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Drei tote Soldaten und ein halb zerfetztes kannibalisches Monstrum als Killer. Da stand selbst das Militär vor einem Rätsel. Aber man wollte Aufklärung. Deshalb holte man Suko und mich.
Auf einer unbewohnten schottischen Insel nahmen wir die Spur auf, die uns in die Tiefe der Vergangenheit bis nach Atlantis führte. Leider nicht nur uns. Auch ein Reporter-Paar hatte recherchiert. Kelly O‘Brien und Ike Cameron verschlug es ebenfalls auf den Kontinent. Ihr Job in Atlantis wurde für die beiden zu einem Höllentrip ...
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Seitenzahl: 193
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Ihr Job in Atlantis
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Ihr Job in Atlantis
von Jason Dark
Drei tote Soldaten und ein halb zerfetztes kannibalisches Monstrum als Killer. Da stand selbst das Militär vor einem Rätsel. Aber man wollte Aufklärung. Deshalb holte man Suko und mich.
Auf einer unbewohnten schottischen Insel nahmen wir die Spur auf, die uns in die Tiefe der Vergangenheit bis nach Atlantis führte. Leider nicht nur uns. Auch ein Reporter-Paar hatte bereits recherchiert. Kelly O'Brien und Ike Cameron verschlug es ebenfalls auf den Kontinent. Ihr Job in Atlantis wurde für die beiden zu einem Höllentrip ...
Die Treppe war recht steil und bestand aus Betonstufen, über die kaltes Licht aus Deckenleuchten fiel.
Hinter mir ging Suko, vor mir ein Mann in Uniform. Es war ein Colonel. Er hieß Baker und führte uns in einen Bereich hinein, den es offiziell nicht gab.
Wenn sich die Militärs dazu herabließen, Zivilisten in ihre geheimen Bunker zu lassen, dann brannte nicht nur der Busch, da stand schon ein ganzer Wald in Flammen. Mich wunderte es jetzt noch, dass man uns nicht die Augen verbunden hatte, als man uns in diese Sektion hineingeführt hatte, nachdem wir zahlreiche Kontrollen hatten durchlaufen müssen und unsere Berettas losgeworden waren.
Baker ging kerzengerade. Ein typischer Soldat. Er hätte auch in die Gruppe der ehemaligen Kolonial-Offiziere hineingepasst, die sich immer so stocksteif hielten und bei Festen oder Saufgelagen ebenfalls so starr da standen und aussahen, als hielten sie sich an ihren Whiskygläsern fest, bis sie dann umkippten. Stocksteif, versteht sich.
Die Treppe führte in den Untergrund, der entsprechend ausgebaut war. Beton, wohin man schaute. Gänge, die den Charme einer Leichenhalle aufwiesen. Türen, grau gestrichen, die nur durch Chipkarten und entsprechende Codes geöffnet werden konnten, und eine Leere, von der man annehmen konnte, dass hier unten kein Mensch tätig war.
Ein Irrtum, denn man arbeitete hier. Soldaten, die unter höchster Geheimhaltungsstufe standen und wohl selbst nicht genau wussten, was sie taten. Irgendwo gab es auch eine Zentrale, wo alles zusammenlief, die jedoch hatte man uns nicht gezeigt.
Als die Treppe hinter uns lag, ging Colonel Baker einige Schritte in den Gang hinein. Er drehte sich um, sodass er uns jetzt gegenüberstand. Er war ein hagerer Typ, der sich räusperte und die Schöße seiner Uniformjacke zurechtzupfte. Auf seinem Kopf saß die Mütze wie angeleimt. Der Schirm war für meinen Geschmack etwas zu tief in die Stirn gezogen.
»Wir werden den Raum gleich betreten!«, erklärte er schmallippig. »Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass es um die allerhöchste Geheimhaltungsstufe geht.«
»Ist uns klar«, erwiderte ich lächelnd.
Das Lächeln gefiel ihm nicht. »Ich will Ihnen noch sagen, dass es nicht meine Idee war, Sie zu holen.«
Mein Grinsen blieb. »So etwas hätte ich mir auch nicht vorstellen können, Meister.«
Das Wort Meister musste ihm die Galle hochtreiben. So war der gute Colonel wohl schon lange nicht mehr angesprochen worden.
Ich konnte einfach nichts dafür. Ich mochte diesen komisch-zackigen Ton nicht. Hinzu kam, dass sich solche Leute oft für den Nabel der Welt hielten.
Wir wussten nicht einmal, worum es genau ging. Sir James, unser Chef, war vom Verteidigungsministerium angesprochen worden, denn dort waren die Experten ratlos. Das kannten wir. Es hatte schon Fälle gegeben, wo wir dann die Kastanien für diese Leute aus dem Feuer holen mussten, was wir letztendlich auch getan hatten. Dabei war es immer um Vorgänge gegangen, die mit der normalen Logik nicht zu erklären waren. Ich rechnete damit, dass es auch hier der Fall sein würde.
Der Militärstützpunkt lag nicht in London, sondern schon jenseits der schottischen Grenze. Recht einsam und nicht zu weit von der Westküste entfernt. Was die Soldaten hier taten, musste uns nicht interessieren. Man hätte es uns auch nicht gesagt.
Baker räusperte sich. »Gut, dann gehen wir weiter.«
Suko hatte noch eine Frage. »Unsere Waffen brauchen wir nicht?«
»Nein!«
»Dann ist die Gefahr also vorbei?«
»Allgemein gesehen nicht, Inspektor. Speziell gesehen schon!«
Mit dieser Erklärung konnten wir wenig anfangen, aber wir hatten auch nichts anderes von diesem Mann erwartet. Baker war ein Typ, der sich jeden Tag noch mal selbst überprüfte, um nur nichts falsch zu machen, wenn er morgens vor dem Spiegel stand.
Er ging mit seinem Stechschritt, den er wohl nie ablegen konnte, weiter, und wir trotteten hinter ihm her.
Auch hier unten sahen wir keinen Menschen. Ich schaute in die von den Maßen her immer gleichen Quergänge hinein, die ebenfalls menschenleer waren, und gelangte zu dem Schluss, dass man hier unten ein regelrechtes Labyrinth eingerichtet hatte. Und hier musste etwas geschehen sein, das die Militärs völlig aus der Fassung gebracht hatte, sonst wären wir nicht alarmiert worden.
Jeder Weg hat ein Ende, und auch dieser hier. Vor einer grau gestrichenen Tür blieben wir stehen. In roten Buchstaben waren die Worte NO EXIT aufgemalt worden, damit sie nur nicht von jemand übersehen werden konnten.
Das galt nicht für uns. Baker räusperte sich, schaute uns noch einmal an, als wollte er sagen »Jetzt gilt es!«, dann fingerte er aus seiner rechten Seitentasche eine Plastikkarte hervor, bückte sich leicht und führte den Gegenstand auf einen dünnen Schlitz zu, der in der Höhe eines Türschlosses angebracht worden war. Er selbst brauchte seine Fingerabdrücke nicht einzuprogrammieren. Es tastete auch kein Laser die Augen ab, um eine Pupillen-Identifizierung durchzuführen, nur die Karte reichte aus. Ich ging davon aus, dass es davon nicht sehr viele auf diesem Stützpunkt gab.
Die Tür öffnete sich mit einem schnappenden Geräusch. Wir sahen zunächst nichts, weil es dahinter völlig dunkel war. Dafür spürten wir etwas, denn aus dem Raum drang uns eine kühlere Temperatur entgegen, die nur von einer Klimaanlage stammen konnte.
Baker übertrat die Schwelle. Er machte auch Licht. Wieder flackerten an der Decke die mit Edelgas gefüllten Röhren, dann blieb es konstant hell.
Wir traten ein. Der Raum war quadratisch. Wir sahen eine zweite Tür, die geschlossen war. Er erinnerte mich nicht nur an ein Schauhaus, in dem Leichen aufgebahrt wurden, es war auch so etwas, denn an einer Wand sahen wir die Fächer, die uns als Polizisten verdammt bekannt vorkamen.
Hier wurden Leichen aufbewahrt, aber zugleich auch obduziert, denn die entsprechenden Tische mit den Ablaufrinnen waren ebenso vorhanden wie die in Glasschränken untergebrachten Instrumente.
Baker ging vor bis zu den Schubladen. Durch eine Handbewegung gab er uns zu verstehen, zurückzubleiben. Der Reihe nach öffnete er drei Laden, die nebeneinander lagen.
Wir sahen aus einiger Entfernung, dass sie nicht leer waren. Drei Körper befanden sich darin, und Baker winkte uns jetzt näher heran.
»Schauen Sie hin!«, verlangte er. Seine Stimme hatte sich dabei verändert. Sie war rau geworden. Damit bewies er, dass auch er nur ein Mensch und keine Maschine war.
Er hatte uns nicht gewarnt. Er hätte es tun sollen, denn was wir zu sehen bekamen, war schrecklich ... Drei Laden, drei Tote, drei Männer. Wahrscheinlich Soldaten. Das bekamen wir zu Gesicht. Suko und ich gehörten zu den Menschen, die fast täglich mit dem Tod konfrontiert wurden. Hinzu kamen noch die schrecklichen Bilder, die entsprechende TV-Sender täglich um die Welt schickten, doch was man uns hier präsentierte, das musste einen Menschen einfach aufwühlen.
Die drei Soldaten waren ermordet worden. Zynisch betrachtet muss ein Soldat damit rechnen, getötet zu werden oder für sein Vaterland zu sterben, wie es so schön heißt. Die Männer waren auch gestorben, aber nicht auf normale Art und Weise.
Mir fiel kein Vergleich ein. Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ich wurde blass, und meinem Freund Suko erging es ebenso. Man hatte sie getötet, und es fehlte etwas bei ihnen. Bestimmte Körperteile waren nur teilweise oder gar nicht vorhanden. Genau das hatte uns den Schock gegeben. Ich spürte ihn wie eine Würgekralle in meinem Magen. Auf eine genaue Beschreibung möchte ich hier verzichten. Trotz der Kühle war Schweiß auf meine Stirn getreten. Ich merkte auch, dass ich zu zittern begann.
Suko war ebenfalls käsig geworden. Als ich ihm einen Blick zuwarf, schüttelte er nur den Kopf.
»Reicht es?«, fragte Baker.
Ich nickte.
»Ja, schieben Sie die Laden wieder zu.«
»Sie glauben gar nicht, wie gern ich dieser Aufforderung nachkomme, Gentlemen.«
Das nahmen wir ihm unbesehen ab. Wir traten zur Seite und hörten, wie Baker die Laden schloss. Er räusperte sich und fragte: »Besondere Vorgänge erfordern auch besondere Maßnahmen. Es ist zwar gegen die Vorschrift, aber hier sollte man schon großzügiger sein. Wenn einer von Ihnen einen kräftigen Schluck möchte, habe ich dafür Verständnis.«
Ich schaute Suko an, der den Kopf schüttelte. Ich aber konnte jetzt einen Whisky gebrauchen und sagte: »Ein guter Tropfen Scotch wäre nicht schlecht.«
»Genau der fehlt mir auch!«
In den letzten Sekunden war selbst Baker menschlicher geworden. Er ging auf einen Metallschrank zu, den er mit einem Spezialschlüssel öffnete. In den Fächern lagen Akten, und es stand auch eine mit einer goldbraunen Flüssigkeit gefüllte Flasche dort, die noch über die Hälfte voll war. Gläser gab es ebenfalls. Baker füllte zwei davon, bevor er die Flasche wegstellte und den Schrank verschloss.
Er reichte mir ein Glas. Wir prosteten uns zu, dann nahmen wir die ersten Schlucke. Es war ein wunderbarer Stoff. Nicht kratzig, sondern mild. Fast sahnig bewegte er sich auf unseren Magen zu, und ich leerte mit dem zweiten Schluck auch noch den Rest.
Der Colonel hatte sein Glas ebenfalls leer. Er drehte es in der Hand und fragte: »Was sagen Sie?«
Suko gab die Antwort. »Die Menschen sehen schrecklich aus. Ich habe Reste des Uniformstoffs gesehen. Gehörten sie hier zur Basis?«
»Ja.«
»Da wir hier sind, nehme ich an, dass Sie nicht wissen, wer sie auf diese fürchterliche Art und Weise getötet hat.«
Baker überlegte einen Moment und erwiderte: »Das stimmt nicht ganz. Uns ist schon etwas mehr bekannt.«
»Der oder die Mörder?«, fragte ich.
»Davon gehen wir aus.« Er stellte sein Glas zur Seite, was ich auch tat. Als wir für einen Moment vor einem blanken Tisch nebeneinander standen, runzelte er die Stirn. »Wir kennen den Mörder, Mr. Sinclair. Genau damit beginnen unsere Probleme. Wenn Sie sich den Anblick der Toten noch einmal in Erinnerung rufen, kann man auf den Gedanken kommen, dass die Mörder Kannibalen sind. So schrecklich sich dies auch anhört.«
»Ich widerspreche nicht.«
»Gut.«
Da Baker keine weiteren Erklärungen hinzufügte, stellte ich eine nächste Frage: »Wo genau ist das passiert?«, erkundigte ich mich. »Ich nehme nicht an, dass es hier auf der Basis geschah?«
»Nein. Es passierte auf einer Insel.« Er straffte sich wieder und war ganz der Offizier. »Die Insel heißt Ornsay.«
»Oje. Müsste ich sie kennen?«
»Überhaupt nicht. Sie ist ein winziges Eiland vor der Westküste hier. Nicht zu vergleichen mit den großen Halbinseln und Inseln wie Skye, Raasye oder Scalpay. Nur ein Fleck, nicht mehr. Unbewohnt, rau, aber für uns geeignet. Wir haben auf dem Eiland hin und wieder kleine Manöver durchgeführt. Spähtrupp-Ausbildung. Diese drei gehörten auch dazu.«
»Ein Spähtrupp setzt sich zumeist aus mehr Soldaten zusammen, erinnere ich mich.«
»Da haben Sie schon recht. Nur haben wir diese drei gefunden. Die anderen vier sind spurlos verschwunden. Wir gehen davon aus, dass sie irgendwo auf dem Meeresgrund liegen und kaum anders aussehen als die Soldaten hier im Schauhaus.«
Suko, der zu uns getreten war, fragte: »Und jetzt sollen wir beide den oder die Mörder finden?«
Der Colonel schüttelte zuerst den Kopf. Dann sagte er: »Nein, das sollen Sie nicht.«
Die Antwort erstaunte uns beide.
»Was! Wieso nicht?«, fragte ich leise.
»Weil wir den Mörder bereits kennen.«
»Ach.«
»Ja, so ist es, wir kennen ihn, und Sie werden ihn gleich ebenfalls kennenlernen, Gentlemen.«
Damit hatten wir nun nicht gerechnet. Das war, als hätte man uns gegen die Stirn geschlagen. So lief es normalerweise bei einem Fall nicht.
Baker gestattete sich ein Lächeln. »Ich habe Sie nicht angelogen. Der Mörder ist uns bekannt.«
»Und den haben Sie auch gefasst?«, fragte ich.
»Das kann man so sagen. Gefasst und eingesperrt. Verwahrt, aber leider oder zum Glück tot. Der Mörder ist jemand, den es nicht geben kann oder darf. Deshalb sind Sie hier, Gentlemen. So einfach ist das.«
»Wie sieht es mit Beweisen aus?«
»Die werden Sie bekommen.«
»Wann?«, fragte Suko.
»Jetzt. Machen Sie sich auf etwas gefasst. Den Whisky habe ich nicht grundlos getrunken, obwohl ich diesen Anblick schon mehrmals habe über mich ergehen lassen müssen.« Baker machte es spannend, aber wir sahen ihm auch an, dass er schon etwas mitgenommen war. Er streckte seinen Arm aus. »Sehen Sie die zweite Tür dort?«
Wir nickten.
»Dahinter werden Sie das sehen, was ich als das größte Phänomen betrachte.«
»Inwiefern?«
Der Colonel schaute mich an. Er seufzte. Wieder ein menschliches Zeichen.
»Was nicht sein kann, das darf eigentlich nicht sein. Leider ist es hier umgekehrt. Ich habe Spezialisten verlangt, man hat Sie geschickt, und ich hoffe, dass Sie mehr zur Aufklärung beitragen können als es uns gelungen ist.«
Mehr gab er nicht bekannt. Er drehte sich um und schritt auf die zweite Tür zu, die nur ein normales Schloss hatte, das er mit einem flachen Schlüssel öffnete. Danach musste er einen Knauf drehen, tat es allerdings noch nicht und legte nur seine Hand darauf. Mit der anderen wischte er über seine Stirn, presste die Lippen zusammen und atmete tief durch.
»Es kostet mich jedes Mal Überwindung«, gab er zu. »Ich trage für diesen Bereich die Verantwortung. Deshalb bin ich auch gefordert. Sie werden den Mörder gleich zu sehen bekommen, und ich sage Ihnen schon jetzt, dass er tot ist.«
Ich wollte das nicht kommentieren. Der Colonel hatte sicherlich seine Gründe. Er drehte den Knauf nach links. Danach ließ sich die Metalltür öffnen, die sehr sanft aufschwang.
Wir schauten in einen lichtlosen, wesentlich kleineren Raum hinein. Die helleren Wände wirkten wie starr gewordene Schatten. Der Colonel ließ uns noch nicht eintreten. Er stellte sich breitbeinig auf die Schwelle, weil er zunächst noch etwas erklären wollte.
»Nachdem wir unsere drei Männer tot auf der Insel gefunden hatten, schickte ich einen schwerbewaffneten Trupp los, der die Aufgabe hatte, den Mörder zu stellen. Meine Männer haben es auch geschafft, aber sie alle waren danach völlig fertig. Zum Glück haben sie ihren Auftrag nicht vergessen. Sie brachten den Täter zu uns auf die Basis. Und jetzt sehen Sie, was von ihm übrig geblieben ist.«
Nach diesen Worten trat er zur Seite. Den Lichtschalter hatte er bald gefunden. Wieder flackerte es unter der Decke. Bis das Licht ruhig strahlte, vergingen wenige Sekunden.
Suko und ich traten zögernd über die Schwelle. Der Raum war nicht groß. Er war kalt. An seinen Seiten waren Kühlrohre angebracht, die mit einer dünnen Eisschicht bedeckt waren.
Das alles war für uns nebensächlich. Einzig und allein zählte der Gegenstand in der Mitte.
Es war ein Stahlkäfig. Darin hatte man das hineingedrückt, was von dem Monstrum übrig geblieben war. Ja, es war ein Monstrum, und Baker hatte recht gehabt.
»Nein«, hauchte ich, »das ist fast unmöglich ...«
Leider war es eine Tatsache. Was vor uns lag, konnte oder durfte es nicht geben. Auf der anderen Seite hatten wir genug mit Monstren und Wesen zu tun, die es ebenfalls nicht geben konnte. Wie Vampire, Werwölfe oder Ghouls.
Und dieses Wesen hier?
Nichts traf zu. Das war kein Vampir, das war auch kein Werwolf, das war ein Monstrum, von dem nur der Oberkörper übrig geblieben war. Den unteren Teil hatte man vernichtet oder verbrannt. Wo die Beine anfingen, sahen wir nur ein paar schwarze und verkohlte Stümpfe.
Wir bewegten uns näher auf den Käfig zu. Die Lücken zwischen den Stäben waren groß genug, um hindurchschauen zu können, und so konzentrierten wir uns auf den oberen Rest des Körpers. Wegen der tiefen Temperatur war auch er von einer dünnen Eisschicht überzogen, aber sie hatte nichts an ihm verändert.
So nahe wie möglich traten wir an den Käfig heran. Zuerst schauten wir uns das Gesicht an. Nun ja, es war kein Gesicht im eigentlichen Sinne, es war mehr ein Gebilde, wobei ich den gesamten Kopf dazuzählte. Flach, mit toten Augen. Einem breiten Maul, das an das eines Frosches erinnerte. Es gab keine Nase, denn Maul und sie gingen ineinander über oder waren eins.
Das Maul war nicht ganz geschlossen. Ich drehte mich zur Seite und versuchte, einen Blick hineinzuwerfen. Zähne entdeckte ich nicht.
Die Augen waren nicht geschlossen. Es gab auch keine Lider. Die Masse in den Höhlen war erstarrt. Von der Farbe her hatte sie Ähnlichkeit mit Kieselsteinen.
Das also war der Killer der drei Soldaten!
Colonel Baker war dicht hinter uns stehen geblieben. Wir hörten, dass er sich räusperte. Wahrscheinlich erwartete er von uns die ersten Fragen. Da wir sie nicht stellten, fing er von allein an zu sprechen.
»Es gibt nur noch den Oberkörper. Die andere Hälfte wurde von den Patronen der Gewehrgranaten meiner Männer zerfetzt. Sie haben dann diesen Rest hergeschafft.«
Suko fragte: »Wissen Sie genau, dass dieses Monstrum der Mörder Ihrer Männer war?«
»Ja.«
»Haben Sie es untersucht?«
»Nein, das war nicht nötig. Wir fanden Reste in seinem Maul. Mit Einzelheiten möchte ich Sie verschonen, aber es ist leider so gewesen.« Wir hörten ihn laut einatmen. »Um es auf den Punkt zu bringen, Gentlemen, dieses Wesen ist etwas, dass es eigentlich nicht geben darf. Zumindest nicht auf dieser Erde. Aber es ist auch kein Trugschluss oder kein künstliches Gebilde, was ich Ihnen hier zeige, es ist ein Monstrum und zugleich ein Killer. So unwahrscheinlich und schrecklich sich dies auch anhört. Da bauen sich zwangsläufig jede Menge Fragen auf, deren Antworten erst noch gefunden werden müssen. Wir haben es versucht, sind aber zu keinem Ergebnis gekommen. Wir waren mit einer Hundertschaft von Soldaten und Offizieren auf dieser Insel, ohne etwas entdeckt zu haben. Wir haben die Tatsachen zu akzeptieren und stehen zugleich vor dem Nichts. Sorgen Sie dafür, dass sich dieses Nichts mit Fakten füllt.«
Baker hatte recht.
Klar, dass ein Monstrum wie dieses die Menschen durcheinander brachte. So etwas war einfach unwahrscheinlich und nicht zu begreifen. Das gab es nicht auf der Welt. Meiner Ansicht nach war es auch nicht ausgestorben wie die Dinos oder andere Tierarten.
Es war ein Phänomen, und meine Gedanken bewegten sich bereits in bestimmte Richtungen.
Am Kopfende des Käfigs blieb ich stehen. Colonel Baker hielt sich nahe der Tür auf, Suko stand mir gegenüber. Als sich unsere Blicke trafen, deutete er ein Nicken an. Wahrscheinlich verfolgte er die gleichen Gedankengänge wie ich.
»Haben Sie eine Meinung, Gentlemen?«, erkundigte sich der Offizier.
»Müssen wir das?«
Er lachte kurz und scharf. »Sie sind die Experten, Mr. Sinclair.«
»Auch die haben nicht sofort für alles eine Lösung parat.«
»Aber Sie wurden mir durch das Verteidigungsministerium empfohlen.«
»Warum?«, fragte Suko.
Baker räusperte sich. Die Antwort kam ihm nicht so glatt über die Lippen. Er war sicherlich eingeweiht worden, was unseren Beruf anging, doch nachvollziehen konnte ein Mann wie er es kaum.
»Ich will es mal so ausdrücken. Sie wurden mir als Männer beschrieben, die sich um Dinge kümmern, die in einen bestimmten Bereich hineinfallen.« Er verzog seine dünnen Lippen zu einem Lächeln. »Ich weiß nicht genau, was damit gemeint ist. Auch bei Nachfragen hat man sich nicht so ausgedrückt, wie ich es gern gehabt hätte, aber davon abgesehen stehen wir hier vor einem Phänomen.«
»Was denken Sie denn, Colonel?«, fragte ich. »Sie werden sich bestimmt Gedanken gemacht haben.«
Er strich über seinen linken Uniformärmel und hob die Schultern.
»Ich bin Realist. Ich hätte mir auch nie vorstellen können, dass so etwas existiert. Aber es ist vorhanden, und ich muss mich einfach damit abfinden. Ich sehe den Tatsachen ins Auge und könnte mir vorstellen – ich sage bewusst könnte –, dass dieses Wesen ein allerletztes Exemplar eines Fleisch fressenden Monstrums ist, das vor lange Zeit einmal existiert hat. Vielleicht vor Millionen von Jahren. Das habe ich für mich behalten. Im Stab kann ich mit derartig phantastischen Lösungen nicht kommen, aber ich lebe auch nicht auf dem Mond. Es gibt selbst heute noch Tierarten, von denen man glaubt, dass sie ausgestorben sind. Irgendwann werden sie dann in einem tiefen Dschungel entdeckt. Denken Sie nur daran, wie wenig der Meeresboden erforscht ist. Da kann man schon nachdenklich werden.« Er räusperte sich. »Nun ja, somit haben Sie meine Meinung gehört.«
»Die ganz normal ist.«
»Danke. Aber sie wird nicht akzeptiert werden. Ich habe sie auch offen nicht bekannt. Man hat ja Sie beide geholt, da denkt man wohl anders über den Fall.«
»Wieso?«
Sukos Frage brachte den Colonel in leichte Verlegenheit.
»So naiv bin ich auch nicht«, gab er zu. »Natürlich weiß ich, wer mir hier gegenübersteht. Man hat sie schon einige Male geholt, wenn man nicht mehr zurechtkam. Tragen Sie nicht den Spitznamen Geisterjäger?«
»Ja«, gab Suko zu. »Das ist allerdings mehr parodistisch gemeint.«
»Wie auch immer. Sie beschäftigen sich mit außergewöhnlichen Phänomenen. Da sind Sie hier genau richtig, denke ich mir.« Er blies die Luft aus. »Mehr kann ich auch nicht sagen. Ich weiß nicht, woher der Killer kommt und wer ihn geschickt hat.« Er hob einen Finger. »Eines möchte ich Ihnen noch sagen. Ich weiß zwar nicht, ob es wichtig ist, aber Sie sollten es schon wissen. Als meine Leute auf dieses Wesen schossen und es auch trafen, da hat es nicht einmal gejammert. Geschweige denn vor Schmerzen geschrien. Meine Leute hatten den Eindruck, als wäre es schmerzunempfindlich. Halten Sie das für möglich?«
»Mag sein«, sagte ich.
»Aber jedes Tier schreit, mal abgesehen von einem Menschen.«
»Das hier ist weder ein Tier noch ein Mensch«, erklärte ich. »Es ist irgendeine Mischung. Einigen wir uns auf den Begriff Monster. Da liegen wir wohl richtig.«
»Ja, das sehe ich auch so. Jetzt müsste man nur wissen, woher dieses Monster stammt.«
»Es war zumindest auf der Insel«, sagte Suko.
»Genau. Als Einzelnes? Ein zweites haben wir nämlich nicht finden können. Es kann sich auch keiner von uns vorstellen, wie es überlebt haben könnte. Auf der Insel gibt es keine Nahrung, abgesehen von irgendwelchen kargen Pflanzen. Selbst Wasser finden Sie dort nur sehr spärlich. Zudem sind keine Vorgänge bekannt, dass sich ein solches Monstrum schon einmal Menschen als Beute ausgesucht hat. So etwas hätte sich in dieser Gegend herumgesprochen. Wir stehen nach wie vor vor einem Rätsel. Im Ministerium fürchtet man sich davor, dass dieses nicht das einzige Exemplar auf der Welt ist.«
»Waren Sie auch auf der Insel?«, fragte ich.
»Ja, ich ging mit. Aber auch ich habe nichts gesehen. Der Fall ist und bleibt ein Rätsel.«
»Was wird mit diesem Rest geschehen?«
»Wir werden ihn möglicherweise verbrennen. Den Vorschlag habe ich eingebracht. Ob er von der höchsten Stelle angenommen wird, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
Ich schaute Suko an, der die Schultern hob. Die Geste verstand ich. Wir hatten hier im Stützpunkt nichts mehr zu tun. Das wahre Geschehen spielte sich draußen ab.
Das hieß mit anderen Worten, dass wir auf die Insel mussten. Die Entscheidung lag bei uns. Wir brauchten nicht erst zurück nach London und uns dort das Okay abholen. Wir konnten von dieser Basis aus alles in die Wege leiten.
»Wie weit liegt die Insel Ornsay vom Festland entfernt?«, erkundigte ich mich.
»Das sind nur einige Meilen. Sie fahren knapp eine Stunde mit dem Boot. Es gibt dort auch Stellen, an denen Sie anlegen können. Ist alles kein Problem.«
»Das ist gut.«
»Wann wollen Sie los?«