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Ihre Namen waren Marietta, Sibilla und Hanna - drei Frauen, die von der Inquisition ausersehen waren, in den reinigenden Flammen zu sterben. Sie verbrannten, ja, aber auf eine Weise, die die zahlreichen Schaulustigen mit Entsetzen und Staunen erfüllte. Seitdem gingen Jahrhunderte ins Land. Wo sich damals die Hinrichtungsstätte befunden hatte, erstreckte sich heute der bekannte Melaten-Friedhof in Köln. Doch selbst die Zeit konnte bestimmte Mächte nicht besänftigen. Sie warteten, lauerten im Verborgenen. Und eines Tages wurde der uralte Fluch von Melaten lebendig ...
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Seitenzahl: 197
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Der Fluch von Melaten
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Der Fluchvon Melaten
von Jason Dark
Ihre Namen waren Marietta, Sibilla und Hanna – drei Frauen, die von der Inquisition ausersehen waren, in den reinigenden Flammen zu sterben. Sie verbrannten, ja, aber auf eine Weise, die die zahlreichen Schaulustigen mit Entsetzen und Staunen erfüllte.
Seitdem gingen Jahrhunderte ins Land. Wo sich damals die Hinrichtungsstätte befunden hatte, erstreckte sich heute der bekannte Melaten-Friedhof in Köln. Doch selbst die Zeit konnte bestimmte Mächte nicht besänftigen. Sie warteten, lauerten im Verborgenen. Und eines Tages wurde der uralte Fluch von Melaten lebendig ...
»An den Galgen mit ihnen! Hängt sie auf!«
»Nein, verbrennt sie zu Asche!«, brüllte eine zweite Frau.
Eine dritte Person reckte den Arm und drohte mit der Faust.
»Foltert sie! Vierteilt sie! Reißt sie in Stücke!« Die Stimme überschlug sich, und in den weit geöffneten Augen leuchtete unverkennbarer Hass.
Der Wagen mit den drei gefangenen Frauen rumpelte weiter. Zwei Ackergäule zogen ihn stoisch voran. Die Achsen der hohen Räder quietschten erbärmlich. Der Gitterwagen fuhr über einen Boden hinweg, der mit Schlaglöchern übersät war, in denen sich das Wasser des letzten Regens gesammelt hatte.
An den Rändern der Strecke standen Frauen, Männer und Kinder. Sie alle jubelten, drohten, schrien. Wären nicht Soldaten als Schutz mitgegangen, dann hätten sie den Wagen gestürmt, die drei Frauen herausgeholt und sie brutal getötet.
Die Gefangenen waren hinter den Holzgitterstäben zu sehen. Befreien konnten sie sich nicht, denn auch über ihren Köpfen befanden sich die Stäbe, die sie von einer Flucht abhielten. Zudem hatte man sie gefesselt. Mit dicken Stricken waren sie aneinander gebunden worden. Sie hockten auf dem Boden und wurden durch die schaukelnden Bewegungen des Wagens immer wieder gegeneinander geworfen. Sie fuhren einem Ziel entgegen, ihrem Tod, aber die Angst war ihnen nicht anzusehen. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos; selbst dann wenn Zuschauer versuchten, sie anzuspucken, regte sich nichts.
Sie hatten keine Chance, aber sie nahmen es gleichgültig hin. Ab und zu bewegten sich ihre Gesichter, wenn sie lächelten, und sie schienen mit ihrem Ende sehr zufrieden zu sein.
Drei Frauen – drei Namen!
Die Blonde hieß Marietta. Sie war mal hübsch gewesen, doch die Spuren der letzten Folter hatten ihre Spuren hinterlassen. So schimmerte das Gesicht an einigen Stellen blau bis grau, Nachwirkungen der Schläge, die sie erhalten hatten. Das Haar war schmutzig und hing verfilzt bis hinab in den Nacken. Ihr Körper war von ebenfalls schmutzigen Lumpen umhüllt. Sie waren mal ein Kleid gewesen.
Sibilla, die zweite Frau, besaß rotes Haar. Für viele Menschen sowieso schon ein schlechtes Zeichen. Eine Frau mit roten Haaren war nicht normal. Da hatte der Teufel mit seinen Vasallen dafür gesorgt, dass sie ihm immer dankbar war. Auch Sibilla hatte ihr ursprüngliches Aussehen verloren. Schmutzig, mit blutigem Gesicht und gesenktem Kopf hockte sie auf dem Boden des Karrens, und ihr nach unten gerichteter Blick verlor sich ins Nichts. Das Zucken der Lippen sah kaum jemand, aber sie lächelte hin und wieder.
Die dritte Gefangene hieß Hanna. Eine dunkelhaarige Schöne. Eine Hure des Teufels, wie sie genannt worden war. Ihr Körper zeigte besonders viele Merkmale wilder Folterungen. So zeichneten sich auf ihrer Haut die Wunden ab, die mittlerweile eine Kruste mit einem Schorffilm bekommen hatten.
In der Folter hatte man ihr zwei Finger der rechten Hand gebrochen, die nun in rechtem Winkel nach unten hingen und zu nichts mehr zu gebrauchen waren. Auch war die Hand durch den Bruch dicker geworden, sodass sie mehr an einen Klumpen erinnerte.
Die drei Frauen hatten Schlimmes hinter sich. Auch jetzt litten sie an den Folgen, aber sie schrien nicht mehr. Diese Zeiten waren vorbei. Sie brüllten nicht nach dem Teufel als großem Befreier, sie wussten, dass der Scheiterhaufen wartete.
Aber in ihren Seelen hatte sich die Hoffnung gebildet. Eine düstere Hoffnung. Ein Gefühl, von dem die vielen Menschen, die den Weg zum Scheiterhaufen säumten, nichts ahnten. Eine Flamme war in ihnen aufgelodert, und die würde so leicht nicht verlöschen.
Der Karren rumpelte weiter. Hin und wieder erhielten die breiten Pferderücken Peitschenschläge, denn die Gäule waren müde geworden und wurden immer angetrieben.
Am Himmel trieben düstere Wolken entlang. Hin und wieder zerriss der Wind sie und sorgte für Lücken, die dann wie eine bleiche Totenhaut schimmerten.
Die Soldaten hatten die drei Frauen aus der Stadt geschafft. Die Hinrichtung musste jenseits der Ringe stattfinden, an einem Platz, den die meisten Menschen mieden, denn dort war das Lager der Pesttoten. Genau da waren viele der ausgemergelten Leiber auch dem Feuer übergeben worden. Und das sollte auch die drei Frauen fressen und dafür sorgen, dass von ihnen nur Asche zurückblieb.
Immer wieder brüllten die Zuschauer sie an. Kinder wurden hochgehoben, um die Bösen zu sehen, die sich mit den Schergen der Hölle eingelassen hatten.
Marietta, Sibilla und Hanna ließen diese Beschimpfungen stoisch über sich ergehen. Hin und wieder schauten sie sich an, ohne jedoch ein Wort zu sagen. Ihre Körper bewegten sich im Rhythmus des schaukelnden Karrens. Oft genug wurden sie gegeneinander geschleudert, und das sah immer so aus, als würden sie sich gegenseitig Kraft geben, um dem Tod standhalten zu können.
Die Strecke, die bisher als Weg oder Straße hätte angesehen werden können, verlor sich und mündete in einen freien Platz, dem Ziel des Transports und zugleich die Hinrichtungsstätte, wo Soldaten ihre Mühe hatten, das Volk zurückzuhalten, die den Ring aus Leibern immer enger ziehen wollten.
Dort warteten die Feuerhenker. Sie waren diejenigen, die den Scheiterhaufen anzündeten, wenn die Frauen an den Pfählen hingen, um Opfer der Flammen zu werden.
Es waren muskulöse Kerle mit nackten Oberkörpern, die ihre Pechfackelstäbe bereits in den kräftigen Händen hielten. Hin und wieder arbeiteten sie auch als normale Henker, wenn Menschen die Köpfe abgeschlagen wurden, aber an diesem düsteren Abend sollten sie das Reisig anzünden, das sofort Feuer fangen würde, weil es eben so trocken war.
Und noch jemand wartete.
Es war der Pfarrer, der Vertreter der Kirche. Der Geistliche, der sie noch einmal fragen würde, ob sie nicht im Angesicht des Todes dem Satan abschwören wollten.
Er war zugleich ein Mensch, dessen Doppelzüngigkeit widerlich war. Auch bei der Folter war er schon anwesend gewesen. Er hatte sie gefragt, er hatte ihnen gedroht und geschmeichelt, und er hatte sich an ihren nackten Körpern ergötzt. Bigotter und falscher konnte man nicht sein, aber der Pfarrer, der zugleich auch Mönch war, sah dies nicht so. Er ging mit Feuereifer seiner »Arbeit« nach und konnte sich damit rühmen, schon viele dieser Töchter des Teufels dem Feuer übergeben zu haben. Wer einen Menschen verdächtigte, mit dem Bösen im Bunde zu stehen, der kam oft genug zu ihm, um diese Personen zu denunzieren.
Als er den Karren sah, hob er seinen Kopf und lächelte. Er trug einen violetten Talar, aus dem der Kopf wie eine Kugel hervorschaute. Er war bis auf einen Seitenkranz dunkler Haare kahl geschoren. Ein ebenfalls dunkler Bart umwuchs den Mund und breitete sich bis über das Kinn hinweg aus. Im Gestrüpp des Bartes schimmerte das feuchte Lippenpaar, über das Hochwürden immer wieder mit der Zungenspitze leckte und dabei glänzende Augen bekam, weil er sich so auf das Ende der drei Hexen freute.
Frauen, Hexen und Hebammen!
Alles drei war für ihn schlimm, aber auch ihr Beruf. Ausgerechnet sie halfen anderen Frauen, Kinder zur Welt zu bringen, was er einfach als schrecklich empfand. Wenn die Kinder die Leiber ihrer Mütter verließen und von den Händen der Hebammen berührt wurden, erhielten sie bereits das Zeichen des Teufels. Dann waren sie ihm geweiht und wurden der Heiligen Kirche entrissen.
Es hatte lange gedauert, bis die Menschen es gemerkt hatten. Dann aber hatten sie sofort gehandelt, und nun war Köln, die Stadt am Rhein, frei von diesem Hebammen-Gesindel.
Die Pferde hielten an. Niemand brauchte sie zu zügeln. Sie wussten genau Bescheid und senkten ihre Köpfe, als würden sie sich dafür schämen, die Frauen an den Platz ihres Todes gebracht zu haben.
Die Zuschauer schrien. Sie brüllten. Sie schimpften. Sie drohten wieder. Sie spuckten, und wären die Menschen nicht zurückgehalten worden, hätten sie sich auf die Frauen gestürzt und sie zu Tode geprügelt.
Zwei Soldaten hatten inzwischen die Klappe am Heck des Wagens geöffnet. Jetzt konnten die Hebammen den Käfig verlassen, und niemand half ihnen dabei.
Durch die Fesseln waren sie in ihren Bewegungen eingeschränkt. Sie konnten nicht aufrecht stehen, und so krochen sie aus dem Käfig hervor, wobei sie sich gegenseitig zogen und manchmal auch umwarfen. Die Menschen hatten ihren Spaß, und sogar der Pfarrer konnte sich das Lächeln nicht verkneifen, wurde aber sehr schnell wieder ernst, als einer der Soldaten in seine Nähe trat.
Der Haufen aus Reisig war nicht voll um die drei Pfähle geschlossen. Es war ein schmaler Pfad offen gelassen worden, um den Weg zu den Pfählen freizulassen. Durch ihn wurden die drei Frauen geschafft, gezerrt, gezogen oder geprügelt.
Es bedurfte dreier Helfer, um sie auf die Beine zu ziehen, auch dann standen sie noch krumm, weil die Fesseln eben an so unterschiedlichen Stellen angebracht worden waren.
Die Schergen wollten sie wegziehen, aber die schroffe Armbewegung des Vertreters der Heiligen Kirche stoppte sie.
»Was ist, Hochwürden?«
Der Geistliche trat näher. »Ich will noch mit ihnen sprechen. Vielleicht haben sie es eingesehen und schwören dem Teufel ab, wobei sie gleichzeitig ihre Sünden bereuen.«
»Bitte, Hochwürden!«
Auf dem Gesicht des Geistlichen erschien ein hinterlistiges Lächeln. Er war innerlich um einiges gewachsen, denn er fühlte sich jetzt wie ein Großinquisitor aus Spanien, bei dem die Heilige Inquisition noch höher im Kurs stand.
Die drei Hebammen waren für Frauen recht groß gewachsen. Trotz ihrer perfiden Fesselung sahen sie nicht aus wie arme Sünderinnen. So gut es möglich war, hielten sie ihre Köpfe erhoben, um dem Pfarrer und Mönch in die Augen zu schauen.
Auch er sah sie eine Weile an und blieb dabei stumm. In seinen Augen leuchtete etwas, das kaum zu beschreiben war. Es konnte Vorfreude sein. Vielleicht war es auch die Erinnerung an die Phasen der schrecklichen Folter, die er so hautnah miterlebt und an der er sich ergötzt hatte.
Auch jetzt leckte er wieder über seine feuchten Lippen und faltete die Hände.
»Der Herr ist allmächtig. Der Herr ist groß. Der Herr ist gerecht«, sagte er mit salbungsvoller Stimme. »Der Herr wird auch demjenigen gerecht, der seinen Sünden abschwört und sich in seinem Schoß zur Ruhe betten will.« Er nickte ihnen zu. »Wenn ihr auf die Heilige Schrift schwört und den Satan verflucht, dann wird sich der Himmel öffnen, und es werden euch die Engel die Hände entgegenstrecken, um für euch am Thron des Allmächtigen um Gnade zu bitten.« Seine Stimme nahm an Lautstärke und Schärfe zu. »Deshalb schwört dem Satan ab. Hier an dieser Stelle und unter den Gerechten.«
Es war ein Spiel, das dem Mönch Spaß machte. Er wusste, dass sie ihm nicht folgen würden, aber er brauchte einfach die Schau, denn er wollte als der Gerechte dastehen.
Die drei Frauen erwiderten nichts!
Selbst die zahlreichen Zuschauer hielten sich mit ihren Aussagen zurück. Sie spürten die Spannung, die sich ausgebreitet hatte und immer mehr verstärkte, weil eben Zeit verging.
Hin und wieder schnaubte ein Pferd. Es war das einzige Geräusch in dieser Stille.
Der Wind trieb einen schalen und ekligen Geruch von der nahen Peststation herbei. Es roch nach Rauch, aber auch nach verbranntem Fleisch.
Zwei dunkle Vögel bewegten sich heftig flatternd über den Platz des Todes hinweg. Sie krächzten dabei, als wollten sie das Lied des Todes anstimmen.
Der Mönch ließ sich bewusst Zeit. Er legte den Kopf schief und versuchte, einen gütigen Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern, was ihm die meisten Menschen abnahmen, nicht jedoch die drei Hebammen.
»Nun, ich warte auf Antworten.«
Die Frauen drehten ihre Körper so, dass sie sich anschauen konnten. Sie gaben keine Antwort, aber der Geistliche sah, dass sie sich mit Blicken verständigten, und das passte ihm irgendwie nicht so ins Geschäft. Auch zeigten sie keine Angst, sie lächelten sogar, was den Bärtigen auf die Palme brachte.
»Eure Teufelshände werden nie mehr die Körper unschuldiger Kinder anfassen. Nie mehr. Das heilige Feuer wird euch vernichten, und der Wind wird eure Asche in alle Richtungen verstreuen. Ihr werdet nur noch Erinnerung sein, nicht mehr. Erinnerung an drei Weiber, die mit dem Satan gebuhlt haben.«
Bisher hatten sich die Frauen nur angeschaut. Jetzt, nachdem der Mönch seine Hasstirade beendet hatte, nickten sie sich zu. Der Geistliche sah es als Zeichen für die Richtigkeit seiner Worte an. Er trat sogar noch einen Schritt näher, und genau das hatten die drei Hebammen gewollt. Es war ihnen in der Zwischenzeit gelungen, so viel Speichel wie möglich zu sammeln.
Gemeinsam spien sie ihn an!
Der Vertreter der Kirche tat nichts. Er konnte nichts tun. Die Masse klatschte in sein feistes Gesicht. Für einen Moment blieb sie an den verschiedenen Stellen kleben, dann rann das Zeug in langen Bahnen nach unten.
Der Mönch war geschockt. Er stand auf der Stelle und zitterte. Selbst die Zuschauer gaben keine Kommentare ab, so stark waren sie von der Reaktion der Hebammen überrascht worden.
Dann aber fing sich der Vertreter des Klerus wieder. Er brüllte auf, als hätte ihm der Leibhaftige persönlich einen Dreizack in den Allerwertesten gestochen. Unter dem noch immer nach unten rinnenden Speichel lief sein Gesicht vor Wut rot an, und als er beim Schreien den Mund öffnete, rann etwas von dem Zeug dort hinein.
Das Gebrüll hallte über den großen Platz. Er schüttelte sich. Er war wie von Sinnen. Zwei Vertreter des Gerichts liefen auf ihn zu und packten ihn.
»Hochwürden, Ihr ...«
Sie konnten nichts mehr sagen, denn die keifende Stimme übertönte sie. »Auf den Scheiterhaufen mit ihnen! Auf den Scheiterhaufen! Ich will sie brennen sehen – brennen!«
Genau darauf hatten die Knechte und Häscher gewartet. Bevor sich die Hebammen versahen, wurden sie gepackt und weggeschleift. Wehren konnten sich die Frauen nicht, und in ihren Ohren gellten auch weiterhin die Schreie des bärtigen Mönchs, die ihren Weg zu den Plätzen des Todes begleiteten ...
»Die Hexen sollen brennen! Die Hexen sollen brennen! Verfluchte Hex', geh an deinen Höllenplatz ...«
Kinder waren es, die schrien und tanzten, während sie in die Flammen schauten, die an den Pfählen und an den drei Körpern in die Höhe schossen, denn das trockene Reisig hatte sehr schnell Feuer gefangen, das sich in Windeseile ausbreitete.
Die drei Hebammen starben. Sie konnten und würden nicht überleben. Sie wurden zu einem Opfer der Flammen. Ihre Haare brannten zusammen mit der Kleidung zuerst. Danach würde die Haut vergehen, vielleicht sogar schmelzen, wenn die Hitze sie traf. Dann würden die drei Körper zu mumienhaften Gestalten zusammenschmelzen und als Asche enden. Vielleicht noch vermischt mit ein paar Knochen, deren bleiches Gebein aus den Resten hervorschimmerte.
So war es immer gewesen.
Aber so war es heute nicht!
Die zahlreichen Zuschauer, die sich den Tod der Hebammen gewünscht hatten, waren nicht zufällig hier erschienen. Sie warteten darauf, dass die Körper zusammenbrachen, aber es geschah etwas Unerwartetes. Zuerst merkten es nur diejenigen, die ziemlich nahe an der Todesstätte standen, und ihre wilden Schreie verstummten sehr schnell. Münder klappten zu, Gesichter bekamen einen ängstlichen Ausdruck neben einer Gänsehaut. Die Schreie und Kommentare verstummten. Münder schlossen sich nicht mehr, und das Staunen der Augen verwandelte sich in große Angst. Es gab nicht wenige, die hastig mehrere Kreuzzeichen hintereinander schlugen. Auch sie halfen nicht, den Vorgang innerhalb der Flammen zu verändern.
Die Hexen brannten nicht!
Sie standen gefesselt in den Flammen wie Siegerinnen. Das Feuer tanzte um sie herum. Die Hitze breitete sich wie ein schwerer Atemzug aus, der sich verteilte und auch die Gaffer in der zweiten Reihe erwischte. Aber das Feuer loderte weiter, ohne die drei Frauen zu verbrennen. Die Fesseln waren längst zum Opfer der Flammen geworden, auch die Pfähle hatte das Feuer abgekohlt, doch die drei Hebammen standen noch immer wie Siegerinnen in der heißen Hölle.
Alle sahen es.
Alle waren entsetzt.
Das Volk floh zuerst. Mütter rissen ihre Kinder mit und brüllten vom Fluch des Teufels. Männer, denen es nichts ausgemacht hätte, andere zu töten, bekamen es mit der Angst zu tun und flohen ebenfalls von diesem Platz.
Nur der Mönch blieb stehen. Er keuchte. Er schüttelte den Kopf. Er fing an zu beten, aber die Worte drangen nur als Fragmente aus seinem feuchten Mund.
»Gehen Sie, Hochwürden!«, wurde er von einem der Pechfackelhalter angebrüllt. »Fliehen Sie! Das hier ist eine Hochburg des Satans. Er hat seine Hände im Spiel. Es ist sein ...«
»Nein, ich bleibe. Ich verteidige den Himmel gegen die Mächte der Hölle. Geht ihr ...«
Darauf hatten die beiden Männer nur gewartet. Sie rannten ebenfalls und blieben erst in sicherer Entfernung stehen, wie auch die meisten der Zuschauer, die aus einer gewissen Distanz beobachteten, was auf dem Scheiterhaufen geschah.
Noch tanzten die Flammen. Aber nicht mehr so hoch. Das Feuer war bereits zusammengefallen. Das trockene Holz hatte sich in einen großen Glutofen verwandelt, aus dem eine wahnsinnige Hitze aufstieg.
Auch der Mönch wäre gern verschwunden. Er tat es nicht. Wie unter einem Zwang blieb er stehen. Er war zu einer schaurigen Figur geworden. Eine dunkle Kutte, ein bleiches Gesicht, beides eingehüllt in den rötlichen Widerschein der Glut.
Die drei Pfähle standen nebeneinander. Auch sie hätten unter dem Feuer zusammenbrechen müssen, was entgegen den Gesetzen der Natur nicht geschehen war, denn sie standen noch.
Wie auch die Frauen!
Nur an ihren Füßen huschten noch einige Flammen entlang, die längst ihre normale Größe verloren hatten und auf die Hälfte geschrumpft waren. Aber es gab auch weiterhin die Glut, und sie breitete sich innerhalb des verbrannten Reisigs aus wie ein heißer Teppich.
Er machte den Hebammen nichts aus. Sie standen mit ihren nackten Füßen darauf. Er schien ihnen Halt zu geben, denn eigentlich hätten sie längst einbrechen müssen.
Der Mönch verstand die Welt nicht mehr. Er spürte die Hitze, die ihm einen Teil seines Atems raubte. Sie sengte ihn an und hatte bereits seine Augenbrauen angefressen. Auch das Gesicht zeigte eine ungesunde Röte. Hätte sich die Haut dort durch die Hitze zusammengerollt, um anschließend abzufallen, wäre das kein Wunder gewesen.
Waren sie tot? Waren sie nicht tot?
Der Vertreter der Inquisition wusste es nicht. Er war einfach geschockt. Das hatte er noch nie erlebt. Sein Weltbild war zusammengebrochen. Er versuchte, durch Anheben seiner Arme ein Kreuzzeichen zu schlagen, aber auch das misslang, weil er das Gefühl hatte, dass Gewichte an seinen Armen hingen.
Kein Fauchen des Feuers mehr. Kein Tanzen der langen Flammenzungen. Nur die tiefe rote Glut, und aus ihr hörte er plötzlich die drei Stimmen der Hebammen, die wie eine klangen.
»Komm her, Pfaffe! Komm zu denen, die die wahre Macht haben. Los, beweg dich ...«
Gesprochen?, schoss es dem Mönch durch den Kopf. Hat da jemand zu mir gesprochen?
Er wollte nicht daran glauben, obwohl es die gleichen Stimmen gewesen waren, die er schon bei der Verhandlung gehört hatte. Nicht der Teufel hatte zu ihm geredet, sondern die drei Frauen, die eigentlich hätten tot sein müssen.
Sein Mund blieb offen, als er sie der Reihe nach anschaute, um noch einmal sicherzugehen.
Nein, es war kein Irrtum. Es waren ihre Stimmen gewesen. Er hatte sich nicht verhört. Stimmen von Lebenden oder von Toten?
Der Mönch wusste es nicht. Es war verrückt. Er fühlte sich auf einmal so hilflos und verlassen. All das, an das er geglaubt hatte, war plötzlich in Frage gestellt worden. Mit weit geöffneten Augen glotzte er nach vorn, und er sah die drei Frauen in der Glut stehen.
Sie hatten sich verändert!
Es war nicht zu erklären, aber die Flammen hatten sie wieder so aussehen lassen wie vor der Folter.
Drei hübsche Frauen, die zahlreichen Männern die Köpfe verdrehen konnten. Herrliche Wesen, aber mit einer Kraft im Bunde, die selbst Macht über das Feuer hatte.
Sie lächelten ihm zu. Ihre Gesichter sahen so hell aus. Sie schienen ihm verklärt zu sein, als hätte sie der Himmel bereits gezeichnet und ihnen diesen übernatürlichen Glanz verliehen.
Sie waren ein Wunder, aber nicht des Himmels, sondern der verfluchten Hölle.
Konnte die Hölle Schönheit schaffen?
Der Mönch wusste die Antwort nicht. Er spürte nur, wie es in ihm brodelte und wie alles verging, an das er geglaubt hatte.
»Wir warten, Pfaffe, komm zu uns!«
Wieder trafen ihn die Stimmen. Die Worte waren nur geflüstert, aber sie trafen ihn hart. Sie bohrten sich in seinen Kopf, und er wollte einen Widerstand aufbauen, aber das gelang ihm nicht. Die andere Seite war stärker geworden. Sie wollte das Grauen, sie wollte den anderen Weg für ihn, und plötzlich gab es kein Hindernis mehr für den Mönch.
Er ging vor!
Es gab nur den einen Weg, und der würde ihn in die mörderische Glut führen.
Die Gaffer waren geflohen. Aber sie hatten sich nicht zu weit vom Ort des Geschehens entfernt, und so bekamen zahlreiche Augenpaare mit, was der Geistliche tat.
Sie glaubten es nicht. Es ging über ihren Verstand. Wie konnte sich ein Mensch nur so verhalten? Er würde verbrennen, wenn er in die kochend heiße Glut trat, aber das schien er nicht zu wissen. Einer wie er musste auf den Himmel vertrauen, sonst würde er so etwas nicht tun.
Der Mönch trat in die Glut. Er hatte dabei beten wollen, aber die mörderische Hitze riss ihm die Worte von den Lippen. So wie ihm musste es den drei Jünglingen im Feuerofen ergangen sein, die letztlich auf wundersame Weise gerettet worden waren.
Wie die drei Hebammen!
Es müssen Hexen sein!, schoss es ihm durch den Kopf. Es gibt keine andere Möglichkeit.
Im nächsten Augenblick verschwanden seine Gedanken. Sie wurden einfach weggewischt, als hätte ein Windstoß sie aus seinem Kopf gefegt.
Er merkte, dass er nur ein Mensch war. Und dieses Menschsein brachte die Schmerzen. Der Mönch spürte noch, wie sie an den Füßen begannen und sich dann blitzschnell ausbreiteten und sofort danach auch seinen Kopf erreichten.
Er schrie.
Er warf die Arme hoch. Er sah die Flammen züngeln, die von seinen Füßen her wie kleine Geister in die Höhe stiegen und sich rasend schnell dem Kopf näherten.
Es war grauenhaft.
Die Flammen zerfraßen ihn. Sie raubten ihm nicht nur seinen Körper, sie zerstörten auch seine Seele, und er ging trotzdem noch einen Schritt weiter in die glühende Masse hinein.
Es war sein letzter Schritt.
Er vertrat sich. Sein Körper erhielt einen Schlag, und er kippte nach vorn in die Glut hinein, die augenblicklich neue Feuerzungen bildete, als sie die frische Nahrung erhielt.
Er starb noch im Fallen, und er hörte als Letztes in seinem Leben das Lachen der drei Frauen ...
Die Zuschauer hatten alles gesehen. Männer, Frauen, die Kinder, sie alle hatten zuschauen müssen, wie die Kräfte der Hölle die Oberhand gewannen.
Der Mönch starb!
Er war in das glühende Reisig gefallen, und ihm wurde das Schicksal zuteil, dass er den drei Hebammen zugedacht hatte. Sie aber standen in der Glut, als wären sie kurz zuvor wie Siegerinnen daraus hervorgestiegen.
Heldinnen im blutigen Schein der Glut. Sie hatten das überwunden, was sonst zerstörte.
Bleiche Gesichter schauten über die verkohlte Leiche des Mönchs hinweg. Münder verzerrten sich zu einem triumphierenden Grinsen. Ein Windstoß brachte wieder den Geruch der nahen Pestinsel und ließ ihn wie eine Fahne über die Köpfe der Gaffer wehen, die ihn als Odem der Hölle ansahen.
Keiner ging!
Etwas hielt die Menschen fest. Selbst die Pferde, die noch niemand vom Karren losgespannt hatte, blieben mit gesenkten Köpfen auf der Stelle stehen.
Es war, als hätte eine andere Macht die Regie übernommen, und die Furcht der Menschen zeichnete sich in ihren Gesichtern ab. Sie waren auch nicht mehr in der Lage, ein Wort zu sprechen. Sie standen verkrampft da. Die Frauen drückten ihre Kinder an sich, aus Angst, sie zu verlieren.