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"Es lebe die Hölle!"
"Champagner für den Teufel!"
"Wir pfeifen auf die Ewigkeit!"
Die Hexen feierten wilde, orgiastische Feten. Sie ließen den Teufel zwar hochleben, tatsächlich aber dienten sie einer anderen Person. Lilith, die böse Inkarnation einer sagenumwobenen Ur-Dämonin.
John Sinclair gelang es, eines dieser Feste zu sprengen. Doch er geriet in Liliths Fänge. Man schaffte ihn in die Hexenhöhle, wo er den Verlockungen dieses Teufelsweibs erliegen sollte ...
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Seitenzahl: 196
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Liliths Hexenhöhle
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Liliths Hexenhöhle
von Jason Dark
»Es lebe die Hölle!« – »Champagner für den Teufel!« – »Wir pfeifen auf die Ewigkeit!«
Die Hexen feierten regelmäßig wilde, orgiastische Feten. Dann ließen sie den Teufel zwar hochleben, tatsächlich aber dienten sie einer anderen Person: Lilith, der bösen Inkarnation einer sagenumwobenen Ur-Dämonin.
John Sinclair gelang es, eines dieser Feste zu sprengen. Doch er geriet in Liliths Fänge. Man schaffte ihn in die Hexenhöhle, wo er den Verlockungen dieses Teufelsweibs erliegen sollte ...
»Es lebe die Hölle!«
»Champagner für den Satan!«
Frauenstimmen riefen voller Enthusiasmus jeden Satz. Sie betonten jedes Wort. Sie kreischten, lachten, tanzten und ließen die Party zu einem irren Fest werden.
»Wir pfeifen auf die Ewigkeit!«
»Auf die Erlösung!«
Das Haus bebte in seinen Grundfesten, während schrille Musik die alten Mauern traktierte.
Das Haus stand einsam. Weit entfernt von jeder Ansiedlung, aber nahe genug an einer Straße, um es recht schnell erreichen zu können.
Der Rover parkte vor dem Grundstück. Geschützt wurde das Fahrzeug von einer struppigen Hecke. Im Wagen saßen drei Männer.
Bill Conolly, Suko, und ich, John Sinclair!
Der Reporter Bill Conolly, der seinen Platz auf der Rückbank hatte, tippte mir gegen die Schulter.
»Na, was habe ich euch gesagt?«
Ich drehte den Kopf. »Bisher ist noch nicht viel passiert. Da wird eine Fete gefeiert.«
»Ja«, flüsterte Bill, und seine Augen leuchteten dabei. »Aber was für eine, John. Das ist der Hammer! Hast du nicht das Schreien der Stimmen gehört? Wie sie sich beinahe überschlugen oder sich schon überschlagen haben? Das kannst du nicht als normal bezeichnen.«
»Die haben Drogen genommen«, meinte Suko. Er hatte seine Hände auf dem Lenkrad liegen, obwohl er nicht fuhr.
Bill ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
»Klar, das sind Drogen gewesen. Habe nichts dagegen. Aber was für welche, Freunde. Kein Ecstasy, kein Alkohol unbedingt, auch kein Kokain, das sind besondere Drogen gewesen. Die haben sich angetörnt, weil sie für den Satan sind. Für die Hölle. Oder habt ihr das nicht gehört?«
Hatten wir, denn die Scheiben des Wagens waren nach unten gefahren worden. Die Sprüche waren uns nicht verborgen geblieben, doch reden konnte man viel. Ob die Rederei dann in die Praxis umgesetzt wurde, stand auf einem anderen Blatt.
Unsere Unterhaltung schlief wieder ein, weil wir uns auf die Geräusche konzentrierten. Die Musik war nicht mehr so laut, deshalb konnten die Frauenstimmen überwiegen, die manchmal so schrill waren, dass sie nicht genau verstanden werden konnten. Sie kippten über. Die Frauen mussten sich in Ekstase gebrüllt haben, und zwischen den einzelnen Sätzen hörten wir stets das harte Lachen, das oft genug in einem Kreischen endete.
Wir saßen hier am südwestlichen Stadtrand von London, weil unser Freund Bill Conolly uns dazu überredet hatte. Er hatte die Information erhalten, dass es eine Gruppe von Frauen gab, die in der Nacht grelle und schrille Feste feierten.
Da war die große Party angesagt. Big Fun, wobei sich dieser Fun in eine bestimmte Richtung bewegte. Man wollte sich nicht selbst hochleben lassen, sondern einen anderen, den wohl alle Menschen kannten.
Es war der Satan!
Wir hatten Wortfetzen verstanden. Allerdings waren die Gesänge allein kein Grund für uns, einzugreifen. Jeder konnte feiern, wie er wollte, jeder konnte singen, was er wollte, und auch diese etwas irritierenden Texte wurden oft genug gesungen. Bei bestimmten Menschen waren sie modern geworden. Man feierte eben die Partys und trank dabei auf den Teufel und irgendwelche anderen Geschöpfe.
Bill war davon überzeugt gewesen, dass die Feier in diesem Haus nicht so harmlos war. Als Grund gab er seinen Informanten an, der alles andere als ein Spinner war. Bisher hatte er bei ähnlichen Fällen immer recht behalten, denn die Männer und Frauen, die der Reporter als seine ›Spitzel‹ eingesetzt hatte, auf die konnte er sich schon verlassen. In diesem Fall war es eine Frau gewesen, mehr wussten wir auch nicht, denn ihren Namen hatte uns Bill nicht genannt.
Jetzt fing er wieder von ihr an. »Ihr hättet sie erleben müssen. Sie war ziemlich verstört. Das bildet man sich nicht ein, denke ich mir. Die hat was erlebt.«
»Gehörte sie dazu?«
Bill blies die Luft aus. »Das hast du mich schon öfter gefragt, John. Nein, sie gehörte nicht direkt dazu. Sie ist mal kurz dabei gewesen. Dann aber gab es für sie kein Halten mehr.«
Da Suko und ich keine weiteren Fragen mehr hatten, blieb es still im Wagen. Allerdings nicht im Haus. Durch den verwilderten Garten erreichten uns wieder die Stimmen, und auch die Hecke schaffte es nicht, sie zu dämpfen.
Wir vernahmen ein Klirren, danach schrilles Gelächter, aber einzelne Worte waren nicht zu verstehen. Als hätten wir uns abgesprochen, blickten wir auf die Uhren.
Noch exakt fünfzehn Minuten bis Mitternacht!
Laut Bills Informantin war die Tageswende ungemein wichtig. Um Punkt Mitternacht sollte der Höhepunkt des Festes erreicht sein. Alles, was vorher gelaufen war, diente einzig und allein der Vorbereitung dessen, was dann passierte.
Leider hatte die Frau unserem Freund nicht mitteilen können, was da ablief. Denn sie hatte sich nicht getraut, so lange zu bleiben. Ihre Angst war einfach zu groß gewesen.
»Sollen wir?«, fragte Bill.
Suko und ich hatten nichts dagegen, den Rover zu verlassen. Wenn wir uns schon auf Bills Wunsch hin eine Nacht um die Ohren schlugen, wollten wir nicht unbedingt nur im Wagen sitzen bleiben, um krumme Knie zu bekommen.
Wir öffneten die Türen. Dass die Innenbeleuchtung anging, störte nicht. Auch wer zufällig aus einem der Fenster geschaut hätte, der hätte sie wegen der dichten Hecke kaum wahrgenommen.
Wir drückten die Türen wieder zu, trafen uns an der Hecke und gingen hintereinander her, um nach einer Lücke zu suchen. Es war bestimmt kein Vergnügen, sich durch die Hecke zu wühlen. Zu den meisten Häusern gehörte ein Zugang, auch wenn diese natürliche Deckung wohl wild gewachsen war.
Wir bewegten uns recht langsam und sorgten schon jetzt dafür, nicht zu viele Geräusche zu verursachen. Der weiche Boden schluckte unsere Schritte. Über uns war der Himmel sehr dunkel. Der Mond zeigte sich als blasse Sichel, wenn er hin und wieder zwischen den dunklen Wolken-Ungeheuern auftauchte.
Möglicherweise floss dicht unter der Erde ein kleiner Bach vorbei, denn an einigen Stellen war der Untergrund sehr feucht. Im Gras hatten sich große, nasse Flecken gebildet.
Von der Seite her näherten wir uns der Vorderseite des Hauses. So wie wir bewegte sich wohl auch ein Spähtrupp durch die Nacht. Wir waren und blieben vorsichtig, weil wir auch davon ausgehen mussten, dass die feiernden Frauen Wachen aufgestellt hatten, die jede Störung sofort meldeten.
Zum Ende hin wurde die Hecke niedriger, bis sie schließlich Strauchhöhe erreicht hatte.
Dort blieben wir stehen und erlebten zum ersten Mal einen freien Blick auf das Haus. Zwar war der verwilderte Garten bewachsen, doch nicht von hohen Bäumen, sodass kaum etwas störte. Über das Buschwerk konnten wir hinwegschauen und über das Gras sowieso.
Was uns bei einem ersten Blick durch die Lücken in der Hecke nur schwach aufgefallen war, das erlebten wir jetzt besser, denn hinter den Scheiben schimmerte Licht.
Licht und Party, das passte zusammen. Aber dieses Licht hier war anders. Oft erlebt man bei Feten dieses huschende und zuckende Gebilde aus verschiedenfarbigen Lichtern, die wie Speere über die Menschen geschleudert wurden. Das war auch hier der Fall, denn immer wieder sahen wir das Zucken dieser hellen Arme.
Rotes Licht!
Rot in verschiedenen Farben. Mal dunkel, mal heller. Mal explodierend, mal kreisend. Da war alles vorhanden, was man sich nur vorstellen konnte. Das Licht erreichte jede Ecke des Raumes, und es fand seinen Weg durch die offenen Fenster ebenso wie die schrillen Musikfetzen.
Wir standen da und schauten zu. Für uns waren weniger die Lichter und die Musik wichtig als vielmehr die Menschen, die sich im Haus bewegten.
Sie tauchten wie Schattenfiguren auf, die dabei waren, ihre Schattenspiele durchzuziehen. Gestalten, die sich zuckend und hektisch bewegten. Die im Rhythmus der Musik tanzten und dabei immer wieder ihre schrillen Schreie von sich gaben. Zwischendurch hörten wir die grellen Sätze, denn die Frauen dort ließen immer wieder die Hölle hochleben, als wäre sie das absolut Höchste, was es für sie zu erreichen galt. Und auch den Teufel vergaßen sie nicht.
Bill stieß mich an. »Was sagst du jetzt, John? Bist du noch immer skeptisch?«
Ich hob die Schultern.
»Das weiß ich nicht. Wir leben in einem freien Land. Jeder kann tun und lassen, was er will. Den Mist da zu singen oder zu schreien, das ist noch kein Verbrechen.«
»Nein, ist es nicht. Aber wir werden sehen, was darauf folgt. Ich sage nur Mitternacht.«
»Dann sollten wir uns beeilen«, schlug Suko vor.
Im Garten befand sich keine Aufpasserin, soweit wir festgestellt hatten. Die Feiernden fühlten sich in der Einsamkeit völlig sicher, und das konnten sie auch. Es gab wohl kaum jemand, der sich in diese Gegend verirrte, und mitten in der Nacht schon gar nicht. Da standen wir auf recht einsamem Posten.
Aus den Fenstern schaute ebenfalls niemand in den Garten hinein. Wir hatten freie Bahn und nutzten sie auch aus. Trotzdem verteilten wir uns, als wir auf den Eingang zugingen und die Stimmen der feiernden Frauen immer lauter und schriller wurden.
Wer mich nach meinem Gefühl gefragt hätte, der hätte zur Antwort bekommen, dass es nicht eben positiv war. Ich hatte mein Kreuz kontrolliert und festgestellt, dass es sich nicht erwärmt hatte. Das musste nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben. Gewisse Dinge konnten sich schnell ändern.
Der Eingang lag an der Seite des Hauses. Es war ein recht schmales Gebäude mit zwei längeren Schornsteinen, die an der West- und an der Ostseite in die Höhe ragten. Daraus quoll kein Rauch hervor. Einen weiteren Schmuck wies das Haus nicht auf. Es war ein schlichter Bau aus Backsteinen, an dessen Außenseiten Pflanzen hochrankten.
Der Garten war mehr als verwildert. Er glich schon einem kleinen Dschungel, der vieles überwuchert hatte, aber nahe der Tür lichter wurde.
Sogar eine Treppe fiel uns auf. Wir hatten uns immer außerhalb des durch die Fenster fallenden Lichtscheins gehalten. Zumindest ich schaffte es, die schrillen Frauenstimmen und die sie begleitende Musik aus meinen Ohren zu verbannen und mich nur auf die Sache zu konzentrieren.
Es war genau acht Minuten vor Mitternacht, als wir den Eingang erreichten. Er lag nicht ebenerdig. Eine breite Stufe, vergleichbar mit einer Platte, führte zu einer Tür hoch, die sehr dick und auch wuchtig aussah. Ein dunkles Stück Masse, aber nicht unüberwindbar und mit einer schweren Eisenklinke versehen.
Einer musste den Anfang machen und herausfinden, ob die Tür abgeschlossen war. Es gab keine lange Diskussionen zwischen uns. Suko schob Bill etwas zur Seite und drückte die Klinke nach unten.
Er nickte zufrieden, bevor er die Tür aufzog, den Kopf kurz drehte und uns leicht zulächelte.
Draußen hatten wir uns einigermaßen mit dem Lärm abgefunden. Im Innern des Hauses weniger, denn da drang das Geschrei mehr als doppelt so laut an unsere Ohren. Begleitet von der Musik war es zumindest für uns eine einzige Qual.
Nach Suko ging Bill, ich machte den Schluss.
Es war ein besonderes Haus. Recht lang, weniger breit. Ein Haus ohne Wände, zumindest hier unten, denn von der Tür her konnten wir bis zum anderen Ende blicken. Ich hatte den Eindruck, an einer Schmalseite eines Rittersaals zu stehen, in dem die große Frauen-Party ablief.
Bisher hatten wir die Frauen nur gehört. Jetzt sahen wir sie auch. Ihre Anzahl war schlecht zu schätzen, weil das Licht alles verzerrte. Sie bewegten sich tanzend und oft schnell von einer Seite zur anderen. Das zuckende und auch rotierende Licht sorgte dafür, dass sich auch ihre Schatten sehr schnell bewegten, sodass sich ihre Anzahl optisch verdoppelte.
Das Licht ließ Unterschiede verschwinden. So war nicht zu erkennen, ob die Frauen jung oder auch älter waren. Dort vorn schmolzen die Dinge zusammen, aber die Stimmen und auch das Klirren der Gläser waren echt.
Die ›Ladys‹ schluckten ganz schön.
Niemand tanzte nackt. Es war keine Sexorgie. Sie trugen alle ihre Kleidung, auch wenn die trotz aller Unterschiede etwas schrill war. So hatten sich einige Frauen in weite Gewänder gehüllt, während bei anderen das Outfit hauteng am Körper lag. Da sahen wir nicht nur Stoff, da schimmerte auch Leder, über das farbiges Licht hinweghuschte und den Frauen etwas Clownhaftes gab.
Sie tanzten allein oder zu zweit, aber auch in kleinen Gruppen. Sie tranken, sie umarmten sich, sie lachten und prosteten wieder dem Satan zu, als befände er sich in ihrer Mitte.
Obwohl es keine Mauer gab, die den Blick zur Tür nahm, hatten sie uns noch nicht entdeckt. Allerdings standen wir auch in der Dunkelheit, denn hier im Bereich des Eingangs brannte kein Licht. Das fing erst weiter vorn an. Da drehte sich eine Kugel unter der Decke, und da gab es auch mehrere Scheinwerfer, die die Szene erhellten, sodass sie aussah wie ein Gemälde, das sich bewegte.
Wir hatten etwa eine Minute gewartet, ohne vor uns eine Veränderung zu erleben.
Ich flüsterte Bill zu: »Sag ehrlich, Alter, hast du das alles erwartet? Oder bist du enttäuscht?«
»Nein, nicht enttäuscht.«
»Aber?«
Er zeigte ein scharfes Grinsen. »Es ist noch nicht zu Ende, John, denk dran.«
»Du rechnest mit Mitternacht.«
»Ja, rechne ich.«
Da war noch etwas Zeit, aber nicht viel. Auch mein Kreuz ›meldete‹ sich nicht. Ich wusste selbst nicht, wie ich diese Feier hier einschätzen sollte. War sie harmlos, obwohl die Frauen nach dem Satan schrien und ihm zuprosteten? Das konnte ein Gag sein. Vielleicht waren sie durch das normale Leben, das sie sonst führten, einfach übersättigt, um an gewissen Tagen mal richtig auszuflippen, um unbeobachtet die Sau rauslassen zu können.
Das gab es alles, da machte ich mir keinen Kopf.
Trotzdem wurde ich plötzlich aufmerksam, denn eine Frau – ich wusste nicht, wer es war – schrie so laut auf, dass ihre Stimme alles andere übertönte. Sie sagte einen Satz, der nicht nur mich elektrisierte, sondern auch meine beiden Freunde.
»Bald sehen wir Lilith!«
»Scheiße!«, flüsterte Bill.
Suko sagte nichts.
Auch ich enthielt mich eines Kommentars, aber ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg und mein Gesicht eine andere Farbe erhielt.
Jeder von uns kannte Lilith. Sie war so etwas wie das weibliche Gegenstück zu Luzifer, wenn auch nicht so mächtig. Man hatte sie in der Mythologie als erste Hure des Himmels bezeichnet, die sich auf die Seite der Aufständischen geschlagen und ebenfalls den großen Kampf verloren hatte. Vernichtet worden war sie nicht. Und es gab Menschen, die durchaus den Weg zu ihr fanden. Besonders Frauen und dann gerade die, die sich als Hexen bezeichneten. Ob modern oder archaisch, das war nicht so wichtig. Für sie zählte einzig und allein der Kontakt zu Lilith.
Sie war nicht das, was man eine bekannte Persönlichkeit nannte. Wer sie kannte und ihr zugetan war, der musste schon zu den Eingeweihten gehören, und genau das war vor uns der Fall.
Bill drehte seinen Kopf. Er schaute mich mit einem Na-siehst-du-ich-habe-es-dir-doch-gesagt-Blick an, und ich nickte ihm zu.
»War wohl doch kein Schlag ins Wasser.«
»Nein, John, das war es nicht.«
Der eine Satz hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Er war auch von den anderen Frauen gehört worden, die ihre Bewegungen einstellten und zunächst mal nichts sagten. Sie verharrten. Sie standen bewegungslos auf ihren Plätzen, und jemand hatte auch die Musik leiser gestellt, sodass sie nur noch gedämpft aus den Lautsprechern klang.
»Freut ihr euch?«, fragte die Sprecherin.
»Ja. ja«
»Wir können zu ihr!«
»Wir lieben sie!«
»Ja, wir lieben Lilith!«
Der letzte Satz beendete die Ruhe. Plötzlich waren die Frauen wieder voll da, und sie wollten beweisen, wie sehr sie Lilith liebten. Sie hatten ihre Gläser noch gefüllt. In der Mitte kamen sie zusammen, bildeten einen Kreis und stießen an.
»Auf sie!«
»Auf die neue Zeit!«
»Wir lieben die Hölle!«
»Wir liegen Lilith!«
»Und wir lieben den Satan!«
»Jaaaaa ...!« Der gewaltige Schrei war wie eine Explosion. Er peitschte auch in unsere Ohren hinein. Wir ließen uns von ihm nicht ablenken und nutzten die Gelegenheit aus, um vorzugehen.
Sie tranken, und dabei trat eine Stille ein, durch die nur eine leise Musik jaulte, aber nicht besonders störte.
Für uns war die Gelegenheit günstig. Wir gingen noch schneller und standen dann in Sprechweite vom Kreis der Frauen. Sie wollten ihn wieder auseinander ziehen und die Arme zurücknehmen, als sie meine Stimme hörten.
»Guten Abend, Ladys!«
Wäre eine Bombe eingeschlagen, sie hätte kaum eine andere Wirkung haben können. Ich hätte nicht gedacht, dass die Versammelten noch stiller werden konnten, aber es war tatsächlich der Fall. Plötzlich sprach keine von ihnen mehr ein Wort. Sie waren so ruhig, dass es beinahe schon wehtat, aber diese Überraschung kam uns entgegen.
Wie eine kleine Mauer hatten wir uns aufgebaut. Ich stand in der Mitte, Suko rechts und Bill links von mir. An der Decke drehte sich die Kugel weiter. Das Licht schleuderte seine unnatürliche Farbe über die Frauen und erreichte auch uns.
Wir waren gespannt, wie sie sich verhalten würden. Erst allmählich kam Bewegung in sie. Sie zogen sich zurück. Die Gläser hatten sich in der Mitte des Kreises getroffen, jetzt lösten sie sich voneinander. Auch dabei war ein leises Klingen zu hören.
Eine hochgewachsene Frau mit sehr dunklen, langen und auch lockigen Haaren drehte sich um. Sie trug ein schwarzes Kleid aus Leder. Es bedeckte ihren Körper wie ein Gitter mit schräg laufenden Stäben. Es gab also genügend Platz, um die nackte Haut durchschimmern zu lassen. Das Gesicht der Frau lag im Dunkeln. Möglicherweise hatte sie es sich auch geschwärzt. Nur die Augen blitzten, und die waren einzig und allein auf uns gerichtet.
Sie zog die Schultern hoch wie jemand, der friert, und fragte dann mit einer flüsternden Stimme, die zudem durch das viele Schreien heiser klang: »Besuch – sieh mal an.« Sie lachte und drehte sich auf der Stelle im Kreis. »Auch noch von Männern.«
»Ja, von Männern. Sollen wir uns dafür entschuldigen, dass wir als Männer geboren sind?«
»Vielleicht bereut ihr es mal. Was wollt ihr?«
»Party feiern.«
»Uneingeladen?«
»Wir hörten den Lärm!«
Der Spaß war vorbei. Die Frau zischte wie eine angriffsbereite Schlange, die gereizt worden war.
»Haut ab!«, brüllte sie uns an. »Verpisst euch, verflucht!«
Ich lachte leise. »Harte Worte für eine Lady.«
»Wir sind keine Ladys.«
»Das habe ich inzwischen auch festgestellt«, sagte ich.
»Noch drei Minuten«, flüsterte Bill mir zu.
Ich wusste, dass er mit dieser Zeitangabe Mitternacht gemeint hatte. So lange mussten wir sie noch hinhalten, denn da sollte angeblich etwas passieren.
»Sie sollen verschwinden!«, rief jemand.
»Ja, wir wollen unter uns bleiben!«
Das konnten wir uns vorstellen, aber genau das würden wir nicht tun. Wir demonstrierten es auch, als wir vorgingen und dabei unsere schmale Mauer auflösten. Die Frauen wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sie waren verunsichert. Wir hörten sie scharf atmen. Sie schauten sich an, als würden sie gegenseitig Rat suchen. Aber es war niemand da, der über dieses Hindernis sprang.
Ich nahm mir die Dunkelhaarige vor. Möglicherweise hatte sie hier das Sagen, und als ich auf sie zuging, da konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Sie hielt noch das leere Glas in der Hand, die plötzlich zuckte, wobei ich das Gefühl hatte, dass sie das Glas auf mich werfen wollte. Das tat sie nicht. Wütend schleuderte sie es zu Boden, wo es zerklirrte.
»Sauer?«, fragte ich leicht hämisch.
Vor mir wurde das Gesicht zu einer wütenden Grimasse. Soweit ich bei dieser Beleuchtung schätzen konnte, lag das Alter der Frau zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren. Sie war attraktiv. Ihr Körper besaß die Rundungen genau dort, wo es sich die meisten Männer wünschten.
»Verschwindet!«
»Später.« Ich nahm eine lockere Haltung an. »Aber ich habe eine andere Frage.«
»Vergiss sie!«
»Nein, auf keinen Fall. Wie heißen Sie?«
»Das geht dich einen Scheiß an!«
»Spricht so eine Lady?«
»Ich habe mich nie als Lady angesehen. Das scheint sich wohl in deinem verfaulten Gehirn festgefressen zu haben. Wenn ihr irgendwelchen Spaß mit Frauen haben wollt, dann zieht Leine und besucht einen Puff. Bei uns ist da nichts zu machen. Und jetzt noch mal. Haut ab, und zwar so schnell wie möglich.«
»Noch vor Mitternacht – wie?«
»Ja, ge...« Sie überlegte plötzlich. »Wie kommst du auf Mitternacht?«
»Nur so.«
Bill und Suko standen nicht neben mir. Sie waren zu verschiedenen Seiten gegangen und hatten sich so aufgebaut, dass wir den Kreis der Frauen unter Beobachtung hielten. Allmählich wurden die Ladys nervös. Ich hatte Zeit und konnte sie auch beobachten. Es waren durch die Bank weg Frauen im besten Alter. Also nicht zu jung. Keine, die gerade dem Teenager-Alter entwachsen war.
Die Dunkelhaarige reckte ihr Kinn vor. »Verdammt noch mal, was wollt ihr wirklich?«
»Vielleicht interessiert uns eure große Freundin Lilith?«
Als ich den Namen ausgesprochen hatte, zuckte die Person zusammen. Das war nicht gespielt. Sie konnte zunächst nichts sagen, schluckte, und ich sah, wie sich die Haut am Hals bewegte. Diesen Namen aus meinem Mund zu hören hatte sie schon durcheinander gebracht. Zuerst schüttelte sie den Kopf, dann schaute sie sich um, weil sie bei den anderen Hilfe erwartete, die ihr allerdings nicht zuteilwurde.
»Was ist?«
Ein tiefer Atemzug, bei dem sich sogar das dünne Leder des Kleids bewegte.
»Lilith wird euch verbrennen!«, schrie sie mich an. »Lilith hasst euch. Sie will uns. Wir wollen sie. Wir sind diejenigen, denen sie erlaubt, zu ihr zu kommen. Ihr werdet vergehen, ihr verfluchten Hundesöhne.«
Was sie uns da entgegenschleuderte, war Frauen-Power der übelsten Art und Weise, doch das nahmen wir gelassen hin. Zu einer Antwort allerdings kam ich nicht mehr, denn Suko sagte mit halblauter Stimme:
»Mitternacht!«
Ich hatte nicht auf die Uhr geschaut und war nur überrascht, wie schnell die Zeit vergangen war. Aber dieses eine Wort stimmte auf die Sekunde genau, denn die Welt um uns herum begann sich schlagartig zu verändern. Was in diesen langen Augenblicken passierte, überraschte selbst uns ...
Die Musik konnten wir vergessen. Von allen Seiten drang ein unheimlich klingendes Heulen auf uns zu. Man konnte von einer besonderen Musik sprechen, die aus keinem Lautsprecher drang, sondern einfach vorhanden war. Ob das Heulen von menschlichen oder dämonischen Stimmen stammte, fanden wir nicht heraus. Jedenfalls drang es von verschiedenen Seiten auf uns zu.
Es war wie ein gewaltiger Sturmwind, der uns erfasste. Stimmen aus einem unheimlichen Reich hatten sich gemeldet und malträtierten unser Gehör. Sie waren so laut, dass wir die eigenen Worte kaum verstehen konnten. Es blieb nicht bei der Musik. Plötzlich veränderte sich die gesamte Umgebung. Das normale Licht verschwand, um einem anderen Platz zu schaffen. Es war ein blaues Licht in verschiedenen Tönen abgestuft, und genau das floss von überall her auf uns zu.
Von der Decke, aus den Wänden, aus dem Fußboden. Es gab keine Stelle mehr, die nicht von diesem irren Licht erfüllt gewesen war. Wir mussten es hinnehmen. Es irritierte uns, und es veränderte auch die Frauen vor uns.
Es ging so schnell, dass wir nicht eingreifen konnten. Es hätte wohl auch kaum etwas gebracht, und ich fragte mich, ob sie nur durch das Licht so verändert wurden und nicht auch durch eine zusätzliche Kraft.
Sie blieben, wie sie waren, und sie blieben es trotzdem nicht, denn ihre Haut erlebte eine Veränderung. Es war, als hätte jemand etwas darüber gestülpt. Eine fahle, bläuliche und zugleich auch totenblasse Farbe, die dafür sorgte, dass die versammelten Frauen aussahen wie lebende Leichen.
Zugleich spürte ich mein Kreuz. Das passierte alles innerhalb weniger Sekunden. Die scharfe Wärme war wie ein Schmerz. Jetzt hatte ich den endgültigen Beweis, dass finstere Mächte im Spiel waren und sogar die Regie übernommen hatten.
Ich wollte nach der dunkelhaarigen Frau greifen. Sie merkte es und brüllte mich mit wahnsinnig verzerrtem Gesicht an: »Rühr mich nicht an! Rühr mich nicht an!«