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Angst herrschte in einer kleinen Stadt an der Küste. Angst vor dem Mond-Monster. Vier Frauen hatte es bereits geraubt. Keine war wieder aufgetaucht. Nicht einmal als Leiche.
In der Nähe wohnte Mike Derek. Ein leicht durchgeknallter Typ, der in schwarzen Klamotten herumlief und als Auto einen alten Leichenwagen fuhr. Sein wahres Geheimnis aber behielt er für sich. Er hasste das Mond-Monster, denn es störte seine Kreise. Man brachte es mit ihm in Verbindung, und deshalb machte er sich auf, es zu jagen.
Als die fünfte Frau verschwunden war, kamen noch zwei Jäger hinzu - Suko und John Sinclair ...
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Seitenzahl: 201
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Das Mond-Monster
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Das Mond-Monster
von Jason Dark
Angst herrschte in der kleinen Stadt an der Küste. Angst vor dem Mond-Monster. Vier Frauen hatte es bereits geraubt. Keine war wieder aufgetaucht. Nicht einmal als Leiche.
In der Nähe wohnte Mike Derek. Ein durchgeknallter Typ, der in schwarzen Klamotten herumlief und als Auto einen alten Leichenwagen fuhr. Sein wahres Geheimnis aber behielt er für sich. Er hasste das Mond-Monster, denn es störte seine Pläne. Man brachte es mit ihm in Verbindung, und deshalb machte er sich auf, es zu jagen.
Als die fünfte Frau verschwunden war, kamen noch zwei Jäger hinzu – Suko und John Sinclair ...
Mit der Dunkelheit kamen der Vollmond, die Kühle und die Angst!
Für Mike Derek war es eine besondere Angst. Zum einen die Furcht vor sich selbst, zum anderen auch die Angst vor der anderen Macht, die ihn beeinflusste, um ihn als Höhepunkt in sein Trauma zu schicken. Dieser Zustand war nur für ihn bestimmt. Für ihn ganz allein.
Er wusste genau, dass es keinen Sinn machte, sich zu verstecken oder dagegen ankämpfen zu wollen. Mike musste alles erleben und auch durchleben.
Er lag noch auf dem Bett.
Seit Stunden hatte er diese starre Rückenhaltung eingenommen. Es war für ihn die beste Art, sich zu konzentrieren und auf das Kommende vorzubereiten. Er schaute immer gegen die Decke, die sehr interessant zu sein schien. Aber es malten sich dort keine Bilder ab. Sie sah so grau und unauffällig aus wie immer. Doch sie wurde auch dunkler, je weniger Licht durch die beiden Fenster des Zimmers sickerte. Und die Dunkelheit war für ihn wichtig.
Mike Derek wusste, dass er ein Außenseiter war. Personen wie ihm ging man am besten aus dem Weg. Man ignorierte sie. Man schaute an ihnen vorbei. Da zogen Mütter und Väter ihre Kinder zur Seite, wenn sie ihn sahen, und daran hatte sich Mike längst gewöhnt. Er tat auch nichts, um dem abzuhelfen. Wenn er sich schon so gab und auch so aussah, dann wollte er dieses Aussehen pflegen.
Es brachte auch nichts, wenn er versuchte, sich anderen gegenüber zu erklären. Sie hätten ihn nur ausgelacht oder abgewunken, und so war und blieb er allein. Er lebte in einer gewissen Einsamkeit, in der er nur wenig Kontakt mit anderen Menschen bekam und seinen Neigungen nachgehen konnte.
Er besaß, was er zum Leben brauchte. Sogar Geld aus dem Erbe seiner Eltern, deren Existenz im Dunkeln lag. Er konnte sich seltsamerweise kaum an sie erinnern, doch das war ihm egal. Er musste allein durchkommen und letztendlich seine Aufgabe erfüllen, die er sich gestellt hatte. Wenn die Menschen wüssten, was dies war, dann hätten sie ihn womöglich mit anderen Augen betrachtet. Zumindest einige von ihnen. So aber war er für den größten Teil der Welt verloren.
Mike genoss es, wenn sich der Tag allmählich dem Ende zuneigte, die Dämmerung herankroch und so etwas wie ein Vorbote der Nacht war. In dieser Zeit waren all diejenigen unterwegs, die das Tageslicht nicht eben erhebend fanden. Zu ihnen gehörten viele normale Menschen. Die Fun-Leute, die abtanzten, die Kneipengänger und auch das lichtscheue Gesindel, das im Schutze der Dunkelheit seine Taten beging.
Mike zählte sich zu keiner dieser Gruppen. Er war der berühmte Einzelgänger, der trotzdem eine große Aufgabe übernommen hatte und diese auch zu Ende führen wollte. Erst wenn er das geschafft hatte, konnte er wieder aufatmen und sich selbst als der große Held fühlen. Aber gut Ding braucht Weile und Mike hatte es bisher nicht geschafft, sein Problem zu lösen, das eigentlich mehr das Problem anderer Menschen war, weil es die in Angst und Schrecken versetzte. Er aber wollte das Problem lösen. Da spürte er die innere Verpflichtung.
Er wusste auch nicht, ob es das Gefühl der Angst war, das ihn überkommen hatte. Es konnte auch eine gewisse Spannung sein, die ihn übermannte, weil die Zeit wieder einmal reif war.
Auch für ihn.
Er stand auf.
Mike war groß. Er reichte fast an die zwei Meter heran, als er sich vor dem Bett aufrichtete. In die dunklen Schuhe brauchte er nicht erst zu schlüpfen, die hatte er angelassen, als er auf dem Bett gelegen hatte. Ebenso die dunkle Kleidung. Ein dünner Pullover, eine schwarze Hose aus Leder, die seine Beine und Hüften sehr eng umschloss. Mit diesem Outfit war er in der Dunkelheit kaum auszumachen.
Seine Haare hatte er recht lang wachsen lassen, sodass sie ihm über die Ohren fielen. Sie waren etwas heller als seine Kleidung, konnten aber auch als dunkel bezeichnet werden.
Mit zwei Schritten hatte er den Lichtschalter erreicht. Er kickte ihn, es wurde heller im Raum, aber von einem normalen Licht konnte man nicht sprechen. Was sich da zwischen den Wänden verteilte, war mehr eine graue Suppe oder eine Mischung aus Hell und Dunkel, allerdings noch so prägnant, dass die Möbel zu erkennen waren.
Wenig an der Zahl. Das Bett, der Schrank, eine kleine Kommode, ein Spiegel an der Wand. Das war alles, und mehr brauchte Mike Derek auch nicht.
Er drehte sich und ging auf eines der beiden Fenster zu. Da er ziemlich hoch wohnte, besaß er einen fantastischen Blick über die Umgebung hinweg bis hin zum Meer. Es war auch kein normales Haus, das er sich vom Erbteil der Eltern zugelegt hatte. Es war ihm gelungen, einen kleinen Turm zu kaufen, der zudem noch auf einer Klippe stand. Vielleicht hatte hier mal ein Leuchtturm gebaut werden sollen. Es war nicht geschehen. Die Kappe fehlte, die Installationen auch, und Derek hatte die Chance genutzt und das halb fertige Bauwerk gekauft, das seinen Anforderungen voll und ganz genügte.
Ja, der Himmel war schon stark eingedunkelt. Mike Derek zog das Fenster auf und spürte den Abendwind auf seinem Gesicht. Wie so oft brachte er den typischen Geruch dieser Gegend mit. Da roch es nach Meer, nach Salz, nach Strandhafer und jetzt – im Sommer – auch nach Blumen.
Wo bleibt die Angst?, dachte er.
Sie war nicht mehr da. Sie hatte sich verflüchtigt. Dafür merkte er die Spannung, die sich in ihm aufgestaut Hatte. Sie ließ ihn nicht los und er ahnte, dass die kommende Nacht sehr spannend werden würde.
Minutenlang blieb er starr am offenen Fenster stehen und beobachtete die letzten Vögel, wie sie ihre wunderbaren Runden durch das Dämmerlicht über dem Meer drehten und dabei den Abendwind genossen, der sie trug.
Mike wandte sich ab. Er schloss das Fenster. Das hagere Gesicht mit den leicht eingefallenen Wangen war noch hagerer geworden und in den Augen lag ein Blick, der etwas Bestimmtes aussagte. Es war der Wille, alles durchzuziehen, was getan werden musste. Gerade in dieser Nacht, in der der volle Mond wie frisch gezeichnet am Himmel stand und das Land mit seinem heimtückischen Licht übergoss.
Mike schaute gar nicht erst hin. Er brauchte den Mond nicht zu beobachten. Er wusste sehr genau, wann er am Himmel stand. Dann wurde aus ihm eine andere Person, doch darüber redete er mit keinem, das war einzig und allein seine Sache.
Sein nächstes Ziel war der Schrank. Eingehüllt vom grauen Licht der Lampe, öffnete er die Tür und holte ein Kleidungsstück hervor, das für ihn so etwas wie ein Markenzeichen war.
Er schob den Mittelfinger der rechten Hand in den Aufhänger und schaute sich den Mantel an. Er hatte ein breites Revers und reichte ihm, wenn er ihn angezogen hatte, bis zu den Waden.
Mike liebte diesen Mantel. Ebenso die übrige schwarze Kleidung und auch die hohen Schnürschuhe.
Mit schon ritualhaft anmutenden Bewegungen streifte er den Mantel über, den er nicht schloss. Er strich über den Stoff hinweg und lächelte. Erst jetzt fühlte er sich wohler. Zu fünfzig Prozent war er okay, die anderen fünfzig fehlten noch. Um die würde er sich draußen kümmern.
Wieder eine Drehung.
Der nächste Schritt.
Es sah alles wie oft geübt aus. Er ging noch einen zweiten und hatte sein neues Ziel erreicht.
Vor dem Wandspiegel blieb er stehen. Ja, es war ein Ritual. Er wusste auch, was folgen würde. Er musste sich wieder einmal selbst erkennen.
Der Spiegel hing vor ihm.
Er hätte sich selbst sehen müssen, denn die Fläche war glatt und wirkte wie frisch geputzt.
Mike Derek sah sich nicht. Im Spiegel zeichnete sich nichts anderes ab als ein Schatten, der aussah wie ein nebliges Gebilde, das sich kurz vor dem Zustand der Auflösung befand.
Mike hatte kein Spiegelbild. Kein richtiges. Es war einfach zu schwammig, es war auch nicht zu erklären. Es sei denn, man akzeptierte, wer Mike Derek tatsächlich war.
Ein Halbvampir!
Er wusste es. Ja, er wusste es genau. Aber er konnte mit keinem Menschen darüber sprechen. Man hätte ihn ausgelacht, für verrückt erklärt und man hätte versucht, ihn einzusperren.
Er litt unter seinem Schicksal. Er kannte den Grund nicht, aber er kannte die Nächte, in denen der Vollmond am Himmel stand und er so stark litt, dass er manchmal nicht wusste, was er noch alles tun sollte.
Da verlor er die Kontrolle über sich. Da brauchte er das Blut wie andere Menschen ihr Wasser. Trotzdem ekelte er sich davor, denn in dieser Zeit kämpften zwei Seelen in seiner Brust. Es war ihm nie gelungen, sich zu beherrschen, auch wenn er es eine Weile geschafft hatte. Immer wieder war die vampirhafte Seite in ihm durchgebrochen und hatte ihn letztendlich zum Blut getrieben.
Er hatte es getrunken. Nicht nur das der Tiere, auch das der Menschen. Er hatte sie sich geholt, ihnen Wunden zugefügt und das Blut abgeleckt. Bisher war es immer gut gegangen, aber Mike spürte auch, dass eine Zeit kommen würde, in der er sich nicht mehr damit zufrieden geben würde. Da musste er dann handeln wie ein Vampir und seine scharfen Zähne in die Hälse hacken.
Ein Vampir besitzt kein Spiegelbild. Solange er sich in der Fläche noch als Schatten sah, war seine Hoffnung nicht völlig gestorben, doch immer würde er das auch nicht durchhalten. Irgendwann schlug die Keule des Schicksals zu und dann war er völlig zu einem nach Blut jagenden Vampir degeneriert.
Er hatte Hände mit langen, schlanken Fingern. Mit ihnen fuhr er über sein Gesicht hinweg und zeichnete mit den Kuppen auch die Lippen nach, um anschließend die Zähne abzutasten, damit ihm ein letzter Beweis geliefert wurde.
Er bekam ihn, denn zwei seiner Zähne im Oberkiefer waren angewachsen und an ihren Enden leicht spitz geworden. Wenn er wollte, dann konnte er seine Zähne bereits in den Hals eines Menschen schlagen, der in seiner Vorstellung nichts anderes war als eine schöne junge Frau, die seine Blutbraut werden konnte.
Mike riss den Mund auf und krümmte sich, als er daran dachte. Er war keiner, der dies unbedingt wollte, denn die menschliche Seite wehrte sich dagegen. Er schüttelte den Kopf, ballte die Hände zu Fäusten und stand dicht davor, die Fläche des Spiegels zu zerschlagen, um endlich Ruhe zu haben.
Er tat es nicht. Ließ die Arme wieder sinken und schrie stattdessen gegen die Decke. Mit einer wütenden Bewegung fuhr er herum, verlängerte sie in einen Sprung, prallte gegen die Wand und drosch mit beiden Fäusten dagegen, um sich abzureagieren. Dann tobte er wie ein Raubtier durch das Zimmer, brüllte, schlug immer wieder gegen harte Widerstände, ohne sich dabei zu verletzen, fiel schließlich rücklings auf das Bett und verwandelte den Aufprall in eine Rolle, die ihn schließlich wieder auf die Beine brachte.
Es ging ihm etwas besser. Er hatte sich akzeptiert. Er würde die Dunkelheit nutzen, und wie so oft bei Vollmond nahm er sich vor, zum Beschützer zu werden.
Einen letzten Blick warf er in den Spiegel. Zu sehen war nur der dunkle Schatten. Nichts sonst.
Mikes Gesicht zeigte einen harten Ausdruck, aber keinen brutalen. Es war nur eine wilde Entschlossenheit in seinen Zügen zu sehen, und die sollte auch die Nacht über anhalten ...
Eine Treppe führte von seiner Wohnung im halb fertig gestellten Leuchtturm nach unten. Er kannte jede Stufe und hätte sich auch als Blinder nicht vertreten. Es war eine Wendeltreppe, eben typisch für Leuchttürme. Mit leichten Schritten lief er nach unten und schloss die Tür auf.
Obwohl der Leuchtturm einsam stand, war Mike vorsichtig. Er schaute sich genau um und nickte zufrieden, als er keine Spaziergänger entdeckte.
Es war schon wichtig, dass niemand wusste, wo er lebte. Er fiel leider schon durch andere Dinge genügend auf, aber das störte ihn nicht, das gehörte einfach zu ihm.
Er bewegte sich an der Vorderseite des Turms vorbei und ging nach rechts zu einem Platz noch im Schatten des Turms. Dort hatte er sich einen Schuppen bauen lassen, der ihm als Garage diente und sein Lieblingsobjekt verbarg.
Mike Derek zog die Tür mit einer genussvollen Bewegung auf. Seine Augen schimmerten schon jetzt in der Vorfreude, als er an seinen fahrbaren Untersatz dachte.
Die Tür war offen.
Er schaute hinein.
Und da stand er!
Wie ein dunkles ruhig gestelltes Raubtier. Ein schwarzes lang gezogenes Gefährt, das er sich nach seinen Wünschen hatte umbauen lassen.
Es war ein Leichenwagen!
Nicht mehr neu. Bewusst nicht neu. Ein altes Vehikel aus Deutschland. Ein Opel Admiral, der noch aus dem letzten Jahrhundert stammte. Wie alt das Fahrzeug genau war, wusste Mike selbst nicht. Er schätzte es auf dreißig Jahre. Als er den Wagen erworben hatte, da hatte er nicht so ausgesehen wie jetzt. Da war die eigentliche dunkelrote Farbe durch viele Roststellen ersetzt worden. Auch das Innere des Autos war reif für den Schrottplatz gewesen. Aber Mike hatte sich nicht beirren lassen und den alten Admiral überholt und ihn zu einem Leichenwagen umfunktioniert.
Er transportierte keine Särge auf der Ladefläche. Der Wagen war sein Hobby und er genoss es, mit ihm durch die Dunkelheit zu fahren. Es funktionierte alles an ihm. Der Motor, das Licht, die Gangschaltung. Generalüberholt, immer sorgsam gepflegt, und besonders stolz war Mike auf zwei Dinge.
Zum einen auf die äußere Beschaffenheit des Wagens und zum anderen auf die beiden Sitze, die bequem wie Sessel waren, sodass er sich wie in einem rollenden Wohnzimmer fühlte.
Natürlich besaß der Wagen eine schwarze Farbe. Etwas anderes wäre für ihn auch nicht infrage gekommen. Aber er war nicht nur schwarz, er war auch nicht glatt. Mike hatte die Karosserie aufrauen lassen und danach dunkel gespritzt. Wenn er mit der Hand darüber hinwegstrich, dann fühlte sich der Lack leicht rau an, fast zu vergleichen mit der Zunge einer Katze.
Eine weitere Besonderheit besaß der alte Opel an seiner Vorderseite. Mike hatte dort eine Rammstange anbringen lassen, die sich in der Mitte zu einem Maul öffnete, das aus sich gegenüberliegenden Metallzähnen bestand und durchaus den Namen Haifischmaul verdiente. Wenn dieser Wagen auf einen Menschen zufuhr, suchten die meisten Deckung, denn sie hatten stets das Gefühl, angegriffen zu werden.
Mike hatte die Garage so geräumig gebaut, dass er selbst noch Platz genug hatte, in sie hineinzugehen und die Türen zu öffnen. So schaffte er sich einen bequemen Einstieg.
Er fühlte sich gut, als er die Fahrertür hinter sich zugeschlagen hatte und in seinem Sitz saß. Natürlich war auch er in schwarz gehalten, ebenso wie der Beifahrersitz. Im Fond hatte er die Sitzbank herausgenommen und den Wagen dort so umgebaut, dass er eine Ladefläche bekommen hatte, die allerdings leer war.
Musik konnte er auch einschalten. Mike verzichtete darauf. Ihm war nicht danach. Nicht in diesen verdammten Vollmondnächten, die immer so anders waren als die normalen. Wenn der Mond am Himmel stand, reagierten die Menschen anders. Da waren sie überreizt oder matt. Hellwach oder müde. Es gab immer wieder diese starken Gegensätze, die sich manchmal nicht mehr kontrollieren ließen. So kam es in dieser Zeit eben zu den schlimmsten Taten, wenn gewisse Psychopathen unterwegs waren und sich ihre Opfer holten.
Er wusste das.
Er hasste es.
Denn derartige Monster störten ihn. Sie brachten die Menschen auf, sie lenkten zu viele Blicke auf das, was sie taten und schon öfter getan hatten.
Mike Derek brauchte keinen Konkurrenten, der andere auf seine Spur brachte, um sein Leben durcheinander zu bringen.
Es gab leider jemand in der Umgebung, der sich so verhielt, wie das Mike nicht wollte, und eine Spur aus Leichen hinterlassen hatte.
Ihn musste der Halbvampir stoppen.
Die Presse hatte ihm einen perfekten Namen gegeben. Sie nannte ihn das Mond-Monster ...
Als Suko und ich an diesem späten Nachmittag das Büro unseres Chefs betraten, sah er nicht eben glücklich aus. Sorgenfalten zeichneten seine Stirn, die Lippen waren zusammengedrückt und als wir unsere Plätze eingenommen hatten, da hob er die Schultern.
Für mich kein gutes Zeichen. Auch nicht für meinen Freund Suko, der Sir James misstrauisch anblickte.
»Probleme?«, fragte ich.
»Ja, John, das kann man wohl sagen. Aber weniger für mich als für Sie beide.«
»Ein neuer Job.«
»Ja.«
Ich gab mich locker. »Was hätte es auch anderes sein können?«
Sir James schaute auf seine Unterlagen, die vor ihm lagen. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber die Kollegen aus Cardiff haben sich nun mal an uns gewandte und wir sind verpflichtet zu reagieren.«
»Um was geht es denn?«, wollte Suko wissen.
»Man sucht einen Killer.«
»Das suchen viele.«
»Sie haben recht. Nur ist es diesmal ein besonderer Killer. Das jedenfalls behaupten die Kollegen. Er mordet nur bei Vollmond und wird deshalb das Mond-Monster genannt.«
Suko und ich schauten uns an. Nicht dass wir schon zu abgebrüht waren, aber das war uns nicht neu, denn bei Vollmond drehten viele Menschen durch, da passierten mehr Verbrechen als zu anderen Zeiten und auch die Anzahl der Morde nahm zu.
»Ein Serien-Mörder?«, fragte ich.
»Zumindest verübt er seine Taten bei Vollmond.«
»Ein Psychopath.«
Sir James zuckte die Schultern. »Das könnte man so sagen, aber die Kollegen sind anderer Meinung.«
»Was denken die denn?«
»Für sie ist der Killer ein Monster.«
Ich runzelte die Stirn. Neben mir räusperte sich Suko. Er übernahm auch das Wort.
»Sir, ich will die Kollegen nicht belehren, aber mit dem Begriff Monster tut man sich leicht. In der Presse ist jeder Mörder für die normalen Menschen ein Monster. Ich denke, dass dieser Begriff überstrapaziert ist.«
»Kann sein, aber sie beharren auf ihrem Standpunkt. Westlich von Cardiff, genau dem Küstenstreifen folgend, ist sein Gebiet. Da hat er seine Spuren hinterlassen.«
»Wie viele Tote gab es denn?«
Sir James zuckte mit den Schultern.
»Bitte?«
»Man weiß es nicht, John. Man weiß nicht mal, ob sie überhaupt tot sind.«
»Sondern ...?«
»Sie sind verschwunden. Es sind schlicht und einfach Menschen verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Vier vermisste Frauen, die allesamt bei Vollmond plötzlich weg aus dem normalen Leben gerissen worden sind. Man fand keine Spuren, keine Leichen, man fand einfach nichts von ihnen.«
Suko und ich schwiegen. Wir mussten das Gehörte erst mal verarbeiten. Keine Spuren, keine Leichen, ein Verschwinden bei Vollmond, und trotzdem sprach man von einem Mond-Monster.
»Aber es muss doch Zeugen gegeben haben«, sagte Suko. »Sonst wäre niemand auf die Idee gekommen, dieses Mond-Monster zu kreieren.«
Unser Chef nickte. »Das hat es wohl. Aber Sie wissen ja selbst, wie das mit den Zeugen ist. Das Mond-Monster wurde immer anders beschrieben. Man sah es auch nie aus der Nähe. Es hatte eine menschliche Gestalt, das wurde übereinstimmend behauptet, aber das Gesicht soll alles andere als menschlich gewesen sein. Da haben die Zeugen von einer Fratze gesprochen mit gelblich strahlenden Augen und einem leuchtenden Mond, als wäre darin sein Licht gefangen worden. Viel mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Fest steht nur, dass vier Personen verschwunden sind, vier Frauen.«
Das hörte sich nicht gut an. Ich lebte ja nicht auf dem Mond. Es wäre nicht der erste Fall gewesen, bei dem Frauen verschwanden, deren Leichen nie gefunden wurden. Sie waren in die Klauen irgendeines perversen Lüstlings und Killers gefallen, der mit ihnen machte, was er wollte. Da hatten die Kollegen so manch harte Nuss knacken müssen. Es sah ganz so aus, als stünde uns dies jetzt bevor.
»Ich möchte mich ja nicht weigern, in die Provinz Glamorgan zu fahren, aber haben die Kollegen dort wirklich alles getan, um die Frauen zu finden?«
»Haben sie. In den letzten vier Vollmondphasen sind vier Frauen verschwunden. Jetzt beginnt wieder eine Phase. Da rechnet man natürlich damit, dass wieder jemand verschwindet. Man kann die Menschen ja nicht einsperren. Auch eine gebildete Sonderkommission hat es nicht fertig gebracht, das Mond-Monster zu stellen. Es ist wie ein Phantom. Er kommt, raubt und verschwindet. Wir können nur die geringe Hoffnung haben, dass es die Frauen nur entführt und sie nicht in seinem Vollmondwahn getötet hat.«
»Dann hätte man sie finden müssen.«
Sir James schüttelte den Kopf. »Denken Sie daran, John, dass das Meer verdammt tief ist.«
»Stimmt auch wieder.«
»Wenn man die Leichen beschwert, werden sie auch einer Strömung widerstehen können und bleiben zunächst mal verschwunden. Vielleicht tauchen sie nach Jahren als verweste Körper wieder auf, aber davon haben wir nichts. Man hat uns jedenfalls um Hilfe gebeten, damit wir uns um das Monster kümmern.«
Begeistert war ich nicht. Ich nahm auch an, dass mit dem Begriff »Monster« übertrieben worden war, aber das behielt ich für mich. Mich ärgerte mehr, dass ein Wochenende kaputt war, das ich so richtig ruhig hatte genießen wollen, was jedoch jetzt nicht mehr möglich war. Auch Suko sah nicht eben begeistert aus.
»Wir müssen nicht nach Cardiff, Sir?«
»Nein, in die Einsamkeit der Küstenlandschaft. Um diese sommerliche Zeit lässt es sich dort aushalten.«
»Dem letzten Wetterbericht nach zu urteilen, soll es dort bald regnen.«
»Dann nehmen Sie doch einen Schirm mit.«
»Danke für den Rat, Sir.«
Suko kam wieder zur Sache. »Sind die Kollegen über unseren Einsatz informiert worden, Sir?«
»Ja. Aber Sie brauchen sich nicht in Cardiff zu melden.« Er hob die dünne Mappe mit den Unterlagen an. »Alles, was Sie wissen müssen, finden Sie hier.«
Suko nahm die Mappe entgegen. Sir James passte der Job nicht, Suko ebenfalls nicht und mir auch nicht. Aber wir wurden dafür bezahlt, uns um Fälle zu kümmern, bei denen die Polizei oft feststeckte, und unser Ruf hatte sich herumgesprochen.
»Eine Frage noch, Sir«, sagte ich. »Glauben Sie wirklich daran, dass es ein Monster ist, sprich Dämon?«
»Ich glaube gar nichts, John. Finden Sie es heraus. Passen Sie auf sich auf, denn ich habe das unbestimmte Gefühl, dass mehr hinter dem Fall steckt, als wir ahnen. Das heißt, ich glaube nicht, dass es unbedingt so einfach für Sie werden wird.«
»Das ist es eigentlich niemals«, sagte ich.
»Aber Sie schaffen es.«
Daran glaubte ich auch. Wir waren eben in unserem Job Optimisten. Wäre es nicht der Fall, dann hätten wir längst einpacken können. So trollten wir uns und beschäftigten uns gedanklich mit der neuen Aufgabe.
Glenda Perkins, unsere Sekretärin und Assistentin, hatte schon Feierabend gemacht und ihren Schreibtisch für das Wochenende geräumt. Auch die Kanne mit dem Kaffee war leer und so holte ich mir einen Becher Kaffee vom Automaten.
Als ich wieder in das Vorzimmer zurückkehrte, telefonierte Suko. Er sprach mit seiner Partnerin Shao, die sich darauf einstellen musste, das Wochenende ohne ihn zu verbringen. Auch das war leider nichts Neues für sie.
»Wann steht der Vollmond am Himmel?«, fragte ich.
»Ich denke, dass heute die erste Nacht ist.«
»Das schaffen wir nicht mehr.«
»Aber morgen. Ich habe Shao schon gesagt, dass wir um vier Uhr fahren werden.«
»Auch das noch.« Ich verdrehte die Augen. »Übernimmst du dann die Fahrerei?«
»Bei meinem BMW immer.«
»Das ist doch ein Wort.«
Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war. Irgendwie störte mich der verdammte Fall schon jetzt, aber mein Gefühl sagte mir, dass auch etwas ganz anderes dahinter stecken konnte ...
Die bunten schnellen Bilder, der Geruch von Zuckerwatte, gebratene Mandeln, Fish & Chips, die Musik, die Stimmen, der Lärm, all das waren für Helen Cross Erinnerungen an den Jahrmarkt, die sie rasch wieder vergessen hatte, weil sie ebenso flüchtig gewesen waren.
Flüchtig wie zwei Jahre ihres vergangenen Lebens, in denen sie alles exzessiv genossen hatte. Die Arbeit in der neuen IT-Branche, die kurzen Freizeiten, die mit Unmengen von Champagner und manch weißem Pulver gefüllt wurden, um weiterhin auf dem Hochseil zu tanzen, bis es dann zum Crash kam. An einem verdammten Freitag auch. Es ging bergab. Radikal und brutal. Da war die Achterbahn aus der Spur geraten und nichts hatte sie unten stoppen oder in weiche Bahnen gleiten lassen können.