John Sinclair Sonder-Edition 242 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 242 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Es begann so harmlos. Das Foto zeigte den Strand, den Himmel, das Wasser, aber nicht die beiden Personen, die darauf hätten noch zu sehen sein müssen. Für Luke Dolan war es somit Gewissheit: Wer sich nicht fotografieren ließ, war kein Mensch, sondern ein Vampir!
Er brauchte jetzt Hilfe und alarmierte seinen alten Freund Bill Conolly. Als Bill und seine Frau Sheila eintrafen, fanden sie von Dolan nur mehr dessen verbrannten Körper. Der Verdacht aber blieb. Und so machten sich die beiden Conollys auf die Suche und stießen dabei auf den wahnsinnigen Plan zweier Vampir-Brüder ...

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Seitenzahl: 177

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Vampir-Brüder

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Die Vampir-Brüder

von Jason Dark

Es begann so harmlos. Das Foto zeigte den Strand, den Himmel, das Wasser, aber nicht die beiden Personen, die darauf hätten noch zu sehen sein müssen. Für Luke Dolan war es somit Gewissheit: Wer sich nicht fotografieren ließ, war kein Mensch, sondern ein Vampir!

Er brauchte Hilfe und alarmierte unverzüglich seinen Freund Bill Conolly. Doch als Bill und seine Frau Sheila eintrafen, fanden sie von Dolan nur mehr dessen verbrannten Körper. Der Verdacht allerdings blieb. Und so machten sich die beiden Conollys auf die Suche und stießen dabei auf den wahnsinnigen Plan zweier Vampir-Brüder ...

Die Schatten der Nacht näherten sich lautlos wie ein gewaltiges Gespenst. Sie rollten förmlich über den Himmel und hielten im Nu die gesamte Breite des einsamen Strandes unter Kontrolle.

Im Zimmer war das Quietschen der alten Filmrollen zu hören und ein leichtes Hüsteln, das von Luke Dolan stammte, der neben dem aufgebockten Projektor stand und auf die Leinwand schaute, wo sein Film ablief. Er hatte das alte Schätzchen schneller als normal ablaufen lassen, um keine Zeit zu verlieren. Das Ziel war wichtig und sonst nichts. Außerdem wollte er sich hundertprozentig sicher sein.

Den Film kannte er. Und was die beiden Rollen gespeichert hatten, das war ungeheuerlich. Er konnte sich noch immer nicht damit abfinden, musste sich allerdings eingestehen, dass er keine Erklärung dafür fand und deshalb auf einen Fachmann warten musste, den er schon seit einigen Jahren kannte.

Mittlerweile arbeitete Luke Dolan offiziell nicht mehr, aber einer wie er konnte einfach nicht in Pension gehen. Dazu war er viel zu neugierig auf die Welt.

Dolan war über sechzig, aber er sah um zehn Jahre jünger aus. Trotz des grauen Haars, das er sehr kurz geschnitten hatte und ihn aussehen ließ wie einen Offizier.

Dolan ließ den Film jetzt normal weiterlaufen. Im Prinzip änderte sich nicht viel. Wieder waren der Strand zu sehen und auch die dunklen Wolken am Himmel, die allerdings noch keine direkte Dunkelheit brachten, sondern mehr ein Zwielicht schufen, das die Umgebung des Strands und auch das anrollende Wasser ungewöhnlich klar hervortreten ließ.

Dolan spürte wieder das Kribbeln. Bald kam die Stelle. Er merkte, dass die Nervosität anstieg. In diesen Situationen griff er stets zu einem Kaugummi, was er auch jetzt tat. Er steckte es zwischen die Lippen und begann langsam zu kauen, während sich der Pfefferminzgeschmack in seinem Mund ausbreitete.

Sehr klar zeigte sich der feine Sand auf dem Film. Viele Einzelheiten traten hervor. Einige kleine Hügel. Grasbüschel, sogar etwas Treibgut und zwei Vogel-Skelette.

Plötzlich war es so weit!

Dolan merkte den Schuss, der ihn durchfuhr. Die nächsten Aufnahmen waren mit dem Zoom gefilmt worden, und der Mann ließ den Film im Zeitlupentempo laufen.

Sein Blick war gespannt auf den Strand gerichtet, als gäbe es dort etwas ungemein Tolles zu sehen.

Ein Fremder hätte sich über das Verhalten des Mannes sicherlich amüsiert, denn für ihn wäre am auslaufenden Wasser nichts zu sehen gewesen, was nicht der Normalität entsprochen hätte.

Tatsächlich nichts?

Luke Dolan beugte sich vor. Seine Augen waren noch gut. Er benötigte keine Brille. Er hielt alles unter Kontrolle. Und dann war es zu sehen.

Luke Dolan stöhnte auf. Er hatte die Szene schon oft genug gesehen, aber sie war für ihn immer wieder etwas Besonderes und auch unerklärlich.

Im Sand malten sich Fußabdrücke ab!

Sie waren nicht nur vorhanden, sie bewegten sich auch. Jemand war da, der durch den Sand ging und dort seine Spuren hinterließ.

Vier Abdrücke – zwei Personen also!

Aber es war niemand zu sehen. Zwei Unsichtbare schienen dort zu wandern. Es war genau zu verfolgen. Sie gingen nebeneinander her, nur ihre Fußabdrücke malten sich im Sand ab.

Vier Mal!

Verrückt!

Luke Dolan schluckte. Plötzlich kam er sich in seinem Keller wie in einem Gefängnis vor. Hinter seiner Stirn tuckerte es. Jetzt hatte er den Film schon verdammt oft angeschaut und auch immer das Gleiche gesehen, aber es war ihm unmöglich, darüber hinwegzukommen.

Das gab es nicht. Das war nicht erklärbar. Menschen können nicht unsichtbar sein, auch wenn in der letzten Zeit immer wieder darüber diskutiert wurde.

Das war hier auf dem Film auch nicht so unsichtbar, wie man es sich vorstellte. Es gab da noch ein Problem, und das sah der Mann, wenn er genauer hinschaute.

Schatten!

Zwei seichte, in die Höhe gereckte Schatten, die sich zusammen mit den Fußabdrücken bewegten. Es war deutlich zu sehen, wie der Sand leicht eingedrückt wurde, und genau an diesen Stellen malten sich die beiden Schatten ab.

Dolan schluckte und flüsterte Worte vor sich hin, die er selbst nicht verstand. Es war ein Durcheinander. Er ging näher auf die hochgezogene Leinwand zu. Alte Super Acht-Filme sah heutzutage kein Mensch mehr, und es war auch nicht seine Art. Er hatte den Film zufällig entdeckt, weil er sich dafür interessierte.

Die Spulen bewegten sich. Die Schleifgeräusche störten ihn jetzt nicht mehr, weil er sich voll und ganz auf das Bild konzentrierte.

Das war Wahnsinn!

Da gingen zwei Personen her, die nicht ganz unsichtbar geworden waren. Körnige Schatten schwebten über dem Strand, und die Spuren blieben. Die Person, die sie gefilmt hatte, war nicht so schnell verschwunden. Dolan konnte sich vorstellen, dass auch sie von diesem Phänomen überrascht gewesen war.

Wieder schoss ihm durch den Kopf, dass der Film mindestens dreißig Jahre alt war, wenn nicht älter. Er wusste sehr genau, wie lange er die Abdrücke verfolgen konnte.

Wenn sich die Umgebung änderte und die ersten Dünen in die Höhe wuchsen, dann waren sie nicht mehr zu sehen. Da hatte der unbekannte Filmer dann aufgehört.

Etwa eine Minute lief der Film noch. Der weiche Sand verschwand, der Boden bekam eine gewisse Festigkeit, und sofort waren auch die Spuren verschwunden.

Luke Dolan schaltete den Apparat ab. Er stieß die Luft aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Noch immer tuckerte es in seinem Kopf. Mit gesenktem Blick ging er wieder zurück zu einem kleinen Tisch. Dort stand eine Lampe, die er einschaltete.

Sein Zimmer im Keller wurde so gut erhellt, dass er sich orientieren konnte. Es war so etwas wie ein Hobby- oder Filmraum. Hier stand auch ein Recorder, hier hatte er die Leinwand hochgezogen. In den Glasschränken standen seine Sammelstücke. Kameras aus den verschiedenen Jahrgängen. Alte und uralte. Es war sein Hobby gewesen, sie zu sammeln und liebevoll zu pflegen.

Als Berufsfotograf war er viel in der Welt herumgekommen. Er hatte auch im eigenen Land viel fotografiert und für die verschiedensten Magazine gearbeitet.

Er hatte sich vorgenommen, kürzerzutreten. Er wollte den Druck nicht mehr. Er wollte auch keine Termine. Für ihn war es wichtig, nur seinen Hobbys nachzugehen. Er wollte Bücher herausbringen. Seine gesammelten Werke der Öffentlichkeit präsentieren und praktisch dreißig Jahre seines Berufslebens für die Nachwelt präsent machen.

Immer wieder dachte Dolan an die Vergangenheit und daran, was er alles erlebt hatte. Vieles, von dem andere nur träumten. Tolle Reisen, eine bunte, wenn auch überspannte und unecht wirkende Welt. Mit den verrücktesten Menschen war er zusammengekommen. Er kannte die Stars, aber auch die kleinen, normalen Leute, die oft viel netter waren als die Promis. Er hatte sie alle geknipst, aber auch die Landschaften nicht vergessen. Er kannte sie zu beiden Seiten des Äquators und hatte herrliche Sonnenuntergänge auf der nördlichen und auf der südlichen Halbkugel erlebt. Immer wieder kleine Wunder, die ihm selbst so große Freude bereitet hatten.

Bis auf diesen Film!

Er hatte ihn nicht einmal geschaffen. Sondern auf einer Auktion ersteigert. Er hatte nicht mal gewusst, was sich darauf befand. Dolan war es nur darum gegangen, ein Zeitdokument in die Hände zu bekommen.

Und dann das!

Es gab für ihn keine Erklärung. Eines allerdings stand für ihn fest. Er hatte durch Zufall etwas Unheimliches entdeckt. Dafür fand er keine Erklärung. Da lag auch kein technischer Fehler vor. Es hatte zudem mit dem Filmmaterial nichts zu tun. Dieser Streifen beinhaltete ein Phänomen.

Für Phänomene fühlte er sich nicht zuständig. Das war einfach zu hoch für ihn. Da mussten ihm andere Menschen helfen, um hier eine entsprechende Lösung zu finden.

Es gab da jemanden, auf den er sich verlassen konnte, einen Mann, dem er einige Male im Laufe seines Berufslebens begegnet war und der sich für übersinnliche Phänomene interessierte. Er war kein Fotograf, sondern gehörte der schreibenden Zunft an, doch darin war er ein As. Und er sah die Welt auch mit möglichst vorurteilfreien Augen an.

Abends beim Bier war dieser Bill Conolly deutlicher geworden. Da hatte er schon mal was rausgelassen und von Phänomenen gesprochen, die auch ihm widerfahren waren. Über Details hatte er leider nicht geredet, allerdings vertraute Luke Dolan den Angaben seines Kollegen.

Bill musste sich den Film einfach anschauen und seinen Kommentar abgeben. Einen Termin hatten sie schon vereinbart. Conolly hatte zugesagt. Am morgigen Tag würde er bei Dolan erscheinen, und dann wollte Luke den Kommentar des Reporters hören. Er war auch überzeugt, dass ihn Bill nicht auslachte.

Dolan blickte auf die Uhr.

Mitternacht war soeben erreicht. Eine gute Zeit, um ins Bett zu gehen, aber Dolan konnte noch nicht. Er fühlte sich innerlich einfach zu erregt. Obwohl er den Film schon viele Male gesehen hatte, zerrte ein erneutes Betrachten doch an seinen Nerven. Er war einfach nicht so abgebrüht, die Dinge hinzunehmen und darüber hinwegzugehen.

In seinem Kopf bewegten sich die Gedanken, aber er brachte es nicht fertig, sie in eine Reihe zu bringen. Er wollte wissen, weshalb er die Abdrücke sah, aber nicht die Menschen oder nur sehr schwach und schemenhaft.

Er kam damit nicht zurecht. Vielleicht aber Bill Conolly. Zudem hatte er vorgesorgt. Möglicherweise aus einem Gefühl oder einer Vorahnung, denn er hatte von den wichtigsten Bildern des Film Fotos gemacht, sie nummeriert und in einen Umschlag gesteckt, auf dem der Name des Reporters stand.

Den Umschlag hatte er oben im Eingangsbereich seines kleinen Hauses deponiert.

Zwei Jahre war es her, dass er die Großstadt verlassen hatte und in die Nähe der Ostküste gezogen war. Hier fühlte er sich wohl. Hier lebten die Menschen noch ihr eigenes Leben. Hier war die Natur anders zu begreifen als in den Städten. Wo sein Haus stand, konnte er immer tief durchatmen und sich wohl fühlen.

Es war kein direkter Keller, in dem sich sein Hobbyraum befand, mehr ein Souterrain, in dem es auch Fenster gab, durch die zumindest in der oberen Hälfte Licht fiel.

Hier unten fühlte sich der Fotograf plötzlich nicht mehr wohl. Er wollte nach oben in sein gemütliches Wohnzimmer und dort abwarten, was passierte.

Er ging mit langsamen Schritten die Stufen der Steintreppe hoch. Im Bereich des Eingangs brannte Licht. Der Schein schimmerte ihm entgegen. Auf dem Steinboden hinterließ er ein helleres Leuchten, während um das Haus herum die Dunkelheit ihr Gespinst gezogen hatte.

Luke Dolan wohnte zwar allein, aber nicht einsam. Das nächste Haus stand ungefähr hundert Schritte entfernt und bildete den Anfang einer dichteren Bebauung. Ob zwischen seinem und dem anderen Haus noch gebaut wurde, stand in den Sternen. Er hoffte, dass es nicht der Fall sein würde.

Die leichten Kopfschmerzen waren noch immer vorhanden. Das konnte auch am Wetter liegen. Es verdiente den Namen nicht mehr, denn es war eine Sauerei und Zumutung zugleich.

Regen, Sturm, und das alles in Massen. Es hatte die schlimmsten Überschwemmungen seit vielen Jahrzehnten gegeben. Flüsse waren über die Ufer getreten, und ganze Orte waren in den Fluten regelrecht versunken. Menschen waren in Panik geraten, und nicht wenige hatten alles verloren.

Er war zum Glück vom Wasser verschont geblieben, aber die Stürme hatten ihre Spuren hinterlassen. Abgerissene Bäume, geknickte Masten, entdachte Häuser. Sogar Autos und Wohnmobile hatte der Sturm zu fassen bekommen und durch die Luft geschleudert.

Luke Dolan lebte allein in seinem Haus. Zwei Ehen hatten ihm gereicht, und er war nur froh, keine Kinder in die Welt gesetzt zu haben, denn sie litten immer am meisten unter den Trennungen. Zu seiner letzten Frau hatte er noch ein recht gutes Verhältnis. Hin und wieder besuchte sie ihn. Sie übernachtete auch bei ihm, und man sprach dann nicht nur von alten Zeiten, sondern war das eine oder das andere Mal zusammen ins Bett gegangen.

Evelyn hatte ihm die Scheidung auch nicht übel genommen. Es hatte eben nicht mehr geklappt. Sie arbeitete in einer Agentur und war auch viel unterwegs. So hatten sie sich während der Ehe immer nur selten gesehen.

In dieser Nacht wünschte sich Luke eine andere Person herbei. Es war seltsam und ihm auch eigentlich noch nie so direkt passiert, aber er fürchtete sich vor dem Alleinsein und auch vor der Dunkelheit. Fast wie ein kleiner Junge.

Er ging unter dem Torbogen hinweg ins Wohnzimmer. Es war der größte Raum im Haus. Vom ihm aus führte eine Treppe nach oben zum Bad und in das Schlafzimmer.

Es hingen keine Rollos vor den breiten Fenstern. Deshalb drückte von außen die Dunkelheit gegen die Scheibe. Die nächsten Lichter waren weit weg und nur selten zu sehen, denn der Blick durch die Scheibe glitt in die Einsamkeit hinein, wo sich keine Häuser befanden, sondern nur eine Straße, die zur Küste hin führte. Um diese Zeit rollten die Autos nur vereinzelt. Ihre Lichter wirkten dann so fern wie die von Sternen.

Ein bedeckter Himmel. Keine Gestirne zu sehen. Auch der Wind hatte nachgelassen. Kein Grund, sich zu freuen, denn der nächste Sturm war bereits angesagt worden, und der brachte auch wieder jede Menge Regen mit.

Luke Dolan hatte noch keine Lust, sich hinzulegen. Er kannte diese nächtlichen Stunden, in denen das vegetative Nervensystem verrücktspielte. Da war es auch nicht möglich, sich auf etwas zu konzentrieren. Luke sprach zumeist von den gewissen Vorahnungen, auf die manche Menschen reagierten.

Mit dem Wetter hingen sie allerdings nicht zusammen. Nicht in dieser Nacht. Es hatte wieder etwas mit dem Film zu tun, der ihn heute besonders aufregte.

Die Spuren. Die Unsichtbaren oder fast Unsichtbaren. Alles war so seltsam. So anders. Es gab keinen Grund, und doch machte es ihn nervös.

Am liebsten hätte er sein Haus verlassen und wäre so schnell wie möglich irgendwohin gefahren.

Mitten im Wohnzimmer, das er mit hellen Kiefernmöbeln eingerichtet hatte, blieb er stehen. Er kam sich vor wie ein Fremder, der irgendwo lauschte.

Nichts!

Oder doch?

Jetzt, wo er sich konzentrierte, war auch der Wind zu hören, der um die Ecken des Hauses strich. Ein leises Säuseln, beinahe schon ein Heulen oder Wimmern, als hätten sich irgendwelche Geister darangemacht, ihre Welt zu verlassen.

An Geister glaubte er nicht. Wollte er einfach nicht glauben. Das war ihm zu weit weg. Und das passte auch nicht in sein Leben hinein. Trotzdem kam ihm der Gedanke immer wieder, wenn er den Film sah. Aber Geister gab es nicht. Und wenn doch, dann waren sie unsichtbar. Auch in Umrissen hätten sie nie auf dem Film zu sehen sein können.

Nein, das waren andere Gestalten. Um das herauszufinden, hatte er sich mit Bill Conolly in Verbindung gesetzt.

Neben Fernseher und Musikanlage stand eine kleine fahrbare Bar. Die Flaschen verteilten sich dort, und der einsame Mann hatte die Qual der Wahl. Er wollte sich einen Drink gönnen. Vielleicht konnte er dann einige Stunden schlafen.

Auf seinen Reisen hatte er den französischen Cognac schätzen gelernt. Einige Flaschen davon befanden sich immer in seinem Haus. So griff er zu und füllte den kleinen Schwenker fast bis zur Hälfte. Das widersprach dem Stil, aber hier schaute ihm keiner zu. Mit dem Glas in der Hand und auch trinkend näherte sich Dolan dem Fenster. Er blieb davor stehen und schaute nach draußen.

Außenlampen hatte er nicht eingeschaltet. Auch im Zimmer gab nur die Wandleuchte über der Bar Licht ab. So fühlte er sich durch die Helligkeit nicht gestört.

Wonach er suchte, wusste er selbst nicht. Eigentlich nach dem Nichts. Luke hoffte zumindest, dass niemand in der Nähe seines Hauses herumschlich und ihn beobachtete.

Er trank wieder.

Warm strömte der Alkohol in Richtung Magen. Die Wärme tat ihm gut, aber der Drink beruhigte ihn nicht. Seine Nerven konnten einfach nicht entspannen.

Dolan sah nichts, doch er war sich irgendwie sicher, dass da draußen etwas umhergeisterte, das ihm nicht gefallen konnte. Es war die Bedrohung, die Vorahnung, die sensiblen Menschen zu eigen war, und zu dieser Gruppe zählte er sich.

»Unsinn, da ist nichts!«

Der Klang der eigenen Stimme beruhigte ihn keineswegs – und er sah auch die Bewegung.

Die rechte Hand mit dem Glas sackte ab. Dabei stieg der Cognac in die Höhe und glitt über den Rand hinweg, wo er dann seine Finger kurz nässte.

Luke hatte sich nicht geirrt. Er glaubte es nicht, auch wenn ihm die schattenhafte Bewegung nicht mehr auffiel. Sie war jetzt abgetaucht in die Dunkelheit.

Er trank wieder.

Durch seinen Atem war die Scheibe beschlagen, so dicht stand er vor dem Fenster. Die leichten Kopfschmerzen wollten ebenso wenig weichen wie der Druck in seinem Magen. Ihm war kalt geworden und zugleich auch warm. Über seinen Rücken kroch etwas hinab, das Spinnenbeine zu besitzen schien.

Er wartete. Er strengte seine Augen an, aber von der Bewegung war nichts mehr zu sehen. Dolan wusste nicht, wer oder was sich dort bewegt hatte. Ob Mensch oder Tier, das war nicht festzustellen gewesen. Dabei hoffte er auf ein Tier.

Plötzlich fühlte er sich vor dem Fenster nicht mehr sicher. Zwar war er keine perfekte Zielscheibe, aber seine Umrisse malten sich schon ab, und das wollte er nicht.

Um sicherzugehen, ließ er die Rollos vor den Scheiben herab. Jetzt ging es ihm besser, wenn auch nicht gut, aber er fühlte sich zumindest nicht unter Beobachtung.

Mit langsamen Schritten verließ er das Wohnzimmer. Im Flur machte er Licht. Der Bereich des Eingangs wurde aus der Dunkelheit gerissen. Neben der Tür und nicht weit von der Treppe nach unten entfernt, befand sich ein schmales Fenster mit einer Milchglasscheibe.

Er ging dort hin.

Den Grund kannte er nicht. Es trieb ihn einfach in die Nähe der Tür. Unterwegs stellte er sein nicht leergetrunkenes Glas ab und dämpfte selbst im eigenen Haus die Schritte.

Warum bleibe ich vor der Tür stehen?, fragte er sich. Warum? Was hat mich hierher getrieben?

Keiner gab ihm Antwort. Komischerweise hatte sich bei Dolan die Nervosität noch gesteigert, und er glaubte plötzlich, noch in dieser Nacht Besuch zu erhalten, obwohl er keinen erwartete.

Dann hörte er das Geräusch der Klingel!

So schrill und überlaut, dass er zusammenfuhr. Es stand jemand vor der Tür, ein Fremder, denn Freunde besuchten ihn nach Mitternacht nicht unangemeldet.

Er öffnete das Seitenfenster nicht und hielt auch die Tür geschlossen. So fragte er nur: »Wer sind Sie?«

»Machen Sie auf!«

»Warum?«

»Ich habe eine Nachricht.«

»Vom wem?«

»Keine Ahnung. Auf dem Brief ist kein Absender zu sehen.«

»Legen Sie ihn in den Kasten.«

»Das klappt nicht. Er ist zu dick.«

»Dann scheren Sie sich zum Teufel.«

»Wie Sie wollen.«

Danach hörte Luke nichts. Aber das Erscheinen des Unbekannten hatte ihm gereicht. Jetzt wusste er, dass ihn sein Gefühl nicht getrogen hatte. Er war allein und war es doch nicht. Jemand schlich um sein Haus herum. Er wollte zu ihm. Er hatte es mit einem Trick versucht, und Dolan war stolz auf sich, dass er nicht darauf hereingefallen war.

Ein Brief, der zu dick war, um ihn durch den Schlitz des Kastens zu stecken. Eine blödere Ausrede hätte sich der Typ nicht einfallen lassen können. Nein, nein, da musste man ihm schon anders kommen. Dolan ahnte jetzt auch, dass diese Nacht noch verdammt lang werden konnte. Schlaf würde er nicht finden, und das hatte jetzt nichts mehr mit seiner inneren Nervosität zu tun.

Er trat von der Tür zurück. Das kleine Fenster reizte ihn. Es zuckte ihm in den Fingern, es zu öffnen und nach draußen zu schauen. Das würde nicht viel bringen. Sein Sichtwinkel war stark eingeschränkt. Um mehr zu sehen, musste er schon die Tür öffnen, und das traute er sich noch nicht.

Minuten verstrichen. In dieser Zeit hatte sich Luke Dolan nicht von der Stelle gerührt und nur abgewartet. Sein Blick war auf die Tür gerichtet. Er wollte schauen, er wollte hören und horchen, aber es drang nichts Verräterisches an seine Ohren.

Wer immer der Mann mit der fremden Stimme auch gewesen war, er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er die Nacht über vor der Tür hocken bleiben würde.

Die Neugierde siegte schließlich über die Angst. Luke wollte endlich Bescheid wissen. Er brauchte es, um ruhiger zu werden. Dazu musste er die Tür öffnen.

Mit einem Ruck zog er sie auf.

Schnell, überraschend. Nicht nur für ihn, sondern auch für den, der möglicherweise dort lauerte. Er bekam den Ansturm der Kälte mit. Er spähte hinaus in die Dunkelheit und bewegte sich nicht von der Türschwelle weg.

Da war nichts!

Alles im grünen Bereich. Die schmale Straße, das nächste Haus gegenüber, aber hundert Schritte entfernt. Der sich daran anschließende Ort, in dem hinter einigen Fenstern noch Licht schimmerte – das alles war das gewohnte nächtliche Bild.

Luke Dolan sah zu Boden, ob dort tatsächlich eine Nachricht für ihn lag.

Nein. Das Gitter mit der Matte wirkte unberührt. Man hatte ihn reinlegen wollen.

Der Briefkasten befand sich am Ende des kleinen Vorgartens. Er war an dem linken der beiden Torpfosten angebracht worden. Es reizte ihn schon, dorthin zu gehen, denn Neugierde hatte stets zu den wichtigsten Eigenschaften in seinem Beruf gezählt.

Noch zögerte Dolan. Den Grund kannte er selbst nicht. Möglicherweise war es die angeborene Vorsicht.