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Marek, der Pfähler, stellte den Mann, der mit Vampirblut gefüllte Egel aß, um sich so selbst in einen Blutsauger zu verwandeln. Bevor er ihn endgültig ins Jenseits schickte, entlockte Marek ihm eine entscheidende Wahrheit: Das Blut in den Egeln stammte von niemand Geringerem als Gordon McClure - dem berüchtigten Highland-Vampir, der einst Schottland mit seiner Grausamkeit überzogen hatte. Doch McClure sollte nicht in Vergessenheit bleiben. Jemand plante seine Wiedererweckung - und zwar niemand Geringeres als Justine Cavallo, die blonde Bestie ...
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Seitenzahl: 195
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Highland-Vampir
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Highland-Vampir
von Jason Dark
Marek, der Pfähler, stellte den Mann, der mit Vampirblut gefüllte Egel aß, um sich so selbst in einen Blutsauger zu verwandeln. Bevor er ihn endgültig zur Hölle schickte, entlockte er ihm eine entscheidende Wahrheit: Das Blut in den Egeln stammte von niemand Geringerem als Gordon McClure – dem berüchtigten Highland-Vampir, der einst Schottland mit seiner Grausamkeit überzogen hatte.
Doch McClure sollte nicht in Vergessenheit bleiben. Jemand plante seine Wiedererweckung – und zwar niemand Geringeres als Justine Cavallo, die blonde Bestie ...
»Verflucht, Marek, du bist der Pfähler! Du bist der Vampirjäger! Das musst du dir einfach ansehen! Das ist Wahnsinn! So etwas kann man nicht fassen!« Die Hände der Frau hielten das Jackett des Pfählers fest wie einen Rettungsanker. Sie schüttelte den Mann durch, denn sie wollte ihren Worten Nachdruck verleihen. »Um Mitternacht passiert es!«, flüsterte sie. »Immer um Mitternacht!«
Die Frau aus dem alten Kramladen ließ den Pfähler los. Sie hoffte, das Interesse des Mannes geweckt zu haben, und tatsächlich deutete Frantisek Marek ein Nicken an.
»Du ... du ... tust es?« Sie schöpfte wieder Hoffnung.
»Moment, ich überlege.«
Abgearbeitete Hände rutschten über die Schürze hinweg.
»Er heißt Joshi und ist schon älter. Er hält sich im Wald versteckt. Da hat er auch seine Sammelstelle.«
»Was sammelt er denn?«
»Bienen und Honig. Er ist Imker. Zumindest im Sommer.«
»Und was macht er im Winter?«, fragte Marek.
»Das weiß ich nicht.« Die Frau schaute sich scheu in ihrem Geschäft um, als wäre jemand in der Nähe, der ihr zuhören würde, ohne dass sie es wollte. »Man sagt, dass er von dem Geld lebt, das er im Sommer mit dem Verkauf des Honigs eingenommen hat. Aber man spricht auch anders über ihn. Man redet von einem Vampir. Von einem Blutsauger, verstehst du jetzt, Marek?«
Der Pfähler sah die großen Augen auf sich gerichtet. Es war klar, dass die Frau eine Antwort und ein anschließendes Handeln erwartete.
»Ist das die Wahrheit?«, fragte Marek.
Sie winkte ab. »Wer weiß das schon? Ich nicht. Man muss ihn wohl gesehen haben.«
»Bei seinen Opfern?«
»Das weiß ich nicht. Er ist auch in den letzten Monaten nicht hier gewesen. Er war unterwegs, ist gereist.« Sie lachte. »Wohin, das weiß niemand, man kennt sein Ziel nicht, aber ich glaube nicht, dass er im Land geblieben ist.«
»Und warum soll ich ihn mir anschauen?«
Die Frau holte tief Luft. »Das habe ich dir doch gesagt, verflucht! Weil du der Vampirjäger bist. Du bist Marek, der Pfähler. An dir hängt es schließlich.«
»Ja, ich werde mal schauen.«
»Wirklich?«
Frantisek Marek nickte und lächelte dabei, um die Frau zufriedenzustellen.
»Das ist gut, das ist sogar sehr gut.« Ihre Augen leuchteten auf. Sie räusperte sich und erklärte ihm mit hastigen Worten den kürzesten Weg zum Ziel.
Marek hörte zu. Er musste in den Wald oder in den Busch, wie ihm die Frau erklärte. Dort würde er dann die Hütte finden, in der Joshi lebte und seinem Gewerbe nachging.
Er stellte noch eine letzte Frage: »Sicher, dass er ein Vampir ist, bist du nicht – oder?«
»Nein und ja.«
»Tolle Antwort.«
»Du wirst es erleben, Marek, im Ernst.«
»Gut, ich werde ihn mir ansehen und dir Bescheid geben. Einverstanden?«
»Mehr wollte ich nicht.«
Fünf Sekunden später hatte der Pfähler den alten Kramladen verlassen ...
Die Worte der Frau wollten ihm nicht aus dem Kopf, als er den Waldrand erreichte und dort seinen alten VW-Käfer abstellte. Man hatte ihm zwar geraten, dem Imker in der Nacht einen Besuch abzustatten, doch darauf konnte Marek gut und gerne verzichten. Es war noch nicht dunkel, aber er nutzte die grauen Fahnen der Dämmerung aus, um sich der Hütte im Wald zu nähern.
Der Winter neigte sich dem Ende entgegen. In den Tälern der Karpaten war der Schnee schon geschmolzen, auf den Bergen lag er noch für eine Weile, doch die Menschen in den Tälern hofften, dass nicht mehr allzu viel nachkam.
Die Schneeschmelze hatte den Boden aufgeweicht und die Bäche anschwellen lassen, sodass manche von ihnen als fast schon reißende Flüsse aus den Bergen herabflossen und auch Land unter Wasser setzten.
Weiter wäre Mark mit seinem Auto nicht gekommen. Er hatte es an einer noch recht trockenen Stelle abgestellt und wollte den Rest des Wegs zu Fuß gehen.
Der Imker hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen. Er wohnte praktisch zwischen zwei Orten im Wald und auf einer Lichtung. Dort stand nicht nur sein Haus, er hatte auch die Bienenstöcke aufgebaut, die noch in einem Winterschlaf lagen.
Ein schmaler Weg führte in den Wald hinein. Die Einheimischen kannten ihn. Obwohl auch Marek dazu gehörte, hatte er bisher dem Mann noch keinen Besuch abgestattet. Es hatte sich eben nicht ergeben, und ein großer Honig-Freund war der Pfähler auch nicht.
Er überlegte, ob er Joshi schon mal gesehen hatte. Das war gut möglich, wenn er sich auf einem der Märkte befunden hatte, über die Frantisek hin und wieder ging. Aber besonders aufgefallen war ihm der Mann nicht.
Dass der schmale Weg auch benutzt wurde, sah Marek anhand der Spuren auf dem Boden. Sie waren recht schmal und mussten von den Rädern eines Karrens hinterlassen worden sein. In diesem Gelände kam man mit einem Karren, der von einem Pferd gezogen wurde, besser zurecht.
Es war recht still um ihn herum. Einige Vögel zwitscherten, als wollten sie durch ihren Gesang den Frühling herbeizaubern. Da allerdings würden sie sich noch sehr anstrengen müssen.
Er war vorsichtig und verglich sich selbst mit einem misstrauischen alten Löwen, der seinen Weg ging, um einen Rivalen im Revier zu stellen. Seine Waffe, den Pfahl, trug er bei sich. Diesem Eichenpflock verdankte er seinen Kampfnamen Pfähler. Er wusste nicht, wie viele dieser verdammten Blutsauger er schon damit zur Hölle geschickt hatte. Es waren für ihn nicht genug, denn sie tauchten immer wieder auf, sodass Marek nicht der Gedanke kam, sich zur Ruhe zu setzen.
Der Wald war noch licht. Erst in einigen Wochen würden die Bäume wieder belaubt sein. So aber hatte er eine recht gute Sicht. Abgesehen von den Nadelbäumen, die ihr grünes Kleid auch im Winter nicht verloren.
Das Licht schimmerte durch die Lücken wie eine ferne Laterne. Sie schien im Nichts zu hängen und war nichts anderes als ein verschwommenes Auge. Aber sie war der Punkt, den der Pfähler anvisieren musste. Markanter hätte er nicht sein können.
Marek war jetzt noch mehr auf der Hut. Er wollte Joshi zwar einen Besuch abstatten, aber er würde nicht offiziell seinen Bau betreten, sich vorstellen und ihn fragen, was er denn so trieb und ob er nun ein Vampir war oder nicht.
Manchmal fand der Wind seinen Weg durch den Wald und umwehte Marek wie ein kühler Schal. Er nahm den feuchten Geruch des Bodens wahr. Er hörte das Plätschern dünner Rinnsale, er atmete die klare Luft ein und merkte auch, dass das Licht des Tages dabei war, den Kampf zu verlieren. Der Himmel lag über den Bergen als bleigraue Schicht. Der Mond und die Gestirne waren noch nicht zu sehen. Es war die Stunde zwischen Tag und Traum, die Frantisek ausnutzte und zunächst stehen blieb, als er den Rand der Lichtung erreichte.
Er wollte sich die Umgebung anschauen und richtete seinen Blick auf die Hütte.
Ja, es war eine Hütte, denn als Haus konnte der kleine Bau nicht bezeichnet werden. Joshi hatte sie aus Holz gebaut, sogar mit einem kleinen Anbau versehen, der an der Rückseite wie ein dicker Knubbel hervorstach und in dessen Verlängerung sich am Rand der Lichtung die Bienenstöcke befanden. Man hatte sie abgedeckt. Sie lagen in tiefem Winterschlaf.
Überhaupt hatte die Stille hier die Oberhand gewonnen. Sie verteilte sich schwer wie Blei auf der kleinen Lichtung, und nur das Licht hinter einem der Fenster bewies, dass überhaupt jemand in der Holzhütte lebte.
Marek hätte jetzt auf den Bau zugehen und anklopfen können. So einfach wollte er es sich und diesem Joshi jedoch nicht machen. Wenn stimmte, was die Frau im Laden gesagt hatte, dann war es besser, wenn er sich einen anderen Weg suchte und zunächst mal einen Blick in die Hütte hineinwarf, ohne gesehen zu werden.
Marek spürte das Kribbeln. Er kannte das Gefühl, das durch seinen Körper rieselte und auch die Fingerspitzen erreichte. Es trat immer dann auf, wenn er dicht vor einem bestimmten Ziel stand. In den meisten der Fälle hatte er sich darauf verlassen können, dass dieses Gefühl stimmte, und so wurde er auch jetzt noch vorsichtiger.
Marek blieb am Waldrand. Er ging allerdings weiter und nutzte die Bäume als Deckung aus. Er schob das manchmal sperrige Buschwerk zur Seite und hoffte, dass er nicht zu viele Geräusche verursachte.
Wer so einsam lebte wie dieser Joshi, hielt sich in der Regel einen Hund. Das war hier zum Glück nicht der Fall. Es gab kein Tier, das die Ankunft des Mannes meldete, und Marek konnte zufrieden sein. Ebenso wie mit der Dämmerung, deren Netzwerk immer dichter wurde und längst die Lichtung umspannt hielt. Es sorgte dafür, dass auch der schleichende Pfähler zu einem Schatten wurde.
Auf dem Boden hatte sich eine dicke Schicht aus Laub, Moos und Gras gebildet, die seine Schritte dämpfte, sodass sie selbst für ihn schwer zu hören waren.
Die Hütte rückte immer näher. Auf eine Besichtigung der abgedeckten Bienenstöcke verzichtete er und blieb an der schmaleren Seite stehen. Er nahm den Geruch des feuchten Holzes wahr und stand günstig im toten Winkel, denn das Licht drang aus den Fenstern an der Vorderseite.
Die dicken Wände ließen kein Geräusch nach außen dringen. In der Stille war nur sein eigener Atem zu hören, und auch der Wind wehte weit oberhalb der Hütte hinweg.
Marek wartete einige Sekunden ab, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und auf leisen Sohlen der Hausecke entgegenschlich. Er hielt den Atem an, weil er plötzlich ein Geräusch hörte. Sofort blieb er stehen.
Das Geräusch war am oder im Haus aufgeklungen. Ein hart klingendes Schaben, als wäre ein Gegenstand aus der Verklemmung gelöst worden. Möglicherweise eine Tür oder ein Fenster. Er spähte vorsichtig um die Ecke.
Er hatte befürchtet, dass dieser Joshi seine Hütte verlassen hatte, aber vor dem Haus zeigte sich niemand. Die Lichtung blieb erfüllt von dieser frühabendlichen Ruhe.
Marek gab sich noch eine halbe Minute. Er war es gewohnt, warten zu können, und deshalb machte es ihm auch nichts aus, so lange zu verweilen, auch wenn die Spannung immer mehr in ihm anstieg.
Die Dunkelheit hatte der Lichtung ein anderes Aussehen gegeben. Da waren die Bäume und das Buschwerk zu einer Kulisse geworden. Es gab keine Lücken mehr, und selbst dort, wo das Gelände vor dem Haus frei lag, hatten die Schatten für eine andere Welt gesorgt.
Marek lockerte seinen Pfahl, den er in einer Schlinge trug, die am Hosengürtel befestigt war. Auch das war seine Konstruktion, aber er würde die Waffe erst ziehen, wenn Gefahr drohte. Noch gab es keinen Beweis dafür, dass die Frau aus dem Laden recht hatte.
Der Pfähler näherte sich dem ersten Fenster und schlich dabei dicht an der Hüttenwand entlang. Bevor er den gelblich trüben Lichtschein erreichte, duckte er sich und sah zu, dass er unter das Fenster kam. Jetzt brauchte er sich nur in die Höhe zu schieben, um in die Hütte schauen zu können.
Marek kam sich vor wie der Jäger auf der Pirsch. Er war alles andere als ein junger Mann, hatte hier und da seine Zipperlein und Probleme mit den Bewegungen, in diesem Fall allerdings fühlte er sich um Jahre verjüngt. Er freute sich darauf, wieder mitmischen zu können, wenn es denn stimmte, was ihm übermittelt worden war.
Er blieb noch für eine Weile unter dem Fenster hocken und schob sich dann behutsam in die Höhe. Er wollte einen vorsichtigen Blick in die Hütte werfen und hoffte, dass der Bewohner nicht genau in diesem Augenblick zum Fenster schaute und ihn entdeckte.
Marek hatte Glück. Niemand interessierte sich für das Fenster, und so verschaffte er sich einen ersten raschen Überblick, der gar nicht so übel aussah.
Der Raum vor ihm war leer. Zumindest menschenleer. Er sah einen Tisch, auf dem eine Lampe mit einem alten Pergamentschirm stand. Er sah zwei leere Stühle, aber er sah auch die Flasche, die auf dem Tisch stand, und das Glas daneben.
Wer dort gesessen hatte, der hatte auch getrunken. Marek ging davon aus, dass der Mann wieder zurückkehren würde. Er musste nur etwas Geduld haben.
Der erste Blick war für ihn günstig gewesen. Er wollte allerdings eine andere Haltung einnehmen. Dieses geduckte Stehen war ihm auf die Dauer zu unbequem. Das hätte leicht zu einer Verkrampfung und zu einer Steifheit geführt.
Frantisek richtete sich auf, aber er schaute jetzt von der Seite her durch das Fenster und war besonders daran interessiert, den Sitzplatz vor der Flasche und dem Glas zu beobachten.
Auch in den folgenden Sekunden ließ sich der Besitzer der Hütte nicht blicken. Er war irgendwo in das Dunkel eingetaucht, denn im Innern gab nur die einsame Lampe auf dem Tisch die Helligkeit ab.
Und dann kam er.
Der Mann tauchte so plötzlich auf, dass Marek zusammenzuckte. Aus der Dunkelheit löste sich die Gestalt wie ein übergroßer Waldschrat. Vom eigenen Schatten begleitet, näherte sie sich dem Tisch und ließ sich auf dem Stuhl nieder, der für den heimlichen Beobachter in einer perfekten Blickrichtung stand.
Auch das Licht der Lampe reichte aus, um die Gestalt des Imkers zu erreichen. Vom Aussehen her passte er in den Wald hinein. Das Haar umwuchs das Gesicht wie eine dunkle Wolle, die sich auf ihm verteilte, sodass Marek die Haut schon suchen musste. Er sah die Nase, die Augen, aber nicht den Mund, denn er war unter dem dunklen Gestrüpp verschwunden.
Die Kleidung interessierte den heimlichen Beobachter nicht, aber Marek stellte sich schon die Frage, ob er es hier mit einem Blutsauger zu tun hatte oder nicht.
Joshi hatte seinen Platz eingenommen, als er noch einmal etwas tat. Er griff in die Tasche seiner Jacke und holte ein Glas hervor, das er auf den Tisch stellte. Von der Größe her war es mit einem Einmachglas zu vergleichen, das geschlossen war, nicht mit einem Deckel, sondern mit einem Blechverschluss, der aufgedreht werden musste.
Das Glas musste für den Imker sehr wichtig sein, denn er schaute es mit einem fast hypnotischen Blick an. Was darin war, wusste wohl nur er selbst. Marek, der durch das Fenster schaute und sich auf das Glas konzentrierte, erkannte es nicht. Er sah nur, dass der Inhalt aus einer dunklen Masse bestand, die sich – und das erkannte er nur, als er genauer hinschaute – auch bewegte.
Nur leicht, kaum zu erkennen. Erst wenn er sich stark darauf konzentrierte. Marek ging davon aus, dass der Inhalt für Joshi sehr wichtig war, ansonsten hätte er das Glas nicht mit beiden Händen umfasst. Er schaute zudem gegen die Wand, als wollte er etwas hypnotisieren. Er bewegte auch seine Lippen, aber es war nicht zu hören, was er sagte. Wenn überhaupt, dann flüsterte er nur.
Frantisek Marek wusste nicht, was er davon halten sollte. Reagierte so ein Vampir?
Eigentlich nicht. Aber nicht jeder Blutsauger lief durch die Weltgeschichte, wie es immer in den entsprechenden Filmen gezeigt wird. Da gab es schon Unterschiede. Darin kannte sich Frantisek gut aus. Er spürte, dass die Spannung in ihm hochstieg, und er gebrauchte dafür einen anderen Ausdruck.
Es war das Jagdfieber!
Joshi hatte ihm noch nicht den vollen Beweis geliefert, doch Marek spürte jetzt, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. Hier war etwas im Werden, im Entstehen, und er bemerkte auch die Veränderung des Mannes am Tisch. Joshi wurde nervös. Er atmete hektischer, er umklammerte das Glas, ließ die Hände daran hoch und wieder nach unten gleiten und nahm Marek so die Sicht auf das Ziel.
Wenig später lag das Glas wieder frei, und Marek bekam einen besseren Blick darauf.
Ja, er war jetzt sicher, dass sich der Inhalt bewegte. Zudem zog Joshi die Lampe näher heran, um selbst besser sehen zu können, was auch in Mareks Sinn war.
Für das Fenster interessierte sich Joshi nicht. Nur der Inhalt des Glases war für ihn wichtig. An den Wänden kroch etwas hoch, und Marek hatte den Eindruck, dass es sich dabei um irgendwelche Würmer handelte, die dem Gefängnis entweichen wollten. Sie glitten immer wieder zurück, doch es waren keine richtigen Würmer, sondern Lebewesen, die auch verschieden aussahen.
Manche waren in die Länge gestreckt. Andere wiederum besaßen die ovale Form von Eiern.
Joshi wartete noch eine Weile. Er schabte mit den Füßen über den Boden, während seine Hände sich so gut wie gar nicht bewegten. Aber irgendwo musste sich die Spannung bei ihm einfach freie Bahn verschaffen.
Er war zufrieden, nickte – und drehte den Deckel des Gefäßes auf. Das geschah mit einer schon ehrfurchtsvollen Bewegung, als bestünde der Inhalt aus etwas Besonderem.
Das Gesicht veränderte seinen Ausdruck. Die Augen begannen zu leuchten. Marek hatte das Gefühl, als würden sie strahlen. Joshi freute sich wie ein Kind zu Weihnachten.
Den Deckel legte er zur Seite. Er schaute in das Glas hinein und nickte zufrieden.
Der feuchte Mund im Bartgestrüpp verzog sich zu einem breiten Lächeln. So wie Joshi sah ein zufriedener Mensch aus, der erreicht hatte, was er wollte.
Joshi hob seine rechte Hand an und drückte zwei Finger zusammen, die er wenig später in das Glas hineintauchte. Die Öffnung war breit genug, aber er brauchte nur die beiden Finger, um den Inhalt hervorholen zu können.
Er klaubte den ersten Wurm heraus. Dann den zweiten, der etwas kleiner, aber kompakter aussah. Beide legte er auf die Innenseite des Deckels, auf dem noch ein drittes dieser seltsamen Tiere seinen Platz fand.
Marek konnte sich nur wundern. Er wusste nicht, was der Mann da aus dem Glas geholt hatte. Er wollte einfach nicht glauben, dass es sich dabei um normale Würmer handelte. Das musste schon etwas anderes sein, und er war vor allen Dingen darauf gespannt, wie es weiterging.
Um das Glas kümmerte sich Joshi nicht mehr. Er beobachtete sehr genau die Innenseite des Deckels mit dem sich dort bewegenden Inhalt. Dabei beugte er seinen Kopf tief nach unten und schaute den Würmern zu, wie sie sich über den Deckel hinweg bewegten.
Schließlich fasste er wieder mit zwei Fingern zu, klaubte das größte der Tiere hoch, hob die rechte Hand an und legte zugleich den Kopf zurück, um noch im gleichen Moment den Mund zu öffnen.
Er streckte die Zunge hervor, ließ die Spitze kurz kreisen und tanzen, bevor sich seine Finger von dem Wurm lösten. Er fiel auf die Zunge des Mannes, der sofort seinen Mund schloss und den Wurm zerbiss ...
Frantisek Marek stand noch immer am Fenster. Er war nicht entdeckt worden, denn der Imker hatte genug mit sich selbst zu tun. Das Gesicht des stillen Beobachters hatte sich verzogen. Ein Ausdruck des Ekels schwamm auf dem Gesicht, und er musste schlucken, wobei er zugleich eine Gänsehaut bekam.
Marek hatte sich auf einiges eingestellt, aber nicht darauf. Wie kam der Typ dazu, diese komischen Würmer zu essen? Er bewegte zudem seinen Mund. Dabei erinnerte er an jemand, der einen Wein verkostete. Aber das hier war kein Wein, das waren Würmer oder vielleicht etwas anderes. Mareks Gedanken drehten sich bereits darum, nur schaffte er es nicht, den richtigen Begriff zu finden.
Joshi griff zum zweiten Wurm. Auch den zerbiss er mit einer wahren Freude, und das dritte Tier verschwand ebenfalls in seinem Mund.
War dies das Abendessen eines Vampirs?
Der Pfähler hatte viel erlebt und durchgemacht mit diesen verdammten Blutsaugern, doch ein Beweis war das nicht. Auf keinen Fall würde er der Frau im Laden zustimmen. Das war hier jemand, der sich von den lebenden Früchten der Natur ernährte und dem es reichte, dass er drei dieser Dinger zu sich genommen hatte.
Einige waren an der Innenwand in die Höhe gekrochen, um das Gefängnis zu verlassen. Das wollte Joshi nicht, deshalb griff er zum Deckel und schraubte ihn wieder fest.
Auf seinem Stuhl lehnte er sich zufrieden zurück und war noch immer dabei, auf seiner Nahrung zu kauen, denn er führte die typischen Bewegungen durch.
Zum Fenster schaute er nicht hin. Marek hatte sich trotzdem etwas zurückgezogen, und zwar so weit, dass er den Imker gerade noch unter Sichtkontrolle behielt.
Joshi schaute auf das Glas mit dem zähen Gewimmel und öffnete seinen Mund.
Er saß noch im Licht der frühen Lampe. Er präsentierte unfreiwillig sein Gesicht, und Mark sah, wie er seinen Mund öffnete.
Etwas sickerte hervor.
Es war dunkel.
Es war zäh.
Als Tropfen fiel es auf den Tisch und zerplatzte dort.
Erst jetzt sah der Pfähler genau, was der Imker ausgespien hatte.
Blut!
Frantisek Marek zuckte zurück. Er presste sich wieder gegen die Wand, ohne noch durch die Fensterscheibe zu schauen. Er bekam plötzlich weiche Knie und war froh, dass er die Wand im Rücken hatte, um sich abstützen zu können. Die Welt um ihn herum schien sich zu drehen, und selbst jemand wie Marek, der so einiges erlebt hatte, brauchte seine Zeit, um sich damit abzufinden.
Er dachte darüber nach, was er gesehen hatte, und er dachte daran, was aus dem Mund des Mannes getropft war.
Ja, das war Blut gewesen!
Und dieses Blut musste sich zuvor in den Würmern befunden haben, die auch keine Würmer waren, denn jetzt wurde dem Pfähler bewusst, dass sie unterschiedliche Formen besessen hatten, und er fand auch den Ausdruck für diese Tiere.
Egel – Blutegel! Mit Blut gefüllte Tiere, die dem Imker als Nahrung gedient hatten, wobei sich Marek fragte, ob es Joshi um die Egel gegangen war oder um deren Inhalt.
Bestimmt um den Inhalt. Und dies wiederum passte schon mehr zu einem Vampir.
Dennoch hatte Marek damit seine Probleme. Er war der Fachmann für Vampire. Er hatte unzählige von ihnen zur Hölle geschickt. Es waren auch die verschiedensten Typen darunter gewesen, doch er hatte nie eine dieser Gestalten erlebt, die sich das Blut von voll gefressenen Egeln holte, sondern immer nur von Menschen, an deren Hälsen sie sich festgebissen und gesaugt hatten.
Marek musste umdenken und sich schon jetzt eingestehen, dass er es mit einer besonderen Art von Blutsauger zu tun hatte. Damit meinte er nicht die Egel, sondern den Imker, der sich von diesen Tieren ernährte. Er hatte sein Abendessen zu sich genommen. Er war auf seine Art und Weise gesättigt und schob jetzt seinen Stuhl zurück, um aufzustehen. Das sah Marek, als er wieder einen Blick durch das Fenster riskierte.
Die Lampe gab das Licht noch immer ab und schuf in der Dunkelheit des Raumes eine Insel. Man hätte die Atmosphäre als gemütlich ansehen können, wäre nicht der Vorgang gewesen, über den Marek nachgrübelte. Er konnte sich noch keinen Reim darauf machen und ging davon aus, dass er es unter Umständen mit einer besonderen Art von Vampir zu tun hatte, die sich von Blutegeln ernährten.
Aber wessen Blut steckte in den Tieren? Wem hatten sie es abgenommen? Waren Menschen durch sie zur Ader gelassen worden? Oder vielleicht Tiere?
Oder enthielten die Egel das Blut einer besonderen Person? Als ihm dieser Gedanke kam, wurde Marek sehr nachdenklich. Das malte sich auch auf seinem Gesicht ab. Er schaute auf seine Schuhe und merkte, wie sich die Gedanken in seinem Kopf drehten und darin herumhuschten wie ein Bienenschwarm.
Er hätte sich jetzt zurückziehen können, aber genau das tat der Pfähler nicht. Er war ein Mensch, der den Dingen auf den Grund ging und dabei gewisse Spielregeln einhielt. Auf halber Strecke stehen zu bleiben, war nicht sein Ding.