John Sinclair Sonder-Edition 259 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 259 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Die vierköpfige Bande hatte es auf Totenschädel abgesehen - doch für Suko und mich war es ein Leichtes, sie zu schnappen. Das wahre Grauen begann erst Stunden später: Man fand die Männer tot in ihren Zellen - brutal ermordet. Ab diesem Moment galt Alarmstufe Rot. Unsere Ermittlungen führten uns zu Dana Crow, einem gefeierten Popstar, deren Lied über Atlantis eine solch unheimliche Intensität besaß - als würde sie den versunkenen Kontinent mit eigenen Augen kennen. Und genau das tat sie. Ich begegnete ihr erneut in Atlantis - doch diesmal nicht als Sängerin, sondern als Herrin der Schädel. Ihr Ziel war grausam und eindeutig: Mit meinem Kopf wollte sie den Schädelturm krönen, den sie zu Ehren des Schwarzen Tods errichtet hatte ...


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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Herrin der Schädel

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Herrin der Schädel

von Jason Dark

Die vierköpfige Bande hatte es auf Totenschädel abgesehen – doch für Suko und mich war es ein Leichtes, sie zu schnappen. Das wahre Grauen begann erst Stunden später: Man fand die Männer tot in ihren Zellen – brutal ermordet.

Ab diesem Moment galt Alarmstufe Rot. Unsere Ermittlungen führten uns zu Dana Crow, einem gefeierten Popstar, deren Lied über Atlantis eine solch unheimliche Intensität besaß – als würde sie den versunkenen Kontinent mit eigenen Augen kennen. Und genau das tat sie.

Ich begegnete ihr erneut in Atlantis – doch diesmal nicht als Sängerin, sondern als Herrin der Schädel. Ihr Ziel war grausam und eindeutig: Mit meinem Kopf wollte sie den Schädelturm krönen, den sie zu Ehren des Schwarzen Tods errichtet hatte ...

Die Dunkelheit lag klebrig wie alter Ruß über dem Friedhof. Es war sehr still geworden. Deshalb war auch das Rauschen der Themse zu hören, deren Wassermassen schwerfällig durch das Flussbett geschoben wurden.

Windsor Castle lag auch nicht weit entfernt. Noch vor Kurzem hatte dort der Sarg der verstorbenen Queen Mum gestanden, bevor man ihn nach London überführte.

Daran dachte ich allerdings nicht, denn mich beschäftigten andere Probleme. Zwar ging es bei mir auch um Verstorbene, aber um welche, die schon länger in der Erde lagen. So lange, dass von ihnen nur noch Knochen übrig waren.

Nein, es ging nicht einfach nur um Knochen, sondern um die Schädel. Da waren irgendwelche Sammler unterwegs, die Gräber aufbrachen und Schädel hervorholten. Ein perverses Hobby, über das ich nicht mal lächeln konnte. Für mich war die Schändung der Gräber kein Kavaliersdelikt. Es war ein Vorgang, der durch die Polizei verfolgt werden musste.

Keine Sache für uns. Zumindest nicht im Prinzip. Hätte hinter diesen Taten nicht eine Methode gesteckt. Denn die Schädel waren nicht nur auf einem Friedhof gestohlen worden. Zahlreiche andere hatte man auch geschändet, und bisher war noch nicht herausgekommen, wer genau dahinter steckte.

Es waren keine Grufties, die sich einen Spaß daraus machten, die Gebeine aus dem Boden zu holen, um damit ihre Party zu schmücken, nein, diese Diebstähle hatten Methode, was auch daran zu erkennen war, dass sie so kontinuierlich durchgeführt wurden, und so waren die Kollegen zu dem Schluss gelangt, dass dahinter ein größerer Plan steckte.

Was konnte man mit alten Schädeln anfangen?

Der menschlichen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, aber viel Geld brachten sie nicht ein, auch in der Masse nicht. Man konnte sie verkaufen, aber auch hier regelte das Angebot die Nachfrage, und viele Schädel waren nicht zum Verkauf angeboten worden. Da wäre das Internet das ideale Medium gewesen.

Warum dann die Diebstähle?

Das sollten wir herausfinden. Man hatte unseren Chef, Sir James Powell, überredet, und so waren Suko und ich losgeschickt worden, um den einen oder anderen Dieb zu stellen.

Wir beide bewegten uns nicht am gleichen Ort. Wir marschierten getrennt und wollten jeder einen Erfolg erringen, auch wenn wir uns dafür Nächte um die Ohren schlagen mussten.

Es war bereits die vierte Nacht, in der ich auf der Lauer lag. Mehr als fünf sollten es nicht werden, das war mit Sir James ausgemacht worden. Zudem ist die Nachtschicht nicht jedermanns Sache, das merkte auch ich, denn sie steckte mir schon in den Knochen.

Am Tag hatte ich ausschlafen sollen, was aber nie so richtig der Fall gewesen war. Ich war immer wieder erwacht, und es gab für mich auch keine Gewöhnung. Und so fiel es mir immer schwerer, die Augen offen zu halten, als ich mich wieder auf die Lauer legte.

Ich ging nach einem Plan vor. Da der Friedhof in einem ländlichen Gebiet lag, gab es in der Nähe auch gute Verstecke, die auch meinem Rover entgegenkamen. Ich konnte den Wagen so hinstellen, dass er so leicht nicht gesehen wurde, ich aber den Eingang des Friedhofs im Auge behalten konnte.

Das war natürlich nicht das Optimum aller Dinge. Wer in der Nacht über den Friedhof schlich und irgendwelche Gräber aufbuddelte, der nahm nicht eben den normalen Eingang, sondern kletterte über irgendwelche Mauern oder Zäune hinweg, aber ich verbrachte die Zeit bis Mitternacht immer im Rover. Erst dann machte ich mich auf die Pirsch.

Eigentlich hätte ich von einem Friedhofsgärtner Unterstützung finden sollen, aber dieser Mann hatte gekniffen. Einfach nur aus Angst. Nicht vor den Toten, sondern vor den Lebenden, den Grabräubern, die bestimmt keine Chorknaben waren. Wer so extrem vorging, der verfolgte einen Plan mit allen Konsequenzen.

Ich saß im Wagen, der durch eine Buschgruppe gut geschützt wurde, und war müde geworden. Man ist keine Maschine, man ist kein Supermann, und von irgendwelchen Pillen, die mich wach hielten, hatte ich noch nie etwas gehalten.

Glendas guter Kaffee begleitete mich in einer Warmhaltekanne, aber das Getränk reichte auch nicht aus, um die Müdigkeit zurückzudrücken. Also schlief ich ein – und zuckte plötzlich zusammen, als hätte bei mir ein innerer Wecker angeschlagen.

Sofort war ich wach.

»Mist!« Ich schimpfte über mich selbst, fand mich allerdings sehr schnell wieder zurecht und wusste nach dem ersten Blick auf die Uhr, wo ich mich befand.

Es hatte sich nichts verändert. Innen umgab mich die Dunkelheit und außen ebenfalls. Zudem hatte sich auch die Stille nicht verändert. Mein Blick fiel auf die Digitalanzeige der Uhr am Armaturenbrett, und ich erkannte, dass Mitternacht bereits vorbei war. Der neue Tag hatte begonnen, und ich hockte noch immer im Rover, anstatt den Friedhof betreten zu haben. Es ärgerte mich, dass ich verschlafen hatte, aber ich war nicht angegriffen worden und ging mal davon aus, dass ich auch weiterhin nichts versäumt hatte.

Meine Augen musste ich trotzdem reiben, bevor ich den Wagen verließ und mich nach draußen schlängelte in eine Luft, die sich ziemlich stark abgekühlt hatte.

In den vergangenen Tagen hatte London einen Ansturm des Frühlings erlebt, der nun vorbei war. Die Blüten waren explodiert, Allergiker hatten bei ihrer Krankheit zu leiden, aber der Winter ließ sich nicht so leicht vertreiben. Er würde mit kälteren Temperaturen zurückkehren, schließlich hatten wir erst April.

Ich drückte die Tür wieder hinter mir zu, schaute mich um, sah nichts Verdächtiges und hörte nur das ferne Rauschen der Themse. Es hatte sich nichts verändert.

Nachdem ich die Deckung verlassen hatte, waren es nur ein paar Schritte bis zum Eingang des Friedhofs, der von der Anlage her zu den ungewöhnlichen zählte. Die Gräber waren an einem Hang angelegt worden, und als Gehstrecken gab es einen großen, außen herumführenden Rundweg und einige serpentinenartige Pfade, die praktisch ein Quermuster bildeten.

Dieses Gelände gab es bereits einige Jahrzehnte lang. Es war auch noch genügend Platz für neue Gräber, aber die Gruften herrschten hier vor. Einige von ihnen waren geschändet worden. Man hatte die Totenschädel hervorgeholt und ansonsten nichts angerührt. Alle Knochen waren zurückgelassen worden.

Die Diebe interessierten sich eben nur für die Schädel, und ich war sicher, dass hinter diesem Plan sehr deutliche Interessen steckten.

Das Tor war auch in dieser Nacht abgeschlossen worden. Um den Friedhof herum verlief keine Mauer. Man hatte sich für einen Maschendrahtzaun entschieden. Für mich war das mehr ein Alibi als ein normales Hindernis.

Die Wege kannte ich mittlerweile. Ich hatte mich diesmal für den Rundweg entschieden, denn von ihm aus besaß ich einen guten Überblick, und das auch in der Dunkelheit. Wenn jemand den Friedhof betrat und sich im Schein irgendwelcher Lampen orientierte, dann würde ich es sehen.

In den drei Nächten zuvor war nichts passiert. Bei mir hatte sich eine gewisse Lethargie eingeschlichen, und ich ging schon fast davon aus, dass auch in dieser Nacht alles ruhig bleiben würde. Möglicherweise hatten die Diebe spitz bekommen, dass der Friedhof überwacht wurde, und hielten sich erst mal zurück.

Hier waren drei Gräber geschändet worden. Dazu gehörten zwei Gruften, und da war die Beute der Diebe natürlich größer gewesen. Sie hatten einige Schädel mitgehen lassen und waren mit brutaler Gewalt vorgegangen.

Um mich herum gab es eigentlich nur die Stille. Da sang kein Vogel, da war kein Rascheln zu hören, ich vernahm auch keine Stimmen, und es war eine andere Stille als die, die man in einem nächtlichen Wald vorfindet. Es konnte daran liegen, dass die vielen Toten in der Erde lagen, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Von klein auf hatte ich erfahren, dass sich ein Mensch auf einem Friedhof einfach anders benimmt, wenn er ihn betritt. Man geht langsamer, man lauscht mehr, und man dämpft auch seine Stimme bei einer Unterhaltung.

Nur ich war zu hören. Ich hatte mich an den Rhythmus meiner Schritte gewöhnt. Außerdem kannte ich das Gelände bereits. Da wirkten manche Grabsteine wie alte Bekannte.

Die Kreuze befanden sich in der Überzahl. Manche groß und schlank, andere wiederum waren kleiner, auch dicker und wirkten deshalb kompakter. Wer einen besonderen Geschmack besaß, der hatte das Grab des oder der Verstorbenen mit Figuren schmücken lassen. So standen die Engel manchmal wie stumme Wächter in der Dunkelheit, und auf einigen Gräbern sah der Besucher Skulpturen, die auch als moderne Kunstwerke hätten durchgehen können. Von denen nur niemand wusste, was sie eigentlich darstellen sollten.

Der Rundweg stieg zunächst an. Dabei führte er in einer weit geschwungenen Linkskurve weiter. An der höchsten Stelle und bevor es wieder bergab ging, lag die größte Gruft. Sie maß einige Meter in der Breite, und sie war ebenfalls geschändet worden. Da hatte man die Erde aufgewühlt und mehrere Schädel hervorgeholt. Auf den verschiedenen Grabsteinen stand zu lesen, wer da begraben lag. Es waren die Mitglieder einer adeligen Industriellen-Familie, die in der Nähe ihr Werk gehabt hatten, wo Schuhe hergestellt worden waren.

Die Nachkommen gab es noch. Die Fabrik nicht mehr, und die Schuhe wurden in einem Billiglohnland hergestellt.

Vor der Gruft blieb ich stehen. Ich kannte sie ja und warf nur einen kurzen Blick über sie hinweg. Es war keine zu finstere Nacht, aber es schien auch kein voller Mond.

Was dort am Himmel stand, sah aus wie ein Fußball, der noch richtig aufgeblasen werden musste. Sterne funkelten in sehr weiter Ferne. Manchmal hörte ich ein fremdes Geräusch von außerhalb des Friedhofs, das ich nicht identifizieren konnte.

Der Gruft gegenüber stand eine Bank. Man konnte sich hier ausruhen und den Blick über den Friedhof genießen. Ich nahm davon Abstand. Mir war es etwas zu kühl. Außerdem wollte ich nicht schon wieder einschlafen.

Wer wartet, für den vergeht die Zeit quälend langsam. Ich kannte das Spiel. Die folgenden beiden Stunden würden schlimm werden, und länger hatte ich es eigentlich nie ausgehalten.

Kamen sie? Kamen sie nicht?

Ich hoffte es. Ich wollte nicht noch mehr Nächte nutzlos auf dem Friedhof verbringen. Da war mir mein Bett schon lieber, und ich drückte mir diesmal wirklich die Daumen.

Wenn sie erschienen, dann liefen sie bestimmt nicht in der Dunkelheit über das Gelände. Dann brachten sie Licht mit. Lampen, auch Werkzeuge. Zumindest würden sie dies hin und wieder einsetzen, um sich zunächst mal zu orientieren.

Darin sah ich natürlich meine Chance. Ich hoffte auch, dass ich es nicht mit zu vielen Dieben zu tun hatte. Daran wollte ich auch nicht glauben. Als Horde würden sie den Friedhof bestimmt nicht heimsuchen. Es galt erst mal abzuwarten.

Dann schrak ich zusammen.

Plötzlich war das Licht da!

Ich bildete es mir nicht ein, denn dieser Strahl war weiter unten aufgezuckt und für einen Moment wie ein heller Arm durch die Landschaft geglitten oder wie eine Schranke, die ihren Weg von oben nach unten fand. Ich brauchte keinen weiteren Beweis. Ich war aber voll da. Die Entdeckung des Lichts hatte bei mir für einen Adrenalinstoß gesorgt.

Die Helligkeit war nur für einen Augenblick zu sehen gewesen. Danach war sie wieder verschwunden. Es blieb nur die Dunkelheit. Ich ging davon aus, dass sich jemand durch sie bewegte und strengte besonders meine Ohren an, aber es war nichts zu hören.

Die Eindringlinge verhielten sich professionell. Sie wollten so wenig Aufsehen wie möglich erregen.

Ich blieb bewegungslos stehen und konzentrierte mich einzig und allein auf Geräusche. Wenn Menschen das Gelände betreten hatten, dann mussten sie beim Laufen Geräusche verursachen, und in der Stille würden sie besonders deutlich zu hören sein, darauf setzte ich.

Leider hatte ich Pech.

Ich hörte keine Geräusche, vernahm auch keine Stimmen. Auf dem Gelände blieb alles ruhig. Ich wartete zudem vergebens darauf, dass wieder eine Lampe aufstrahlte. Wer immer gekommen war, er fand sich auch in der Dunkelheit zurecht.

Ich fand meinen Logenplatz gut. Der Wind wehte gegen mein Gesicht, als wollte er es streicheln. Er brachte auch bestimmte Gerüche mit. Zumeist roch es nach frischer Erde, auch nach Blüten, denn der Frühling brachte wieder Farbe in die Natur.

Urplötzlich war das Licht wieder da!

Sofort weiteten sich meine Augen. Ich hatte auch gesehen, dass es an einer anderen Stelle zu sehen gewesen war. Weiter rechts, auch höher. Da musste jemand einen Querweg genommen haben, um sein Ziel zu erreichen.

Ich war voll konzentriert. Nicht nur der Lichtschein wies mir den Weg, jetzt hörte ich auch die leisen Echos der Stimmen und Schrittgeräusche, die sich nach rechts bewegten.

Das Licht tanzte jetzt auf und ab. Manchmal wurde es von Büschen verdeckt, dann war es ganz verschwunden, weil jemand die Lampen ausgeschaltet hatte, aber es tauchte immer wieder auf, denn die beiden Diebe bewegten sich weiter.

Gräber, die von ihnen aufgebrochen waren, hatten sie geleert. Nur Knochen zurückgelassen, aber keine Schädel. Und jetzt würden sie ein neues Grab aufbrechen, davon war ich überzeugt.

Noch ließen sie sich Zeit. Sie gingen sehr langsam und waren sicherlich auch vorsichtig. Ich hoffte nur, dass sie meinen Rover nicht entdeckt hatten.

Einmal drehten sich die beiden Lichtlanzen. Da zuckten sie auch für einen Moment in meine Richtung, doch die Gefahr der Entdeckung bestand nicht, denn ich stand einfach in einer zu guten Deckung.

Wo wollten sie hin?

Die Antwort ließ nicht mehr lange auf sich warten, denn auf halber Höhe des Gräberhangs blieben sie stehen. Da tanzte kein Licht mehr durch die Dunkelheit, aber es blieb nach wie vor, und von zwei verschiedenen Seiten strahlte es auf einen bestimmten Punkt zu, wobei ich davon ausging, dass es sich um ein Grab handelte.

Es wurde spannend.

Ich war froh, dass ich nicht mehr länger warten musste. Mein Plan stand längst fest. Ich würde so lautlos wie möglich über den Hang schleichen, um die beiden zu überraschen.

Ich gab den beiden noch eine halbe Minute.

Dann ging ich los ...

Suko saß dem alten Küster gegenüber, der zugleich so etwas wie ein Heimatdichter und Archivar war. Der Mann hieß Arnold Sheen, war über siebzig Jahre alt und gehörte zu den Menschen, die sich der Heimat und der Erhaltung des Erbes verschrieben hatten.

Nicht des persönlichen allein. Er war jemand, der die Tradition schätzte, der bewahren wollte, was Menschen hinterlassen hatten, und dazu zählten auch die Pfarrer, die in den verschiedenen Gemeinden gewirkt hatten. Er kannte sich in seiner Gegend aus, was die Historie der Kirchen anging, und er wurde gern engagiert, um irgendwelche Führungen zu übernehmen. Er kannte in den Kirchen jeden Stein, er konnte viel erzählen und auch Geschichten um Tatsachen erfinden. Er lebte für seinen Job, den er freiwillig weiterführte, obwohl man ihn offiziell in Pension geschickt hatte, doch nun war für ihn ein Weltbild zusammengebrochen, wie er Suko erklärte.

»Ich kann noch immer nicht glauben, dass es Menschen gibt, die so etwas tun, Inspektor.«

»Leider ist das Leben anders.«

»Aber was wollen sie damit? Was wollen diese verfluchten Typen mit den Schädeln der Toten?«

»Ich weiß es nicht.«

Der Küster, dessen haarloser Kopf im gelben Licht der Lampe leuchtete wie eine Kugel und dessen Haut von dicken Falten gezeichnet war, schaute Suko skeptisch an. »Wissen Sie, Inspektor, ich will nicht behaupten, dass ich Ihnen nicht glaube, aber ich kann mir schon vorstellen, dass Sie einen Verdacht haben.«

Suko lächelte. »Das mag stimmen, Mr. Sheen, aber ein Verdacht ist kein Beweis. Und den möchte ich gern in dieser Nacht bekommen.«

»Kann ich mir denken, Inspektor. Es ist trotzdem schrecklich für mich.« Er schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ich habe immer Ehrfurcht vor den Toten gehabt, und ich bin davon ausgegangen, dass andere Menschen so denken wie ich. Das habe ich jahrelang geglaubt, aber jetzt weiß ich, dass ich damit falsch liege. Es gibt tatsächlich Menschen, die keine Ehrfurcht vor dem Tod haben und selbst dann noch rauben, was die Natur zurückgelassen hat. Warum? Was, bitte schön, kann man damit anfangen?«

»Sie und ich wohl nichts, Mrs. Sheen. Andere schon. Davon müssen wir einfach ausgehen.«

Der Küster senkte seine Stimme. »Ich habe mal etwas von Schwarzen Messen gelesen. Meinen Sie, dass diese verfluchten Diebe die Schädel dafür nehmen?«

»Ja, das kann sein.«

»Sehr unverständlich für mich. Ich begreife so was nicht.«

»Aber es ist eine Tatsache, dass man an den Gittern gesägt und Schädel gestohlen hat.«

»Ja.«

»So, und ich denke, dass die Diebe das nicht zum ersten Mal getan haben. Hier werden sie fündig. Was im Vorraum der Kirche hier an Schädeln liegt, das ist schon eine Menge.«

»Ich weiß«, flüsterte Arnold Sheen. »Das weiß ich alles, aber ich kann mir nicht vorstellen ... nein, nein, ich wiederhole mich. Wir sind stolz darauf gewesen, so etwas wie ein Beinhaus zu besitzen. Hinter den Gittern liegen die Köpfe der Pfarrer und Menschen, die ihnen nahe standen. Man hat sie gesammelt, um die Nachwelt daran zu erinnern, wie endlich das Leben doch ist. Man hat diese Sammlung immer akzeptiert. Man hat Kerzen aufgestellt zu bestimmten Zeiten. Die Menschen konnten die Gebeine durch die Gitterstäbe betrachten, und nie haben wir daran gedacht, die Erinnerungsstücke durch eine Alarmanlage absichern zu lassen. Aber daran wird wohl kein Weg vorbeigehen.«

»Abwarten, Mr. Sheen. Erst mal müssen wir die Typen haben, und darauf setze ich.«

»Meinen Sie?«

»Ja.« Suko lächelte wieder. »Ich werde Ihnen auch den Grund erklären. Sie waren schon einmal hier, aber sie haben nicht viel mitnehmen können. Es dauerte zu lange, das Gitter zu durchsägen, dessen Stäbe ungewöhnlich stabil sind. Sie sind mit einer geringen Beute verschwunden. Aber die große Beute liegt noch hier, und sie werden zurückkehren, davon bin ich überzeugt.«

»Wäre logisch, wenn man das so sieht.«

»So muss man es sehen.«

»Aber bisher ist nichts passiert.«

»Das kann sich ändern.«

»Wie Sie meinen, Inspektor. Ich hoffe, dass es sich sogar sehr bald ändert.« Sheen ballte die Hände zu Fäusten. »Und dass es diesen Hundesöhnen an den Kragen geht.«

»Wir werden sehen.«

Suko hielt sich im Haus des Küsters auf. Das heißt, es gehörte dem Bistum, und Arnold Sheen hatte dort eine kleine Wohnung gemietet. Die Kirche lag nur ein paar Schritte entfernt, und sie war wirklich etwas Besonderes, denn im Vorraum, direkt hinter der Eingangstür, wurde der Besucher mit dem Tod konfrontiert. Das heißt, mit den Schädeln, die dort in Reih und Glied lagen und von Gitterstäben geschützt wurden. Man hatte sie präpariert, sodass sie nicht so schnell zerfielen. Deshalb glänzten sie auch wie mit einer dünnen Ölschicht bestrichen, wenn das Licht der Strahler auf sie fiel.

Suko leerte seine Tasse und trank den Rest des Tees in kleinen Schlucken. Danach nickte er dem Küster zu. »So, dann werde ich mich mal auf den Weg machen.«

Sheen schaute etwas ängstlich über den Tisch hinweg. »Meinen Sie denn, dass es die richtige Zeit ist?«

»Klar. Mitternacht ist vorbei. Ich denke schon, dass ich eine gute Chance habe.«

»Ja, ja.« Der Küster rang die Hände. »Dann kann ich Ihnen nur viel Glück wünschen.«

»Danke«, erwiderte Suko, der bereits aufgestanden war.

»Aber denken Sie daran, dass es auch gefährlich werden kann.«

»Ich weiß.«

Wenig später verließ Suko das schmale Haus. Für einen Moment dachte er an seinen Freund John Sinclair, der sich ebenfalls einige Stunden der Nacht um die Ohren schlug, denn auch an anderen Orten waren Gräber aufgebrochen und Schädel gestohlen worden. So hatte John seinen Platz auf einem Friedhof unweit von Windsor Castle eingenommen.

Auch auf anderen Friedhöfen in der Umgebung von Groß-London waren Gräber aufgebrochen worden. Sie konnten nicht alle unter Kontrolle gehalten werden. So hatten sich John und er die wichtigsten Orte ausgesucht, und beide hofften, die Diebe stellen zu können.

Das Gemäuer der Kirche malte sich vor der dunklen Wand wie ein großes Gemälde ab. Es war der Turm zu sehen mit der Wetterfahne darauf. Das Kirchenschiff schien in der Nacht zu schwimmen, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Die Bäume in der Nähe begannen zu blühen, und in der Luft hing der Duft nach frischen Blüten.

Suko brauchte nicht lange, um die Kirche zu erreichen. Er war schon spät dran. In der vergangenen Nacht war nichts passiert, und er hoffte darauf, dass die Diebe noch nicht genug hatten.

Bevor er die Kirchentür aufzog, schaute er sich um. Nein, es gab keine Verfolger, die ihm hätten gefährlich werden können. Auch der Küster hatte das Licht im Haus gelöscht, sodass kein Fenster mehr erhellt war. In der oberen Wohnung lebte im Moment niemand, denn der Pfarrer war gestorben. Bis ein neuer eingesetzt wurde, würde noch eine gewisse Zeit verstreichen.

Suko öffnete die Tür, die knarrte, als wollte sie sich beschweren. Es war natürlich der Gedanke aufgekommen, die Tür nach dem ersten Einbruch zu verschließen. Das hatte sich als Problem herausgestellt, denn weder das alte Schloss funktionierte, noch gab es den passenden Schlüssel. In der Vergangenheit hatte niemand daran gedacht, die Kirche abzuschließen.

Suko schob sich in sie hinein. Sofort umgab ihn ein anderes Gefühl. Es lag an dem kleinen Vorraum. Hier war kein Wind mehr zu spüren, und die Luft hatte zudem einen anderen Geruch bekommen. Es roch nicht nur feucht und nach Wasser, sondern auch nach Kerzenwachs, der unterhalb der Kerzen verlaufen und erkaltet war.

Die Kerzen standen in kleinen Nischen innerhalb der Wände, aber wichtig war allein das, was hier lagerte.

Suko schaute sich die Gitterwand zunächst an und dann durch die Lücken auf das, was dahinter verwahrt wurde. Es waren die alten Schädel wichtiger Menschen in der Gemeinde, aber sie waren in der Dunkelheit kaum zu erkennen, denn es schimmerte kein Kerzenlicht. Hinter den beiden kleinen Fenstern an den Seiten lauerte nur die Nacht.

Suko musste sich umschauen und holte die kleine Leuchte hervor, die ihm wieder mal einen guten Dienst erweisen würde. Er stellte den Strahl breiter ein und leuchtete durch die Lücken dorthin, wo die Schädel beieinander lagen.

Man hatte sich schon Mühe gegeben und sie nicht einfach nur auf dieses breite Podest gelegt. Man hatte es treppenförmig angelegt, und auf jeder Stufe verteilten sich die alten Schädel, über die das Licht der Lampe glitt.

Suko sah auch die Stelle, an der die Diebe an dem Gitter gearbeitet hatten. Es war nicht ganz durchgeschnitten worden, sondern mehr verbogen. So hatten sie Probleme damit gehabt, an die wichtigen Schädel heranzukommen. Einige, die weiter vorn standen, hätten sie greifen können, was nicht geschehen war, denn es gab nur wenige leere Stellen auf dieser ersten Stufe.

Suko betrachtete die Schädel mit beruflichem Interesse. Warum waren Schädel gestohlen worden und auch in dieser Menge? Da hatte er schon seine Probleme, denn an irgendwelche Grufties als Diebe dachte er nicht. Die raubten nicht Schädel in dieser Menge. Da musste schon etwas anderes dahinter stecken.

Möglicherweise eine sehr große Sache. Auch sein Freund John Sinclair sah die Dinge ähnlich.

Im Vorraum mit den Überresten der Toten gab es noch eine zweite Tür, die dann direkt in die Kirche hineinführte. Suko öffnete sie und lauschte den Schleifgeräuschen nach, als sie mit der unteren Seite über den Boden glitt.

In der Kirche selbst hielt sich um diese Zeit niemand auf. Die Menschen lagen in den Betten.

Suko blieb in der Kirche. Hier wollte er die nächste Zeit verbringen. Wenn die Diebe tatsächlich auftauchten, würde er sie perfekt überraschen können.