John Sinclair Sonder-Edition 269 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 269 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Eric La Salle, Partner meiner Freundin Purdy Prentiss, war in die Vergangenheit geholt worden und dort gestorben. Beide, Eric und Purdy, hatten schon einmal gelebt. Vor zehntausend Jahren - oder länger. Vergessen war diese Zeit nicht, denn jetzt war die Reihe an Purdy Prentiss. Was Eric widerfahren war, sollte sich an ihr wiederholen - das gleiche düstere Schicksal, unausweichlich wie ein Fluch. Und diesmal war das Grauen noch greifbarer: Ein ganz besonderes Monster war gekommen, um sie zu holen. Nicht irgendeines, sondern ihr ehemaliger Geliebter - bewaffnet mit einer Kettensäge und getrieben von einer finsteren Obsession ...

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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Der Barbar

Vorschau

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Der Barbar

von Jason Dark

Eric La Salle, Partner meiner Freundin Purdy Prentiss, war in die Vergangenheit geholt worden und dort gestorben. Beide, Eric und Purdy, hatten schon einmal gelebt. Vor zehntausend Jahren – oder länger. Vergessen war diese Zeit nicht, denn jetzt war die Reihe an Purdy Prentiss. Was Eric widerfahren war, sollte sich an ihr wiederholen – das gleiche düstere Schicksal, unausweichlich wie ein Fluch. Und diesmal war das Grauen noch greifbarer: Ein ganz besonderes Monster war gekommen, um sie zu holen.

Nicht irgendeines, sondern ihr ehemaliger Geliebter – bewaffnet mit einer Kettensäge und getrieben von einer finsteren Ob‍ses‍sion ...

»Geht es Ihnen jetzt besser, Dr. Prentiss?«

Die Staatsanwältin nickte. »Ja, an der Luft schon.«

»Es war nicht einfach.«

»Sie sagen es, Inspektor. Da denkt man, die Menschen in all ihren Facetten zu kennen, und dann erlebt man so etwas.« Purdy Prentiss schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre rotblonden Haare flogen.

Der Mann neben ihr hielt ihr die offene Zigarettenschachtel hin.

»Möchten Sie eine?«

»Danke, ich rauche nicht.«

Der Beamte lächelte etwas verlegen. »Ich auch nur hin und wieder. Aber hier muss es sein.«

»Das verstehe ich.«

Als der Rauch an ihrer Nase vorbeistreifte, trat Purdy Prentiss zwei Schritte zur Seite und ließ ihre Blicke über das trostlose Gelände wandern, das bei Baubeginn vor vielen Jahren als Kolonie eingestuft worden war. Man hatte die Häuser mit den zahlreichen Wohnungen am Rande der Stadt errichtet, versteckt zwischen Industrieanlagen, die in keinem Londoner Reiseführer zu finden waren. Ebenso wenig wie diese Siedlung aus rotbraunen Backsteinen, in denen die Menschen hausten, die andere Wohnungen nicht bezahlen konnten. Es wurden immer mehr. Die Preise in London waren explodiert. Ein Normalverdiener konnte seine Wohnung dort kaum noch bezahlen.

Da gab es eben diese verdammten Ghettos, in denen Menschen aller Nationen und Hautfarben dicht beisammen wohnten, ohne je Aussicht zu haben, diesem Kreislauf entgehen zu können.

Da prallten die Emotionen aufeinander. Alte Gräben wurden wieder aufgerissen, die ihren Ursprung in den Heimatländern der Mieter hatten. Für die Polizei war dieses Gebiet Out of Area, in die die Beamten leider immer wieder hinein mussten.

Wie auch an diesem Tag.

Da waren die beiden Babys gefunden worden. Tot. Versteckt in einem der großen Müllcontainer, die auf den Höfen standen und zumeist überquollen.

Kaum geboren, schon getötet. Von einer jungen Mutter, die gerade mal zwanzig Jahre alt war und Zwillinge zur Welt gebracht hatte.

Purdy Prentiss, die Staatsanwältin, war höchstpersönlich an den Tatort gefahren, um mit der jungen Mörderin zu sprechen. Sie hatte bei ihr eine Kälte erlebt, die sie erschreckte.

Die Frau hatte ihr Leben einfach nicht ändern wollen. Der um zwanzig Jahre ältere Freund hatte von ihr verlangt, die Kinder wegzuschaffen, sonst hätte er sie nicht aus diesem Ghetto herausgeholt.

Das war dann geschehen, und jetzt würde sich die junge Frau wegen Doppelmordes verantworten müssen.

Sie hatte sich auch widerstandslos festnehmen lassen. Kein Wort des Protestes hatte sie gesagt. Purdy Prentiss würde dafür sorgen, dass sie in psychiatrische Behandlung kam. Irgendwie musste man ihr klar machen, was sie da getan hatte. Sie sollte darüber nachdenken. Zeit genug würde sie haben.

Kollegen waren unterwegs, um den Freund zu verhaften. Ihm würde man kaum etwas anhängen können, denn er hatte die junge Frau nicht direkt zum Mord aufgefordert.

Der ermittelnde Kollege trat die Kippe aus und sprach Purdy Prentiss wieder an.

»Haben Sie hier noch etwas zu tun?«

»Nein, ich werde fahren. Später bereite ich dann die Anklage vor.« Ihre Stimme klang schwer. »Ich begreife noch immer nicht, weshalb die beiden Kinder sterben mussten. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Pflege, Adoption und Ähnliches.« Sie hob die Schultern. »Vielleicht sollten wir mehr für die Aufklärung tun, denn nichts ist so wertvoll wie ein Menschenleben.«

»Da sagen Sie was. Nur wird das nicht immer so gesehen.«

Die Staatsanwältin nickte. »Gut, dann werde ich jetzt fahren.« Sie deutete zum Himmel. »Das Wetter passt sich in diesem Fall meiner Stimmung an.«

Da hatte sie nicht gelogen. Es war vorbei mit dem herrlichen Sonnenschein im Winter. Die Tiefdruckgebiete aus dem Westen ließen sich nicht mehr zurückdrängen. Die Temperaturen waren gestiegen, und der Himmel sah aus wie ein graues Meer, das immer tiefer sank und sicherlich bald seine Schleusen öffnen würde. Die gewaltigen Wolken sahen schon nach Regen aus. Irgendwie passte der auch zu Purdys Stimmung.

Mit Handschlag verabschiedete sich die Staatsanwältin von dem Kollegen.

»Sie hören von mir.«

»Gut.«

Purdy Prentiss stellte den Kragen ihres dunkelgrünen Ledermantels hoch und ging zu ihrem Wagen, den sie auf der Zufahrtsstraße abgestellt hatte. Es war mehr ein Weg als eine Straße. Der Belag war nicht mehr glatt. Löcher der verschiedensten Größen gab es. Aus ihnen wuchs karges Gras. Der Wind hatte zudem manchen Abfall herbeigeweht, doch das störte niemanden.

Um den Wagen herum standen einige Kinder. Für Purdy waren sie die großen Verlierer dieses Teils der Gesellschaft, denn sie besaßen alles, nur keine Aussicht auf eine gute Zukunft.

Der Wagen wurde bestaunt und fachmännisch begutachtet. Purdy sah den Glanz in den Augen der Kinder, die sie neidisch anschauten, als sie die Türen öffnete.

»Super, der Wagen.«

»Ja, ich bin zufrieden.«

»Irgendwann kriege ich auch mal so einen.«

»Dann streng dich an.« Es war eine blöde Bemerkung, aber Purdy fiel in diesen Momenten keine andere Antwort ein. Sie war froh, den Regentropfen entwischen zu können, stieg schnell ein und zog die Tür zu. Die Gesichter der Kinder verschwammen, weil das Regenwasser über die Scheiben rann.

Purdy startete den Motor. Wenig später putzten die Wischer die Frontscheibe frei, und die Kinder traten zurück. Bei Purdy blieb der Eindruck ihrer traurigen Gesichter. Wer hier nicht rauskam, blieb immer unten, und das erzeugte leider auch Hass.

Sie fuhr recht langsam über die schlechte Wegstrecke hinweg, die erst an ihrem Ende in eine normale Straße mündete. Sie wiederum durchschnitt eine kleine Ansiedlung. Wenig später würde sie die A 503 erreichen, die in Richtung Süden führte, in die City of London und damit ihrem Zuhause entgegen.

Seit einiger Zeit lebte Purdy wieder allein, denn Eric La Salle, ihr Partner, war getötet worden. Die Zeit nach seinem Tod war für sie schwer gewesen, aber Purdy wusste auch, dass das Leben weiterging und dass sie ihren Job machen musste, denn er lenkte sie von den privaten Problemen ab.

Für sie stand fest, dass sie an diesem Abend keine Ruhe finden würde. Der Fall hing ihr einfach nach. Den Anblick der toten Kinder würde sie nicht so leicht vergessen können. Obwohl sie es nicht wollte, tauchten immer wieder die Bilder vor ihren Augen auf. Die kleinen Gesichter, die so schrecklich leer waren. Die offenen Augen ...

Erstickt worden waren sie. Mit einem Kissen. Das zu tun, dazu gehörte schon etwas. Sie hatte die junge Mörderin danach gefragt und so gut wie keine Antworten bekommen. Hier und da ein Halbsatz oder ein Schulterzucken, das war alles gewesen. Und die Mörderin hatte noch immer nicht begriffen, dass ihr Leben verpfuscht war. Schlimmer hatte es für sie nicht kommen können.

Es regnete stärker. Die Tropfen trommelten jetzt auf das Autodach. Da die Straßen lange trocken gewesen waren, konnte die erste Feuchtigkeit schon zu einer Gefahr werden. Da wurde der Asphalt glatt. Es gab genügend unvernünftige Fahrer, die einfach in Unfälle hineinrasten. Das hatte die Erfahrung gelehrt.

Purdy Prentiss wunderte sich darüber, dass sie eben jetzt daran dachte. An eine Vorahnung, dass etwas passieren könnte, wollte sie nicht denken, aber sie würde schon vorsichtiger fahren, das nahm sie sich vor.

Der Regen war ein Schleier, der sich über das Gelände gelegt hatte. Purdy fuhr in einem fast rechten Winkel auf die A 503 zu und sah auch über ihr den nassen Schleier liegen.

Es herrschte recht viel Verkehr. Die Lichter der Fahrzeuge wirkten wie aufgepumpte Geister, die für einen Moment auftauchten und dann wieder in der dunklen Masse verschwanden.

Sie musste an der Einmündung stoppen. Die Lücke hatte sie bald erspäht und ordnete sich problemlos in den fließenden Verkehr ein.

Lastwagen rauschten mit ihren dicken Reifen über die schmierige Nässe. Purdy Prentiss fuhr gern schnell, aber nicht an einem Abend wie diesem. Sie passte sehr scharf auf, im Gegensatz zu vielen anderen, denn sie wurde oft genug überholt, und das auch von zahlreichen Lastwagen, deren Fahrer es mehr als eilig hatten, ans Ziel zu gelangen und manchmal auf dem Friedhof endeten.

Auch jetzt wurde sie überholt. Es war ein großer Wagen mit Anhänger. Ein Fahrzeug, vor dem man Angst bekommen konnte, wenn es neben einem kleineren Auto herfuhr. Der BMW der Staatsanwältin war nicht eben groß, und so hatte sie das Gefühl, in einer Nussschale zu hocken.

Wasserwolken hüllten sie ein. Die Wischer leisteten harte Arbeit, um die Scheiben zu befreien, aber immer wieder blieben Schlieren zurück oder irgendein Schmier von der Straße her, der Purdy einen Teil der Sicht nahm.

Auch sie sehnte sich danach, in ihre Wohnung zu kommen. Dort wollte sie ein heißes Bad nehmen und danach eine Flasche Rotwein trinken. Aber sie wusste auch, dass sie es nicht schaffen würde, sich zu entspannen, denn der Fall war nicht so leicht zu vergessen.

Sie ging noch weiter vom Gas, um den Truck vorbeizulassen. Der Ehrgeiz, an ihm vorbeizuhuschen, hielt sich in starken Grenzen. Lieber langsam fahren als tot zu sein.

Der Regen hatte sich in den letzten Sekunden in einen starken Schauer verwandelt. In Sturzbächen fiel er aus den Wolken. Die Straße mit all ihren Fahrzeugen wurde plötzlich zu einer gefährlichen Piste, auf der das Aquaplaning an erster Stelle stand. Nichts sah sie mehr klar. Die Autos wurden zu verschwommenen Riesen. Sie fuhr hinter dem Truck, der sie überholt hatte. Zwischen dem BMW und ihm hatte sich eine Wand aus Wassertropfen aufgebaut. Die nasse Gischt war überall und wurde auch nicht vom Fahrtwind weggefegt.

Andere Fahrzeuge glitten an ihr vorbei. Sie waren nur mehr schnelle Schatten in all der Nässe. Wer hier nicht sicher seinen Wagen lenkte, der konnte es schon mit der Angst zu tun bekommen.

Purdy Prentiss war voll konzentriert. Sie durfte sich nicht den geringsten Fehler erlauben. Innerhalb von Sekunden konnte auf solchen Fahrbahnen etwas Schreckliches passieren. Das hatte sie oft genug gehört. Darüber hatte sie auch immer wieder gelesen. Auf keinen Fall wollte sie in diese Klemme hineinkommen.

Noch immer schaute sie auf das Heck des Anhängers. Sie wollte auch nicht überholen. Die Rücklichter glühten wie große Blutflecken, über die jemand hinweggewischt hatte. Weiterhin bildete die Gischt einen Vorhang, der einfach nicht abreißen wollte.

Purdy geriet ins Schwitzen. Sie konnte den Grund nicht nennen. Sie glaubte nicht, dass es allein an ihrem konzentrierten Fahren lag. Das musste etwas anderes sein. Es war auch so plötzlich über sie gekommen und hatte sie erwischt wie ein Stich.

Etwas würde passieren ...

Purdy hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest. Sie fuhr geradeaus. Sie behielt die Geschwindigkeit bei. Sie bewegte sich nicht auf ihrem Sitz. Sie schaute nach vorn. Sie sah das Heck, sah die Gischt, aber es gab noch ein Bild, das sich vor ihren Augen aufbaute, obwohl es real nicht vorhanden war.

Eine düstere Landschaft mit einem rötlichen Himmel. Sie sah im Hintergrund Stangen von einem kargen Boden her in die Höhe ragen. Auf den Stangen steckten Menschen, die man einfach aufgespießt hatte.

Purdy kannte die Bilder aus alten Zeichnungen und Holzschnitten. So hatten früher die grausamen Potentaten ihre Feinde getötet. Auf Pfähle geschlagen, und besonders bekannt dafür war Vlad Dracula, der Pfähler, gewesen.

Die Staatsanwältin schüttelte den Kopf. »Verdammt nochmal, was ist das?«

Die Antwort musste sie sich schuldig bleiben. Sie schüttelte den Kopf, um das Bild so zu vertreiben, doch das gelang ihr nicht. Etwas störte sie. Etwas hatte sich festgesetzt, und nach einigem Überlegen sah sie es als eine Erinnerung an andere Zeiten an.

Und an alte ...

An sehr alte sogar. Sie wusste um ihr Geheimnis. Sie lebte damit. Sie war schon einmal auf dieser Welt gewesen und dann wiedergeboren worden. Ihr erstes Leben hatte sich in Atlantis abgespielt, einem Kontinent, der längst versunken war, gewissermaßen als Mittelpunkt einer gewaltigen Katastrophe.

Purdy zwinkerte. Das Bild war da. Verdammt, warum? Sie sah das Heck des Anhängers und trotzdem auch das Bild. Es war sogar klarer, weil es von keinen Wasserschlieren auseinander gezogen wurde, wie es bei dem Wagen vor ihr der Fall war. Sie sah ihn längst nicht mehr so klar. Im über die Scheibe fließenden Wasser schien er sich aufzulösen, und jetzt fing der Anhänger sogar an zu schwanken.

Purdy wischte über ihre Augen. Es war warm in ihrem Wagen geworden.

Sie fühlte sich wie aufgepumpt. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Trotzdem war es ihr nicht möglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Das fremde Bild lenkte sie einfach zu sehr ab.

Sie rollte weiter. Nur besaß sie nicht mehr die Kontrolle über ihren Wagen. Zumindest kam ihr das so vor. Weiterhin wischten die Schlieren an den Scheiben entlang. Sie fuhr nicht mehr im Freien, sondern durch einen nie abreißenden Tunnel aus Wasser.

Vor ihr begannen die Blutflecken plötzlich zu tanzen. Sekundenlang reagierte Purdy Prentiss nicht, bis ihr klar wurde, dass sich der Anhänger des Trucks leicht von einer Seite zur anderen hin bewegte. Er war ins Schlingern gekommen.

So etwas wie der Ton einer Alarmsirene schrillte durch den Kopf der Staatsanwältin. Die Gefahr bestand. Sie bildete sie sich nicht ein wie das seltsame Bild. Das Aquaplaning auf der Straße hatte dem Truck und dem Anhänger zu schaffen gemacht.

Er wedelte jetzt von einer Seite zur anderen. Rechts neben ihr überholte sie jemand.

»Der ist irre!«, flüsterte sie und drehte den Kopf.

Sie sah den Schatten des flachen Fahrzeugs. Sie hörte auch das grelle Hupsignal, das nicht ihr, sondern dem Fahrer des Lastwagens galt. Der kümmerte sich darum nicht.

Der Wagen überholte Purdy.

In diesem Augenblick bremste der Truckfahrer. Er stieg voll in die Eisen, es konnte ein Fehler gewesen sein, aber wahrscheinlich war ihm nichts anderes übrig geblieben.

Der Anhänger schwankte nach links und rechts. Er wurde zu einem gewaltigen Pendel, und der Fahrer an ihrer rechten Seite musste das einfach sehen. Er hatte sie bereits überholt. Durch den Regenschleier erkannte Purdy, dass es ein Jaguar war, dessen Fahrer jetzt merkte, was vor ihm abging.

Er bremste!

Wasser auf der Straße. Aquaplaning. Eine nasse Hölle. Schlimmer konnte es nicht kommen. Auch für den Fahrer des Jaguars nicht, denn er schaffte es nicht, seinen Wagen an dem Anhänger vorbeizulenken.

Purdy Prentiss sah, was kommen musste. Sie wollte die Fahrer der ihr folgenden Autos warnen. Permanent glühten die Heckleuchten auf. Sie sah nicht, was hinter ihr passierte. Nur die Szene vorn war wichtig.

Der Jaguar schaffte es nicht mehr, dem schlingernden Anhänger auszuweichen. Der nach wie vor schlingernde Anhänger erwischte ihn mit einer nahezu lässigen Bewegung.

Plötzlich machte sich der Jaguar selbstständig. Er wurde von dem Aufprall nach rechts gewuchtet, kam aber nicht von der Straße ab, sondern drehte sich auf der nassen Fahrbahn um die eigene Achse.

In Momenten wie diesen konnte man nur handeln. Man musste sich auf seine Reflexe verlassen und nicht darüber nachdenken, ob es richtig war, was man tat.

Purdy war langsam gefahren. Doch nicht langsam genug, wie sie mit Schrecken erkannte, denn sie rutschte dem stehenden Jaguar entgegen und sah, dass auch der Truck nicht mehr fuhr. Dafür bemerkte sie wie nebenbei die zahlreichen Lichter, deren Widerschein durch den Regen huschte. Allerdings weiter vor ihr. Da musste etwas passiert sein.

Purdy konnte nichts mehr tun. Einfach nur warten. Sich in das Schicksal ergeben.

Das meinte es an diesem Abend gut mit ihr, denn ihr BMW kam rechtzeitig zum Stehen. Sie fuhr weder in den Anhänger des Trucks hinein, noch rammte sie den Jaguar. Nahe den beiden kam ihr Wagen zum Stillstand. Purdy hörte um sich herum ein Lachen. Es dauerte eine Weile, bis ihr auffiel, dass sie selbst dieses Lachen abgegeben hatte. Die Stimme war ihr einfach zu fremd vorgekommen.

Schlagartig hatte sie die Realität wieder. Von einem großen Jubel war sie weit entfernt, doch sie stellte fest, dass sie es ohne Blessuren überstanden hatte. Die Fahrer in den ihr folgenden Autos hatten sehr gut reagiert und waren auch durch das Aufleuchten der Warnblinkanlage rechtzeitig genug gewarnt worden.

Sie stand.

Der Regen trommelte noch immer auf das Dach nieder. Er klatschte gegen die Scheiben. Er machte die Welt draußen zu einer Farce. Alles verwischte, alles verschwamm. Purdy Prentiss konnte das Gefühl haben, nur hier in ihrem Auto sicher zu sein.

Der Gedanke verging sehr schnell. Sie dachte daran, was sie gesehen hatte. Sie musste raus und nach dem Fahrer des Jaguars schauen. Es hatte nicht gut ausgesehen, wie er auf den Anhänger geprallt war. Er konnte verletzt sein.

Es war der Staatsanwältin gleichgültig, wie dicht der Regen fiel. Hier musste geholfen werden. So schnellte sie sich los und stieß die Tür auf ...

Purdy Prentiss hatte sich den Regen schlimmer vorgestellt. Zwar fiel er dicht aus den Wolken, aber die Tropfen schlugen nicht mehr so hart gegen sie. Der starke Schauer hatte sich verzogen. Jetzt rieselte das Wasser mehr aus den Wolken.

Beim Aussteigen landete sie mit dem rechten Fuß in einer Pfütze. Fast wäre sie weggerutscht. Zum Glück konnte sie sich am Wagen festhalten.

Ein Blick nach rechts und damit nach hinten!

Es war zu einem Stau gekommen. Nicht alle Fahrzeuge standen normal auf der nassen Bahn. Einige waren auch gerutscht und hatten sich dabei leicht gedreht. Wie sie allerdings erkannte, hatte es keinen schweren Unfall gegeben. Die Fahrer und Fahrerinnen blieben in ihren sicheren Autos. Einige Scheiben waren nach unten gefahren, und Purdy sah verschiedene Köpfe, die nach draußen schauten. Jemand rief ihr sogar etwas zu, aber sie winkte nur ab.

Mit hochgestelltem Mantelkragen und leicht geduckt näherte sie sich dem Jaguar. Der Regen nahm ihr die gute Sicht. Auch in den Wagen konnte sich nicht hineinschauen, weil immer wieder Regenwasser an den Scheiben entlanglief.

Beim Aufprall war ein Scheinwerfer zu Bruch gegangen. Es brannte nur noch der linke, und der sah aus wie ein verschwommenes Glotzauge, ohne irgendwelche Wirkung zu haben.

Sie lief auf die Fahrerseite zu und zerrte die Tür auf. Der Regen drang jetzt auch in den Wagen und benetzte einen jungen Mann mit hell gefärbten Haaren. Er saß nicht mehr hinter dem Lenkrad. Beim Aufprall war er zur Seite gerutscht, hing noch in seinem Gurt fest, lehnte aber an der Tür.

Der Mann hatte bemerkt, dass die Tür aufgezogen worden war. Er drehte den Kopf und schaute Purdy an. An der Stirn sah sie eine blutige Schramme, sie hörte auch das Stöhnen und dann die geflüsterten Worte, die sich über Kopfschmerzen beschwerten.

»Ist das alles, was Sie haben?«, fragte sie.

»Es reicht doch.«

»Sonst keine Verletzungen?«

»Keine Ahnung.«

Okay, bleiben Sie im Wagen. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, Mister.«

Eine Antwort bekam Purdy nicht. Sie schlug die Tür wieder zu. Aber sie setzte sich nicht wieder in ihren BMW, weil sie sehen wollte, was vor diesem Truck passiert war. Sie erinnerte sich auch an die Lichter, die sie gesehen hatte, weiter auf der Straße musste ein Unfall passiert sein, und der Fahrer des Trucks hatte ihn zu spät bemerkt. Einen anderen Grund für die Reaktion konnte sich die Staatsanwältin nicht vorstellen.

Der Anhänger stand leicht quer. Nicht aber die Zugmaschine. Sie war das Ziel der Frau. Sie wollte auch mit dem Fahrer sprechen. Mit kleinen Schritten schob sich Purdy an der Seite des Anhängers vorbei. Der Regen hatten ihren Ledermantel zu einer großen glänzenden Speckschwarte gemacht. Die Haare klebten auf ihrem Kopf, und immer wieder rannen lange Wasserschlieren in ihren Nacken, um danach den Weg über den Rücken zu finden.

Als ihre Sicht frei war, da sah sie, was dort vorn passiert war. Ein Unfall, in den mehrere Fahrzeuge verwickelt waren. Warnleuchten warfen ihre zuckenden Lichter über das Geschehen. Die Autos standen dort kreuz und quer. Mindestens ein halbes Dutzend Fahrzeuge war in diesen Crash verwickelt. Eine Frau rannte von der Straße weg in das Gelände hinein. Sie schrie und wollte sich auch von einem Mann nicht mehr zurückholen lassen.

Die Polizei war noch nicht eingetroffen, aber die Straße war blockiert. Hier kam kein Auto mehr durch. Die Fahrbahn musste erst geräumt werden, und das würde dauern.

Für Menschen gab es noch genügend Platz, und diese Chance nutzte Purdy Prentiss auch. Sie ging jedoch nur bis zum Fahrerhaus vor und stoppte dort. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, was nicht hoch genug war, und kletterte dann auf die erste Stufe an der Tür.

Jetzt konnte sie durch die Scheibe schauen, auch wenn an ihr das Wasser herabrann.

Das Fahrerhaus war leer. Niemand saß oder lag darin. Da ein Truck nicht von Geisterhänden gelenkt wurde, ging Purdy davon aus, dass der Fahrer seinen Wagen verlassen hatte. Möglicherweise stand er unter Schock, aber passiert war dem Truck hier vorn nichts. Er war weit genug vor dem letzten Fahrzeug angehalten worden.

Ein Unfall, ja das stimmte schon. Er war auch nichts Besonderes, denn bei diesem Wetter passierte das öfter. Trotzdem kamen Purdy Bedenken. Rational konnte sie sich die Dinge nicht erklären, aber sie dachte wieder an die Szene, die sie kurz vor dem Unfall gesehen hatte.

Es war ein Bild gewesen. Nicht mal existent, sondern eines aus einer tiefen Erinnerung hervorgeholt. Ein Erlebnis. Etwas aus ihrem früheren Leben.

Warum ausgerechnet jetzt so kurz vor dem Unfall?

Purdy wusste es nicht. Sie stand im Regen und dachte darüber nach. Eigentlich hatte sie weiter zu den anderen Fahrzeugen gehen wollen, doch etwas hielt sie zurück. So blieb sie wie eine einsame Figur stehen, beobachtete die Szene, ohne sie richtig wahrzunehmen.

Aus den Wolken rieselte das Wasser, und weit vor sich in der Ferne sah sie die Lichter der alarmierten Streifen- und Krankenwagen. Die Lichtstreifen malten Schlieren in die Welt aus Himmel, Wasser und Dunst.

Warum das schreckliche Bild von den Menschen, die auf Pfähle gesteckt worden waren?