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Unter den gefährlichen Dämonen gehört Göttin Kali zur Spitze. Ich hatte es am eigenen Leib erfahren müssen und wusste auch, dass es mir nicht gelungen war, Kali zu vernichten.
Sie lebte weiter und schmiedete gefährliche Pläne.
Nicht in ihrer Heimat Indien schlug sie zu, sondern in London. Schlangen tauchten auf. Kaum eine Straße wurde verschont. Kalis Rache war fürchterlich, und sie bekam noch Unterstützung durch Wikka, die oberste aller Hexen.
Wikka und Kali traten an, um mich in die Schlangengrube zu vernichten ...
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Seitenzahl: 179
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Kalis Schlangengrube
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/Antracit
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2932-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Kalis Schlangengrube
von Jason Dark
Es war bereits der dritte Abend, an dem Peter Brandon seine Wohnung leer vorfand. Cynthia war nicht wiedergekommen!
Er rief sie trotzdem, als er von der Arbeit kam. Seine Stimme hallte durch die Wohnung, die ohne Cynthia verlassen wirkte, und das Echo seiner Worte kam dem Mann wie ein höhnischer Gruß vor.
Draußen war es längst dunkel geworden. Die Brandons wohnten in einer schmalen Straße, die vom Durchgangsverkehr zum Glück verschont geblieben war. Nur hin und wieder, wenn mal ein Fahrzeug am Haus vorbeirauschte, huschte der Widerschein eingeschalteter Scheinwerfer geisterhaft am Fenster vorbei.
Brandon ließ sich in einen Sessel fallen. Er stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel und legte sein Kinn auf die Handteller. Dabei stierte er zu Boden, und abermals kehrten die quälenden Gedanken und auch Vorwürfe zurück. Er fragte sich zum wiederholten Mal, ob er am Verschwinden seiner Frau die Schuld trug.
Sicher, ihre Ehe war nicht vorbildlich gewesen, da hing auch kein Himmel mehr voller Geigen, aber irgendwie erwartete man das nach zwanzig Jahren auch nicht. Cynthia war ihren eigenen Weg gegangen, den er ihr nicht verbaut hatte. Sie wollte sich selbst verwirklichen, schien es geschafft zu haben, denn zweimal in der Woche war sie an den Abenden unterwegs. Da ging sie in ihren Klub.
Was das für ein Klub war, dahinter war Peter Brandon nie gekommen. Auf entsprechende Fragen hatte Cynthia nur immer mit der Begründung ausweichende Antworten gegeben, dass dem Klub sowieso nur Frauen angehörten.
Und die Zahl der Mitglieder war sehr groß, so viel wusste Peter inzwischen. Mindestens zwanzig, wenn nicht noch mehr. Was sie bei ihren Versammlungen trieben, das wusste er hingegen nicht. Seine Frau hatte sich immer vornehm ausgeschwiegen.
Natürlich hatte er versucht, über den Klub Nachforschungen anzustellen. Gelungen war ihm dies nicht, denn er wusste nicht einmal die Telefonnummer und kannte auch keine Namen. Cynthia hatte einfach nur von ihrem Klub gesprochen. Und Brandon wusste lediglich, dass er sich irgendwo in London etabliert hatte.
Brandon stand auf. Als er sich in der Bewegung befand und seinen Körper fast durchgedrückt hatte, hörte er das seltsame Geräusch. Es war ein Zischen!
Brandon versteifte. Er schluckte, und sein Adamsapfel bewegte sich dabei. Dann lockerte er den Knoten seiner Krawatte, ging ein paar Schritte zur Seite und lauschte abermals, ob sich das Zischen vielleicht wiederholte.
Nein, da tat sich nichts.
Brandon dachte über die Ursache des Geräuschs nach. Es konnte irgendwo in der Wohnung aufgeklungen sein, an einer defekten Leitung, aber mit Gas kochten sie schon lange nicht mehr, also musste es einen anderen Grund haben.
Rasch ging er in die Küche.
Es war der kleinste Raum der Wohnung. Das Geschirr stapelte sich in der Spüle, denn Peter hatte es versäumt, abzuwaschen. Er wollte es auch nicht. Wenn Cynthia zurückkehrte, dann sollte sie diese Arbeit übernehmen.
Er sah sich die Spüle an, dann den E-Herd und blickte auch dahinter, doch nirgendwo konnte er etwas entdecken, was dieses seltsame Zischen gerechtfertigt hätte.
Schulterzuckend ging er wieder zurück ins Wohnzimmer.
Dass er an der kleinen Bar vorbeikam, empfand er als praktisch. Er öffnete die Klappe und holte eine Flasche Scotch hervor.
Mit ihr und einem Glas bewaffnet, lief er zum Sessel und ließ sich schwer in das Möbelstück hineinfallen.
Als er dem Whisky nachsah, wie er in das Glas gluckerte, da dachte er an seine Frau und verzog das Gesicht. Verdammt, sollte ihm die Alte doch gestohlen bleiben. Seine Sorge wandelte sich um in Wut. Ja, Wut, Ärger und Starrsinn.
Da schuftete man den ganzen Tag in diesem Büro der Versicherung, musste sich die Motzereien der Kollegen und Vorgesetzten gefallen lassen, um anschließend noch den Ärger zu Hause zu erleben. Sollte sie sich doch zum Teufel scheren.
»Jawohl, zum Teufel!«, sagte er, hob das Glas und nahm einen kräftigen Schluck. Der Whisky tat gut. Er rann so weich in seine Kehle und spülte den ersten Ärger weg.
Noch einen Schluck.
Plötzlich lachte er, schalt sich einen Narren, dass er dem Weib noch nachgetrauert hatte. Sollte sie bleiben, wo der Pfeffer wuchs, oder direkt in die Hölle marschieren, um dem Teufel einen schönen Gruß zu bestellen. Er kam auch allein zurecht.
»Sicher komme ich das!«, rief er sich selbst zu und sprach noch einen Toast.
Er wollte auch nicht mehr die Polizei benachrichtigen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte. Die Bullen konnten ihm nicht helfen. Sie brauchten seine Frau gar nicht zu suchen. Vielleicht hatte sie auch nur mit ihrem komischen Klub einen Betriebsausflug gemacht. Das war alles egal, es spielte keine Rolle mehr, er wollte …
Das Zischen!
Diesmal war es lauter, und es unterbrach seinen Gedankengang. Peter Brandon sprang so heftig in die Höhe, dass Whisky aus seinem Glas schwappte und zu Boden klatschte, wo die Flüssigkeit einen dunklen Fleck auf dem Teppich hinterließ.
Brandon wurde nervös. Jetzt wollte er diesem Zischen auf den Grund gehen, und mit schleichenden Schritten bewegte er sich auf die Küche zu. Auf der Türschwelle blieb er stehen, blickte in den Raum, aber da war nichts zu sehen.
Wo dann?
Ihm fiel die offene Schlafzimmertür auf. Sie war nur einen Spaltbreit geöffnet, und er dachte daran, dass dieses Zischen durchaus im Schlafzimmer seinen Ursprung gehabt haben konnte.
Die Tür lag links von ihm. Peter Brandon streckte seinen Arm aus, spreizte dabei die Hand und stieß mit den Fingern gegen das Holz, sodass die Tür langsam in den Raum schwang. Sein Herz klopfte plötzlich schneller. Schweiß trat aus seinen Poren und benetzte die Stirn.
Er leckte sich über die Lippen, und ein Gefühl der Angst überkam ihn. Er traute sich plötzlich nicht, das Zimmer zu betreten, die Entdeckung, die ihm unter Umständen bevorstand, konnte für ihn schrecklich sein. Sogar an Flucht dachte er, schüttelte jedoch den Kopf und schalt sich im selben Moment einen Narren. Nein, es war Unsinn, einfach davonlaufen zu wollen. Er musste sich den Problemen schon stellen, wenn er tatsächlich die Wahrheit erfahren wollte.
Noch einmal drückte er die Tür auf. Diesmal hatte er mehr Kraft hinter den Stoß gelegt, und die Tür schwang so weit auf, dass sie mit der Klinke die Wand berührte.
Freier Blick in das Zimmer. Peter Brandon sah auf das große Doppelbett. Der Rahmen bestand aus Eiche. Er hatte die Einrichtung des Zimmers mit in die Ehe gebracht, so alt war das Zimmer schon.
Cynthia schwärmte für farbige Bettbezüge. In dieser Woche hatte sie die lindgrünen übergezogen.
Und mitten auf der rechten Betthälfte, wo Cynthia immer schlief, da bewegte sich etwas. Es war eine Schlange!
Diese Tatsache allein hätte ausgereicht, um Peter Brandon zu schocken. Aber es kam noch etwas hinzu. Die Schlange hatte einen menschlichen Kopf. Und er zeigte Cynthias Züge!
***
Sie war wieder zurückgekehrt. Als Schlange!
Peter begann zu lachen. Er wischte mit einer fahrigen Bewegung über seine Stirn, glaubte an eine Täuschung oder Illusion und schrieb das Bild dem schnell genossenen Alkohol zu, aber so sehr er sich auch bemühte, es blieb.
Die Schlange besaß den Kopf seiner Frau.
Zwar verkleinert, aber deutlich zu sehen. Da waren die etwas gebogene Nase, die beiden scharfen Falten rechts und links, die sich hart in die Haut gruben, die Augen mit den dunklen Pupillen und das schon angegraute Haar, das sie immer zurückgekämmt hatte, um es im Nacken zu einem lockeren Knoten aufzutürmen.
Das genau war seine Cynthia, mit der er so lange verheiratet war. Sie öffnete den Mund. Peter sah auch die Zunge, aber es war keine menschliche, sondern die einer Schlange. Lang, dünn und gespalten.
Ein widerliches Werkzeug. Und mit der Zunge drang auch das Zischen aus dem Mund.
Nun wusste Peter Brandon genau Bescheid, und ihm wurde erst jetzt richtig bewusst, was er da erlebte. Seine eigene Frau war zu einem Monstrum geworden.
Eine Schlange mit Menschenkopf!
Das durfte es doch nicht geben. Peter begann zu lachen. Es klang irr, überdreht, spitz und kichernd. So artikulierte sich bei ihm das Gefühl der Panik. Andere hätten vielleicht geschrien und gejammert, er jedoch nicht. Peter lachte, hielt sich am Türfutter fest, schüttelte den Kopf und wollte sich überhaupt nicht mehr beruhigen.
Wieder das Zischen. Diesmal bösartiger, gefährlicher.
Peters Lachen brach ab. Er zuckte zusammen, sein Gesicht verzerrte sich, und über seinen Rücken kroch eine Gänsehaut. Er bekam genau mit, wie sich die Schlange bewegte. Zuerst ihren Kopf, den ließ sie pendeln, dann den Oberkörper, der sich zusammenringelte und zu einem Fragezeichen wurde.
So bewegte sie sich über das Bett. Geschmeidig, fast lautlos und gefährlich.
Peter zitterte plötzlich. Er dachte darüber nach, was er alles von Schlangen wusste. Und das war nicht viel. Es gab giftige und harmlose. Aber zu welcher Sorte zählte die, die vor ihm lag und ihn mit den Augen seiner Frau so scharf fixierte? War sie auch giftig?
Plötzlich überkam ihn das Zittern. Erst jetzt wurde ihm die Tragweite dessen bewusst, was sich seinen Augen bot. Es war grauenhaft und schaurig. Er wusste selbst nicht, wie er reagieren sollte, und er hatte auch keine Erklärung für das Phänomen, er dachte in diesen Augenblicken daran, dass er die gefährliche Bestie töten musste. Das war sicher. Wenn sie ihn angriff und giftig …
Die Schlange verließ das Bett. Sehr geschickt machte sie es, erreichte den Boden, richtete sich auf, und die Augen seiner Frau blickten ihn so scharf an, dass sie ihn fast auf der Stelle bannten.
Er schüttelte den Kopf. »Hau ab!«, flüsterte er. »Verschwinde.«
Das Zischen klang bösartig. Wahrscheinlich konnte sie nicht sprechen und nur dieses eine Geräusch ausstoßen, aber das ging Peter Brandon unter die Haut.
Es warnte ihn gleichzeitig, und er sprang hastig zurück. In der schmalen Diele landete er, sah sich um, rammte dann mit der Schulter die Küchentür auf, sprang in den kleinen, viereckigen Raum hinein und suchte nach einer Waffe.
Mit bloßen Händen wollte er die Schlange nicht angreifen. Er musste etwas zwischen die Finger bekommen, um die Bestie zu töten, wobei er an ein Messer dachte und die Schublade eines Einbauschrankes aufriss. So heftig, dass sie fast aus dem Rahmen gefallen wäre. Seine Hand suchte und fand die richtige Waffe.
Es war ein schmales Messer. An einer Seite hatte es eine Säge. Mit ihr konnte er die Schlange zerteilen. Peter Brandon dachte nicht mehr daran, dass er unter Umständen seine Frau damit tötete, denn es war ja nicht mehr die Cynthia, die er kannte, sondern ein Wesen, das man als grauenhaft und unheimlich bezeichnen konnte.
Und sie kam. Die Schlange mit dem Menschenkopf glitt über den Boden. Sie war kaum zu hören, erreichte die Fliesen in der Küche und schlängelte sich auf den schmalen Tisch zu.
Dabei zischte sie wieder. Diesmal glaubte der Mann sogar die Worte zu verstehen.
»Ich kriege dich, Peter. Ich kriege dich …«
»Nein!«, schrie er. »Nein, verdammt! Du wirst mich nicht zu packen bekommen!« Sein rechter Arm schnellte vor, und er hielt der Schlange die Messerspitze entgegen. »Komm nur, komm nur!«, lockte er mit heiserer Stimme. »Ich werde dir schon zeigen, wer hier das Sagen hat. Du schaffst mich nicht, du nicht …«
Und die Schlange schob sich weiter vor. Sie ließ sich sogar Zeit dabei, ihr Kopf pendelte, aber die Augen ließen den Mann keinen Augenblick los.
Er las darin seinen Tod!
In seinen Händen zuckte es. Die Rechte mit dem Messer machte die Bewegungen mit, die auch der Schlangenkopf vollführte. Er wollte ihn mit einem einzigen Hieb vom Körper trennen, und er erlebte in dieser kleinen Küche einen wahren Horror.
Die Schlange wand sich über den Boden, erreichte die Nähe des Stuhlbeins und war für Peter außer Sicht. Ihm stand jedoch ein zweiter Stuhl zur Verfügung. Den riss er an sich, behielt ihn in der linken Hand, um ihn im Notfall auf die Schlange dreschen zu können, wenn es so weit war.
Da sah er sie. Nicht mit dem Messer stieß er zu, sondern hieb den Stuhl nach unten. Es war ein gewaltiger, ein wuchtiger Schlag, der den Schlangenkopf treffen sollte, aber der war zu schnell, huschte zur Seite, sodass der Hieb fehlte und ein Stuhlbein so hart auf den gefliesten Boden krachte, dass es abbrach.
Fluchend sprang Peter zurück, stieß sich hart den Rücken und bekam mit, wie die Schlange auf ihn zu schnellte.
Er glaubte, die Klinge pfeifen zu hören, als das Messer durch die Luft schnitt.
Und diesmal traf er. Die Säge hackte dicht hinter dem Kopf in den Schlangenkörper. Peter hatte viel Kraft in den Schlag gelegt. Er rechnete damit, das mutierte Tier geteilt zu haben, und er hatte sich nicht getäuscht. Zwei Hälften lagen vor ihm.
Und beide zuckten. Während er einen irren Schrei ausstieß und auf die Hälften starrte, hatte er das Gefühl, einen Wurm vor sich liegen zu sehen.
Er lachte wild. Gleichzeitig hob er den Fuß. Den Absatz wollte er auf den kleinen Kopf rammen, als er mitten in der Bewegung innehielt.
Es hatte geklingelt!
Schon immer hatte er sich über das nervtötende Geräusch der Klingel aufgeregt, diesmal jedoch versetzte es ihm regelrecht einen Schock. Er schüttelte den Kopf, holte schluchzend Atem und drehte sich um.
Wieder klingelte es.
Peter Brandon wusste nicht, was er machen sollte. Er überlegte, während sich vor seinen Füßen die beiden Hälften bewegten und wie unter Strom zuckten.
Noch einmal schellte es.
Wer konnte das sein? Er wollte sehen, wer draußen stand. Vielleicht war es wichtig. Die beiden Schlangenkörper konnte er später noch wegwerfen, er brauchte den Besuch schließlich nicht in die Küche zu führen.
Peter drehte sich um, verließ den Raum und rief noch in der Diele: »Ich komme schon, einen Augenblick bitte!«
Wenig später öffnete er.
Vor ihm stand eine blondhaarige Frau, und er prallte überrascht zurück. Die Frau war hübsch. Verdammt hübsch sogar. Sie hatte langes blondes Haar, und ihr Lächeln wirkte auf ihn.
»Guten Tag, Mister Brandon«, sagte die Unbekannte.
Automatisch erwiderte Peter den Gruß. Dann sagte er: »Was kann ich für Sie tun? Ich kenne Sie nicht. Wer sind Sie?«
»Entschuldigen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe, mein Name ist Jane Collins …«
***
Es gibt Autofahrten, auf die man sich regelrecht freut. So erging es mir an diesem Tag, als ich nicht zum Yard Building fuhr, sondern in meinen Wagen stieg, um in Richtung Flughafen zu gondeln.
Ich wollte dort einen alten Bekannten und guten Freund abholen. Er hatte aus Indien angerufen und seine Ankunftszeit mitgeteilt. Es war Mandra Korab!
Allerdings war es kein privater Besuch, denn die Umstände zwangen ihn, nach London zu düsen. Und diese Umstände konnte man mit einem Wort umschreiben: Kali!
Es war die Todesgöttin, die wieder ihre Fühler ausgestreckt hatte, um Angst und Chaos zu bringen. In Indien hatten wir sie damals gejagt, waren in den Dschungel eingedrungen, hatten ihren Tempel gefunden und sie vernichtet.1)
Doch nicht die Göttin selbst, sondern nur eine Statue, die ihr zu Ehren aufgebaut worden war und von den Dienern der Göttin sehr verehrt wurde. Mehr wusste ich eigentlich nicht. Mandra Korab hatte etwas von Schlangen erzählt, und es war auch ein weiterer Name gefallen: Wikka!
Und damit konnte ich etwas anfangen. Die Oberhexe war eine besondere Feindin von mir, denn ihr war es gelungen, Jane Collins von meiner Seite zu reißen und sie zu einer Bestie zu machen. In Jane war der Geist des Rippers gefahren, hatte von ihrer Seele Besitz ergriffen, und so war sie zu einer leichten Beute für Wikka geworden.
Nun diente sie ihr. Jane tat alles, was Wikka von ihr verlangte. Sie tötete sogar, was mich völlig aus der Bahn geworfen und mir einen Schock versetzt hatte. Meine langjährige Freundin stand jetzt nicht mehr auf meiner Seite, sondern kämpfte für Wikka.
Kali – Wikka – Jane Collins! Eine Konstellation, die mich erschaudern ließ. Diese drei Namen konnten das Grauen bringen.
Ich startete den Wagen, fuhr aus der Tiefgarage und hatte Mühe, mich in den fließenden Verkehr einzureihen. An diesem kalten Januartag schien alles unterwegs zu sein, was sich eben auf vier Rädern bewegen konnte.
Im Radio hörte ich die Frühnachrichten, die auch nichts Neues brachten. Viele Wagen waren mit einer Eisschicht bedeckt, denn sie hatten im Freien gestanden. Ich konnte zum Glück klar sehen, war sehr froh darüber und sah zu, dass ich auf eine der großen Ausfallstraßen geriet, die mich zum Flughafen brachte.
Suko war im Büro geblieben. Er hielt gewissermaßen dort die Stellung, freute sich jedoch ebenfalls auf Mandra Korab, und ich hatte auch Bill Conolly Bescheid gesagt.
Er wollte schon ein Fest arrangieren, doch so weit war es noch nicht. Wir mussten erst einmal abwarten, was für ein Fall da auf uns lauerte.
Es war Montag. Ein seltsam heller Himmel lag über dem Land. Die Sonne konnte ich nicht sehen, sie war irgendwo verschwunden, aber sie musste vorhanden sein, sonst hätte es nicht so ein klares Licht gegeben.
Ich fuhr in einem normalen Tempo, dachte an nichts Böses und konzentrierte meine Gedanken allein auf Mandra Korab. Wie hätte ich auch ahnen sollen, dass sich mein silbergrauer Bentley in eine Todesfalle verwandelt hatte, die noch vor dem Erreichen des Flughafens zuschnappen sollte?
***
»Jane Collins?«
»Ja, Mister Brandon, so heiße ich.«
Peter schüttelte den Kopf. Er sah die modisch gekleidete Frau an und verstand nicht. Seine Besucherin trug einen Thermoanorak, kurze Stiefel und eine elegante Hose.
»Ich kenne Sie nicht …«
»Das kann ich mir vorstellen, Mister Brandon. Ich möchte auch nicht zu Ihnen, sondern zu Ihrer Frau.«
Brandon zuckte zusammen, obwohl er mit einer ähnlichen Antwort gerechnet hatte. Es war klar, dass diese Collins nicht zu ihm wollte. Sie gehörte sicherlich zu dem seltsamen Klub, wo auch Cynthia immer hinlief, aber er konnte der Fremden jetzt nicht sagen, was mit seiner Frau geschehen war.
»Bitte, lassen Sie mich eintreten!« Jane Collins behielt das Lächeln bei. Sie konnte sehr verbindlich sein, wenn es darauf ankam, aber auch eiskalt.
»Nein, nein, das kann ich nicht zulassen, Miss Collins«, sagte Brandon schnell. »Ich möchte keine fremden Frauen in meiner Wohnung haben. Es macht …« Er verhaspelte sich und stockte, als Jane Collins den Kopf schüttelte.
»Ich bitte Sie, Mister Brandon, ich bin keine Fremde für Ihre Frau.«
»Aber sie ist nicht da!«
»So.« Das Lächeln vereiste. »Sind Sie sich da völlig sicher, Mister Brandon?«
Peter nickte heftig, obwohl er gleichzeitig ein schlechtes Gewissen bekam. Er hatte das Gefühl, dass die Frau ihm seine Lüge auf keinen Fall abnahm.
»Ich weiß aber, dass sie anwesend ist«, erklärte die blondhaarige Besucherin. »Ich werde Ihnen da nicht auf den Leim gehen, tut mir leid. Und ich muss mit ihr sprechen.«
»Kommen Sie Morgen noch einmal wieder.« Peter Brandon wich schon zurück, und seine Finger umklammerten die Türkante.
Wenn es hart auf hart kam, wollte er der Besucherin die Tür vor der Nase zuknallen, obwohl es nicht die feine englische Art war, einen Gast so zu behandeln.
Es schien nicht nötig zu sein, denn Jane Collins hob die Schultern und drehte gleichzeitig ab. »Wenn das so ist«, sagte sie leise, »dann werde ich wirklich …«
Sie redete nicht mehr weiter, sondern explodierte aus dem Stand, und Peter Brandon, der mit allem gerechnet hatte, nur damit nicht, wurde völlig überrascht.
Jane Collins hob ihren rechten Arm, streckte ihn und schleuderte ihn in Halshöhe schräg nach hinten.
Peter hatte das Gefühl, von einem Brett getroffen zu werden. Er flog zurück in seine Wohnung, die Beine wurden ihm unter dem Boden weggerissen, mit der Schulter prallte er gegen die Wand und riss noch die kleine Kommode an der Garderobe mit um.
Als sie zu Boden schlug, da schloss die ehemalige Detektivin und jetzige Hexe bereits die Tür.
Auf der Schwelle blieb Jane Collins stehen. Ihr Lächeln war kalt, als sie auf den Mann blickte, der schräg über dem gekippten Schrank lag, die Arme ausgestreckt hatte und heftig atmete. Er schüttelte auch ein paar Mal den Kopf, schluckte und verdrehte dabei die Augen.
Jane blieb neben ihm stehen. Sie hatte den Schlag wohldosiert. Peter Brandon sollte nicht bewusstlos werden, und das war ihr gelungen. Er hing in dieser Schräglage, bewegte klimpernd die Augenlider, seine Hände zuckten, und er stöhnte.
»Wo ist sie?«, fragte Jane.
»Wer?«
»Deine Frau.«
»Sie ist nicht mehr meine Frau. Sie ist …«
»Verändert, ich weiß.« Jane Collins lachte kalt. »Sogar sehr verändert, und das haben wir auch beabsichtigt.«
»Ihr … ihr …«
»Komm, rede nicht, sondern in die Höhe mit dir!«
»Nein, ich …«
Jane Collins machte kurzen Prozess. Sie packte Brandon an den Schultern und wuchtete ihn von der umgekippten Garderobe herunter, wo er zu Boden fiel und erst einmal liegen blieb. Er atmete schwer, wollte in Richtung Tür kriechen, doch Jane stellte ihm ihren Fuß in den Weg.
»Lass es lieber!«
Da brach Brandon weinend zusammen. Er versenkte sein Gesicht in den Händen, die Schultern zuckten, weil er heftig schluchzte, und er schüttelte dabei immer wieder den Kopf.
»Nur keine Müdigkeit vortäuschen«, gab ihm die ehemalige Detektivin zu verstehen. »Wir brauchen dich noch, Kleiner. Steh jetzt auf!«