John Sinclair Sonder-Edition 254 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 254 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Dawn Ascot reichte mir das Foto ihrer Tochter. Ihre Stimme zitterte, als sie sprach: "Das ist Ellen, Mr. Sinclair. Sie lebte in Stockholm. Und jetzt ist sie tot. Zu Stein erstarrt." Ein eisiger Schauer durchlief mich. Ich wusste sofort, was das bedeutete. Wenn Menschen zu Stein werden, kann nur eine unheilvolle Macht dahinterstecken - Medusa, die Frau mit dem Schlangenhaupt, deren Blick alles Lebendige versteinert. Diesmal war es allerdings anders. Diesmal war es keine "sie", sondern ich bekam es mit einem Mister Medusa zu tun. Doch kaum hatte ich begonnen, das Ausmaß dieser Bedrohung zu begreifen, mischten plötzlich auch noch die Strigen, die Satans-Eulen, mit ...


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Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Mister Medusa

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Mister Medusa

von Jason Dark

Dawn Ascot reichte mir das Foto ihrer Tochter. Ihre Stimme zitterte, als sie sprach: »Das ist Ellen, Mr. Sinclair. Sie lebte in Stockholm. Und jetzt ist sie tot. Zu Stein erstarrt.«

Ein eisiger Schauer durchlief mich. Ich wusste sofort, was das bedeutete. Wenn Menschen zu Stein werden, kann nur eine unheilvolle Macht dahinterstecken – Medusa, die Frau mit dem Schlangenhaupt, deren Blick alles Lebendige versteinert.

Diesmal war es allerdings anders. Diesmal war es keine »sie«, sondern ich bekam es mit einem Mister Medusa zu tun. Doch kaum hatte ich begonnen, das Ausmaß dieser Bedrohung zu begreifen, mischten plötzlich auch noch die Strigen, die Satans-Eulen, mit ...

Thore Hamrin fluchte, als der Bug seines Bootes plötzlich gegen einen harten Widerstand stieß. Es schrammte dabei über das Hindernis hinweg, bevor es in den Schilfgürtel geriet, der den Bootssteg umwuchs.

Bisher hatte Hamrin seine Oma – so nannte er das Boot wegen seines Alters – immer ausfahren lassen. Routine plus genaues Timing hatten ihn stets bis an das Ende des Stegs getrieben.

Nur an diesem wolkenverhangenen und kalten Mittag nicht. Da hatte ein im Wasser liegendes Hindernis die Restfahrt beeinträchtigt. Das Boot steckte im Schilfgürtel fest.

Hamrin fluchte. Ihn interessierten nicht mehr die wenigen Fische, die in den mit Wasser gefüllten Eimern schwammen, er musste jetzt zusehen, dass er direkt in die Nähe des Stegs geriet und diesen entern konnte. Danach würde er sich um das Hindernis kümmern.

Er kannte dieses Gebiet der Schären westlich von Stockholm wie seine Westentasche. Dass er jetzt zum Ruder greifen musste, um den restlichen Weg voranzukommen, ärgerte ihn. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig.

Hamrin war ein Mensch, den die Natur geprägt hatte. Kernig, groß, mit breiten Schultern und hellen Haaren, durch die sich graue Strähnen zogen.

Das Blatt des breiten Paddels fand die Lücken im Schilf, und mit einigen Schlägen erreichte er die Seite des Stegs. Auch hier schrammte das Boot über das Holz hinweg. Wellen schwappten nach, und noch im Sitzen griff Hamrin zur Leine.

Er warf sie geschickt wie ein Cowboy sein Lasso um einen hochstehenden Flock und zog die Leine dort fest. Erst jetzt fühlte er sich sicherer. Das Hindernis wollte ihm nicht aus dem Kopf. So etwas hatte er noch nie hier erlebt. Das Anlegen war stets glatt über die Bühne gelaufen. Er konnte sich auch nicht vorstellen, woher es kam und wer es hergeschafft haben könnte. Jedenfalls lag es in der Nähe des Stegs im Wasser, und er würde auch vom Steg aus nachsehen.

Zunächst verließ er das Boot. Über das Holz ging er so weit, bis er den normalen Boden unter den Füßen hatte. Das Gras wuchs nicht mehr so wie im Sommer. Die Bäume hatten die meisten Blätter verloren, und so hatte der Untergrund eine neue Farbe bekommen, in die hinein sich allerdings alle möglichen Farbtöne mischten, vom rötlichen Braun bis hin zu hellem Gelb. Seine Hütte lag in Sichtweite und war im Sommer nicht so gut zu sehen wie im Winter. Er fühlte sich darin wohl, denn hier konnte er wunderbar entspannen. Die Toilette befand sich zwar in der freien Natur, aber das machte ihm nichts. So etwas härtete ab, ebenso wie sein Saunabesuch, denn eine Schwitzbude hatte er sich ebenfalls angebaut.

Auf dem Steg drehte er sich um. Seine Gedanken kreisten um das im Wasser liegende Hindernis. Er hatte es nicht erkennen können, aber es war schwer gewesen, davon musste er schon ausgehen. Außerdem lag es auf dem Grund, aber das machte in diesem flachen Wasser nichts aus.

Hamrin holte das Paddel aus dem Boot. Möglicherweise musste er es einsetzen, um das Hindernis zur Seite zu schieben oder so zurechtzulegen, damit er es erkennen konnte. Außerdem musste er eine Lücke im Schilf schaffen.

Er ging einige Schritte zurück, bis er die Stelle erreichte, an der er mit dem Boot über das Hindernis hinweggeschrammt war. Er bückte sich und schaute zunächst auf das Wasser hinaus.

Sein Blick fiel bis an das andere Ufer der nächsten Halbinsel. Er sah ein Ausflugsboot, eines der wenigen, das um diese Zeit noch fuhr, weil eben das Wetter gut war. Das Boot befand sich auf dem Weg nach Mariefred, einer kleinen Stadt am westlichen Rand Stockholms. Die meisten Besucher interessierten sich vor allen Dingen für das Schloss Gripsholm, das durch Kurt Tucholskys Roman weltbekannt geworden ist.

Es waren nur Nebengedanken, die ihm durch den Kopf schossen. An Rande des Holzstegs bückte er sich und schaute auf das Schilf und auch auf das Wasser, das in kleinen Wellen heranschwappte und die grüngrauen Schilfbahnen bewegte.

Er sah zunächst nichts.

Thore Hamrin war kein Mensch, der sich darüber ärgerte. Geduld gehörte zu seinen großen Tugenden. Er ruhte in sich selbst und packte jedes Problem erst an, nachdem er nachgedacht hatte.

Genau das tat er auch hier. Mit dem Paddel stocherte er zwischen den Schilfblättern herum, die manchmal aussahen wie lange Dolche, dann wühlte er das Wasser auf, nachdem er sich eine Lücke geschaffen hatte, und stieß das Paddel in die Tiefe.

Es erreichte nicht den Grund!

Zuvor stieß es gegen einen harten Widerstand. Hamrin dachte zuerst an einen Stein, aber das vergaß er schnell, denn dieser Stein war verdammt groß. Vor allen Dingen lang. Das Paddel schrammte darüber hinweg. Er versuchte so, die Form herauszufinden, und war zunächst verwundert darüber, dass jemand ein so großes und hartes Hindernis hierhin geschafft hatte.

Was lag dort im Wasser?

Hamrin wusste es nicht. Dabei wollte er es nicht belassen. Er musste es herausfinden, das war er sich selbst schuldig. Mit der unteren Paddelseite tastete er es ab, bewegte das Paddel dabei von links nach rechts und hatte allmählich den Eindruck, dass dort etwas sehr Langes im flachen Wasser lag.

So flach das Wasser auch war, er war trotzdem nicht in der Lage, es zu sehen, aber er hatte es abgetastet und machte sich seine Gedanken. Lang, schwer, nicht rechteckig, sondern mit Rundungen versehen, was konnte das sein?

Thore Hamrin ging jetzt aufs Ganze. Immer wenn er zum Angeln rausfuhr, streifte er die langen Stiefel über, die hoch bis zu seinen Oberschenkeln reichten. Es kam vor, dass er hin und wieder ins Wasser musste, um etwas zu richten. Jetzt war er froh, dass er die Stiefel noch nicht ausgezogen hatte.

Er kletterte ins Wasser und trat dabei auch gegen das auf dem Grund liegende Hindernis. Die Schilfblätter störten ihn nicht. Er hatte eine Lücke geschaffen, und mit seinen Händen verbreitete er sie zudem noch.

Das Wasser der Schären war recht klar. Eine große Umweltverschmutzung gab es hier nicht. Hier gab es noch Fische, die sehr schnell an den Haken der Angeln hingen.

An den Beinen wurde Hamrin nicht nass. Dafür an den Armen und Händen, als er sie ins Wasser tauchte. Er hatte sich gebückt, denn er wollte endlich herausfinden, was sich auf dem Grund befand. Ein Stein jedenfalls war es nicht.

Thore fluchte, weil er immer wieder von den Schilfblättern gestört wurde. Er gab nicht auf, seine Hände fuhren durch das kalte Wasser und schafften es, das Hindernis an einer Seite zu umfassen.

Es fühlte sich rund an.

Hamrin stand unbeweglich. Sein Herz schlug schneller. Er bekam eine Gänsehaut. Dieser Gegenstand, den er im Wasser gefunden hatte und jetzt von zwei Seiten umfasste, hätte gut und gern der Kopf eines Menschen sein können.

Aber gab es Menschen, die so schwer waren?

Daran glaubte er nicht. Er tastete weiter. Mit beiden Händen schaufelte er Wasser zur Seite, um einen besseren Blick zu bekommen. Dass er dabei vom Grund her Schlamm aufwühlte, das ärgerte ihn zwar, es ließ sich aber nicht vermeiden.

Mit beiden Händen umklammerte er schließlich erneut das, was er für einen Kopf hielt. Er nahm seine Kräfte zusammen, stemmte die Füße in den weichen Grund und hob das Hindernis an.

Es war schwer, verdammt schwer, aber Hamrin war alles andere als schwach.

Der Gegenstand bewegte sich. Hamrin lachte. Er machte sich selbst Mut, und Sekunden später hatte er es geschafft.

Plötzlich fühlte er sich wie im Schlamm stehend festgeklebt. Er wollte es nicht glauben, aber je länger er hinschaute, umso deutlicher trat es hervor.

Sein Blick fiel auf das Gesicht eines Menschen. Nicht nur das, er sah, dass es sich um eine Frau handelte, und er wusste sofort, dass er es nicht mit einer Figur aus irgendeinem Park zu tun hatte ...

Der schwere Gegenstand rutschte ihm aus dem Griff und verschwand wieder im Wasser. Hamrin blieb stehen, hielt die Arme noch ausgestreckt, schaute nach vorn und schüttelte dabei den Kopf, als könnte er noch immer nicht fassen, was er dort gesehen hatte.

Über seinen Rücken schienen kalte Eisklumpen zu rinnen. Er wusste nicht, was er noch denken sollte. Die vertraute Umgebung kam ihm plötzlich so kalt vor, woran nicht das Wetter die Schuld trug, sondern etwas anderes. Es konnte eine Aura sein, die sich ausgebreitet und auch ihn erfasst hatte.

Thore Hamrin war allein. Er wünschte sich, dass jemand in der Nähe war, mit dem er reden konnte, aber da hoffte er vergebens. Er hatte die Einsamkeit gesucht, und wenn jemand zu seinem Haus kam, dann nur auf Einladung hin. Ansonsten verirrte sich so leicht niemand.

Irgendwann verließ er das Wasser und ging zu seiner Hütte. Davor stand eine Bank, die er selbst aus Birkenholz gezimmert hatte. Er nahm darauf Platz und schaute hinüber zum Steg, der wie ein Streifen in das Wasser hineinragte, auf dem sich allerdings nichts bewegte. Auch in seiner Nähe schwappte nur das Wasser heran.

Was soll ich tun?

Er wollte nicht glauben, dass neben dem Steg ein Mensch lag, und trotzdem war es der Fall.

Dort lag ein Mensch auf dem Grund, aber es war gar kein normaler Mensch mehr, sondern eine Frau, die zu Stein geworden war.

Es verging fast eine Viertelstunde, bis er sich wieder gefangen hatte und darüber nachdachte, was zu tun war. Thore wollte eine endgültige Sicherheit haben, und so ging er in seine Hütte, in der er alles Mögliche aufbewahrte, unter anderem auch ein starkes Seil, das er nach draußen und zum Steg mitnahm.

Hamrin sprang wieder ins Wasser und band eine Schlinge um den schweren Körper. Er zog sie unter den Armen hindurch, damit sie sich nicht so leicht lösen konnte.

Dann wickelte er das andere Ende des Seils mehrmals um seinen rechten Unterarm, fasste auch mit der linken Hand zu, um sich selbst zu unterstützen, und begann zu ziehen.

Er bekam das Fundstück aufs Trockene und zerrte es so weit, dass auch die Beine nicht mehr von den anschwappenden Wellen überspült wurden.

Geschafft!

Langsam drehte er sich um.

Diesmal war der Schock nicht so stark, aber er reichte aus, um ihn ebenfalls zu einer Statue zu machen. Was er sah, war unglaublich. Vor ihm lag rücklings eine versteinerte Frau auf dem Boden. Sie trug so gut wie nichts, abgesehen von einem Slip, der aber hier völlig deplatziert wirkte.

Plötzlich überkam ihn der Wunsch, dass es sich bei dem Fundstück um eine Schaufensterpuppe handelte, aber das war leider nicht der Fall. Diese Puppen sahen anders aus. Sie waren glatt, perfekt, ohne Falten oder irgendwelche anderen markanten Teile auf der Haut.

Diese versteinerte Frau sah aus wie ein Mensch. Er musste sich überwinden, um sein Fundstück anzufassen. Aber er kniete sich daneben und ließ seine Hand über das Gesicht gleiten.

Nein, das war keine Puppe. Er konnte die kleinen Falten fühlen, aber sie bestanden nicht aus Haut. Sie waren hart. Zu Stein geworden, wie alles an dieser Frau. Sogar die nassen Haare fühlten sich hart an, und das konnte Hamrin nicht begreifen.

Er konzentrierte sich auf das Gesicht und dort besonders auf die Augen. Sehr starr waren sie geworden, aber Hamrin hatte trotzdem den Eindruck, als lägen in ihnen noch der Schrecken und die Angst konserviert, den diese junge Frau kurz vor ihrem Tod empfunden hatte. Der Körper war zwar zu Stein geworden, aber er sah nicht so versteinert aus, denn er hatte beinahe noch seine normale Farbe behalten. Okay, die Frau hatte zwar durch das Liegen im Wasser gelitten, aber sie zeigte noch keine Spuren von Verwesung und sah auch nicht aus wie eine Wasserleiche.

Hamrin richtete sich wieder auf. Er hatte immer die Freiheit geliebt, deshalb hatte er sich auch in diese Einsamkeit zurückgezogen und dort seine Hütte gebaut, aber jetzt sah er die Dinge mit anderen Augen. Er wusste, dass etwas Unheimliches und Unerklärliches geschehen war, und wünschte sich jemand herbei, mit dem er über dieses Phänomen reden konnte.

Es war niemand in der Nähe. Es gab nur ihn, die Leiche aus Stein und die Natur.

Eine Umgebung wie auf einem prächtigen Landschaftsbild. Die Bäume, deren Laub in allen Farben leuchtete und einen bunten Teppich in die Luft malte, dieser herrliche Himmel darüber, dessen Blau so weit, so klar und rein war. Ein Herbst, wie er im Bilderbuch steht.

Und jetzt dies!

Eine Tote.

Eine Frau, die zu Stein geworden war. Der etwas Unerklärliches und Unheimliches passiert sein musste.

Sein Herz schlug im Gegensatz zu dem der Frau. Und es schlug heftig.

Das Handy lag in der linken Tasche seiner wetterfesten Jacke. Er holte es hervor, ließ es auf dem Handteller liegen und überlegte noch mal, ob es richtig war, was er vorhatte.

Ja, es war richtig!

Er musste sich mit der Polizei in Verbindung setzen. Sie sollte sich um den Fall kümmern. Für ihn war das zu hoch.

Dennoch ahnte Thore Hamrin, dass der Fall für ihn noch nicht erledigt war und er erst noch am Anfang stand. Und das gab ihm nicht eben ein gutes Gefühl ...

Der Mann im violetten Kittel fegte das Rasiermesser schon mit einer artistischen Geschwindigkeit über das straffe Leder hinweg, um die Klinge zu schärfen.

Ich hörte diesem flappenden Geräusch zu und erlebte, wie sich auf meinem Rücken eine leichte Gänsehaut bildete, auch deshalb, weil die blanke Klinge im Licht eines Spots immer wieder aufblitzte. Zudem grinste mich der Messerschärfer noch an, aber das sah ich nur im Spiegel, vor dem ich in einem Sessel saß.

Das Messer wurde auch nicht für mich geschärft, sondern für den Kunden, der schon eingeseift im Nebensessel hockte und darauf wartete, rasiert zu werden.

Ich war in den Salon gekommen, um mir die Haare schneiden zu lassen. Es war mal wieder nötig. Es soll ja Männer geben, die gern zum Friseur gehen. Dazu gehörte ich nicht. Es war für mich zwar keine Zeitverschwendung, aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn die Haare nicht weiterwuchsen, sondern bei einer bestimmter Länge so stehen blieben. Das war nicht möglich, und deshalb trieb es mich in unregelmäßigen Zeitabständen immer wieder zu Mario hin, dem Friseur aus Neapel, der aber schon seit seinem dritten Lebensjahr in London lebte und seinen Sohn bereits mit ins Geschäft genommen hatte.

Italien war für Mario trotzdem das Nonplusultra. Um seiner Heimat näher zu sein, hörten die Kunden die gesamte Zeit über italienische Volksmusik aus dem Radio, die zum Glück nicht zu laut eingestellt worden war.

Hin und wieder sang Mario mit, und wenn er in Form kam, dann schleuderte er die Schere, den Kamm und die Bürste in die Höhe und spielte seinen Kunden den Jongleur vor.

Langweilig wurde es bei ihm nie. Zudem war er noch einer vom alten Schlag. Wer sich bei ihm die Haare schneiden ließ, der fühlte sich noch echt bei einem Friseur, denn die Einrichtung war bestimmt mehr als 30 Jahre alt. Es gab ja Kollegen von Mario, die ihren Laden Hair Factory nannten und Designer beauftragt hatten, um die Einrichtung zu stylen, aber darauf konnte Mario verzichten. Wobei sein Sohn allerdings anders darüber dachte.

Er war auch jemand, der gern redete. Hin und wieder, wenn ich in Form war, gab ich ihm auch Antwort, doch an diesem frühen Abend hatte ich keine große Lust zu einem Gespräch. Das hatte Mario auch sehr bald festgestellt und behelligte mich nicht mehr mit Fragen. Seine gute Laune hatte er trotzdem nicht verloren, denn er summte hin und wieder die Melodien aus dem Radio mit.

Zu gern sprach er mich auf meinen Beruf an. Da wollte er dann herausfinden, welche Fälle ich bearbeitete, und er ahnte auch, auf welch einem Gebiet ich tätig war, doch genau geäußert hatte ich mich darüber nicht.

Sein Sohn kümmerte sich um meinen Nachbarn. Er rasierte ihn, und seine Bewegungen hatten schon etwas Künstlerisches an sich. Es sah aus, als würde er dabei von einem TV-Team beobachtet.

Ich ließ mich gegen die weiche Rückenlehne sinken und schloss die Augen. Entspannen, vielleicht ein paar Minuten schlafen, das war doch etwas.

Die italienische Musik trat zurück in den Hintergrund, und eigentlich hörte ich nur das helle Schnippschnapp der Schere, die sich gerade an meinem linken Ohr entlang bewegte. Ich hoffte nur, dass die Hand nicht ausrutschte und bei mir ein blutendes Erbe hinterließ.

Es tat wirklich gut, sich zu entspannen. Die Beine hatte ich ausgestreckt und die Füße gegen ein Trittbrett gestellt. Der Spiegel war mir auch egal geworden, denn so eitel war ich nicht, um stets in ihn hineinzuschauen. Da sah man nur immer, dass man älter wurde.

Meine Gedanken kreisten nicht mal um berufliche Dinge. Ich hatte alles zurückgestellt und überließ mich voll und ganz dem Meister der Schere.

Mario wusste auch, wie er meine Haare zu schneiden hatte. Ich wollte sie nicht zu lang haben, umso schneller musste ich ihn wieder aufsuchen. Das war zwar für sein Geschäft gut, für meine Zeit allerdings weniger.

Es lief alles ab wie immer. Meine Haare waren auch gewaschen worden, jetzt schnitt man sie halbfeucht, und die Musik der Schere ließ mich immer schläfriger werden.

Bis plötzlich jemand meinen Namen rief. Und zwar so laut, dass die Musik übertönt wurde.

»Sinclair! John Sinclair!«

Die Musik der Schere verstummte. Selbst Mario war so überrascht, dass er keine Antwort gab.

Wir alle hatten gehört, dass mein Name von einer Frau gerufen worden war.

Ich öffnete die Augen.

»Sind Sie hier, Sinclair?«

Ja, ich war anwesend. Ein Blick in den Spiegel reichte aus, um die Person zu sehen, die den Laden betreten hatte und zwischen Tür und Spiegel wie eine Rachegöttin stand ...

Die Polizisten hatten zwei Möglichkeiten, um das Haus des Thore Hamrin zu erreichen. Sie konnten mit dem Wagen auf die Halbinsel fahren, aber auch vom Wasser her kommen. Diesmal hatten sie sich für die Autos entschieden. Drei Fahrzeuge rollten an. An den Seiten vorn und hinten waren sie blau lackiert, alles andere war in einem trüben Weiß gehalten.

Einige Beamte in ihren blauen Uniformen stiegen aus, aber es waren auch Männer in Zivil dabei. Sie stiegen aus einem grauen Volvo, und der Älteste von ihnen war wohl deren Chef. Er schaute sich um und unterhielt sich dabei mit einem Mann, der in der rechten Hand einen Arztkoffer trug.

Thore Hamrin war um seine Hütte herumgegangen und stand vor der Tür, wo auch der mit struppigem Gras bewachsene Weg endete. Die Männer hatten zunächst keinen Blick für ihn, bis sich der Ältere aus der Gruppe löste und auf Thore zukam.

Graue Haare wuchsen bis über die Ohren. Ein zerknittertes, aber nicht unfreundliches Gesicht zeigte sich unter der flachen Schirmmütze, und schmale Lippen hatten sich zu einem Lächeln verzogen, während die kleinen blauen Augen Thore blitzschnell musterten.

»Hi, ich bin Kommissar Björn Karlsson. Sie haben uns angerufen?«

»Ja.«

»Dann sind Sie Thore Hamrin.«

»Genau, Herr Kommissar.«

»Sehr gut.« Karlsson schaute sich um. »Schön ist es hier, wirklich schön. So ein Haus oder ein kleines Refugium war schon immer der Traum meiner Frau. Er hob die Schultern. »Nun ja, es hat nicht sollen sein. War zu teuer.«

»Meine Frau hasste die Einsamkeit. Deshalb hat sie mich auch verlassen.«

Der Kommissar lachte. »Da sehen Sie mal, wie verschieden und ungerecht das Leben sein kann.« Er schaute gegen den Himmel. Ein herrlicher Tag ist das heute. Und das Wetter soll auch weiterhin so bleiben, habe ich mir sagen lassen.« Er zuckte mit den Schultern. »Wirklich kein Tag, um eine Tote zu finden. Wo liegt sie denn?«

»Auf der anderen Hausseite.«

»Gut.« Karlsson traf noch keine Anstalten, sich in Bewegung zu setzen. »Wie war das denn? Ich hörte, dass sie die Tote im Wasser gefunden haben. Versteinert oder steif.«

»Genauso.«

Karlsson räusperte sich. »Und Sie sind sicher, dass es sich nicht um eine Puppe handelt?«

»Hundertprozentig.«

»Okay, war auch nur eine Frage.« Der Kommissar lachte wieder. »Es ist ja so, mein Lieber. Oft sieht man gewisse Dinge mit anderen Augen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Nein.«

»Man kann sich eben täuschen.«

»Aber ich nicht.«

»Schon gut. Schauen wir uns Ihre Tote mal an.«

Der Kommissar nahm seine Mannschaft gleich mit. Thore ärgerte sich schon über die Bemerkungen des Polizisten. Er schien ihn nicht ernst genommen zu haben. Auf der anderen Seite konnte man ihm nicht mal einen Vorwurf machen, denn wo gab es schon Leichen, die zu Stein geworden waren? Es sei denn, man kümmerte sich um die Geschichten in den griechischen Mythologien. Da sah das alles anders aus.

Karlsson summte leise vor sich hin. Seine Laune war an diesem Tag wirklich super. Als er allerdings an der anderen Seite des Hauses die Gestalt liegen sah, da hörte sein Summen schlagartig auf. Auch die Männer seiner Truppe wurden still. Der Kommissar breitete die Arme aus und ging nahe an das Fundstück heran. Er blieb aber dort nicht stehen, sondern umlief es.

Alle warteten so lange, bis er sich zu einem Kommentar aufraffte.

»Ich denke, dass wir unserem Freund Thore Hamrin Abbitte leisten müssen. Hier liegt keine Schaufensterpuppe vor uns. Das hier ist ein Mensch, eine Frau, wenn auch eine besondere. Und sie ist tot, aber das war schon vorher klar.« Er knetete sein Kinn. »Kannst du mal kommen, Doc?«

»Gern.«

»Spuren gibt es nicht zu zertreten. Unser Freund Thore hier hat sie aus dem Wasser geholt.« Der Kommissar deutete auf die beiden Schleifspuren, die sich im Gras abzeichneten.

Thore Hamrin wusste, dass er überflüssig war und zunächst nicht gebraucht wurde. Deshalb fand er wieder auf der Bank seinen Platz und zündete sich den Tabak im Kopf der Pfeife an. Er paffte einige Wolken, schaute den Männern bei ihrer Arbeit zu, aber seine Gedanken bewegten sich in eine ganz andere Richtung und auch zurück in die Vergangenheit. Er erinnerte sich daran, wie er als Junge oft an den langen und kalten Winterabenden den Geschichten der Erwachsenen gelauscht hatte, von denen manche mehr als schaurig gewesen waren. Da war des Öfteren die Rede von geheimnisvollen Wesen, von Trollen, von Waldgeistern und von einer Gestalt mit einem Schlangenkopf.

Er schluckte, als er daran dachte.

Mister Medusa hatten einige ihn genannt. Den Kindern wurde damit Angst eingejagt, dass er auftauchen würde, wenn sie nicht artig und brav waren. Wenn sie trampelten und gegen ihre Eltern aufbegehrten und keine Ruhe gaben.

Dann tauchte plötzlich wie ein Geist der Schlangenmann auf. Und wer Mister Medusa anschaute, der erstarrte zu Stein.

Thore merkte, dass ihn gerade zu diesem Zeitpunkt die alten Geschichten besonders berührten, denn die Frau, die er gefunden hatte, war schließlich zu Stein geworden.

Das ließ eigentlich nur den Schluss zu, dass sie Mister Medusa begegnet war und ihn direkt angeschaut hatte.

Furchtbar!