als er die Duschkabine verließ, wurde sie von Schwaden durchweht, und er hatte den Eindruck, dass kühle Geister um ihn herum tanzten.
Rasch griff er zum Badetuch und wickelte es um seinen Körper. Die Füße waren noch nass und hinterließen ebensolche Spuren, als er das Bad verließ und auf das Schlafzimmer zuging. Im Flur erwischte ihn die Kälte. Er glaubte auch, aus dem unteren Bereich ein Kichern zu hören, aber das konnte eine Täuschung gewesen sein.
Im Schlafzimmer war es wärmer. Er trocknete sich den Rest Nässe vom Körper, schleuderte das Badetuch auf das Bett und öffnete den schmalen Schrank.
Frische Unterwäsche, ein dunkles Hemd, eine ebenfalls dunkle Lederjacke und eine braune Hose. Er kleidete sich langsam an und lauschte wieder in das Zimmer hinein.
Es war nichts zu hören. Nur Stille umgab ihn. Nachdem er den letzten Hemdenknopf geschlossen hatte, ging Aram zum Fenster, um nach draußen zu schauen.
Es war mittlerweile hell geworden. Kein unbedingt heller Tag, denn die Sonne würde heute nicht scheinen, weil ein schwacher Dunstfilm über der Gegend lag.
Es war Februar, doch von der Stimmung her passte die Landschaft in den November hinein, und auch in seinem Innern wollte diese Novemberstimmung schon seit langem nicht mehr weichen.
Dabei fragte er sich, ob sie ihn bis an den Rest seines Lebens begleiten würde. Aram sah sich nicht mehr als Individuum an, sondern eher als einen Menschen, der von anderen Mächten geleitet wurde und nichts dagegen unternehmen konnte. Er wollte sich jetzt unten einen Kaffee kochen und überlegen, was er mit dem Tag anfangen sollte.
Vielleicht kam ja ein Gast. Der letzte war vor vier Tagen hier erschienen und nach zwei Stunden wieder verschwunden, ohne das Zimmer zu bezahlen. Wahrscheinlich hatten ihn die anderen vertrieben.
Wieder einmal betrat Aram die Fries den Flur. Das Licht dort hatte sich verändert. Es war heller geworden und ließ die Hälfte des ersten Treppenabsatzes erkennen.
An den Wänden hingen Bilder. Er hatte sie nicht abnehmen wollen. Es waren vergilbte Fotos der Prominenten, die vor Jahren einmal in dem Hotel gewohnt hatten.
Zumeist Schauspieler vom Theater und vom Film. Namen, die beim breiten Publikum längst vergessen waren, zu ihrer Zeit aber auf der Hitliste ganz oben gestanden hatten.
Porträts. Menschen, die allesamt irgendwie streng blickten. Besonders die Männer. Fotografien in Schwarzweiß. Licht und Schatten waren gut eingesetzt.
Die Frauen blickten ebenfalls sehr streng, aber sie deuteten zumindest ein Lächeln an.
Er ging nach unten. Aram lauschte seinen Schritten nach. Es war kalt im Haus.
Immer wenn er die Treppe hinabging, fragte er sich, was ihn unten erwartete. Diejenigen, die tatsächlich im Haus regierten, waren immer wieder für Überraschungen gut. Zu Gesicht bekommen hatte er sie kaum, aber sie waren überall und beobachteten ihn.
Stimmen hörte er diesmal nicht. Er war bereits von ihnen begrüßt worden. Aram bezweifelte, dass sie es dabei belassen würden. Manchmal waren sie wie Kinder, die Streiche spielten, doch es konnten auch sehr grausame und böse Streiche sein.
Das Haus hatte drei Etagen. Er wohnte in der obersten. In den beiden darunter verteilten sich die Zimmer, die von der Größe her Arams Wohnung ähnelten.
Als er die zweite erreicht hatte, blieb er stehen. Die Treppe mündete in einem quadratischen Flur. Als Dekoration stand dort eine verstaubte Blumenvase, die aussah wie eine übergroße Tulpe. Niemand hatte sie in den letzten Jahren mit Blumen gefüllt.
Alle Türen waren geschlossen, das heißt, es waren nicht viele. Auf jeder Etage gab es nur vier Zimmer, die sich gegenüberlagen. Sie hätten gar nicht nebeneinander gepasst, dazu war das Haus viel zu schmal.
Etwas irritierte Aram. Es waren die Wände. Okay, sie wurden von keinem Licht gestreift, doch die Schatten, die sich darauf abzeichneten, waren ihm neu.
Er machte Licht.
Auch hier brachte die Helligkeit nicht viel. Ein Teil davon wurde von dem alten Sisalteppich aufgesaugt, mit dem der Boden bedeckt war.
Aram war jetzt neugierig geworden. Er ging in den Flur hinein und bemühte sich dabei, leise zu sein. Er wollte die anderen nicht stören, die im Hintergrund lauerten.
Er prallte zurück, als er den ersten Blick auf die Wand warf.
Sie war beschmiert!
Mit Blut!
Wieder sah er eine Zeichnung. Diesmal war es kein Skelettkopf, sondern eine zittrig gemalte Gestalt, die auf dem Rücken lag. In der Brust steckte ein übergroßes Messer mit einer sehr breiten Klinge.
Aram hatte den Eindruck, sich in einem Irrenhaus zu befinden. Wieder fuhr eine eisige Hand über seinen Rücken.
Diesmal war der Schock nicht so groß wie noch vor kurzem im Badezimmer. Er schaffte es sogar, sich der neuen Zeichnung zu nähern, und traute sich, die Kuppe des ausgestreckten Zeigefingers auf das Blut oder die Farbe zu drücken.
Farbe – Blut?
Er zog den Finger zurück. Mit der Zungenspitze daran zu lecken, getraute er sich nicht. Deshalb roch er daran und nickte.