John Sinclair Sonder-Edition 24 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 24 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Vor Jahren hatte ich Moro, den Henker, im Kampf besiegt. Seine mörderische Axt wurde in einem Museum ausgestellt.

Eines Tages war sie verschwunden. In London tauchte sie wieder auf. In den Händen des lächelnden Henkers.

Die ersten Menschen starben. Scotland Yard jagte den Mörder rund um die Uhr.

Und dann hörte auch ich hinter mir das hohle Kichern des lächelnden Henkers ...

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EPUB
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Seitenzahl: 186

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Der lächelnde Henker

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/breakermaximus

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2875-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Der lächelnde Henker

von Jason Dark

In einem mörderischen Zweikampf hatte ich den schwarzen Henker damals vernichtet. Ein Dorf hatte er in Angst und Schrecken gehalten, hatte furchtbar gewütet, dann war ich gekommen.

Der schwarze Henker wurde besiegt. Die Menschen atmeten auf. Aber die alten Legenden widersprachen.

Darin stand geschrieben: Der schwarze Henker ist unsterblich!

***

Pitlochry!

Ein kleiner Ort in Schottland. Eingeschlossen von den hohen Kämmen der Grampian Mountains, eine wilde, romantische Gegend mit sauberer Luft und einer noch intakten Natur.

So hart und zäh wie die Umwelt, so zäh waren auch die Menschen. Ein besonderer Schlag. Verschlossen, misstrauisch den Fremden gegenüber und immer wieder an das Schicksal denkend, das dieser kleine Ort erlitten hatte.

Der schwarze Henker! Die Erinnerung an ihn blieb. Auch die Zeit nach seiner Vernichtung konnte sie nicht löschen, denn etwas befand sich noch innerhalb des Ortes.

Es war die Waffe des Henkers. Das Beil!

Ein furchtbarer Gegenstand, mit dem er gewütet und seine Opfer gefunden hatte. Das Beil oder die Axt wollten die Bewohner des Dorfes dem Geisterjäger John Sinclair damals nicht mitgeben, es sollte als schaurige Erinnerung in Pitlochry bleiben und nachfolgenden Generationen zu denken geben.

Wie fast jeder Ort hier oben hatte auch Pitlochry ein kleines Heimatmuseum. Dort fand die Axt ihren Platz. Manche Leute behaupteten, dass man noch die Blutspritzer an der Klinge sehen konnte, wenn man genau hinsah, aber das war wohl ein wenig übertrieben und sollte dem Indiz nur einen makabren Touch geben.

Das einsame Dorf inmitten der Berge wurde im Sommer von Touristen besucht. Es gab drei kleine Frühstückspensionen, die in der Saison fast immer ausgebucht waren, denn in Pitlochry fanden großstadtmüde Menschen die richtige Erholung. Und natürlich erzählte man ihnen die Geschichte des schwarzen Henkers. Man berichtete von seinen Untaten und führte die Fremden als krönenden Abschluss in das Heimatmuseum, wo sie das Beil besichtigen konnten und einen noch nie erlebten Schauer bekamen.

Pitlochry hatte seine Sensation, und das kleine Dorf lebte gut davon. Doch immer wieder warnten die Alten, denn für sie war der schwarze Henker noch längst nicht besiegt. Irgendwann würde sich etwas ereignen, dessen waren sie sich sicher.

Die Jahre gingen ins Land. Frühling, Sommer, Herbst und Winter wechselten sich ab, und wieder einmal war es Herbst geworden, hatten erste Nachtfröste die Erde hart werden lassen.

Laub flatterte zu Boden, ein bunter Teppich, durch den zu wandern es besonderen Spaß machte.

Um diese Zeit bereitete sich ein Ort wie Pitlochry auf den Winter vor. Und der Winter in den Bergen wurde lang. Manchmal lag bis in den April hinein Schnee, und die letzten Touristen verließen im Oktober den Ort.

Die Einwohner waren dann unter sich. Niemand interessierte sich jetzt noch für das kleine Heimatmuseum. Es wurde abgeschlossen und sollte erst wieder im Frühjahr geöffnet werden.

Das Beil blieb in dem Glasschrank stehen, der ebenfalls verschlossen war.

Wenn die Sonne unterging, stiegen aus den Tälern die ersten grauen Schleier. Als lange Fahnen glitten sie lautlos in die Höhe und schlossen die Häuser wie ein Ring ein. Manchmal konnte man nicht die berühmte Hand vor Augen sehen, so dicht lag der Nebel, der sich seinen Weg suchte und ihn auch immer fand. Die Menschen zogen sich in ihre Häuser oder in die Gaststätten zurück, sie redeten miteinander und sprachen wieder über die alten Geschichten.

Besonders im Herbst wurden die Untaten des schwarzen Henkers wieder lebendig, dann wurde von seinen Morden gesprochen und auch von dem Mann, der ihn damals besiegt hatte. Der Geisterjäger John Sinclair war ihnen in guter Erinnerung geblieben, ihn würden sie nicht vergessen, denn er hatte sie von dem unheimlichen Fluch befreit.

Auch im Gasthaus saßen die Männer zusammen. Sie blickten nach draußen, sahen in den Nebel, und ein alter Mann meinte plötzlich: »Freunde, das ist seine Zeit …«

Er brauchte den Namen nicht auszusprechen. Jeder wusste, wer gemeint war, man zog die Köpfe ein und schwieg.

Bis auf einen jungen Burschen, der schon einiges getrunken hatte und sich stark fühlte. »Was ihr alle habt!«, rief er laut. »Der schwarze Henker, darüber kann ich nur lachen.«

»Das solltest du aber nicht, Ian.«

Ian, so hieß der Bursche, schlug mit der Faust auf den harten Holztresen. »Natürlich lache ich darüber. Wenn mir der schwarze Henker begegnet wäre, hätte ich ihm gezeigt, wer Herr im Haus ist. Ich hätte meinen Schädel nicht verloren.«

»Sprich nicht so!«, wurde er angeherrscht.

»Ach, ihr seid Memmen. Ich bin da anders, und ich werde heute das tun, was ich lange nicht mehr getan habe. Ich sehe mir das Beil des Henkers an.«

Schweigen.

Der junge Mann nahm einen Schluck Bier. Er trank das hohe Glas leer, rülpste und sah sich herausfordernd um. »He, ich gehe und sehe mir das Beilchen an. Will keiner von euch mit?«

»Bleib lieber hier.«

»Was ihr immer habt.« Ian kicherte. »Ich hole mir das Beil und kehre hier in die Kneipe als der schwarze Henker zurück. Ihr werdet sehen, wie die Leute zittern, die mir unterwegs begegnen …«

»Damit spaßt man nicht!«

Ian ließ sich von gut gemeinten Ratschlägen überhaupt nicht abhalten. Er stützte sich vom Tresen ab, legte die ersten Yards unsicher zurück, fing sich dann und stapfte breitbeinig über die alten Holzbohlen auf die Tür zu. Draußen empfing ihn der Nebel. Einige Besucher, die nahe der Tür saßen, hörten Ian noch pfeifen, dann verklang auch dieses Geräusch.

»Damit sollte man keine Scherze treiben«, sagte ein weißhaariger Mann, »wirklich nicht … ich weiß das. Der Fluch ist nicht gelöscht, der Henker ist unsterblich …«

»Du meinst, sein Geist?«

»Möglich.«

»Aber wie sollte er denn weiterleben?«

Der Weißhaarige hob den Blick. »Wir hätten die verfluchte Axt zerstören müssen.«

Jemand lachte. »Das sagst du jetzt. Hättest du das nicht schon vor Jahren vorschlagen können?«

»Habe ich doch, aber es wollte mir niemand glauben. Ausgelacht haben sie mich.«

»Dann geh doch hin und hau sie kaputt.«

Wieder schüttelte der Weißhaarige seinen Kopf. »Es ist nicht meine Aufgabe, so etwas muss der Pfarrer übernehmen. Nur er kann die Axt des Bösen entweihen und sie wieder zu einem normalen Gegenstand machen. Glaubt mir.«

»Wieso normal?«

»Weil in dem Mordwerkzeug der Teufel sein Zuhause gefunden hat«, erklärte der Weißhaarige.

»Davon haben wir nichts bemerkt.«

»Nein, ihr könnt es auch nicht sehen, höchstens fühlen. Schlagt meine Warnungen nicht in den Wind, die Axt ist gefährlich.«

»Dann zerstören wir sie Morgen!«

Der Weißhaarige nickte. »Die Idee ist gut, wir sollten noch mit dem Pfarrer darüber reden.«

»Und die Touristen?«, beschwerte sich der Besitzer einer kleinen Pension. »Viele kommen nur hierher, um die Axt des schwarzen Henkers zu sehen. Sie ist eine Berühmtheit geworden.«

Abermals widersprach der Weißhaarige. »Mir ist die Zurücknahme eines alten Fluchs lieber, als die paar Fremden, die herkommen, um die grausige Erinnerung zu besichtigen.«

»Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen«, sagte der Mann mit der Pension.

Während die Gäste in der Kneipe noch weiter diskutierten, schlich Ian durch Pitlochry. Er war hier geboren, kannte sich aus und wusste trotz seines leicht umnebelten Hirns, wie er am schnellsten zum Heimatmuseum gelangte.

Nebel lag nicht nur in seinem Kopf, sondern auch über dem Dorf. Ein dichter grauer Schleier, hinzu kam die Dunkelheit, sodass fast nichts mehr zu sehen war. Hier und da brannte ein Licht. Geheimnisvoll schimmernd durchbrach es die dunkelgraue Suppe für Sekunden, um schnell wieder verschluckt zu werden, wenn Ian es passiert hatte.

Es war kalt geworden. Trotz seiner Lederjacke fröstelte Ian, schlug den Kragen hoch und ging weiter. Dabei sprach er mit sich selbst, und es waren Worte, die sich um den Henker drehten.

»Der schwarze Henker!« Er kicherte. »Angst haben die Leute. Das ist alles. So ein blödes Beil, was soll das schon tun? Gar nichts.« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde es nehmen, damit in die Kneipe gehen und einen Tisch zertrümmern.« Voller Vorfreude rieb er sich die Hände, denn er wollte den anderen schon zeigen, wie man so etwas machte.

Das Heimatmuseum lag am Ende des Dorfes, wo die Felder begannen und wo auch nicht weit weg der alte Friedhof lag. Aus einem der Gräber war der schwarze Henker gekommen und hatte sein erstes Opfer gefunden.1) Dieser Friedhof spielte eine besondere Rolle, die Alten warnten auch immer vor ihm, und selbst Ian traute sich bei Dunkelheit dort allein nicht gern hin.

Das war auch nicht sein Ziel. Er bog ab in einen kleinen Feldweg, ging über Gras und durch Schlamm, sah Bäume und Sträucher von geisterhaften Nebelschwaden umhüllt und glaubte, dass sie vor ihm einen gespenstischen Reigen tanzen würden. Er schüttelte den Kopf, begann wieder zu pfeifen und machte sich durch die Melodie Mut.

Manchmal wuchsen die Büsche so nah an den Weg heran, dass ihre nassen Zweige wie starre Hände über die Kleidung des einsamen Spaziergängers strichen.

Ian ging schneller. Nach wenigen Minuten schon sah er die Umrisse zweier Häuser aus den Nebelschwaden erscheinen. Das linke Haus gehörte der Freiwilligen Feuerwehr. Dort hatten die zur Brandbekämpfung notwendigen Geräte ihren Aufbewahrungsort gefunden. Das andere Gebäude war das Heimatmuseum. Ians Ziel.

Man hatte einen Teil des Hauses aus Steinen zusammengefügt, und darüber war mit Holz weitergebaut worden. Es gab nur kleine Fenster, und zwischen zweien von ihnen befand sich die Tür. Sie war stets verschlossen, aber Ian kannte einige Tricks, um diese alten Dinger aufzubekommen.

Eine Steintreppe führte zur Tür hoch. Die Stufen zeigten Risse, in denen eine dunkelgrüne Moosschicht wuchs. Ian musste achtgeben, damit er nicht ausrutschte, als er die kleine Treppe hoch schritt. Er legte die Distanz zur Tür schnell zurück, hatte einen Arm ausgestreckt, berührte mit der Hand die Tür und war überrascht, als sie plötzlich nach innen schwang.

Wieso war die Tür offen? Ian schluckte. Er wischte sich über die Augen, weil er es selbst nicht glauben wollte, aber er hatte sich nicht getäuscht. Da hatte tatsächlich jemand den Eingang aufgeschlossen.

Wirklich aufgeschlossen? War ihm da jemand zuvorgekommen? Es fiel Ian schwer, zu denken, der Alkohol umnebelte seinen Kopf zu stark. Er bückte sich, blickte auf das Schloss und pfiff überrascht durch die Zähne. Nein, das Schloss war nicht normal geöffnet, sondern aufgebrochen worden.

Sekundenlang blieb Ian stehen. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Wieder zurücklaufen? Dann hätten ihn die anderen nur ausgelacht. Also hineingehen und nachsehen, wie er es sich vorgenommen hatte.

Ein wenig komisch war ihm schon zumute, als er die Tür weiter aufstieß. Sie knarrte in den Angeln, das Geräusch erzeugte bei Ian eine Gänsehaut. Aus dem Raum vor ihm drang der Geruch von Bohnerwachs, mit dem der Holzfußboden eingerieben worden war.

Schon bald bewegten sich diese Dielen unter seinen Füßen, als er voranschritt. Es waren zahlreiche Gegenstände im Raum ausgestellt, von dem auch eine Treppe hoch in die erste Etage führte, und da wurde das Mörderbeil des schwarzen Henkers aufbewahrt.

Als Ian daran dachte, kroch ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Er fühlte sich gar nicht mehr wohl, die aufgebrochene Tür hatte ihm zu denken gegeben, und in der Düsternis des Raumes glaubte er, überall Gestalten lauern zu sehen. Natürlich konnte er sich täuschen, aber die alten Schränke, Ackergeräte und Tische sahen bei diesen Lichtverhältnissen eben anders aus als normal.

Zudem knarrten die Dielen, wenn er auch nur sein Gewicht verlagerte. Das Geräusch erhöhte die unheimliche Stimmung nur noch weiter. Eine Taschenlampe hatte er vergessen. Jetzt ärgerte er sich darüber, doch er wusste von früheren Besuchen, dass sich hier irgendwo Kerzen befanden. Die fand er auch in einer Tischschublade. Einen fingergroßen roten Stummel nahm er hervor, knipste sein Feuerzeug an und entzündete den Docht.

Zuerst flackerte die Kerze im durch die Tür fallenden Luftzug. Da wurde der kleine Saal plötzlich von einem seltsamen Leben erfüllt. Schatten geisterten über die Wände, gaben den ausgestellten Gegenständen ein verzerrtes Aussehen und glitten auch zuckend über die nach oben führende Holztreppe.

Die war Ians Ziel. Er ging nur auf Zehenspitzen weiter, seine Sinne waren gespannt, und er musste auf der Hälfte der Treppe den Kopf einziehen, um nicht an die Decke zu stoßen, die hier oben sehr niedrig war.

Ian wusste, dass in der ersten Etage nur ein Gegenstand ausgestellt war. Eben das Mörderbeil des schwarzen Henkers. Es stand unter Glas, er brauchte die Scheibe der kleinen Vitrine nur einzuschlagen und die Axt an sich zu nehmen.

Seltsam groß wurde sein Schatten an die Wand geworfen, als er weiterging. Am Ende der Treppe musste er sich scharf nach links wenden, um an sein Ziel zu gelangen. Ian blieb stehen, streckte den rechten Arm aus, und das Licht der Kerze erreichte auch die Vitrine.

Zuerst glaubte er, einer Täuschung erlegen zu sein. Die Vitrine stand zwar noch dort, aber sie war zerstört. Splitter lagen auf dem Boden. Von den vier Scheiben waren nur noch drei heil geblieben. Und der kleine Holzsockel, in dem das Beil mit der Schneide gesteckt hatte, zeigte nur noch den Einschnitt.

Die Waffe war verschwunden!

***

Ian fing an zu lachen. Er stand da wie angewurzelt, ein völlig unmotiviertes Kichern drang aus seinem Mund. Dabei schüttelte er den Kopf, die Kerze in seiner Hand zitterte, die Schatten an den Wänden begannen heftig zu tanzen, aber er konnte einfach nicht anders.

Das Gelächter schüttelte ihn, bis es ebenso abrupt verstummte, wie es aufgeklungen war.

Man hatte die Axt gestohlen. Jemand war ihm zuvorgekommen, um ihm einen Streich zu spielen. Eine andere Möglichkeit kam für ihn nicht in Betracht. Diese verdammten Burschen aus der Kneipe hatten ihn reinlegen wollen, aber sie sollten sich geschnitten haben. Wahrscheinlich rechneten sie damit, dass er jetzt an den schwarzen Henker dachte und ihn als Dieb einsetzte, so weit kam es jedoch nicht. Er kannte ihre Tricks, und er würde es ihnen schon zurückzahlen.

Sie hatte ihn in Angst und Schrecken versetzen wollen. Fast wäre es ihnen gelungen, aber nur fast. Tief holte er Luft. Hinter seinen Schläfen pochte es. Das verdammte Bier und der Whisky lähmten seine Bewegungen und ließen ihn langsam reagieren, auch im Nachdenken.

Er drehte sich um. Ian befand sich noch mitten in der Bewegung, als er von unten das Geräusch hörte. Da war jemand an der Tür!

Einen Augenblick später änderte sich das Geräusch, jetzt waren es Schritte, die an seine Ohren drangen. Schwer und dumpf klangen sie zu ihm hoch. Auf einmal war er sicher, dass er sich nicht mehr allein im Haus befand. Da unten lauerte noch jemand, einer war ihm nachgeschlichen, wahrscheinlich ein Kumpel aus dem Gasthaus.

Auf Zehenspitzen näherte er sich der Treppe, blieb auf der obersten Stufe stehen und streckte die Hand mit der Kerze über das Geländer, um in die Tiefe zu leuchten. Es wurde zwar heller, aber der Kerzenschein strahlte zumeist nach oben hin ab, in die Tiefe fiel nur wenig Licht. Erkennen oder entdecken konnte er nichts, dafür aber vernahm er die Schritte. Schlurfend, nicht zögernd, sondern zielstrebig.

Ian versteifte sich und lauschte. Sein Herz klopfte schneller. Kamen die Schritte die Treppe hoch? Wollte der Unbekannte etwa zu ihm? Er hatte nichts dabei, womit er sich verteidigen konnte, nur seine Fäuste, und die würde er auch einsetzen, wie er es schon oft bei Schlägereien getan hatte.

Ian spannte seinen Körper. All seine Sinne konzentrierten sich auf die von unten hoch klingenden Schritte, doch sie wurden nicht lauter. Im Gegenteil, schon bald klang das Geräusch schwächer an seine Ohren. Der Fremde ging.

Hatte er keinen Nerv mehr? Das Gesicht des lauernden Ian zog sich in die Breite, als er grinste. Der andere sollte sich wundern. Ian übereilte nichts, der Unbekannte sollte auf keinen Fall gewarnt werden, wenn er die Treppe nach unten schlich.

Ian hielt sich dicht an der Wand. Wie schon beim Hinaufgehen, knarrten auch diesmal die Holzstufen, und das Geräusch kam ihm jedes Mal überlaut vor. Der andere musste ihn hören.

Ian wurde wütend. Er war auch nicht mehr auf seine Sicherheit bedacht und beeilte sich jetzt. Wenn er schnell lief, konnte er den Unbekannten vielleicht finden, auch wenn dieser das Haus schon verlassen hatte.

Die letzten beiden Stufen sprang er hinunter, kam wuchtig auf und warf die Kerze weg. Die Flamme verlöschte, nachdem sie einmal über den Boden geleckt hatte.

Die Tür stand weiter offen. Ian hatte sie nach seinem Eintritt fast zugedrückt, jetzt war sie so weit geöffnet, dass Nebelschleier träge in das Innere des Heimatmuseums wallten. Und inmitten der Schleier stand eine schreckliche Gestalt.

Sie hatte sich hervorgeschält wie ein Geist. Ian war so entsetzt, dass er nur auf den Kopf achtete, der von einer Kapuze verdeckt wurde, wie sie Henker bei Hinrichtungen getragen hatten. Er konnte nicht genau erkennen, welche Farbe die Kapuze hatte, schätzte sie allerdings dunkel ein.

Und er sah noch etwas. In Höhe der Augen befanden sich zwei Schlitze. Dahinter glaubte er, kalte, gnadenlose Pupillen glänzen zu sehen, die ihn fixierten wie ein Raubtier seine Beute.

In den Händen aber hielt die Gestalt die Axt. Das mörderische Beil des schwarzen Henkers, das so lange unter der Glasvitrine gestanden hatte. Jetzt befand es sich in der Hand dieser Horror-Gestalt. Mit beiden Fäusten wurde es umklammert und quer vor das Gesicht gehalten.

Sekunden dehnten sich. Der junge Mann hatte das Gefühl, als würde er bereits minutenlang auf dem Fleck stehen, und sein Grauen verstärkte sich abermals, als er das Geräusch hörte, das unter der Kapuze seltsam verzerrt an seine Ohren drang.

Es war ein hohes, kicherndes Lachen, ein hörbares Lächeln, das nach Triumph, Wahnsinn und Rache schmeckte. Der Henker hatte sein Ziel erreicht, er war zurückgekehrt, die Alten hatten recht mit ihren Geschichten behalten. Es gab ihn!

Wie neu sah die Klinge des Beils aus. Ian konnte sich gut vorstellen, dass diese Waffe nur einen Schlag brauchte, um einen Kopf vom Körper zu trennen. Auch seinen? Er rechnete fest damit, doch der Henker hatte damit nichts im Sinn. Seltsamerweise drehte er sich um und ging davon. Er wandte Ian seinen Rücken zu, lief drei, vier Schritte, dann verschluckte der Nebel seine schreckliche Gestalt.

Ian aber stand wie angewachsen auf dem Fleck. Die Welt um ihn herum existierte nicht mehr, er stierte in den Nebel und glaubte, einen Spuk erlebt zu haben. Dann jedoch dachte er an die erste Etage und die zerstörte Glasvitrine. Nein, es war kein Spuk. Das Beil lag nicht mehr dort, der Henker hatte es sich geholt und sich sogar dem jungen Mann gezeigt, den plötzlich nichts mehr in dem Haus hielt.

Laut schreiend verließ er es, und er schrie auch noch, als er durch Pitlochry rannte.

Seine Schreie mobilisierten die Bewohner. Im Gasthaus liefen die meisten zusammen. Mit schreckensstarren und bleichen Gesichtern hörten sie sich die Geschichte an, und es gab nicht wenige, die hastig ihre Kreuzzeichen schlugen.

Dann rannten sie zum Heimatmuseum, sahen die zerstörte Vitrine und blieben betroffen stehen. Einer nur sprach das aus, was wohl alle dachten.

»Der Fluch des schwarzen Henkers hat sich erfüllt. Moro ist wieder frei …«

***

Der Brief lag in der Post!

Wie jeden Morgen, wenn Suko und ich in unserem gemeinsamen Büro saßen, wurde die Post von Glenda Perkins, unserer Sekretärin, gebracht, zusammen mit einer zweiten Tasse Kaffee und Tee.

Lächelnd legte Glenda uns die Briefe auf den Schreibtisch. Sie trug einen rot-grau gestreiften Pullover und einen grauen Hosenrock, der sich in Höhe der Oberschenkel pumpartig aufbauschte.

»Was ist denn heute dabei?«, fragte ich und schob meinen Zeigefinger in den Henkel der Tasse. »Liebesbriefe, Rechnungen, Mahnungen. Letztere können zerrissen werden.«

»Und die Liebesbriefe?«, fragte Glenda.

»Die behalte ich natürlich.«

»Wer sollte dir denn einen Liebesbrief schreiben?«, erkundigte sich mein Freund und Kollege Suko.

Ich machte ein erstauntes Gesicht. »Du tust so, als hätte ich keinerlei heimliche Verehrerinnen. Wer weiß, wie viele Fans von mir auf der Welt herumschwirren.«

»Jede Menge«, behauptete Glenda.

»Da hörst du es!«

»Aber ich meine Dämonen«, setzte Glenda noch eine kleine Spitze darauf.

Ich verdrehte die Augen. »Ihr gönnt mir auch nichts.«

»Doch, die Post und den Kaffee.«

»Über den Kaffee freue ich mich besonders«, erwiderte ich lächelnd. »Der ist schließlich freiwillig gekocht. Mein Dank wird dir ewig nacheilen und dich nie erreichen, Glenda«, versprach ich ihr.

»Ekel!«, zischte sie und war schon an der Tür, als sie noch einmal Luft holte. »Da ist übrigens ein Brief aus Schottland dabei.«

»Hast du ihn geöffnet?«

»Privatpost öffne ich nicht.«

Ich wühlte die zahlreichen Umschläge durch, um den Brief zu finden.

»Die Handschrift sieht mir übrigens nicht nach einer Frau aus«, erklärte Glenda noch, bevor sie die Tür schloss.

»Na denn«, sagte ich und ließ mich auf meinem Schreibstuhl zurücksinken.

»Da ist der Brief.« Suko hatte ihn gefunden und wedelte damit. Er drehte ihn so, dass er den Absender lesen konnte. »Stammt tatsächlich aus Schottland, das Schreiben. Pitlochry heißt der Ort. Kennst du ihn?« Er schob mir den Brief rüber.

»Nein.« Ich griff zum Öffner, schlitzte das Kuvert auf und zögerte, den Brief aus dem Umschlag zu nehmen.

»Was ist los?«, fragte mein Freund.

»Pitlochry, hast du gesagt?«

»Ja.«

Ich dachte nach. Himmel, der Ortsname kam mir doch bekannt vor. Mich hatten zahlreiche Abenteuer nach Schottland geführt, ich hatte dort schlimme, grausame Fälle erlebt, und mit dem Namen Pitlochry verband ich eine schreckliche Erinnerung.

»Hol das Papier doch hervor«, sagte Suko, »dann brauchst du nicht mehr zu grübeln.«

In diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen. Wir drehten uns beide um und blickten in Glendas hochrotes Gesicht. Irgendetwas musste geschehen sein, das unsere Sekretärin so erschreckt und aufgeregt hatte.

»John!«, ächzte sie. »Dieser Brief aus Schottland. Er stammt aus Pitlochry!«

»Das weiß ich inzwischen.«

Sie schüttelte den Kopf und sah mich an wie einen Geisteskranken. »Begreifst du denn immer noch nicht, John? Pitlochry, meine Freundin, der schwarze Henker …«