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Er war ein Götze und ein Dämon. Von den alten Ägyptern wurde er in der Figur des Schakals dargestellt, und er wachte über die Seelen, die mit der Barke in das Reich der Toten fuhren.
Pharaonen, Gelehrte, Priester und Magier dienten ihm. Sie respektierten ihn, denn seine Kraft war göttergleich.
In der modernen Zeit gab es Menschen, die darüber lachten. Sie glaubten nicht an einen viertausendjährigen Fluch - bis Anubis erwachte ...
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Seitenzahl: 168
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Anubis – Wächter im Totenreich
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-3660-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Anubis – Wächter im Totenreich
von Jason Dark
»Mister Ferguson«, rief ich mit etwas gebremster Stimme. »Mister Ferguson, melden Sie sich!«
Es tat sich nichts. Der Museumswärter gab keine Antwort. Meine Stimme verhallte in dem seltsamen Halbdunkel, das vor mir lag. Ich wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte, denn Fergusons letzte Worte waren mir in guter Erinnerung geblieben, sie lagen erst fünf Minuten zurück.
»Warten Sie hier, Oberinspektor«, hatte mir der Mann gesagt. »Ich werde alles arrangieren.«
Was er arrangieren wollte, daran rätselte ich noch. Es stand nur fest, dass es um eine Sache ging, die mit der ägyptischen Mythologie zu tun hatte, um einen Gott, der von vielen verehrt und gleichzeitig gefürchtet wurde.
Um Anubis!
Man nannte ihn auch den Wächter im Totenreich. Um seine Person rankten sich zahlreiche Legenden, und noch heute sollte es Menschen geben, die an Anubis glaubten.
Was daran stimmte, wusste ich nicht. Ich konzentrierte mich auf den Museumswärter Ferguson, durch dessen Warnung ich alarmiert worden war.
Angeblich sollte es in seinem Museum spuken!
Es war keines dieser großen und gewaltigen Tempel, in dem Kultur aus der Vergangenheit ausgestellt wurde, nein, das Museum mitten in London galt als überschaubar und hatte sich auf ägyptische Kunst spezialisiert. Es waren zwar wenige Originale vorhanden, dafür gute Nachbildungen, die von einheimischen Künstlern geschaffen worden waren. Von Schülern und Studenten war das Museum tagsüber gut besucht. Die alten Ägypter waren »in«.
Und jeder Besucher wollte so viel wie möglich über diese Kultur wissen.
Ich war gekommen, um etwas über den seltsamen Spuk herauszufinden. Dabei sollte mir Gene Ferguson helfen.
Nun war er verschwunden.
Ich schaute auf die Uhr an meinem Handgelenk und stellte fest, dass wieder eine Minute vergangen war.
Laut genug hatte ich gerufen, und Ferguson hätte mich eigentlich hören müssen. Etwas hatte ihn daran gehindert. Und den Grund dafür wollte ich unter allen Umständen herausfinden.
Noch hatte ich mich nicht bewegt, stand starr auf dem Fleck und lauschte.
Nachts konnte ein Museum unheimlich wirken. Besonders in den Gängen und Hallen, die nicht beleuchtet waren, lauerte etwas, das man nicht erfassen konnte. Vielleicht war es ein Hauch aus der fernen Vergangenheit, die in der Dunkelheit zu spüren war, denn diese Ausstellungsräume besaßen stets eine besondere Atmosphäre.
Da hallte jeder Schritt, da gab es Echos, die irgendwo in der Tiefe verklangen und mir wie Antworten vorkamen. Schatten bekamen eine Bedeutung, als wären die Geister der alten Gegenstände wieder zu einem finsteren Leben erwacht.
Allmählich machte ich mir Sorgen. Ferguson hätte mich hören müssen. Dass er sich nicht meldete, musste einen Grund haben. Vielleicht war ihm etwas passiert.
Ich räusperte mir die Kehle frei und setzte mich in Bewegung. Vor mir erstreckte sich ein Gang, der zu einem breiten Türdurchbruch führte. Was dahinter lag, wusste ich nicht, Ferguson war dort verschwunden. Die Beretta ließ ich stecken, als ich behutsam einen Fuß vor den anderen setzte. Ich wollte nicht gehört werden. Der blankgescheuerte Boden half mir dabei, zudem trug ich weiche Sohlen, sodass meine Schritte kaum zu hören waren.
Ich schlich dem Durchbruch entgegen und sah in die graue Dunkelheit hinein.
Kein Lichtstrahl zerschnitt sie. Durch die großen Fenster, die sich an den Wänden abzeichneten, drang kaum Helligkeit.
Obwohl ich die Ausmaße des Ausstellungsraums nicht abschätzen konnte, fühlte ich irgendwie, dass ich mich in einer großen Halle befand.
Nach zwei weiteren Schritten blieb ich stehen, schaute mich um und entdeckte nur Umrisse. Es waren Figuren der unterschiedlichsten Größe, manche so groß wie ein ausgewachsener Mensch. Einige waren durch Kästen geschützt, die ebenso wie die Ausstellungsstücke auf einem Sockel standen.
»Mister Ferguson?«
Noch einmal rief ich zischend den Namen des Mannes.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch, das in der Dunkelheit zusätzlich einen unheimlichen Touch bekam. Auf irgendeine Art und Weise erinnerte es mich an ein Kratzen und Schleifen. Es war vor mir entstanden und drang aus der Finsternis an meine Ohren.
Wohl war mir nicht, denn ich rechnete mit dem Schlimmsten. Ich hakte die große Taschenlampe von meinem Gürtel los und schob mit dem Daumen den Kontaktknopf hoch. Augenblicklich fiel ein weißer Strahl in den Raum und zeichnete einen runden Fleck auf den Boden.
Ich ließ den Fleck wandern. Er berührte den Sockel und strich über die großen Figuren, als wollte er sie zu geisterhaftem Leben erwecken.
Für die Kunstwerke hatte ich keinen Blick. Meine Suche galt dem Museumswärter.
»Mister Ferguson!«
Mein Gott, er musste doch antworten.
Abermals vernahm ich kein Geräusch. Ich bewegte meinen Arm nach rechts und hielt die Luft an, denn ich hatte etwas gesehen.
Ferguson lag auf dem Boden.
Ich erschrak, denn ich hatte es wahrscheinlich mit einem Toten zu tun. Der Mann war auf schlimmste Art und Weise gestorben, und der helle Lichtkegel enthüllte gnadenlos jedes grausame Detail.
Ferguson lag auf der Seite. Seine Züge waren eingefroren, verzerrt, der Mund stand offen, die Augen blickten glasig, und dort, wo sich seine Kehle befand, sah ich das Allerschlimmste.
Blut! Dunkles, sprudelndes Blut, das aus einer großen Wunde rann, die ihm jemand gerissen hatte.
Ich war geschockt. Damit hatte ich nie gerechnet. Wie konnte so etwas nur geschehen? Und wer war für diese Scheußlichkeit verantwortlich?
Bisher hatte ich ihn nur aus einer gewissen Entfernung angeschaut. Ich wollte näher heran, denn ich musste feststellen, wie er gestorben war. Und vielleicht lebte er ja auch noch.
Ich kniete neben ihm nieder. Der Schatten einer Figur fiel auf uns, und ich schaute in die gebrochenen Augen eines Toten. Nein, da war nichts mehr zu machen. Diesen Menschen hatte es voll erwischt. Er war auf grauenvolle Art und Weise gestorben. Die Geräusche, die ich vernommen hatte, hatten die letzten Sekunden seines Lebens erfüllt.
Ich schüttelte mich und machte mir Vorwürfe, weil ich den Besuch nicht ganz ernst genommen hatte. Nun war er zu einem tödlichen Ernst geworden, und ich dachte schlagartig daran, dass ich den Mörder nicht gehört hatte.
Befand er sich noch im Museum?
Bei diesem Gedanken zog sich mein Magen zusammen. Ich musste schlucken, und über meinen Rücken kroch eine Gänsehaut. Wenn meine Annahme stimmte, lauerte er sicherlich irgendwo auf mich.
Der Schein der Taschenlampe bildete eine weiße Insel inmitten der Dunkelheit. Er gab eine gute Zielscheibe ab.
Sofort warf ich mich zur Seite, stand auf und ließ den Strahl wandern. Er fiel auch auf die Figur, die einen Schatten auf den Toten und mich geworfen hatte. Jetzt sah ich sie genauer und stellte fest, dass es sich um eine aus Stein gefertigte Abbildung des Gottes Anubis handelte.
Er wurde stets in der Form eines Schakals dargestellt. Hier war es nicht anders. Das versteinerte Tier stand auf einem Sockel. Es sah aus wie ein großer Hund, der seinen Körper vorgestreckt und das Maul geöffnet hatte, als wollte er einen klagenden Laut ausstoßen, der in der Weite einer Wüstennacht verhallte.
Daran war nichts Ungewöhnliches. Etwas anderes war dagegen unnormal. Es versetzte mir einen tiefen Schock.
Die Schnauze des Schakals war blutverklebt!
***
Ich hielt den Atem an und schüttelte den Kopf. Im ersten Augenblick glaubte ich an eine Täuschung, leuchtete direkt auf das Maul und sah mich bestätigt.
Im hellen Lichtkegel schimmerte das Blut dunkelrot, das sich am hinteren Rand der Schnauze gesammelt hatte und von dort langsam zu Boden tropfte.
Ich hörte dieses leise Platschen, und in meinem Innern verkrampfte sich etwas.
War dieser Schakal der Mörder?
Normalerweise unmöglich, wobei ich dieses Wort aus meinem Repertoire gestrichen hatte. Mir war so viel untergekommen, dass ich mit allem rechnen musste.
Vorsichtig streckte ich die Hand aus und berührte die Figur. Ich rechnete damit, auf kalten Stein zu fassen. Doch die Figur fühlte sich seltsam warm an, als würde Leben in ihr stecken. Ein lebendiger Stein. Sogar ein Killer. Damit musste ich fertig werden.
Mit den Fingerspitzen strich ich über das erstarrte Fell. Vorsichtig näherte sich meine Hand auch dem Kopf.
Da spürte ich die Bewegung!
Blitzschnell zog ich den Arm zurück, ging einen Schritt zurück und leuchtete Anubis an.
Der helle Strahl traf genau seinen Schädel, der über den Rand des Sockels hinwegschaute. Auch die Augen wurden von dem Lichtstreifen berührt.
Kleine, heimtückische Kugeln inmitten des Kopfes. Sie erinnerten mich an kalte Perlen, die leblos zu sein schienen und dennoch voller Leben steckten, denn sie schauten mich gnadenlos an.
Hatte ich wirklich einen Mörder vor mir?
Ich hielt den Atem an, weil ich plötzlich die Bewegung der steinernen Anubisfigur wahrnahm. Der Schakal drehte und schüttelte den Kopf, und sein Fell sträubte sich dabei. Die einzelnen Härchen wirkten so, als würde ein unsichtbarer Kamm über sie hinwegstreichen.
Seine Flanken zitterten, die Beine ebenso, und ich wechselte die Taschenlampe in die linke Hand, um mit der rechten meine mit Silberkugeln geladene Beretta zu ziehen.
Wenn der Schakal sprang, wollte ich feuern!
Noch hielt er sich zurück und drehte den Schädel so, dass er mich aus seinen kalten, gefühllosen Augen anstarren konnte.
Das Blut rann nach wie vor aus seinem Maul. Das Geräusch der fallenden Tropfen ging mir unter die Haut. Ich biss die Zähne zusammen und wartete auf einen Angriff.
Der Schakal sprang. In der ersten Sekunde erschrak ich, denn nichts hatte seine Reaktion angedeutet. Der graue Körper wuchtete auf mich zu, und ich sah das Augenpaar rasend schnell näherkommen.
Ich schoss.
Im Vertrauen auf meine geweihten Silberkugeln blieb ich stehen und sah die Projektile in den Körper einschlagen.
Die Kugeln stoppten ihn nicht.
Ich musste weg!
Unter dem fallenden Körper tauchte ich her, drehte mich zur Seite, riss die Taschenlampe herum und sah, dass die jetzt lebende Steinfigur weich auf allen vier Pfoten landete.
Für einen Moment blieb der Schakal sitzen. Er rührte sich nicht, war regungslos und fuhr dann herum.
Mir war klargeworden, dass ich mit geweihten Silberkugeln nichts bewirken konnte. Damit war er nicht zu töten, und ich steckte die Beretta weg.
Es lag noch nicht lange zurück, da hatte ich eine Begegnung mit der altägyptischen Mythologie gehabt. Damals lernte ich Bastet, die Katzen-Göttin, kennen, als sie einen schrecklichen Rachefeldzug durchführte und erst durch mich gestoppt werden konnte.
Und zwar durch mein Kreuz!
Ich erinnerte mich deutlich an die Szene, als ich die Stimme des obersten Gottes der Ägypter Osiris hörte, und ich dachte an das gewaltige Allsehende Auge.
Das Gleiche befand sich auf meinem Kreuz!
Deshalb zögerte ich keine Sekunde länger, denn der unheimliche Schakal würde es mir zeigen wollen. Ich sollte sein zweites Opfer werden. Bevor er sprang, tauchte ich in das Dunkel der Museumshalle und löschte die Lampe.
Hinter einer hohen Statue mit einem Sockel fand ich Deckung, außerdem die Zeit, die ich benötigte, um die Kette über den Kopf zu streifen.
Endlich hielt ich das Kreuz in der Hand.
Und war erstaunt.
Das Allsehende Auge leuchtete in einem seltsamen Grün. Es schien die in diesem Raum lauernde Magie genau zu spüren und reagierte dementsprechend, sodass ich das Leuchten auch als eine Warnung auffasste.
Der Schakal würde kommen.
Ich sah ihn nicht, dafür hörte ich ihn.
Er ging langsam, und das Tappen der Pfoten auf dem blanken Boden war deutlich zu vernehmen. Angst im eigentlichen Sinne hatte ich nicht, wohl ein seltsames Gefühl, das in einer Gänsehaut mündete.
Das Tappen veränderte sich. Es wurde lauter, der Schakal geriet immer weiter in meine Nähe.
Ich nahm erneut die Lampe, hielt das Kreuz fest und fühlte mich, als stünde ich unter Hochspannung. Nach der Stärke des Geräusches konnte ich ungefähr feststellen, wie weit der Schakal von meinem Standort entfernt war.
Ein paar Sekunden ließ ich verstreichen, dann startete ich. So lautlos wie möglich drehte ich mich aus der Deckung hervor, schaltete die Lampe ein, richtete den Strahl in die Dunkelheit, genau dorthin, wo ich das Geräusch vernommen hatte.
Ich traf ihn.
Der Lampenkegel blieb auf der Schnauze des unheimlichen Tieres kleben, und bevor der Schakal reagieren konnte, warf ich das Kreuz.
Zwar drehte das Tier noch ab, aber es entging dem Treffer nicht. Mein Kruzifix fiel genau auf dessen Rücken und hakte sich im Fell fest.
Was nun folgte, war makaber und gleichzeitig faszinierend: Das Tier stand für einen Moment wie zu einem Eisblock erstarrt. Es begann zu zittern, öffnete sein Maul weiter, und im nächsten Augenblick drang ein Schrei aus seiner Kehle, wie ich ihn noch nie zuvor gehört hatte. Es war ein gewaltiger Todesschrei, den der Schakal mir entgegenheulte, und das gesamte Museum schien davon ausgefüllt zu sein. Grauenhaft.
Ich stand starr auf der Stelle und schaute zu, wie der unheimliche Mörder verging.
Plötzlich umtanzten ihn Blitze. Er riss den Kopf in die Höhe, und im nächsten Augenblick hüllte ihn ein kaltes, grünes Feuer ein, das ihn radikal vernichtete.
Der Schakal wurde zu Staub. Vor mir befand sich ein Häufchen Asche. Mehr war von ihm nicht zurückgeblieben. Das Kreuz lag daneben, wobei sich das Glühen des Allsehenden Auges allmählich abschwächte und das Kruzifix schließlich wieder so aussah wie zuvor.
Alles war normal.
Bis auf den Toten und den vernichteten Schakal, das Sinnbild des Gottes Anubis.
Für einen Moment verharrte ich und dachte nach. Eigentlich hatte ich Ferguson bei seinem Anruf nicht ernst genommen, als er von seltsamen Geräuschen gesprochen hatte. Ich war auch nur hingefahren, weil ich an diesem Abend wirklich nichts vorgehabt hatte, und jetzt steckte ich inmitten einer brandheißen Sache, die sich möglicherweise zu einem wahren Flammenherd ausdehnen konnte.
Ich holte tief Luft. Vielleicht hätte mir Ferguson mehr sagen können, leider konnte er nicht mehr reden. Es half nichts, dieser Fall musste vorerst seinen normalen Gang nehmen. Deshalb ging ich in das kleine Büro, das dem Museum angeschlossen war, und entdeckte dort ein schwarz lackiertes Telefon auf dem Schreibtisch.
Gern hätte ich meinen alten Freund und Spezi Chiefinspektor Tanner an den Tatort zitiert, doch dieser Mord fiel nicht in sein Revier.
Überlaut vernahm ich den Summton in der engen Kabine.
Es roch nach Essen und Schweiß.
Mit knappen Worten bestellte ich die Mordkommission her. Ihr Chef lag zu Hause mit einer Grippe im Bett. Der Stellvertreter kannte mich nicht. Seine Stimme klang dienstgeil und forsch. Der Mann versprach, so rasch wie möglich zu kommen.
Ich ging wieder an den Tatort zurück. Nur hatte ich keine Lust, weiterhin im Dunkeln zu bleiben, und suchte nach dem zentralen Lichtschalter.
Als ich ihn herumgedreht hatte, flammte die Beleuchtung in allen Räumen auf. Helligkeit, die in den Augen schmerzte, füllte jedes Zimmer aus.
In aller Ruhe konnte ich die einzelnen Ausstellungsstücke betrachten. Es waren Nachbildungen alter Masken, Inschriften und Figuren. In jedem Raum stand auch eine Sonne, das Zeichen des obersten Gottes Re, des Sonnengottes.
Genau schaute ich mir die einzelnen Dinge an. Allerdings entdeckte ich nirgendwo einen Beweis, der auf etwas Schwarzmagisches hingedeutet hätte. Und dennoch hatte diese Abbildung des Gottes Anubis gelebt.
Wie war das möglich gewesen?
Die Wendung mit der Laus, die man sich in den Pelz gesetzt hatte, fiel mir ein. Alle anderen Gegenstände waren normal, nur dieser eine nicht.
Wie kam das?
Wer hatte sie hergeschafft?
Das war die zentrale Frage, über die ich mir klarwerden musste. Meiner Ansicht nach war sie aus Ägypten gekommen, und dieser Spur wollte ich nachgehen.
Die Wartezeit verkürzte ich mir, indem ich eine Zigarette rauchte. Die Stille im Gebäude war fast greifbar. Sie lag über mir wie eine große Glocke. Erst jetzt spürte ich die Wärme, die sich im Raum ausgebreitet hatte. Die Innenflächen meiner Hände fühlten sich feucht an, und ich wurde das Gefühl nicht los, nicht allein in diesem Komplex zu sein.
In einem Standaschenbecher drückte ich meine Zigarette aus. Danach durchwanderte ich noch einmal sämtliche Räume. Gedämpft klangen meine Schritte. Ich horchte, war angespannt, aber ich hörte nichts, das mich hätte beunruhigen können. Dennoch glaubte ich fest daran, dass irgendetwas in der Nähe lauerte, das sich eventuell zu einer großen Gefahr auswachsen konnte.
Alles hatte ich besichtigt, nur den Keller nicht. In so einem alten Gebäude musste es einfach einen geben. Deshalb suchte ich nach dem Eingang und fand ihn schließlich. Eine breite Treppe führte hinab. Im Licht einer Deckenlampe sah ich die Stufen feucht glänzen. Sie waren breit und in der Mitte ausgetreten. Auf den Wänden rechts und links breitete sich Schimmel aus.
Eine andere Welt hielt mich umfangen. Nicht mit der zu vergleichen, die sich über mir befand, obwohl die Räume dort auch mit den merkwürdigsten Gegenständen angefüllt waren.
Der Keller war in große, saalartige Räume unterteilt. Zahlreiche Kisten lagerten in dem ersten Raum. Form und Größe nach zu urteilen, handelte es sich um Überseekisten. Die Aufschriften an der Seite bestätigten meine Vermutung. Die meisten stammten aus Ägypten.
Ägyptische Magie hatte ich erlebt, und in einen magischen, ägyptischen Kreislauf war ich durch den schrecklichen Mord hineingeraten. Bisher hatte ich fest daran geglaubt, nicht allein in dem Museum zu sein. Und dieser Glaube wurde bestärkt.
Aus einer Kiste drangen Geräusche. Zunächst nur ein Kratzen, dann ein dumpfes Klopfen!
Ich holte tief Luft.
Nur zwei Schritte benötigte ich, um die Kiste zu erreichen. Ich blieb neben ihr stehen, pochte dagegen und bekam Antwort.
Die Person im Inneren der Kiste wusste jetzt Bescheid.
»Bleiben Sie ruhig und bewahren Sie die Nerven!«, sagte ich, wobei meine eigene Stimme durch das Gewölbe hallte. »Ich werde Sie hier rausholen.«
»Ja, schnell!«
Ein Mann hatte gesprochen. Ich schaute mir den Deckel und den Verschluss genau an. Es war keine Schwierigkeit, die Kiste zu öffnen, ich musste nur einen Riegel zur Seite ziehen. Es gelang.
Ich hörte die befreit klingende Stimme des Mannes. »Endlich.«
Ich schaute nach unten. Der Mann lag auf dem Rücken. Gefesselt war er nicht, aber er hatte einiges abbekommen, denn in seinem Gesicht entdeckte ich Blutspritzer.
Er stöhnte und ließ sich von mir auf die Beine helfen. Ich musste ihn stützen, weil er noch ziemlich unsicher war. Ein schon älteres Gesicht schaute mich an. Der Mann hatte weißes Haar und einen ebensolchen Bart.
»Danke!«, keuchte er. »Danke, dass Sie sich bemüht haben! Ohne Sie wäre ich wahrscheinlich erstickt.« Er stemmte ein Bein auf den Rand und verließ die Kiste. Tief atmete er durch. »Herrlich, diese unverbrauchte Luft.«
»So ungefähr.« Ich war gespannt, um wen es sich handelte, wartete jedoch ab, auch wenn es mir schwerfiel.
»Dieser verfluchte Hund!«, knurrte er. »Hat mich einfach niedergeschlagen.«
»Von wem sprechen Sie?«
»Ferguson.«
»Hatte er einen Grund?«
»Nein, eigentlich nicht. Aber wenn ich ihn in die Finger kriege …« Er schüttelte den Kopf. »Dabei hatte ich ihn gewarnt.«
»Und jetzt ist er tot«, erklärte ich.
»So kommt das, Mister. Er ist …« Der Mann fuhr herum. »Was sagten Sie da?«
»Ferguson ist tot.«
»Mein Gott!« Er schlug sich gegen die Stirn. »Das darf doch nicht wahr sein.«
»Es stimmt aber.«
»Oh, verflucht.« Er ging zwei Schritte und ballte die Hand. »Hätte ich das nur geahnt.«
»Ich glaube, Sie sind mir eine Erklärung schuldig, Mister«, sprach ich ihn an.
Er drehte sich um. »Wieso?«
Ich hielt meinen Ausweis bereits in der Hand. »Scotland Yard. Und ich bin nicht zufällig hier.«
»Nein?«
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße James Barkley. Professor Barkley. Ich bin Ägyptologe und beschäftige mich vor allen Dingen mit der altägyptischen Geschichte. Deshalb interessiert mich dieses Museum auch so. Obwohl die meisten Gegenstände nicht echt sind. Aber ich wollte schauen, was man da zusammengetragen hat. Und da fiel mir eine Statue des Totengottes Anubis auf.«
»Die habe ich auch gesehen.«
»Sie ist gefährlich«, raunte der Mann. »Sehr gefährlich sogar. Ich weiß es und kann es auch beweisen.«