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»Sieben Tage hat die Woche, Sinclair. Sieben Tote hat die Woche. Und sieben Albtraum-Nächte kommen noch hinzu. Merke es dir genau! Soho wird zittern. Der Ripper ist wieder da!« Zusammen mit meinem Chef und Suko hatte ich die Nachricht angehört. Uns war klar, dass hier kein Bluff gestartet wurde. Sehr bald schon gab es die erste Leiche. Eine junge Frau - und sie war schrecklich zugerichtet. Da wussten wir, dass die Albtraum-Nächte begonnen hatten ...
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Seitenzahl: 188
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Londons Albtraum-Nächte
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
von Jason Dark
»Sieben Tage hat die Woche, Sinclair. Sieben Tote hat die Woche. Und sieben Albtraum-Nächte kommen noch hinzu. Merke es dir genau! Soho wird zittern. Der Ripper ist wieder da!«
Zusammen mit meinem Chef und Suko hatte ich die Nachricht angehört. Uns war klar, dass hier kein Bluff gestartet wurde. Sehr bald schon gab es die erste Leiche. Eine junge Frau – und sie war schrecklich zugerichtet. Da wussten wir, dass die Albtraum-Nächte begonnen hatten ...
»Sieben Tage hat die Woche, Sinclair. Sieben Tote hat die Woche. Und sieben Albtraumnächte kommen noch hinzu. Merke dir das, Sinclair. Merke es dir genau. Soho wird zittern. Der Ripper ist wieder da!«
Zweimal hatte ich die Nachricht laufen lassen. Jetzt stellte ich den Recorder ab und schwieg zunächst. Wie auch Sir James Powell und Suko, die sich ebenfalls in unserem Büro aufhielten.
Es war Sonntag, aber das spielte keine Rolle. Suko und ich waren praktisch immer im Dienst, und Sir James war es sowieso.
Jetzt warteten wir darauf, dass unser Chef etwas sagte. Den Gefallen tat er uns auch.
»Glauben Sie, dass diese Botschaft ernst gemeint ist?«
»Ja«, sagte ich.
Sir James nickte vor sich hin. »Mich stört, dass er den Ripper erwähnt. Diesen unseligen Killer aus der Vergangenheit. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass wir es auch mit einem Trittbrettfahrer zu tun haben. Es muss nicht sein, aber die Möglichkeit besteht durchaus.«
Suko, der bisher geschwiegen hatte, übernahm das Wort.
»Wenn ich ehrlich sein soll, dann denke ich anders als Sie, Sir. Mich macht stutzig, dass John direkt angesprochen wurde. Also geht man davon aus, dass er damit zu tun haben wird. Oder wir. Es ist also jemand, der sich über uns informiert hat und genau weiß, dass wir auch eingreifen, weil es ein Fall für uns werden wird. Wobei sich das Ganze noch in Soho abspielen wird.«
»Nicht schlecht gedacht«, lobte unser Chef, wobei er mir einen fragenden Blick zuwarf. »Sind Sie ebenfalls dieser Meinung, John?«
»Das bin ich.«
Sir James lehnte sich zurück. Er dachte nach. Dabei bildete sich eine Furche auf seiner Stirn.
»Wenn wir eingreifen sollen oder müssen, dann muss zuvor etwas geschehen sein. Verstehen Sie? Ein Verbrechen. Eine Untat, die in Ihren Bereich hineinfällt. Das ist bisher noch nicht der Fall gewesen. Es wird also bald passieren, wenn der unbekannte Sprecher Recht behält. Und es wird in Soho geschehen. Aber Soho ist nicht eben klein. Wir können es nicht permanent unter Kontrolle halten. Das muss man einsehen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten, bis dieser Fall eingetreten ist.«
Suko und ich schauten uns an. Es gefiel uns nicht, aber Sir James hatte recht. Wir konnten nicht einfach los ermitteln, ohne einen Hinweis zu haben.
»Bis es das erste Opfer oder den ersten Toten gegeben hat«, stöhnte ich und schüttelte den Kopf. »Wenn mir alles gefällt, nur das nicht.«
»Was willst du machen, John?«
»Nichts«, erwiderte ich, »das ist es ja. Wir können nichts tun, als diese verdammte Botschaft ernst nehmen.«
Sir James setzte sich wieder normal hin.
»Und wir müssen dafür sorgen, dass die Kollegen in Soho noch mehr die Augen offen halten, als sie es ohnehin schon tun. Das kommt noch hinzu. Entsprechende Maßnahmen werde ich zu ergreifen wissen. Dabei ist es nur schade, dass wir keine konkrete Warnung geben können. Mehr ist einfach momentan nicht drin. Außerdem ist Soho alles andere als klein. Und denken Sie daran, dass es nicht völlig umgebaut worden ist. An gewissen Stellen hat es noch sein Flair behalten. Schließlich wollen die Touristen den Atem der viktorianischen Zeit spüren, und das bekommen sie auch geboten.«
Der Meinung war ich auch und nickte, während ich zugleich den Recorder anschielte. Wir hatten das Band natürlich untersuchen lassen, doch kein Spezialist hatte etwas herausfinden können. Es war nur die Stimme vorhanden. Hintergrundgeräusche, die auf einen bestimmten Ort hindeuteten, gab es nicht.
Sir James erhob sich. »Ich würde sagen, dass wir den nächsten Tag abwarten.«
»Morgen ist Montag«, murmelte ich.
»Richtig.«
»Sieben Tote hat die Woche. Wenn der Sprecher nicht blufft, müsste er bald damit anfangen, sein Versprechen in die Tat umzusetzen, sodass wir möglicherweise morgen früh schon den ersten Toten haben. Ich sage das, obwohl es mir nicht gefällt. Aber die Tatsachen sprechen dafür.«
Da hatte er hundertprozentig recht. Suko griff den Faden noch mal auf.
»Wenn wir etwas damit zu tun bekommen, wird sich der Killer uns gegenüber als erhaben fühlen. Er will uns zum Narren halten. Er will uns vorführen, und wir müssen davon ausgehen, dass er kein Mensch ist, sondern ein Dämon oder eine von einem Dämon beeinflusste Person, die in dessen Namen irgendwelche Taten begeht.«
»Das ist alles möglich«, sagte ich.
»Und wie geht es weiter?«, fragte Suko. »Müssen wir jeden Tag mit einem Toten rechnen? Stehen wir dann einfach nur und laufen hinterher?«
»Es könnte so kommen.«
Er schaute mich an. »Genau das ist es, was ich an meinem Beruf so liebe, John.«
Ich konnte seine Wut verstehen. Mir erging es nicht anders. Noch war nichts passiert, und ich hoffte, dass sich die Botschaft letztendlich als Bluff herausstellte.
Sir James ging zur Tür.
»Wir kommen so nicht weiter. Ich werde jetzt meine Maßnahmen ergreifen und den zuständigen Stellen eine Verwarnung zukommen lassen. Alles andere können wir vergessen. Wir haben nichts, wo wir ansetzen könnten. Sollte etwas geschehen, werden wir voneinander hören.«
Mehr brauchte unser Chef nicht zu sagen. Wir wussten ja, dass er recht hatte. Als er im leeren Vorzimmer verschwunden war, schauten Suko und ich uns an. Nicht eben optimistisch und voller Frust.
»Was wissen wir bisher?«, fragte mich mein Freund und Kollege.
»Nichts.«
»Wieso?«
»Ja, wir wissen nichts.«
»Irrtum. Wir haben die Stimme.«
»Na und?«
»Es ist eine männliche Person auf dem Band zu hören. Da können wir schon die Frauen ausschließen.«
»Und weiter?«
Er lächelte. »Wäre es möglich, dass wir es mit einem alten Bekannten zu tun haben?«
»Es ist alles drin.«
»Fällt dir dazu jemand ein?«
Ich war leicht angefressen. Mir ging Sukos Fragerei auf die Nerven. »Nein, mir fällt niemand dazu ein, das ist es ja. Ich habe lange genug über die Stimme nachgedacht, aber sie hat einfach zu neutral geklungen. Da muss ich passen.«
»Aber er kennt uns.«
»Leider.«
»Und da wäre es möglich, dass er uns ebenfalls nicht unbekannt ist, John. Das kannst du drehen und wenden, wie du willst, aber das ist nun mal so.«
Ich winkte ab, denn ich war dieses Thema einfach leid. »Warten wir die Zeit ab, dann sehen wir weiter. Ich weiß verdammt genau, wie frustrierend das alles ist, aber uns werden schon früh genug die Augen geöffnet werden.« Ich schaute auf die Uhr.
»Hast du es eilig?«
»Nein«, sagte ich und drehte den Kopf, weil ich einen Blick durch das Fenster werfen wollte. Draußen hatte das Tageslicht den Kampf gegen die einbrechende Dämmerung aufgegeben. Es dunkelte. Schwere Wolken hingen am Himmel. Die Temperaturen hielten sich einige Grade über dem Gefrierpunkt, und in der vergangenen Nacht war etwas Regen gefallen. Ein trister Wintertag, wie er für Mitteleuropa so typisch ist. Nichts, das die Menschen zu einem sonntäglichen Spaziergang nach draußen trieb.
»Hast du dich noch mit Shao verabredet?«
Suko schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr erklärt, dass es länger dauern kann.«
»Dann könnten wir etwas essen.«
»Nicht schlecht. Wo?«
»In Soho?«
Suko lächelte. »China Town?«
»Einverstanden. Vorausgesetzt, es gibt dort keinen großen Ärger.« Ich dachte dabei an einen Fall, der uns vor einigen Monaten Probleme bereitet hatte.
»Im Moment ist es ruhig.«
»Dann lass uns gehen.«
Suko blieb noch sitzen. Als ich schon an der Tür war, stellte er eine Frage: »Erhoffst du dir etwas davon, wenn du in China Town essen gehst?«
»Du nicht?«
Er lachte. »Du gehst davon aus, dass meine Vettern etwas wissen, nur weil China Town in Soho liegt.«
»Das hatte ich tatsächlich im Hinterkopf.«
»Okay, du hast gewonnen. Man muss eben jeder Spur nachgehen, und ist sie noch so dünn ... «
Die chinesische Gemeinde existierte seit dem 19. Jahrhundert in London. Ursprünglich um die Hafenanlagen des West End angesiedelt, hatten sich dort zahlreiche Opiumhöhlen etabliert, die immer wieder in den zahlreichen Dramen aus viktorianischer Zeit eine Rolle spielten. Damals war die Gemeinde recht klein und übersichtlich gewesen.
Das änderte sich, als in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts immer mehr chinesische Einwanderer nach London kamen. Der Platz wurde zu klein.
Man zog nach Soho und gründete dort eine eigene Chinatown, so dass der Ferne Osten nach London transportiert wurde. Man konnte dort die exotischsten Waren kaufen. Es gab Hunderte von Läden, kleine Restaurants, verschachtelte Häuser, Hinterhöfe, Geheimgänge, ein regelrechtes Sammelsurium auch an Kuriositäten, in dem sich nur die wenigsten Menschen auskannten. Ich schon gar nicht und Suko nur recht wenig.
Die Chinesen hielten natürlich zusammen. Für einen Europäer war es so gut wie unmöglich, diese lächelnde Mauer aus Schweigen zu durchbrechen, das hatte ich früher auch erlebt, aber bei Suko war das etwas anderes. Er war zum einen Chinese, und er war auch in dieser Umgebung bekannt. Man wusste, für wen er arbeitete, und sicherlich war man auch irgendwie stolz auf ihn.
Ich hatte meinem Freund die Wahl des Lokals überlassen. In Chinatown findet man normalerweise keinen Parkplatz, doch auch hier konnte ich mich auf Suko verlassen.
Er selbst lenkte den Rover und fuhr in eine schmale Einfahrt hin, die in einem düsteren Hinterhof endete, in den auch im Sommer kaum Licht hineinfiel.
Wie durch ein Wunder gab es tatsächlich einen freien Parkplatz für uns. Als hätte der auf unseren Rover gewartet.
»So, das wär's«, sagte Suko und lächelte mich an.
Ich war leicht verwundert. »Und du glaubst, dass wir den Wagen hier lassen können?«
»Er ist so sicher wie im Schoß des alten Abraham. So sagt man doch – oder?«
»Ja, so ähnlich.«
Wir stiegen aus. Viel sah ich von der nahen Umgebung nicht. Es war einfach zu dunkel geworden. Hinzu kam die Lage des Hinterhofs, die ebenfalls nicht durch Helligkeit geprägt wurde. Es gab zwar Lichter. Die allerdings brachten nicht viel Helligkeit. Sie wirkten auf mich wie kleine, bunte Laternen.
Wir hatten den Wagen kaum verlassen, als jemand auf uns zulief. Mich sah der Mann nicht, der eine schwarze Hose und ein helles Hemd trug. Er hatte nur Augen für Suko. Er blieb vor ihm stehen, verneigte sich und sprach mit einer recht hellen Stimme auf ihn ein. Ich verstand nichts, aber an den Gesten war zu erkennen, dass wir bei dem Menschen sehr willkommen waren.
»Und jetzt?«, fragte ich, als der Sprecher eine Pause eingelegt hatte.
»Gehen wir etwas essen.«
»Hier?«
»Klar.«
»Du bist der Boss.«
Wir wurden auf eine Tür in der Hinterwand zugeführt, die bereits offen stand. Ein schlecht erleuchteter Gang nahm uns auf, aber von vorn wehte mir der Geruch der Speisen entgegen. Wir betraten das Lokal durch die Hintertür und wurden an einen Tisch geleitet, der in einer Ecke stand und von einem Drachen bewacht wurde. Der Kopf des Tieres zumindest schaute aus der Wand hervor auf die Speisenden.
Man rückte uns die Stühle zurecht, und wir nahmen unsere Plätze ein. Uns wurden die Speisekarten gebracht, die schwer wie ein Buch waren. Wir schlugen sie auf. Im Gegensatz zu Suko warf ich kaum einen Blick hinein und fragte ihn nur:
»Was hat der Typ dir eigentlich alles gesagt«
»Oh. Ming, der Besitzer, hat nur seiner Freunde Ausdruck verliehen, uns wieder zu sehen.«
»Uns?«
Suko grinste. »Ja, er ist höflich.«
»Ha, ha ...«
Ich blätterte in der Karte. Es wurde so viel angeboten. Man verlor den Überblick. Suko wusste, was er bestellen wollte. Er schlug mir das gleiche Gericht vor.
»Eine Entenbrust, die sich sehen lassen kann. Rosa gebraten, sehr zart. Perfekt gewürzt. Dazu gibt es eine Soße, die fantastisch ist und auch gut verdaulich ...«
»Hör auf, ich nehme das Gleiche. Allerdings als kleine Portion. Geht das wohl?«
»Ming macht alles möglich.«
Da Suko als Fahrer Wasser trank, bestellte ich ein Bier. Wir gaben die Bestellung auf, und Mings Augen strahlten, weil wir eine so gute Wahl getroffen hatten. Das würde er bei jedem Gast tun, deshalb bildete ich mir nichts darauf ein.
Wir saßen allein. Die Nebentische waren leer, aber Ming hatte uns auch in einen recht kleinen Raum geführt. Eine Schiebetür mit Pergamenteinsatz führte in das große Restaurant dahinter. Das wurde dann der großen Speisekarte gerecht.
Bevor das Essen serviert wurde, kam ich auf den Fall zu sprechen, der eigentlich noch keiner war. »Hast du mich aus einem bestimmten Grund hierher geführt?«
»Wie kommst du darauf?«
»Spiele hier nicht den Harmlosen. Das weißt du ganz genau.«
Suko hob die Schultern. »Ming ist jemand, der vieles hört. Sein Wort hat hier Gewicht. Er freut sich immer, wenn er mir einen Gefallen tun kann.«
Ich neigte den Kopf zur Seite. »Nicht nur er, wie ich weiß. Da gibt es jede Menge deiner Vettern.«
»Man muss die Beziehungen eben pflegen, John, Du weißt, dass Shao und ich oft zum Essen gehen.«
»Klar, da kennt man euch.«
»Eben.«
Ming wieselte wieder heran. Er verbeugte sich und blieb lächelnd am Tisch stehen. Dann sprach er mit Suko, und ich bekam mit, dass mein Freund ebenfalls Fragen stellte. Auch bei ihm verstand ich kein Wort. Doch das Lächeln aus Mings Gesicht verschwand. Seine nächsten Antworten gab er sehr ernst, zuckte einige Male mit den Schultern und zog sich schließlich zurück, weil unser Essen gebracht wurde, zusammen mit den Warmhalteplatten, die ebenfalls ihre Plätze auf dem Tisch fanden.
Ich bekam die kleine Portion, die für mich groß genug war, doch Suko lächelte, als er seine sah.
»Das habe ich mir gewünscht.«
»Freut mich. Und was hat Ming dir gesagt?«
»Bitte, John, später.«
Uns lief ja nichts weg, und so genossen wir das Essen, das wirklich allererste Sahne war, wie auch ich zugeben musste. Zartes Fleisch, knackiges Gemüse, eine nicht zu scharfe, sondern sehr pikante Soße, und auch das Bier ließ sich trinken.
Ich aß sogar den Reis bis auf das letzte Korn auf. Natürlich war ich gespannt, was mir Suko berichten würde. Ich hatte das Gefühl, dass es mit unserem Fall zusammenhing, der im Prinzip noch keiner war. Aber das musste man abwarten.
Suko bestellte sich noch eine Flasche Wasser, lobte das Essen, was Ming sehr freute, und kam dann zur Sache.
»Du bist neugierig.«
»Nein, gar nicht.«
»Also«, sagte er und nickte, »ich habe mich bei Ming erkundigt, ob sich hier in Soho etwas verändert hat, das der normale Londoner und auch Tourist nicht merkt. Die Chinesen sind sehr sensibel. Sie spüren, wenn sich etwas verändert. Sie achten auf jede Kleinigkeit, und da hatte ich die Hoffnung, dass sich hier etwas getan hat.«
»Und? Hat es das?«
»Ja, irgendwie schon.« Suko hatte die Antwort zögernd gegeben. »Ming hat tatsächlich von einer leichten Veränderung gesprochen.«
»In Chinatown?«
»Auch.«
»Was ist es denn gewesen?«
»Ming hat von den Vorboten des Unheils gesprochen.«
Ich blies die Luft aus. »Wer oder was soll das denn nun wieder sein? Vorboten des Unheils?«
»Ja. Es ist nichts passiert. Man spürte nur etwas, und wenn man genau hinschaut, sieht es man es auch.«
Ich war leicht angesäuert, weil Suko so sehr um den heißen Brei herumredete. »Was sieht man denn?«
»Ratten!«
Ich sagte nichts. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit dieser Antwort. Da stand ich wirklich auf dem Schlauch und konnte nur den Kopf schütteln.
»Wieso Ratten?«
»Es sind sehr schlaue Tiere, John. Ming meinte, dass sie sich anders verhalten. Sie rotten sich zusammen, und sie kommen aus ihren Löchern. Wahrscheinlich haben sie ein bestimmtes Ziel. Sie sind unruhig, nervös, angespannt ...«
»Ja, ja, weil sie nicht mehr in den Kochtopf wollen, wie?«
»Hör auf! Das sind Märchen.«
»Das glaube ich nicht. Aber das ist nicht unser Thema. Ming achtet also sehr auf das Verhalten der Ratten?«
»Das tut er.«
»Ich fasse zusammen, Suko. Und weil sie so nervös geworden sind, geht er davon aus, dass sich bald irgendetwas tun wird.«
»Das kann man so sehen. Ming meinte, dass Unheil in der Luft liegt. Es hat nichts mit ihm und seinen Landsleuten zu tun, da ist er sich sicher, aber allgemein ist die Lage nicht gut. Mehr kann ich dir nicht sagen. Gehen wir einfach davon aus, dass etwas passieren wird.«
»Nicht hier in Chinatown ...«
Suko zuckte die Achseln. »Unser Freund auf dem Band hat von Soho gesprochen. Da können wir uns einige Viertel aussuchen. Aber diese Zeit wird uns nicht bleiben.«
»Das ist leider wahr.« Ich neigte mich vor. »Hast du sonst noch etwas erfahren oder ihm was gesagt?«
»Letzteres schon. Ich habe Ming gebeten, die Augen offen zu halten. Ich habe ihn praktisch als Spitzel engagiert. Er soll auf alles achten, was ihm nicht geheuer ist.«
»Das ist gut.«
»Außerdem sieht und weiß er mehr als unsere Kollegen, die hier Streife gehen.«
Ich winkte ab. »Das ist keine Kunst. Aber«, sprach ich nachdenklich weiter, »sollten die Ratten wirklich unser Problem sein? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Nicht nur sie, John. Wie schon erwähnt, sie sind so etwas wie Vorboten auf das kommende Unheil. Unruhe, zusammenrotten. Möglicherweise auch Boten. Ich weiß es nicht genau ...«
Ich wusste auch nichts. Ich überlegte nur, ob wir es wirklich mit einem Rattenmonster zu tun hatten. Es hatte in der Vergangenheit schon so etwas gegeben, da hatten wir mit den Ratten schon Erfahrungen sammeln können. Ich erinnerte mich zudem an den Fall der Rattenkönigin, die ich in den Abwasserkanälen von London gejagt hatte. Sollte sie eine Spur der Rache gelegt haben?«
Das wollte mir nicht in den Kopf. Außerdem war die Person tot.
Suko kam zu einem Abschluss, denn er sagte: »Das ist alles, was ich für uns tun konnte.«
»Aber auch sehr vage.«
»Stimmt.«
Ich trank mein Glas leer und bestellte mir kein zweites. Ming musste es gesehen haben. Wie ein Phantom tauchte er auf und stand wieder an unserem Tisch.
Er war leicht traurig, als wir ihm erklärten, dass wir sein Lokal verlassen wollten.
»Aber ich hätte noch ein erstklassiges Dessert anzubieten.«
»Vielleicht später mal«, sagte ich und nickte ihm zu. »Jedenfalls hat es uns ausgezeichnet gemundet.«
»Danke, da bin ich froh.«
Als ich bezahlen wollte, zuckte Ming zurück. Nein, er wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, und Suko stand ihm bei.
»John, das ist keine Bestechung. Ming hat sich wirklich gefreut, Gäste zu haben. Außerdem tue ich ihm hin und wieder auch einen Gefallen. Nimm es so, wie es ist.«
»Na dann.«
Wir standen auf. Ming brachte uns noch bis zum Rover, dessen Scheiben sogar in der Zwischenzeit geputzt worden waren. Der Service hier war wirklich perfekt. Er sorgte auch durch Dirigieren dafür, dass wir gut durch die Einfahrt kamen, und zog sich erst zurück, als Suko den Wagen um die Kurve gelenkt hatte.
»Du bist wirklich überall bekannt«, sagte ich.
Er winkte ab. »Es hält sich in Grenzen.«
»Okay. Und jetzt?«
»Willst du noch irgendwohin? Sollen wir hier durch Soho fahren und die Augen offen halten, ob nicht noch ...«
»Nein, nein, lass uns nach Hause fahren. Es ist ja nicht weit. Ich denke nur nach.«
»Über was?«
»Über einen Rattenkiller.«
Mein Freund war dagegen. »Halte dich daran nicht fest. Es müssen nicht die Ratten sein. Man kann sie ohne weiteres nur als Beiwerk betrachten. Als Warner.«
»Klar. Aber vor wem?«
»Genau das ist die große Frage ...«
Ich hatte Shao noch kurz begrüßt und sie und Suko dann allein gelassen. So hatten sie noch etwas von diesem sonntäglichen Abend, den ich wohl vor der Glotze verbringen würde. Außerdem wollte ich noch ein paar Zeitungen lesen, die sich angesammelt hatten, und dabei konnte ich die Füße hochlegen und mir ein oder zwei Bierchen gönnen, das ich frisch aus dem Kühlschrank holte.
Das Fernsehen machte auch nicht eben froh, wenn man hineinschaute. In diesem Fall ging es um den bevorstehenden Krieg im Irak, wobei ich hoffte, dass man ihn noch abwenden konnte. Für mich und viele andere Menschen ist Krieg keine Lösung, aber so denken leider nicht alle.
Das Bier war gut gekühlt und schmeckte gut. Ich fühlte mich eigentlich wohl, denn vor mir lag noch der Rest eines ruhigen Abends. Wenn da nicht dieser Druck gewesen wäre, dem ich einfach nicht ausweichen oder entkommen konnte. Er lag auf meiner Brust. Er drängte sich in sie hinein und verteilte sich als Unruhe in mir.
In der folgenden Nacht würde etwas passieren. Das nahm ich an. Ich wusste auch, in welcher Gegend es passierte, aber ich wusste nicht genau, wo.
Das machte mich nervös.
Albtraumnächte hatte man uns angekündigt. Sieben Tote in der Woche. Und danach, was geschah danach? Ging das Morden dann weiter? Oder hatten wir den Killer inzwischen gestellt?
Es gab keine Antwort. Ich hätte gern in die Zukunft sehen wollen. Leider war mir das verwehrt.
Ich zappte auf ein anderes Programm und schaute mir einen alten Western an, der allerdings von Werbung unterbrochen wurde, was mich ärgerte.
Zudem meldete sich noch das Telefon, dass auch beim Fernsehen in meiner Reichweite stand.
Ich hob ab.
»Ja ...«
Zuerst hörte ich ein Lachen, dann ein schrilles Kichern, und anschließend flüsterte jemand meinen Namen.
»Wer sind Sie?«, fragte ich.
Der Unbekannte antwortete mit einer Gegenfrage. »Hast du meine Botschaft erhalten?«
»Ja.«
»Gut, nicht?«
»Sie ist lächerlich.«
Ich hatte ihn bewusst provoziert, um ihn aus der Reserve zu locken. Ich wollte hören, wie er sich aufregte und sich seine Stimme dabei veränderte. Noch immer dachte ich an einen alten Bekannten. Es war möglich, dass ich ihn sogar kannte.
Nach einer kurzen Pause kreischte er los: »Von wegen lächerlich! Ihr werdet noch zittern. In dieser Nacht passiert es bereits, das kann ich dir versprechen. Es wird die erste Leiche geben. Londons Albtraumnächte fangen an.«
Ich bekam eine leichte Gänsehaut. Die Worte hatten so verdammt echt geklungen. Er hatte all den Hass hineingelegt, zu dem er fähig war. Er wollte die Konfrontation. Er wollte uns zeigen und beweisen, dass er stärker war, und ich riss mich zusammen. Ich musste mir jetzt etwas einfallen lassen, um ihn noch länger am Apparat zu halten.
»Gut, daran kann man wohl nichts ändern, denke ich.«
»Das stimmt.«
»Bist du der Ripper?«
Wieder hörte ich sein Lachen. Diesmal allerdings klang es nicht so aggressiv. »Der Name gefällt dir wohl, wie?«
»Kann ich nicht unbedingt behaupten.«
»Vielleicht bin ich der Ripper. Vielleicht schlage ich wieder zu. Ich bin nicht tot, sondern kehre zurück. Von den Toten auferstanden.« Er kicherte in mein Ohr, was ich als unangenehm empfand.