John Sinclair Sonder-Edition 241 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 241 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

"Menschen, die Tieren etwas antun, sind es nicht wert, am Leben zu bleiben." Eine harte und brutale Aussage, die jedoch jemand in die Tat umsetzte. Vier Tote wurden in den schottischen Bergen gefunden. Von Rattenzähnen zu Skeletten abgenagt.
Es wurde ein Fall für Suko und John Sinclair. In der Einsamkeit der Highlands lernten sie das fehlgeleitete genetische Grauen kennen, aber auch zwei faszinierende Frauen und das mörderische Rattenloch ...

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Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Das Rattenloch

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Das Rattenloch

von Jason Dark

»Menschen, die Tieren etwas antun, sind es nicht wert, am Leben zu bleiben.« Eine harte und brutale Aussage, die ganz offensichtlich jemand in die Tat umsetzte. Vier Tote wurden in den schottischen Bergen gefunden. Von Rattenzähnen zu Skeletten abgenagt.

Es wurde ein Fall für Suko und mich. In der Einsamkeit der Highlands lernten wir das fehlgeleitete genetische Grauen kennen, aber auch zwei faszinierende Frauen und das mörderische Rattenloch ...

Der Mann schrie!

Es waren die irren Schreie eines Menschen, der keinen Ausweg mehr wusste. Es gab kein Zurück, sondern nur noch den Weg nach vorn. Und der führte in den Tod.

Hinter seinem Rücken hörte der Mann das scharfe grelle Lachen. Vor sich sah er das gewaltige spitze Maul, das offen stand. So weit, dass ein Mensch hineinpasste. Zähne wie ein Gitter oder wie halblange Lanzen. Sie bildeten ein Gebiss, aber nicht nur das, es war ein besonderes und gehörte einer Ratte.

Im Rücken fühlte er den Stoß. Er hatte ihn überraschend getroffen, und der Mann fiel nach vorn. Ein heißer, feuchter Atem streifte sein Gesicht. Der Mann konnte sich nicht mehr halten. Zwar ruderte er noch mit den Armen, doch das Maul war bereits zu nah.

Gierig schnappte es zu.

Das Schreien verstummte ...

Der Laden war ein Eckgeschäft. Zwei Straßen grenzten ihn ein und schienen trotzdem ins Nichts zu führen. Oder hinein in den dunklen Schattenbereich der umliegenden Wälder. Es kam ganz auf den Blickwinkel des Betrachters an.

Ich stoppte den Range Rover vor dem Geschäft. Ein Geländewagen war in dieser hügeligen Gegend, in der normale Straßen Luxus waren, schon wichtig und das beste Beförderungsmittel.

Mit etwas müden und steifen Gliedern stieg ich aus. Die Jacke ließ ich auf dem Beifahrersitz liegen. So trug ich nur die Hose aus dickem Khakistoff, ein Wollhemd und eine Weste mit zahlreichen Taschen. Das Fahrzeug schloss ich nicht ab. Es war in Gateside nicht nötig, einem kleinen Ort am Ende der Welt, aber trotz allem wunderschön gelegen.

Ich betrat das Geschäft noch nicht, sondern blieb davor stehen. Die Markise war eingerollt worden. Im Herbst brauchte man sie nicht. Der Sommer war vorbei, die ersten Nebel bildeten sich. Der Wind wurde kühler, und die Blätter der Laubbäume erhielten allmählich eine andere Färbung. In ein paar Wochen würden sie ganz bunt sein, auch schwach werden und dann abfallen.

Die Bergluft war herrlich klar. Kein Vergleich zu der Luft in London. Hier hatte die Natur ein Stück Gesundheit hinterlassen.

Das Dorf hieß Gateside, lag in Schottland, nordöstlich von Perth und westlich der A 90, die in Richtung Dundee führt. Es war noch nicht die ganz große Einsamkeit, die begann weiter nördlich, aber wer seine Ruhe und eine schöne Umgebung haben wollte, der war in Gateside richtig. Außerdem konnten von hier die großen Touren beginnen, die hinein in die Einsamkeit führten.

Wer in Gateside lebte, der existierte mehr oder weniger vom Tourismus, es sei denn, er arbeitete in den größeren Orten weiter entfernt oder auch in den Städten, und das war bei vielen Menschen der Fall, so wirkte das im Schutz der Berge liegende Dorf mit seiner nur einen breiteren Hauptstraße immer etwas verlassen.

Wie auch das Geschäft vor mir. Blitzblanke Fensterscheiben innerhalb des grauen Mauerwerks. Dahinter die Waren, die im Schaufenster ausgestellt waren. Jede Menge und von allem etwas. Ich konnte nur den Kopf schütteln, als ich sah, was man dort alles ausgestellt hatte.

Das eine Fenster zeigte die Lebensmittel. Besonders haltbare, die sich in Dosen präsentierten und zum Mitnehmen gut geeignet waren. Das andere Fenster war mit Technik und leichtem Kinderspielzeug vollgepackt. Alles Dinge, die in der Wildnis und auf dem Campingplatz vonnöten waren.

Die Tür war hell gebeizt. Wenn mich nicht alles täuschte, bestand sie aus Eiche. Aus Holz hatte jemand ein lächelndes Gesicht geschnitzt, bunt angemalt und es an die Tür gehängt, die sich durch meinen Druck öffnete. Ich hörte über mir das Klingeln, als ich den Laden betrat, dessen Inhalt mich beinahe erschlug, so vollgepackt war er.

Auch das kannte ich von meinen Landausflügen, und es störte mich nicht weiter.

Hinter mir verklang das Klingeln, und auch die Tür fiel wieder zu. Zum Glück lag die Verkaufstheke mit der hohen, altmodischen Metallkasse der Tür gegenüber, sodass ich sie auf dem direkten Weg ansteuern konnte.

Dass sich dahinter jemand befand, bemerkte ich erst, als sich die Person erhob. Es war eine Frau um die fünfzig. Sie war klein, rundlich, aber sie sah auch kräftig aus. Das dünne Blondhaar lag sehr glatt auf ihrem Kopf, und die rötlichen Wangen erinnerten in ihrer Farbe an die eines Weihnachtsengels.

Ich grüßte mit Worten und mit einem Lächeln, was die Frau erwiderte. Sie sagte erst etwas, als ich vor der Theke stehen blieb.

»Sie sehen aus wie jemand, den es raus in die herbstliche Natur zieht, Mister.«

»Gut beobachtet, Madam, ich habe eine Hütte oben am Creek gemietet.«

»Wer so lange hier lebt, kennt sich aus. Urlaub?«

»Einige Tage entspannen.«

»Ohne Handy und so – nicht?«

»Na ja ...« Ich ließ die Antwort offen. Das Handy hatte ich mitgenommen, denn ich wollte mich nicht zum reinen Vergnügen in die Einsamkeit zurückziehen.

»Das tut der Seele gut, Mister.« Sie nickte sehr ernsthaft. »Wissen Sie, ich lebe hier oben seit meiner Geburt, aber trotzdem kenne ich mich in der übrigen Welt aus. Man bekommt ja alles über die Glotze geliefert. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich mit einem Großstädter nicht tauschen möchte. Wo kommen Sie denn her?«

»London.«

Sie zuckte etwas zurück. »Ja, das dachte ich mir.«

»Wieso? Was ...«

»Das kann man sehen, wenn man Erfahrung hat.« Sie lachte. »Und womit kann ich Ihnen jetzt helfen?«

»Tja.« Ich hob die Schultern. »Wer der Welt einige Tage den Rücken zukehrt, braucht trotzdem Proviant und muss essen und trinken.«

»Stimmt. Wollen Sie auch im Creek angeln?«

»Daran hatte ich eigentlich nicht gedacht.«

»Dann können wir die Angeln und die Köder vergessen. Also nur die Lebensmittel.«

»Sehr richtig.«

Die Frau legte einen Finger gegen ihr Kinn und dachte nach.

»Haben Sie an etwas Bestimmtes gedacht, Mister?«

»Nein. Ich bin eigentlich gekommen, um mich für drei Tage einzudecken.«

»Querbeet, nicht?«

»So ähnlich.«

»Hm.« Der Finger löste sich vom Kinn, und sie schwenkte ihn auf und ab. »Da könnte ich Ihnen einen Vorschlag machen.«

»Bitte, tun Sie das.«

»Wir haben uns auf die Wünsche der Kunden eingestellt. Mein Mann hat seine Erfahrungen in die Waagschale geworfen und hat ein kleines Paket zusammengestellt. Das heißt mehrere, es kommt immer darauf an, wie lange man bleiben will. Eine Kochgelegenheit werden Sie haben.«

»Ja, das denke ich auch.«

»Und wenn Sie drei Tage bleiben, dann käme für Sie das kleine Paket infrage.«

»Wenn Sie das sagen, muss es wohl stimmen.«

Sie legte den Kopf zurück und lachte. »Darauf können Sie sich verlassen, Mister.«

»Kann ich es mal sehen?«

»Aber gern. Kommen Sie mit.«

Der Laden stand mit Waren zwar brechend voll, doch es existierte ein Gang, der in die hintere Region führte. Dort gab es noch einen Ausgang, und in dieser Umgebung sah das Angebot an Waren auch nicht mehr so bunt aus, denn alles, was es hier zu kaufen gab, war gut in unterschiedlich großen Kartons verpackt worden.

Jeder konnte sehen, was sich in den Kartons befand, denn drei standen als Muster auf einem Regalbrett.

Der kleinste reichte mir. Darin befanden sich Dosen mit haltbar gemachten Lebensmitteln. Ich sah Nudeln, Büchsenmilch, geräucherte Würste, Erdnussriegel und auch ein Besteck.

»Nun?«

»Nicht schlecht, aber es fehlen die Getränke.«

Die Frau lachte und rieb über ihre bunte Schürze.

»Die müssen Sie extra kaufen.«

»Dachte ich mir. Aber ich nehme die kleinste Größe.«

»Das ist gut.« Sie drehte sich weg, um einen Karton von einem kleinen Stapel zu heben, doch ich war schneller und nahm ihr die Arbeit ab.

»Den bringe ich schon mal zum Wagen.«

»Ist gut.«

Ich stellte ihn auf den Rücksitz. Zwei Kinder hatten sich eingefunden, schauten sich den grauen Range Rover an, kamen aber nicht näher und sprachen mich auch nicht an. Erst als ich beinahe die Tür erreicht hatte, hörte ich die helle Stimme eines Mädchens.»Willst du in die Berge, Mister?«

Ich drehte mich um. »Ja, das hatte ich eigentlich vor.«

»Hast du keine Angst?«

»Nein. Wovor denn?«

»Da gibt es Ratten. Große Ratten!« Sie lachte, als sie sah, dass mein Lächeln einfror. Dann lief sie mit ihrer Freundin davon und ließ mich stehen.

Ratten!

Ich holte tief Luft. Die Kleine hatte das Thema angesprochen. Als ich auf meine Handrücken schaute, sah ich die blasse Gänsehaut, die sich dort abmalte. Ohne es zu wollen, hatte das Mädchen genau den Punkt getroffen.

Für mich war jetzt nicht die Zeit, weiter darüber nachzudenken. Ich betrat das Geschäft wieder, um meine Getränke zu holen und auch zu zahlen.

Die Frau mit der Schürze hatte ihren Platz hinter der Theke wieder eingenommen.

»Alles verstaut?«

»Ja, bis auf die Getränke.«

»Richtig, die fehlen noch.«

»Haben Sie da auch schon etwas vorbereitet?«

»Da spreche ich ebenfalls aus Erfahrung. Wasser, die großen Flaschen aus Kunststoff kann ich ihnen empfehlen.«

»Daran hatte ich auch gedacht.«

Sie schaute mich abschätzend an. »Sechs Flaschen müssten reichen, würde ich sagen.«

»Das meine ich auch.«

»Wenn Sie nicht auskommen, der Creek führt sehr klares Wasser. Es gibt Leute, die sich darin sogar waschen und sich auch nicht an der Kälte stören. Kerzen würde ich auch mitnehmen, denn ich weiß nicht, ob es in der Hütte Strom gibt.«

»Nein, Öllampen. Die würden ausreichen.«

»Packen Sie sich trotzdem ein Paket Kerzen ein.«

»Mach ich glatt.«

Sie war sehr fürsorglich und stellte mir alles zusammen. Die Wasserflaschen befanden sich in einem Tragekorb, und dann erkundigte sich die Frau noch, wie es mit einer Flasche Whisky für die sehr einsamen Stunden wäre.

Ich lächelte sie an. »Meinen Sie denn, dass es nötig sein wird, einen Schluck zu nehmen?«

»Viele wollen nicht darauf verzichten.«

Ich zwinkerte ihr zu. »All right, dann nehme ich noch einen guten Schluck mit.«

»Das ist doch ein Wort.«

Die Frau tauchte ab und kam wieder hoch mit einer Flasche, die kein Etikett trug. Sie stellte sie auf die Theke und senkte die Stimme.

»Das ist der Beste, den wir Ihnen verkaufen können. Wunderbar weich, einfach ein Genuss.«

»Selbst gebrannt?«

»Nein, aber wir haben Freunde, die sich damit auskennen. Ich kann Ihnen den Stoff nur empfehlen. Wenn Sie wollen, können Sie einen Probeschluck nehmen.«

»Nein, danke. Das wird nicht nötig sein, Madam. Ich vertraue Ihnen auch so.«

»Dann nehmen Sie das Fläschchen?«

»Klar doch.«

»Wunderbar.« Sie stemmte die Arme in die Hüften und schaute sich um. »Ist sonst noch was? Haben wir nichts vergessen? Überlegen Sie mal, Mister. Was meinen Sie?«

»Nein, ich denke, dass ich alles habe, was ich brauche. Sie können die Rechnung fertig machen.«

»Ausgezeichnet.« Neben der Kasse stand eine Rechenmaschine. Die Frau tippte alles ein. Ich ließ sie in Ruhe rechnen und drehte mich ab.

Was vor mir lag, war kein Urlaub, denn das hatte etwas mit meinem Job zu tun. Ich wollte Gerüchten nachgehen, die leider nicht nur Gerüchte waren, wie man mir sehr glaubhaft versichert hatte. Aber das sollte sich alles in den nächsten drei Tagen noch herausstellen.

An der Wand standen prall gefüllte Säcke. Ich kannte den Inhalt nicht und dachte an Hülsenfrüchte wie Linsen, Erbsen oder Bohnen. Auf dem Land und in dieser Einsamkeit konnte man so etwas noch loswerden. Neben den Säcken standen die Kästen mit den verschiedenen Wassersorten. Bier gab es auch reichlich, und ich wollte mich schon wieder abwenden, als ich die Bewegung wahrnahm.

Zwischen den Säcken und den Kästen!

Erst dachte ich an eine Täuschung, dann aber hörte ich das scharfe Fiepen. Einen Moment später huschte ein Tier durch die Lücke, das einen langen dünnen Schwanz besaß, sich sehr schnell bewegte und so gut wie lautlos im Schutz der Theke verschwand.

Eine Maus war es nicht gewesen, auch kein Eichhörnchen, das sich verlaufen hatte. Die Lösung war ganz einfach. Ich hatte eine Ratte entdeckt.

Es war mir unmöglich gewesen, ihren Weg zu verfolgen, denn der Laden hier war in seinem Innern einfach zu unübersichtlich, und es gab auch zu viele Verstecke.

Die Frau hinter der Theke hatte davon nichts mitbekommen. Sie war zu beschäftigt und rechnete noch immer. Allerdings war dies schon eine Kontrolle.

Als sie damit fertig war, stand ich genau vor ihr. Sie hob den Kopf. Dabei zerbrach ihr Lächeln, weil ihr irgendetwas an mir nicht gefiel.

»Ähm ... ist was, Mister? Habe ich einen Fehler gemacht ...?«

»Nein, nein. Ich habe die Rechnung ja noch gar nicht gesehen.«

»Das stimmt. Sie ... Sie ... sehen nur so verändert aus. Bitte, nehmen Sie es mir nicht übel, aber das ist so.«

»Nun ja, ich bin schon etwas überrascht.«

»Worüber?«

Sie schaute mich so entwaffnend an, dass ich ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.

»Es geht darum, dass ich ein Tier hier im Geschäft gesehen habe.« Den Begriff Ratte benutzte ich bewusst nicht.

»Ein ... äh ... Tier?«

»Ja.«

»Was denn für eines?«

»Tja, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, Madam. Zuerst glaubte ich an eine Maus, aber es war leider keine. Das Tier war größer und ...«

»Eine Ratte?«

»Sie sagen es, Madam.«

Die Frau wurde nicht mal blass. Sie stand da und hatte die Arme angewinkelt. Die Fäuste stemmte sie in die Seiten. Dabei schaute sie sich um, als wollte sie die Ratte suchen, aber sie konnte nur den Kopf schütteln.

»Sie ist auch verschwunden. Sehr schnell sogar. Sie wissen ja, wie flink Ratten sind.«

»Genau, das weiß ich.« Die Stirn der Frau legte sich in Falten. Dann hörte ich ihre leise Stimme. »Jetzt sind sie also schon hier, verdammt noch mal.«

Ich schüttelte den Kopf. »Pardon, das verstehe ich nicht so ganz. Was meinen Sie damit?«

»Ach, nicht viel.« Sie winkte ab. »Wir leben hier in einem Feuchtgebiet, will ich mal sagen. Das werden Sie erleben, wenn Sie oben am Creek die Hütte beziehen. Wahrscheinlich sind die Ratten durch die Feuchtigkeit angezogen worden. Etwas anderes kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«

»Auch hier im Geschäft?«

»Manchmal.«

»Sie haben die Tiere demnach auch schon gesehen?«

»Nein, habe ich nicht, Mister. Zumindest nicht hier direkt im Laden. In der Nähe schon ...«

»Dann geben Sie mal auf Ihre Lebensmittel Acht, Madam. Ratten wissen auch, was gut schmeckt.«

Sie lachte. Es klang wenig echt. Dann wischte sie über die Stirn, auf der einige Schweißtropfen lagen. »Ich werde meinem Mann sagen, dass er sich darum kümmern muss.«

»Sie hatten schon öfter mit Ratten zu tun – oder?«

»Hin und wieder«, gab sie mit einem schmerzlichen Lächeln zu. »Das ist die Natur. Man kann sie nicht ausrotten. Aber hier im Laden – da sind sie eigentlich nie gewesen.«

Sie hatte versucht, es mit Überzeugung zu sagen, aber so recht konnte ich ihr nicht glauben. Ich hielt mich allerdings mit einem Kommentar zurück und bat um die Rechnung, die ich auch bekam. Versehen mit der Bitte, diesen Vorfall nicht unbedingt in die Welt zu tragen.

»Ich werde mich hüten.«

»Bitte, ziehen Sie die Flasche Whisky von der Summe ab. Das haben Sie sich auf den Schreck hin verdient.«

Diesmal musste ich lachen. »Dabei weiß ich nicht, wer sich mehr erschreckt hat. Die Ratte oder ich.«

»Spielt auch keine Rolle. Wir werden wieder Fallen aufstellen und Gift streuen.«

»Wieder?«, fragte ich leise.

Sie zuckte mit den Schultern und sagte: »Es ist nun mal so.«

Ich winkte ab. »Machen Sie sich darüber nicht zu viele Gedanken, Madam. Ratten gibt es nicht nur auf dem Lande, sie breiten sich auch in der Großstadt aus. Da kann ich sogar London als ein großes Beispiel anführen.«

»Auch in New York, nicht?«

»Habe ich ebenfalls gehört.«

»Schrecklich. Da denkt man, man wäre die Plage los, und dann passiert so was.«

Ich hatte das Geld hervorgeholt und legte es auf die Theke. Es passte sogar, und ich bekam nichts mehr zurück. Aber die Besitzerin nagte betreten an ihrer Unterlippe. Ihr war das alles nicht sehr geheuer und unangenehm.

»So, dann werde ich jetzt fahren und mich für einige Tage in die Einsamkeit zurückziehen. Und Sie brauchen keine Sorgen zu haben. Vor Ratten fürchte ich mich nicht.«

»Klar, das ist so. Aber es ist schon unangenehm.«

»Damit muss man leben.«

Ich verließ den Laden und ließ eine sicherlich nachdenkliche Frau zurück. Allzu überrascht war sie mir nicht vorgekommen. Ich befand mich noch nicht lange in Gateside, und trotzdem war ich schon zweimal mit Ratten konfrontiert worden.

Erst hatte mich das Mädchen darauf angesprochen, und nun hatte ich selbst eine gesehen. Das war nichts, über das ich lächeln konnte.

War Gateside ein Rattennest?

Ich konnte über diesen Vergleich nicht mal lachen. Aber irgendwie traf es zu.

Bevor ich in den Range Rover stieg, schaute ich mich um. Es war noch nicht Mittag oder soeben, und am Himmel hatte sich eine helle Oktobersonne ausgebreitet, die allerdings nicht mehr die Kraft hatte wie noch vor ein paar Wochen. Sie sorgte für Helligkeit und nicht unbedingt für Wärme. Ihre Strahlen malten den kleinen Ort in der schottischen Einsamkeit an und gaben ihm einen fast kitschigen Touch, der nach Postkarte aussah.

Hier war alles sauber und klar. Sogar die Rauchwolken aus den Kaminöffnungen sahen sauberer aus als in London. Das war natürlich Einbildung, aber mir kam es so vor.

Im Ort sah ich nur wenige Menschen. Und wenn, dann standen sie zusammen und sprachen miteinander. Vielleicht über die Ratten? Gateside hatte ein Problem und die Umgebung ebenfalls. Es war bisher nur unter der Decke gehalten worden.

Ich stieg ein.

Wenig später hatte ich Gateside hinter mir gelassen und war von der Landschaft verschluckt worden ...

Allein sein. Seine eigenen Gedanken fließen lassen. Tief durchatmen. Keinen Lärm, keine Hektik und auch bereit sein, den Stress zu ignorieren.

Dies alles kam mir während des Fahrens in den Sinn. Hier konnte die Seele wirklich baumeln, wenn man die entsprechende Bereitschaft mitbrachte und sich nicht scheute, eins zu werden mit der gewaltigen Natur.

Die Berge in der nahen Umgebung waren nicht sehr hoch. Keine Alpen, aber sie waren bewaldet, und manche Täler verdienten durchaus den Begriff eng.

Den Asphalt der Straße hatte ich längst verlassen. Ich fuhr nach Nordwesten und nahm dabei einen Weg, der unterschiedlich breit war. Meine Begleiter waren Espen, die kleine rote Herbstfrüchte trugen. Auch Fichten, Tannen und Birken. Letztere waren dabei, ihr Laub schon zu verlieren. Gelbbraun rieselten die kleinen Blätter dem Boden entgegen, der immer ein wenig feucht war.

Ich musste des Öfteren um Felsnasen herumfahren, in denen sich dicke Baumwurzeln festkrallten. An der linken Seite tauchte hin und wieder ein Bach auf. Das musste der Creek sein, von dem die Inhaberin des Ladens gesprochen hatte und den ich auch an meiner Blockhütte sehen würde.

Der Weg war mir beschrieben worden, und ich hoffte stark, ihn nicht zu verfehlen.

Ratten sah ich nicht.

Dafür große Vögel, die in der klaren Herbstluft und unter dem herrlichen Himmel über mir schwebten. Sie waren die Hüter und die Beobachter und ständig auf der Jagd. Gern hätte ich einen Adler, den König der Lüfte, gesehen, doch dieser Wunsch wurde mir nicht erfüllt.

Es gab hier oben nicht viele Hütten. Das Gebiet war noch relativ unerschlossen. Die wenigen waren nur Insidern bekannt und lagen kilometerweit voneinander entfernt.

Ich ließ mir Zeit. Ich nutzte die Kurven voll aus und achtete sehr wohl auf feuchte Stellen, um nicht über sie hinwegzurutschen und zu nahe an den Straßenrand zu gelangen, hinter dem das Gelände manchmal steil abfiel.

Hin und wieder tanzte der Geländewagen über quer liegendes Astwerk hinweg. Auch in dieser Gegend waren die Stürme des letzten Winters nicht ohne Folgen geblieben. Die Straße war zwar längst geräumt worden, aber im Wald sah ich die Spuren noch. Da hatte die Macht des Sturms mächtige Bäume wie dünne lange Streichhölzer geknickt und einfach quer über andere geworfen.

Die Natur würde sich schon zu helfen wissen. Ich kam mir mit meinem Auto irgendwie als Störenfried vor, der die Stille der Natur einfach zerriss.

Nur hin und wieder wurde mir der Blick an der linken Seite freigegeben. Dann sah ich in ein Tal hinein, das ebenfalls bewaldet war und keinen Platz ließ, um Schafherden dort Nahrung zu geben. Ich sah recht steile Hänge und immer wieder Felsen, die wie mächtige graue Buckel vorstanden, als wollten sie klarmachen, wer in dieser Gegend die Herrschaft übernommen hatte.

Ich hatte eine gewisse Höhe erreicht. Durch das halb offene Fenster an der rechten Fahrerseite wehte mir der Wind die würzige Luft ins Innere, sodass ich für jeden Atemzug dankbar war, der meine Großstadtlunge erreichte.

Dann sah ich auch den Creek wieder. Das Wasser schäumte, es tanzte, es war irgendwie lustig, als wäre es dabei, mit seinen Bewegungen einer Melodie zu folgen, die nur für ihn hörbar war. Ich freute mich über diesen Anblick und hatte die Ratten vergessen, die der eigentliche Grund meines Kommens waren.

Wieder eine scharfe Kurve. Meine Gedanken zerplatzten, weil ich mich um die Fahrbahn kümmern musste, auf der sich die Nässe festgesetzt hatte. Auch einige Blätter klebten auf dem feuchten Boden und sicherlich auch an den Reifen.

Ich hatte eine bestimmte Höhe erreicht, und es würde auch nicht mehr höher ansteigen. Ich musste nur noch auf eines achten. Auf der Straße konnte ich nicht bleiben. Irgendwann würde ich in einen schmalen Weg abbiegen müssen, der zur Hütte führte.

Und die Abzweigung hatte ich sehr bald erreicht. Sie war die einzige nach einigen Kilometern. Ich fuhr vorsichtig in sie hinein, weil ich mit der Außenseite nicht gegen die vorspringenden Felsen schrammen wollte.

Ab jetzt war ich froh, mich für einen Geländewagen entschieden zu haben. Der Weg verwandelte sich in eine Buckelstrecke. Er war eng, bildete Kurven, und immer wieder fuhr ich nur haarscharf am seitlichen Gestein entlang, das manchmal kahl und grau und dann wieder mit einem grünen Belag bewachsen nach vorn drängte.

Über mir schaukelten die Wipfel der Bäume im leichten Bergwind. Es gab auch Stellen, wo das Geäst von beiden Seiten her zusammenwuchs und ich durch einen Tunnel rollte.

Die Konzentration auf meinem Gesicht verwandelte sich in ein Lächeln, als ich sah, dass der Weg plötzlich breiter wurde und vor mir eine Lichtung auftauchte.

Ich fuhr noch langsamer.