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Frantisek Marek, der legendäre Pfähler, hatte Bill Conolly und mich eingeladen, um mit uns seinen Geburtstag zu feiern. Wir fuhren gerne nach Rumänien, ohne allerdings zu ahnen, dass eine gewisse Justine Cavallo im Hintergrund die Fäden gezogen hatte. Als wir in Petrila eintrafen, war Marek verschwunden. Wir mussten ihn suchen, fanden ihn auch. Aber da lag er in einem Sarg und war zu einem Vampir geworden ...
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Blutwelt
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Blutwelt
von Jason Dark
Frantisek Marek, der legendäre Pfähler, hatte Bill Conolly und mich zu sich nach Rumänien eingeladen, um seinen Geburtstag zu feiern – ein Anlass, den wir uns nicht entgehen lassen wollten. Was wir jedoch nicht wussten: Im Schatten der Einladung zog die geheimnisvolle Justine Cavallo ihre gefährlichen Fäden.
Als wir schließlich in Petrila ankamen, erwartete uns kein festlich gedeckter Tisch, sondern beunruhigende Leere – Marek war spurlos verschwunden. Die Suche nach ihm führte uns immer tiefer in die Region, bis wir ihn schließlich fanden. Doch statt einer freudigen Wiedervereinigung sahen wir etwas, das uns das Blut in den Adern gefrieren ließ: Marek lag in einem Sarg – und war zum Vampir geworden ...
»Du hasst Sinclair, nicht wahr?«
»Weiß nicht.«
»Willst du ihn töten?«
»Ja und nein«, erwiderte Justine Cavallo, die blonde Bestie. »Ich will ihn nicht richtig töten. Ich will nur aus ihm das machen, was ich bin. Das ist alles.«
Der düster wirkende Mann neben ihr lächelte und nickte verständnisvoll. Dabei stellte er die nächste Frage: »Aber du willst ihm richtig schaden. Er soll das normale Menschsein verlieren.«
Die Augen der Blonden glänzten. »Das wäre ein Traum.«
Vincent van Akkeren, der Grusel-Star, nickte. Er ging zur Seite und nahm auf einem dunklen Stuhl Platz. Nachdem er die für ihn bequemste Lage erreicht hatte, hob er die Arme und legte die Hände hinter seinem Kopf zusammen.
»Wir alle wollen das«, flüsterte er. »Sinclair hat uns zu viel Ärger eingebracht. Ich kenne ihn von früher her. Ich weiß deshalb, dass es nicht so einfach sein wird.«
»Das habe ich erlebt«, erklärte Justine trocken. Sie hob die Schultern. »Er ist leider gut, das muss ich zugeben, aber das ist es nicht allein. Er hat Freunde, die ebenfalls nicht zu unterschätzen sind. Ich weiß, dass sie zusammenhalten. Dass dieser Abbé nicht mehr lebt, war auch etwas Glück.«
»Aber wirklich nur etwas«, schränkte van Akkeren ein. »Denke daran, dass ich der Stellvertreter des Baphomet bin und dabei meine eigenen Pläne verfolge.«
»Das weiß ich ja. Ich will dich dabei auch nicht stören und möchte den eigenen Weg gehen. Aber irgendwo treffen wir uns, und dann müssen wir gemeinsam zuschlagen.«
»Wunderbar, getrennt marschieren, vereint zuschlagen.«
»Wenn es denn geht, ist das gut.«
Van Akkeren sagte in den folgenden Sekunden nichts. Er ließ die blonde Bestie in ihrem eigenen Saft schmoren. Sie sah nicht nur nachdenklich aus, sie wirkte auch nervös. Zu lange schon war sie untätig gewesen und hatte ihre Wunden geleckt. Sie hielt sich in Dracula II's Vampirwelt auf, was für sie alles andere als optimal war. Sie brauchte wieder Action, Bewegung. Sie wollte Erfolge erreichen, sie musste Erfolge erzielen, sonst hatte ihr Dasein keinen Sinn.
Der Grusel-Star ließ sie schmoren, und das merkte Justine auch. Als sie sich unruhig auf ihrem Sitzplatz bewegte, knirschte das Leder der Jacke.
»Sei nicht so nervös«, mahnte er. »Wir werden eine Lösung finden.«
»Das hoffe ich.«
»Und ich denke, dass ich schon einen Weg gefunden habe, um Sinclair zu schaden.«
Die blonde Bestie verzog den Mund, als hätte man ihr statt Blut Himbeersaft zu trinken gegeben.
»Das ist mir zu wenig«, flüsterte sie. »Das sind Theorien.«
»Noch.«
Justine horchte auf. »Du weißt mehr?«
»Kann sein, denn ich habe mir ebenfalls Gedanken über Sinclair gemacht. Wir müssen ihn ausschalten, das weiß ich ebenso gut wie du.«
»Hast du einen Plan?« Justine beugte sich vor. Wieder glänzten ihre Augen. Sie war gespannt. Über ihren Rücken rann ein Schauer, da reagierte sie wie ein Mensch.
»Kann sein.«
»Ich will ihn hören!«
»Gemach.« Van Akkeren winkte ab. »Du bekommst ihn schon früh genug erklärt. Das Stichwort hast du vorhin selbst gegeben. Du hast davon gesprochen, dass Sinclair nicht allein ist. Kannst du dich erinnern?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich müsste nachdenken. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich damit meine Probleme. Ich habe einiges von mir gegeben, aber ...«
»Es ging nicht nur um ihn, sondern auch um seine Freunde. Das habe ich damit gemeint.«
Justine fuhr durch ihr helles Haar. Im Augenblick fühlte sie sich überfordert. Das ärgerte sie. Sie war jemand, die gut sein wollte, und es wurmte sie, wenn einer besser war als sie. Das bezog sie nicht unbedingt auf van Akkeren, denn der war auf seine Art und Weise wirklich ein Star, doch die Blonde gehörte zu den Wesen, die es anderen zumindest gleich tun wollten.
Der Grusel-Star ließ sie noch schmoren. Erst nachdem er sich gereckt hatte, was ihm ein Gefühl der Sicherheit und Überlegenheit gab, kam er auf das Thema zu sprechen.
»Es gibt nicht nur ihn allein, das hast du gut erkannt. Er hat Freunde, dieser verfluchte Geisterjäger.«
»Ja!«, zischte Justine. »Die Conollys, die Templer, dieser Chinese und noch ...«
Da van Akkeren den Kopf schüttelte, sprach sie nicht mehr weiter. Sie ballte nur die Hände zu Fäusten, weil sie sich darüber ärgerte, unterlegen zu sein.
»Wer noch?«
»Marek!«
Justine Cavallo schwieg. Mit diesem Namen konnte sie nichts anfangen. Marek sagte ihr nichts. Dieser Name war neu. Van Akkeren hatte ihn bisher nie erwähnt, deshalb konnte sie auch nicht daran glauben, dass er so wichtig sein sollte.
»Wer ist das?«
»Marek, der Pfähler.«
»Ich kenne ihn nicht.«
»Das weiß ich.«
»Woher kennst du ihn?«
Der Grusel-Star winkte ab. »Eigentlich aus alten Zeiten, denn da hat er auch schon existiert. Ich hatte allerdings damit gerechnet, dass es ihn nicht mehr gibt, aber ich habe mich verrechnet. Nun ja, das spielt keine Rolle. Jedenfalls gibt es ihn, und er ist nicht eben ...«
Justine ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Sie war da über einen Begriff gestolpert, und darüber wollte sie mehr wissen.
»Du hast von einem Pfähler gesprochen.«
Van Akkeren ließ sich zurücksinken. »Das stimmt, Justine, ich sprach von einem Pfähler.«
Die Augen der Blonden verengten sich. Sie rieb ihre Hände wie jemand, der schwitzt.
»Der Name gefällt mir nicht«, flüsterte sie. »Er lässt bestimmte Rückschlüsse zu.«
»Die nicht verkehrt sind.«
Sie deutete ein Nicken an. »Bedeutet der Begriff Pfähler genau das, was das Wort aussagt?«
»Ja, das bedeutet er.«
Justine beugte ihren Kopf vor. Er ... er ... ist ein Feind«, dehnte sie, »oder?«
»Das ist er. Marek hasst uns. Er hasst uns wie sonst nichts auf der gesamten Welt. Er ist ein Vampirjäger. Er ist ein Vampirschlächter. Er will all die töten, die so sind wie wir. Er kennt keine Gnade, er kennt kein Pardon. Er ist brutal und grausam, was uns angeht. Es macht ihm Vergnügen, uns zu pfählen ...«
»Moment, Vincent, du bist kein Vampir!«
»Stimmt. Aber er hasst auch mich. Es geht ihm um die Wesen, die nicht auf der Seite der Menschen stehen. Aber am meisten hasst er die Vampire, und sein Pfahl hat schon einige von uns vernichtet. Man kann sagen, dass er sich auf die Vampire spezialisiert hat.«
»Und er kennt Sinclair.«
»Sie sind Freunde.«
In Justines Augen war die Veränderung nicht zu übersehen. Sie sah wieder eine Perspektive. Der Glanz erinnerte eine bestimmte Vorfreude, und das Lächeln wirkte wie das eines Raubtiers. Sie sah aus wie jemand, der sich auf das Blut freut.
»Muss ich mehr sagen, Justine?«
»Eigentlich nicht«, flüsterte sie, »das ist schon okay. Sinclairs Freunde sind unsere Feinde.«
»So ist das.«
Die blonde Bestie stand mit einem Ruck auf. »Okay, wo kann ich ihn finden?«
»He, he, nicht so übereilig. Marek ist ein Gegner. Du wirst kaum hingehen können, um ihm so locker das Blut auszusaugen. Außerdem lebt er nicht dort, wo Sinclair lebt.«
»Wo dann?«
»Auf dem Balkan«, erklärte der Grusel-Star.
Justine kniff die Augen zusammen. »Der Balkan ist groß«, sagte sie leise. »Soll ich ihn absuchen?«
»Nein. Es gibt ein Land, das heißt Rumänien. Früher wurde dieser Teil Transsylvanien genannt. Die Berge dort sind die Karpaten genannt ...«
»Die Heimat des Vlad Dracula«, flüsterte Justine dazwischen.
»Richtig.«
»Ahhh«, stöhnte die blonde Bestie, als hätte ihr jemand etwas besonders Schönes gesagt. »Ein Traum, denke ich. Jeder wünscht es sich, dort sein zu können.«
»Dem steht nichts im Wege.«
Sie lachte scharf. »Das heißt, dass ich ...«
Van Akkeren ließ sie nicht ausreden. »Ja, das ist tatsächlich der Fall. Du wirst ihm einen Besuch abstatten, und danach wird es den Pfähler nicht mehr geben.«
Die Blutsaugerin schwieg. Sie musste zunächst durch ihr Gesicht streichen. Dann schaute sie wieder den Grusel-Star an, der aber nichts sagte, sondern ihre Reaktion abwartete.
Bei Justine war der erste Überschwang verschwunden, und deshalb fragte sie auch: »Ist das wirklich so einfach, Vincent?«
»Nein, das ist es nicht, denn Marek ist verdammt gefährlich. Aber wäre es anders, so hätte ich dir nicht Bescheid geben müssen. Du kannst nicht einfach hingehen und ihn fertigt machen, denn er besitzt nicht nur seinen alten Eichenpfahl als Waffe, sondern auch ein Vampirpendel, das ihm den Weg zu den Blutsaugern zeigt. Es wird also nicht einfach für dich sein, sich ihm zu nähern. Da musst du schon verdammt auf der Hut sein.«
»Danke für den Ratschlag, aber das werde ich. Nur brauche ich von dir genaue Informationen, wo ich ihn finden kann, denn Rumänien ist nicht eben klein.«
»Das weiß ich alles, Justine. Keine Sorge, ich werde dir die Informationen geben.«
»Das ist gut.«
Justine wusste genau, wann sie den Mund halten musste und wann nicht. Hier hielt sie die Lippen geschlossen und hörte gespannt zu, was ihr der Grusel-Star mitzuteilen hatte.
Je länger er sprach, desto mehr leuchteten ihre Augen auf. Für sie war dieser Pfähler schon jetzt so gut wie tot ...
Ich stand vor meiner Reisetasche, die ich auf dem Bett abgestellt hatte, und schaute hinein.
Noch war sie leer, aber das sollte sich ändern. Nur wusste ich nicht, was ich alles mitnehmen sollte, obwohl der Besuch nicht länger als ein Wochenende dauerte. Aber ich wusste nicht, ob ich auch wärmere Klamotten einpacken sollte, denn zu dieser Zeit konnte es in Rumänien schon kühl sein.
Im September lief der Sommer aus. Da waren die Tage oft noch warm, aber die Nächte weniger, und deshalb entschloss ich mich, einen Pullover einzupacken, und legte auch noch einen zweiten hinzu. Ersatzhosen, auch zwei, dann die Unterwäsche und was man noch alles so braucht für einen Kurztrip in die Karpaten, den ich allerdings nicht allein unternehmen wollte, denn mein Freund Bill Conolly flog ebenfalls mit, das war er einem alten Freund schuldig, der uns zu seinem Geburtstag eingeladen hatte.
Auch Suko hätte mitfliegen sollen, Sheila und Shao ebenfalls, aber die Frauen hatten auf den Trip verzichtet. Suko wäre gern mitgeflogen, wenn er nicht zu einer Beerdigung gemusst hätte, denn einer seiner »Vettern« war gestorben.
Suko war nicht direkt mit ihm verwandt, doch man kannte sich, und man schätzte sich auch, und so gab es zwischen den Chinesen in London ein Netzwerk, durch das auch Informationen liefen. Die Menschen standen untereinander in Verbindung, und wenn jemand starb, der wichtig war, denn erwiesen ihm viele Menschen die letzte Ehre.
So war es auch in diesem Fall. Ich kannte den Mann nicht, den der Sensenmann dahingerafft hatte, aber für Suko war er wichtig gewesen, und es hätte seiner Reputation schon geschadet, wäre er der Beerdigung fern geblieben.
Also hatte er schweren Herzens nachgegeben oder zugestimmt, ganz wie man das sah. So flogen Bill Conolly und ich zu zweit nach Rumänien, um einen Geburtstag unseren alten Freundes Marek zu feiern.
Was hatten wir schon alles gemeinsam er- und durchlebt. Marek war der Vampirhasser und Vampirjäger par excellence. Er hasste die Blutsauger, die ihm auch seine Frau genommen hatten. Seit dieser Zeit hatte er sein Leben noch stärker der Jagd nach den Vampiren gewidmet.
Frantisek Marek wohnte in Petrila, einem kleinen Ort nahe der Karpaten, also richtig in der Szene, wie man so schön sagt. Früher war sein Haus nicht mehr als eine Hütte mit angeschlossener Werkstatt gewesen, denn Marek hatte als Schmied gearbeitet. Jetzt wirkte das Haus nach außen hin kaum anders, aber innen hatte sich etwas getan. Es war renoviert worden. Marek hatte umgebaut und sich der Zivilisation angepasst. Er besaß ein Telefon, ein Handy ebenfalls und würde sogar einen Laptop bekommen, den brachte ihm Bill als Geschenk mit.
Die Conollys hatten Marek finanziert und finanzierten ihn auch weiterhin, denn es war wichtig, ein Vampirjäger zu sein. Da es den Conollys nicht an Geld fehlte, war für sie selbstverständlich, dass sie sich um Frantisek Marek kümmerten und auch, dass Bill zu seinem Geburtstag mitflog.
Das Geschenk war praktisch von uns allen. Die entsprechenden Voraussetzungen gab es im Haus des Pfählers, und jetzt war ich praktisch der Einzige, der keinen Computer in seiner Wohnung stehen hatte, was ich allerdings nicht als tragisch empfand, denn nebenan wohnten Shao und Suko, wobei sie ein Computer-Fan der Superklasse war und oft im Internet surfte.
Der Pfähler wusste nicht, was wir ihm mitbrachten, und Bill war davon überzeugt, dass er sich darüber freuen würde, denn so würde die Kommunikation zwischen uns wesentlich schneller.
Dennoch schüttelte ich den Kopf, wenn ich an die Jahre zurückdachte und mich an die Anfänge erinnerte. Da hatte der gute Frantisek Marek nicht mal ein Telefon besessen.
Ich hatte alles eingepackt und schaute noch immer ein wenig verloren auf meine Reisetasche. Es war Vormittag. Suko hatte sich bereits von mir verabschiedet und war zusammen mit Shao auf die Beerdigung gegangen. Als sich das Telefon meldete, rechnete ich damit, dass mich Bill anrufen wollte.
Es war ein Irrtum, denn Glenda Perkins wollte mich noch mal sprechen.
»Na, Geisterjäger, alles klar?«
»Bis jetzt schon.«
»Dann sieh zu, dass du gesund zurückkehrst, und bestell Frantisek die besten Grüße, Glückwünsche, verbunden mit einem möglichst langen Leben.«
»Werde ich machen, danke.«
»Und denk dran, wo du bist, John.«
Ich tat unwissend. »Was meinst du damit?«
»Im klassischen Land der Vampire. Wie ich dich kenne, ziehst du die Blutsauger an wie das Licht die Mücken. Also gib bitte Acht.«
»Danke. Deine Fürsorge ist ...«
»Echt, John, wirklich echt. Das Gleiche haben auch Jane Collins und Lady Sarah gesagt. Hast du übrigens das Geschenk für Frantisek von ihnen dabei?«
»Habe ich. Der Umschlag steckt in meiner Jacke.«
»Okay. Dann gute Reise.«
»Ja, wir sehen uns.«
Ich lächelte, als ich aufgelegt hatte. Irgendwie waren alle besorgt um mich, was mich auch freute. Aber gerade jetzt wollte ich eigentlich nur mit meinem alten Freund Marek Geburtstag feiern. Außerdem war es ein besonderer, denn er lag genau in der Mitte zwischen sechzig und siebzig. Da gingen andere Menschen in Rente, falls sie nicht schon vorher von der Arbeit weg waren.
Bei Frantisek Marek konnte ich mir das nicht vorstellen. Er hatte eine Aufgabe durchzuziehen, und er würde sie auch bis zu seinem letzten Atemzug ausführen.
Gepackt hatte ich. Zum Airport wollten wir mit der Bahn fahren. Getrennt. Erst in Heathrow würden wir uns treffen. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es allmählich Zeit wurde, denn ich kannte den Verkehr in London. Ich musste noch bis zum Bahnhof und dort einsteigen.
Ich schloss den Reißverschluss der Tasche. Alles fertig, klar zur Abreise. Auch meine Beretta hatte ich mitgenommen. Dank eines besonderen Schreibens würde es mit dem Zoll keinen Ärger geben. Wahrscheinlich musste ich die Pistole nur während des Flugs beim Kapitän abliefern, aber das war kein Problem.
Als ich die Wohnungstür hinter mir abgeschlossen hatte und im Lift nach unten fuhr, horchte ich in mich hinein und fragte mich, ob ich mich auf die Reise und auf den Geburtstag meines Freundes Frantisek überhaupt freute.
Ich hätte es tun sollen, können, müssen – wie auch immer. Seltsamerweise aber blieb ein leicht unruhiges Gefühl in mir zurück. Es konnte daran liegen, dass die Reisen nach Rumänien für mich eigentlich nie so glatt über die Bühne gegangen waren, denn Ärger hatte es im klassischen Land der Vampire immer gegeben ...
Das Scheppern klang sehr leise. Dennoch erwachte Marek, der Pfähler in Sekundenschnelle.
Dass die Matratze quietschte, störte ihn nicht, das passiert beim Aufrichten immer wieder, aber das Scheppern war so etwas wie ein Warnsignal gewesen, und das mitten in der Nacht.
Er blieb sitzen.
Noch leicht benommen, aber das legte sich bereits nach einigen Sekunden. Da war er wieder voll da und konnte seine Ohren als Lauschposten bezeichnen.
Das Scheppern wiederholte sich in der nächsten Minute nicht, die dem Pfähler sehr lang vorkam. Beruhigt war er trotzdem nicht. Was er gehört hatte, das hatte er gehört. Zudem hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, sozusagen nur mit einem Ohr zu schlafen, denn seine Urfeinde schliefen ebenfalls nicht. Besonders nicht in der Dunkelheit. Sie waren Geschöpfe der Nacht, denn nichts liebten sie so sehr wie die Finsternis, in der sie auf Jagd gingen.
In den letzten Wochen war es relativ ruhig gewesen. Da hatte es keinen Ärger gegeben, aber Marek glaubte nicht daran, dass dies so bleiben würde. Er kannte seine Pappenheimer. Es gab sie, und es gab sie immer wieder. Es würde sie auch noch dann geben, wenn es ihn nicht mehr gab, doch bis dahin wollte er so viel wie möglich von ihnen vernichtet haben.
Fast hätte er aufgelacht, als er daran dachte, dass sein Geburtstag bereits begonnen hatte, denn die Tageswende war bereits um acht Minuten überschritten.
»Herzlichen Glückwunsch«, flüsterte er vor sich hin. »Andere werden nicht so alt wie du.«
Er nahm diesen Geburtstag locker, und als er daran dachte, wer ihn besuchen würde, da freute er sich, denn John Sinclair und Bill Conolly gehörte zu seinen besten Freunden. Er wäre auch nicht traurig gewesen, wenn sie nicht hätten kommen wollen, denn er kannte den Job der beiden Freunde. Schließlich gehörten sie zu den Menschen, die ebenfalls die verfluchten Wesen der Finsternis jagten, und dazu zählten nun mal auch die Vampire.
So sehr er sie hasste, so sehr er sich wünschte, sie vernichten zu können, an seinem Geburtstag wollte er von ihnen nicht belästigt werden und seine Ruhe haben. Danach konnten sie wieder kommen, dann wartete er praktisch auf sie, aber bitte nicht an dem einen Tag, den er wie ein normaler Mensch verleben wollte.
In diesen langen Minuten glitten seine Gedanken zurück in die Vergangenheit, und er dachte an Marie, seine Frau, die durch einen Vampirbiss zur Blutsaugerin geworden war.
John Sinclair hatte sie damals töten müssen. Zuerst hatte Marek ihn dafür gehasst, dann aber hatte er nachgedacht und festgestellt, dass es für John die einzige Möglichkeit gewesen war, sie von ihrem Fluch zu erlösen. Die Freundschaft der beiden Männer war dann noch fester geworden.
Er räusperte sich, wischte über seine Stirn hinweg und merkte, dass sich ein dünner Schweißfilm auf seiner Stirn gebildet hatte. Es lag wohl daran, dass ihm seine verstorbene Frau wieder in den Sinn gekommen war. Er hätte viel dafür gegeben, Marie wieder bei sich zu wissen, doch das war leider unmöglich.
Er saß noch immer auf seinem Bett und war in Gedanken versunken. Bis er wieder aufschreckte, denn das Geräusch hatte sich wiederholt.
Erst jetzt wurde ihm richtig klar, dass er sich nicht geirrt hatte. Für ihn stand fest, dass es jemanden gab, der um sein Haus herumschlich und der ihm bestimmt nicht zum Geburtstag gratulieren wollte.
Es gab keine elektrische Alarmanlage, aber Marek hatte vorgesorgt. In der unmittelbaren Nähe des Hauses waren dünne Fäden gespannt worden. Man sah sie kaum im Hellen und erst recht nicht im Dunkeln. Wenn jemand gegen sie stieß, waren sie so gut wie nicht zu spüren, doch ihre Vibrationen griffen über auf die leeren Konservendosen, mit denen die Drähte verbunden waren. Durch die Bewegungen prallten sie gegeneinander und begannen zu scheppern.
Genau dieses Geräusch hatte Marek zwei Mal alarmiert.
Er glaubte nicht, dass es ein Tier gewesen war. Die hier lebenden Vierbeiner waren zumeist zu klein und liefen unter den Drähten her. Das musste schon ein größeres Wesen gewesen sein, und der misstrauische Pfähler rechnete damit, es mit einem Menschen zu tun zu haben.
Das ließ sein Misstrauen natürlich noch mehr ansteigen. Wer trieb sich um diese Zeit an seinem Haus herum? Bestimmt keiner, der ihn normal besuchen wollte.
Und Feinde hatte er genug. Weniger unter den Menschen, als unter den Blutsaugern und denen, die mit ihnen in Verbindung standen, was durchaus auch Menschen sein konnten. Obwohl die Zeiten der Diktatur schon lange zurücklagen und Marek sie auch nicht mehr herbeisehnte, war der große Aufschwung für die Masse der rumänischen Bevölkerung ausgeblieben. Zu viele waren arm, und nur einige wenige hatten es geschafft, reich zu werden. Sie unterdrückten dann die ärmere Bevölkerung, sodass es manchmal kaum einen Unterschied zu den alten Zeiten gab.
Marek hatte bisher im Dunkeln gesessen, und das behielt er auch bei. Wer immer um sein Haus herumschlich, er wollte den anderen in dem Glauben lassen, nichts gehört zu haben.
In seinem eigenen Haus kannte er sich perfekt aus. Er brauchte kein Licht, um sich anzuziehen. Die Kleidung lag da, wo sie immer lag, und auch die wichtigste Waffe, der Pfahl, befand sich immer in griffbreiter Nähe.
Ebenso wie sein Vampirpendel mit dem in den Stein eingravierten Gesicht der alten Zigeunerin Zunita. Wenn die Blutsauger in der Nähe waren, dann schlug das Pendel aus, aber auch die Augen in dem fratzenhaften Gesicht glühten.
Pflock und Pendel lagen in der Nahe auf einer kleinen Kommode. Marek warf einen ersten Blick dorthin. Er sah das Glühen in den Augen nicht, und seine starke Spannung verlor sich etwas. Er atmete aus und schlich auf Zehenspitzen zum Fenster.
Wie alle Fenster in dem kleinen und immer geduckt wirkenden Haus war auch dieses recht klein. Ein Quadrat, vor dem ein dunkler Vorhang hing, den Marek mit zwei Fingern zur Seite schob, damit er sich eine Lücke schaffte.
Er spähte hinaus und sah so gut wie nichts. Die Dunkelheit hatte alles gefressen. Selbst die Gewächse waren verschwunden. Es gab einfach kein Licht, und vom Himmel sickerte ebenfalls nichts auf die Erde herab, weil die Gestirne hinter einer fast geschlossenen Wolkendecke verschwunden waren.
Ideale Bedingungen für einen Dieb, sich an einen bestimmten Ort heranzuschleichen. Allerdings glaubte Frantisek daran nicht. Diebe fanden bei ihm nicht viel, obwohl es auch welche gab, für die ein Fernseher und ein Handy schon etwas Tolles waren. Marek wusste auch, dass hin und wieder Banden aus der Großstadt die Gegend unsicher machten und oft gnadenlos vorgingen. Da hatte es sogar schon Tote gegeben.
Nachdem er eine Weile durch das Fenster geschaut hatte und nichts passiert war, zog er sich wieder zurück. Er war nicht beruhigt und blieb weiterhin gespannt, aber seine Bewegungen waren trotzdem ruhig, als er die Kleidung überstreifte.
Dabei lauschte er immer wieder. Er wartete auf das erneute Scheppern, das jedoch nicht erfolgte. Ihn allerdings beruhigte es nicht unbedingt, und so blieb die Spannung bestehen.
Es war an den Tagen noch recht warm gewesen, auch wenn die ganz große Hitze verschwunden war, aber in den Nächten wurde es schon empfindlich kühl, und danach richtete sich der Pfähler. Seine Jacke hing im Flur.
Das Pendel hatte er umgehängt. Der alte Eichenpflock steckte in seinem Gürtel, und damit war der Pfähler wieder kampfbereit. Jetzt wartete er förmlich auf einen Blutsauger, um ihm den alten Eichenpflock ins Herz rammen zu können.
Im Flur hätte er das Licht einschalten können, doch auch das ließ er bleiben. Hindernisse, gegen die er stoßen konnte, gab es so gut wie nicht, und dem Garderobenbrett mit dem vorspringenden Haken wich er aus. Im Flur gab es auch ein Fenster, vor dem Frantisek stehen blieb und abermals nach draußen spähte. Diesmal allerdings auf die Vorderseite des Hauses.
Wie er es sich schon gedacht hatte, es war nichts Auffälliges zu sehen. Zwar gab es auch hier die Dunkelheit, sein Blick war jedoch besser als zuvor an der Rückseite, weil keine Sträucher die Sicht verdeckten. Die nächsten Bäume wuchsen ein Stück entfernt.
Beruhigt war der Pfähler nicht. Er kannte seine Feinde. Er wusste, wie sie sich benahmen. Dass sie im Hintergrund lauerten und stets auf günstige Gelegenheiten warteten, um anzugreifen. Einer wie er stand auf der Todesliste der Blutsauger ganz oben, was er auch verstand, denn zu viele von ihnen hatte er schon vernichtet.