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Es war das Ereignis der Saison. Ein englischer Graf heiratete die Tochter eines französischen Millionärs. Zu den Hochzeitsgästen gehörten Finanziers und Filmstars, Hoch- und Geldadel.
Ich sah zufällig Fotos von den Frischvermählten und fiel fast vom Stuhl.
Die reiche junge Französin hatte einen Werwolf geheiratet!
Von diesem Moment an hatte ich keine ruhige Minute mehr!
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Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Horror-Hochzeit
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4128-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Horror-Hochzeit
von Jason Dark
Schon immer hatte sie sich vor den hohen, düsteren Hallen und Räumen des Schlosses gefürchtet, doch so schlimm wie in dieser Nacht war es noch nie gewesen.
Lucienne Lancomb hatte Angst!
Sie lag in einem prächtigen Himmelbett, in dem schon Kaiser und andere hohe Herrscher übernachtet haben sollten und das nun bald in ihren Besitz übergehen würde, aber auch auf dieser Liegestatt konnte man Angst bekommen, wie Lucienne schnell feststellte.
Ihr Herz schlug schneller.
Bisher hatte die fünfundzwanzigjährige Lucienne noch nie einen solch rasenden Puls gehabt. Er war nicht mit dem zu vergleichen, den ein junges Mädchen verspürt, wenn es verliebt ist, nein, dieser hier war härter, dumpfer und gefährlicher.
Mit jedem Schlag schienen sich die Poren zu öffnen, sodass auf der samtweichen, nach Lavendel duftenden Haut der jungen Frau bald ein feuchter Schweißfilm lag. Selbst die Seide des Nachtgewands fühlte sich nicht mehr kühl an, sondern verschwitzt und klebrig.
Was hatte sie nur geweckt?
Lucienne saß aufrecht im Bett und grübelte darüber nach. Sie lauschte in die Dunkelheit des Zimmers hinein, wartete förmlich auf ein unbekanntes Geräusch und zuckte zusammen, als sie das Knarren einer alten Holzdiele hörte.
Jemand hatte mal berichtet, dass sich unter dem Boden Hohlräume befanden, die von Ratten heimgesucht wurden.
Wahrscheinlich lief jetzt ein Tier dort entlang, aber das Tippeln der kleinen Füße war nicht an ihr Ohr gedrungen.
Das breite Himmelbett stand mit dem Kopfende zur Wand hin. Wenn Lucienne nach vorn schaute, sah sie die drei großen, hohen Fenster, die eine der Zimmerseiten fast völlig einnahmen.
Bevor sich Lucienne zur Ruhe gelegt hatte, waren die Vorhänge von einer Zofe geschlossen worden. Das Mondlicht, das vom Schnee reflektiert wurde, konnte so nicht in den Raum dringen.
Jetzt kamen ihr die Vorhänge plötzlich unheimlich vor. Wie gewaltige Schatten wirkten sie, die jeden Augenblick zu schrecklichem Leben erwachen konnten.
Aber Stoff lebte nicht. Sie bildete sich das alles nur ein. Vielleicht lag es an der für sie so seltsam fremden Umgebung. Lucienne kannte bisher das Luxusleben in Paris und die heißen Feste an der Cote d’Azur, aber nicht die Atmosphäre eines altenglischen Schlosses, das schon vor Hunderten von Jahren gebaut worden war.
Ein Märchenschloss.
Umgeben von dichtem Wald, eingefriedet in einen herrlich angelegten Park, der zu dieser Zeit schneebedeckt war.
Und ein Märchen sollte die Hochzeit werden.
Sie, Lucienne Lancomb, würde am nächsten Tag Frederik Arthur Henry Durham heiraten, den Earl of Durham.
Eine Hochzeit, über die die Fachwelt nur staunen konnte. Der Earl, als konservativ bekannt, ehelichte eine Bürgerliche. Das war Futter für die Klatschspalten der einschlägigen Gazetten.
Sie konnte es selbst kaum begreifen, dass ihr Leben als Junggesellin ein Ende haben und sie sich ab morgen den Zwängen einer Ehe unterwerfen sollte.
Wer den Earl heiratete, musste mit diesen Zwängen rechnen. Da gab es viele gesellschaftliche Verpflichtungen, die eingehalten werden mussten.
Das alles hatte man Lucienne vorhergesagt, und sie war einverstanden gewesen, diesen Weg zu gehen. In der französischen Gesellschaft hatte man nur gestaunt, denn viele rechneten damit, dass die Tochter des mehrfachen Millionärs Lancomb innerhalb der reichen Clique bleiben und nicht in das feuchtnasse England ziehen würde.
Sie hatten sich geirrt – alle! Allen voran die Mitgiftjäger, die Lucienne stets umschwirrten wie die Motten das Licht.
Sie verdrängte die Gedanken an die bevorstehende Hochzeit, schwang ihre Beine über die Bettkante und schlüpfte in die schmalen Pantoffeln.
Lucienne konnte nicht mehr liegen bleiben, selbst wenn sie es gewollt hätte, denn jeder Herzschlag dröhnte in ihrem Kopf. Wie konnte ein Mensch plötzlich solch eine große Angst bekommen?
War es die Hochzeit, die ihr doch mehr zu schaffen machte, als sie zugeben wollte?
Einen anderen Grund wusste sie nicht. Nur hatte sie sich ihren Ehemann selbst ausgesucht, er war ihr nicht von der Familie aufgezwungen worden.
Automatisch griff sie nach ihrem Morgenmantel und warf ihn über. Er war noch ein Geschenk ihres Vaters, zu dem sie ein inniges Verhältnis hatte, im Gegensatz zur Mutter.
Über die wertvollen Teppiche schritt sie zur Tür. Nur das Summen der beiden hohen Heizkörper war zu hören und das leise Quietschen der Klinke, als sie die Tür öffnete.
Bevor Lucienne das Zimmer verließ, streckte sie den Kopf durch die Öffnung und schaute in den Gang, der in einem seltsamen Dämmerlicht lag.
Das Licht der Wandlampen streifte die großen Gemälde der Ahnengalerie, die den langen Flur säumte. Wichtige Männer, die das Schicksal Englands in der Vergangenheit mitbestimmt hatten.
So jedenfalls war es Lucienne gesagt worden. Da sie sich auf diesem Gebiet nicht auskannte, musste sie es eben glauben.
Verlassen lag der Gang vor ihr. Tagsüber fürchtete sie sich vor diesen langen, düsteren Fluren, und in der Nacht verstärkte sich das Gefühl der Furcht noch.
Ob sie deshalb aufgewacht war?
Lucienne konnte die Frage nicht beantworten. Sie gab sich einen Ruck, zog den Morgenmantel unterm Hals zusammen und lief auf Zehenspitzen weiter.
Lucienne wusste, dass sie sich nicht allein im Schloss befand. Personal war genug vorhanden, allerdings wohnten die Leute in einem anderen Trakt des finsteren Gemäuers. Sie überlegte sich schon eine Ausrede für den Fall, dass ihr jemand begegnete.
In dem Flur mit den hohen Decken wirkte ihre helle Gestalt verloren und durch die weiße Nachtkleidung ein wenig gespenstisch, besonders deshalb, weil sich Lucienne bemühte, keinerlei Geräusche zu verursachen.
Sie hatte selbst keine Ahnung, wohin es sie trieb, sie wollte nur aus dem Zimmer fliehen. Vielleicht sollte sie Frederik besuchen und ihm von ihrer Angst berichten?
Die Idee war nicht schlecht. Aber schickte es sich für eine Frau, mitten in der Nacht das Zimmer ihres Noch-Verlobten zu besuchen? Seltsam, welche Gedanken ihr in diesem Schloss kamen. Früher hätte sie darüber nur gelacht. In Frankreich war man eben lockerer, doch hier traute sie sich nicht.
Bei jedem Schritt achtete Lucienne auf fremde Geräusche. Sie passierte die ersten Ahnenbilder.
Es waren düstere Typen darunter. Die Männer schauten allesamt hart, während die Frauen mit ihrer bleichen Haut wie Gestalten aus einer fernen Sagenwelt wirkten. Fremd und unnahbar.
Das Licht verlieh den Bildern ein besonderes Flair. Wenn es über die Gesichter strich, hatte Lucienne das Gefühl, als würde es sie mit einem geisterhaften Leben versehen, als würden sich Augen zu Schlitzen verengen oder Lippen verziehen.
Sie fröstelte und lief immer schneller an den einzelnen Gemälden vorbei.
Jeder Flur hat mal ein Ende. Auch der, durch den Lucienne so tapfer ging. Er mündete in einen breiten Schloss-Flügel, der fast vollständig von einem Treppenhaus eingenommen wurde.
Zwei Rüstungen standen dort wie stumme Wächter. Das Metall war stets geputzt und besaß einen matten Glanz.
Die Visiere der Rüstungen waren nach unten geklappt und ließen nur zwei Sehschlitze frei.
Lucienne mochte die Rüstungen nicht.
Sie rechnete immer damit, dass sich jemand darin versteckt hielt, um plötzlich hervorzuspringen und sie zu erschrecken.
Rasch ließ sie die beiden Zeugen einer längst verflossenen Zeit hinter sich.
Direkt am mächtigen Eichengeländer der Treppe blieb sie stehen und legte ihr schmale Hand auf den Lauf. Jetzt konnte sie nach unten schauen und sah zwei Stockwerke tiefer die Steine des Bodens schimmern, der in der breiten Eingangshalle ausgelegt war.
Lucienne hielt den Atem an und lauschte.
Hörte sie etwas?
Ja, da drang ein Geräusch an ihr Ohr.
Schritte!
Vorsichtig gesetzt, schleifend, von unten kommend.
Da schlich jemand in der Halle herum.
Wieder spürte ihr Herz deutlich in ihrer Brust klopfen, und es steigerte sich noch, als Lucienne Lancomb einen schrecklichen Laut hörte, der schaurig durch die Gänge des alten Schlosses hallte.
Es war ein unheimliches Heulen …
I
»Und was machst du am Freitagabend?«, fragte mich Glenda Perkins, als ich meinen Mantel zuknöpfte.
»Ich gehe ins Kino.«
»Ehrlich?« Glenda schüttelte den Kopf. »Hast du nicht Kino genug? Warum willst du da noch einen Streifen ansehen? Womöglich noch einen Gruselfilm, wie?«
Ich hob die Schultern. »Kann sein. Vielleicht schaue ich mir Carpenters neuen Streifen Christine an. Weiß es aber noch nicht genau, das hängt davon ab, wann mein Besuch eintrifft. Deshalb bleibe ich noch im Büro.«
Glenda zog ein erstauntes Gesicht. »Es kommt noch jemand? Wer denn?«
»Ein Reporter.«
Glenda zupfte ihre rote Strickmütze zurecht. »Und ich habe angenommen, du seist pressescheu.«
»Im Prinzip ja, aber dieser Bursche will kein Interview. Der Knabe will mich sprechen und mir Vorschläge machen, wie er meinte.«
»Und Jane Collins?«, fragte Glenda. »Vielleicht ist sie dein Besuch.«
Ich verdrehte die Augen »Himmel, sei doch nicht eifersüchtig, oder wie das heißt. Jane ist eine Hexe, obwohl sie sich mittlerweile von Wikka gelöst hat. Wir haben keine Gemeinsamkeiten mehr. Glaub mir.«
»Ich weiß nicht so recht, John. Gerade weil sie eine Hexe ist, kann sie dich leicht verhexen. Ich würde an deiner Stelle immer achtgeben.«
»Das mache ich auch.«
»Dann bis Montag. Und schönes Wochenende.«
»Willst du mit?«
»Du kannst mich ja anrufen!« Glenda nickte mir noch einmal zu und rauschte davon.
Ich machte die Beine lang, legte die Hacken auf die Schreibtischkante und zündete mir eine Zigarette an. Wann der Reporter, der den Namen Bernie Winter trug, eintreffen würde, konnte ich nicht sagen. Er hatte mir keine genaue Zeit genannt.
Allmählich wurde es stiller, und ich bekam so etwas wie ein Freitags-Gefühl. Ein Wochenende ohne Dämonen würde herrlich sein. Daran wollte ich allerdings erst denken, wenn Bernie Winters Besuch hinter mir lag.
Leider hatte mir Glenda keinen Kaffee gekocht. Da ich dennoch etwas Warmes trinken wollte, ging ich in den Flur, um mir am Automaten einen Pappbecher mit Kaffee zu ziehen.
Dort traf ich James Powell. Mein Chef war wie immer korrekt gekleidet.
Er trug einen grauen Mantel und Handschuhe, den Bowler auf dem Kopf und den Schirm über den Arm gehängt. Dass er schon so früh Feierabend machte, hatte seinen Grund. Am Freitagabend ging er stets in den Klub.
»Sind Sie freiwillig hier, John?«, fragte er mich.
»Nein, Sie wissen doch, der Reporter.«
»Wenn er Sie zu lange warten lassen sollte, dann gehen Sie! Diese Leute sollen sich angewöhnen, endlich einmal pünktlich zu sein. Überstunden können Sie machen, wenn wirklich Not am Mann ist.« Sir James hatte heute seinen sozialen Tag.
»Die paar Minuten.«
»Ist Ihr Bier, John. Ich wünsche Ihnen dennoch einen guten Abend.«
»Danke, Sir!«, rief ich meinem Chef hinterher. »Ihnen das Gleiche.«
Der Superintendent verschwand nickend im Lift. Aus dem Automaten holte ich mit spitzen Fingern den Becher und balancierte ihn in mein Büro.
Kaum hatte ich Glendas Vorzimmer betreten, vernahm ich bereits das Summen des Telefons. Zu hastig stellte ich den blöden Becher weg. Die schwarze Brühe schwappte über. Auf Glendas Schreibtisch blieb ein brauner Rand.
Der Mann vom Empfang meldete das Eintreffen eines gewissen Bernie Winter.
»Jemand soll ihn hochbringen«, sagte ich.
»Geht in Ordnung, Sir!«
Ich wollte nicht, dass ein Reporter allein und unbeaufsichtigt im Yard Building umherstromerte. Diese Burschen hatten ihre Augen überall und die Ohren stets weit geöffnet.
Nachdem ich mit meinem Taschentuch den Fleck auf Glendas Schreibtisch weggeputzt hatte, brachte ich den Becher in mein Büro. Zum Glück lief alles glatt.
Wenig später traf Bernie Winter in Begleitung eines Kollegen ein. Ich bedankte mich bei dem Uniformierten, der grüßte und verschwand.
Der Reporter war kein Unbekannter für mich. Wo es nach Sensationen roch, tauchte er auf. Er gehörte allerdings zu den Typen, die differenzierten und nicht alles niederschrieben, vor allen Dingen dann nicht, wenn es schlecht recherchiert war, unglaubwürdige Zeugen auftraten oder es sich nur um fadenscheinige Gerüchte handelte.
Ich hatte Bernie Winter noch nie ohne Zigarette gesehen. Auch jetzt klemmte in seinem Mundwinkel eine. Der Tabak stank, als wäre er an der Autobahn geschnitten worden. Dabei grinste Winter von Ohr zu Ohr und deutete mit dem Daumen über die Schulter.
»Haben Sie Angst um mich gehabt, Sinclair?«, fragte er.
»Wieso?«
»Weil Sie mir einen Aufpasser gegeben haben.«
Ich hob die Schultern. »Das ist so üblich. Außerdem gebietet es die Höflichkeit.«
»Natürlich.« Winter lachte und zog sich einen Besucherstuhl heran, auf dem er sich niederließ.
Er trug wieder seinen langen Ledermantel und hatte eine Kamera um den Hals hängen. Winter war größer als ich, sein Haar war flachsblond, immer ungekämmt, und hinter der Brille mit dem blassen Gestell fixierten mich zwei kluge, neugierige Augen.
»Jetzt sind Sie gespannt, wie?«
Ich deutete auf den Kaffee. »Wollen Sie auch einen Schluck, Bernie?«
Er hob beide Hände. Die Finger waren gelb vom Nikotin. Ohne seinen Glimmstängel aus dem Mund zu nehmen, sprach er weiter.
»Ich kenne die Brühe. Haben wir bei uns in der Redaktion ebenfalls. Drei Kollegen sind schon daran gestorben.« Er grinste breit und schob seinen Hemdkragen zurecht. »Wegen des Kaffees bin ich nicht gekommen. Außerdem ist Wochenende, ich will Sie nicht lange aufhalten, sondern möchte Ihnen einen Tipp geben.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»All right. Haben Sie sich für den morgigen Tag schon etwas vorgenommen?«
»Nein.«
»Sie Glücklicher«, grinste Bernie und nahm die Zigarette aus dem Mund, um sie im Ascher auszudrücken. »Dann können Sie ja eine nette Hochzeit besuchen.«
Während ich noch an meiner Antwort bastelte, zündete Bernie sich eine neue Zigarette an.
»Was soll ich?«
»Zu einer Hochzeit gehen.«
Jetzt grinste ich schief. »Wenn es nicht meine eigene ist, okay. Aber man hat mich nicht eingeladen.«
»Das ist nicht nötig. Wenn ich recht informiert bin, mögen Sie keine Werwölfe.«
Himmel, dieser Mensch konnte einen wahnsinnig machen. Stets wechselte er innerhalb kürzester Zeit das Thema. »Stimmt, Werwölfe mag ich nicht besonders. Ist das ein Fehler?«
»Überhaupt nicht.«
»Was hat denn ein Werwolf mit dieser komischen Hochzeit zu tun, von der Sie gesprochen haben?«
»Weil ein Werwolf morgen heiratet!«
Ehrlich, Freunde, man hat mir ja schon vieles untergejubelt, diese Antwort setzte dem Ganzen die Krone auf. Ein Werwolf sollte am morgigen Tag heiraten! Unwahrscheinlich – aber auch unmöglich?
»Haben Sie getrunken?«, fragte ich vorsichtshalber nach.
»Nein, nur meine drei üblichen Gläschen. Außerdem habe ich keinen Bock darauf, Ihnen einen Bären aufzubinden. Es geht wirklich um Werwölfe, glauben Sie mir.«
»Jetzt sind es schon mehrere.«
»Legen Sie nicht alles auf die Goldwaage. Fest steht, dass er morgen heiraten will.«
»Und wer ist der Glückliche?«
»Frederik Arthur Earl of Durham«, erwiderte Bernie Winter feierlich.
Ich stutzte. Verflixt, dieser Name war mir nicht unbekannt. Irgendwann und irgendwo hatte ich ihn gehört. Leider fiel mir nicht ein, wann und wo es gewesen war.
»Ich will Ihnen einen weiteren Tipp geben, Sinclair. Der Earl of Durham heiratet nicht standesgemäß, sondern eine aparte, hübsche Französin, die auf den Namen Lucienne Lancomb hört.« Er starrte mich an »Na, fällt der Cent?«
»Stückweise.« In der Tat wusste ich Bescheid. Diese Hochzeit war zu einem Großereignis hochstilisiert worden. In der Klatschpresse hatten die bevorstehenden Feierlichkeiten schon wochenlang die Seiten gefüllt, und jeder redete darüber. Vorausgesetzt, er las solche Blätter. »Natürlich ist mir die Hochzeit bekannt. Ihre Zeitung hat darüber geschrieben.«
»Nicht nur meine Zeitung, ich.« Bernie tippte mit dem Zeigefinger gegen die Brust.
»Und dieser Earl ist ein Werwolf.«
»Genau!«
Ich schluckte. »Woher wissen Sie das eigentlich?«, erkundigte ich mich.
»Man hat so seine Beziehungen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Kommen Sie mir nicht mit Ausreden, Bernie! Wenn Sie mir schon die Zunge langmachen und mir so etwas Unwahrscheinliches erzählen, dann raus mit der Sprache!«
»Jemand vom Schlosspersonal hat es mir berichtet. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.« Bernie stand auf. »Ich an Ihrer Stelle würde mir die Hochzeit einmal genauer anschauen. Morgen um Punkt zwölf Uhr. High Noon, wenn Sie so wollen, Sinclair. Ich bin da.«
»Glauben Sie eigentlich an Werwölfe?«, fragte ich ihn.
»Im Prinzip nicht.«
»Dennoch sind Sie gekommen.«
»Manchmal habe ich so komische Anwandlungen. Seit der Geschichte mit der Königin … Sie wissen schon, als Sie den Orden bekommen haben, bin ich misstrauisch geworden und dachte mir, sagst mal dem alten Mister Sinclair Bescheid. Vielleicht gibt es auf der Hochzeit noch Ärger. Ich habe schon viel erlebt. Dass ein Werwolf vor den Traualtar tritt, ist mir bisher noch nicht untergekommen. Wirklich nicht.«
»Mir auch nicht, Bernie, deshalb kann ich es kaum glauben.«
Er hob die Schultern. »Das können Sie halten wie ein Dachdecker. Immer schön schräg abfließen lassen. Aber sagen Sie hinterher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.«
Nach diesen Worten schaute er zu, wie die Asche von seiner Zigarette zu Boden rieselte.
»Ich werde mich bemühen.«
»Ihr Wort in Teufels Gehörgang.« Bernie, stand auf, winkte lässig und verließ das Büro. »Also, dann bis morgen vielleicht!«, rief er noch, lachte und verschwand.
Ich blieb allein zurück.
Sollte ich mich nun auf den Arm genommen vorkommen? Nein, eigentlich nicht, denn Bernie Winter war nicht der Typ, der viel Wind machte, trotz seiner großen Klappe und der Schnüffeleien, die stets Erfolg brachten.
Es war wirklich schwer, eine Entscheidung zu treffen, und ich dachte weiter nach.
Darüber gelesen hatte ich und mit jemandem über die Hochzeit gesprochen.
Wer war das nur gewesen? Ich zermarterte mir das Hirn. Sogar einer, den man eingeladen hatte.
Natürlich! Jetzt endlich fiel es mir ein. Ich hatte mit meinem Freund Bill Conolly kurz über dieses Thema geredet, und die Conollys gehörten zu den Hochzeitsgästen.
Jetzt war alles klar. Und ich wusste, was ich als Nächstes zu tun hatte.
Nämlich Bill Conolly anrufen!
Ich grinste innerlich und rieb mir die Hände. Der gute Bill würde sich wundern, wenn ich ihm von der Neuigkeit berichtete. Mit großem Vergnügen tippte ich jede einzelne Ziffer der Telefonnummer. Schon nach dem zweiten Läuten wurde abgehoben, und die ruhige Stimme meines Freundes klang mir ins Ohr.
»Ich bin’s!«
Bill stieß ein Geräusch aus, das schlecht zu identifizieren war. Es endete in einem Stöhnen und der damit verbundenen Antwort. »Ein Schreck in der frühen Abendstunde. Was willst du schon wieder?«
»Keine Sorge, ich will dich nicht besuchen.«
»Das wäre zwar zu überlegen gewesen, ich habe gestern einen guten Schluck aus Schottland bekommen, aber wir wollten eigentlich früh zu Bett, da unsere Maschine zeitig startet.«
»Ja, die Hochzeit lockt.«
»Hat sich das herumgesprochen?«
»Sicher.«
»Ich würde ja nicht hingehen, aber Sheila will. Sie hat eine Einladung bekommen. Sie kennt die Braut noch aus ihrer Modezeit. Du weißt doch, Paris und so …«
»Ja, ja, aber deswegen rufe ich nicht an.«
»Habe ich mir gedacht. Wo brennt es denn?«
»Habt ihr in der Maschine noch einen Platz frei?«
Bill Conolly schwieg. Sekunden später begann er zu lachen wie ein altersschwaches, gackerndes Huhn. »Du willst mit?«
»Begeistert klingst du nicht gerade, Mann.«
»Du siehst das falsch, Junge«, gab er rasch zurück. »Natürlich bin ich begeistert, doch ich denke bereits darüber nach, weshalb du diese Hochzeit besuchen willst. Da du nicht offiziell eingeladen bist, muss es einen inoffiziellen Grund haben. Habe ich recht?«
»Das hast du.«
»Und der wäre?«
»Nur ganz kurz, Bill.« Ich konnte meinem Freund hundertprozentig vertrauen, er würde das, was ich ihm mitteilte, nicht an die große Glocke hängen. »Der Bräutigam soll angeblich ein Werwolf sein.«
Wieder hatte ich es geschafft, dass Bill einen Moment sprachlos war.
»Das … das gibt es doch nicht«, flüsterte er schließlich. »Wer behauptet das?«
»Bernie Winter.«
»Der rasende Reporter?« Bill lachte. »Wenn man dem alles glauben will, was er bisher geschrieben hat …«
»Bill, er ist zu mir gekommen, und sein Verhalten wirkte auf mich nicht so, als wollte er mir einen unterschieben. Er nahm das Thema ziemlich ernst.«
Bill brummte etwas. »Wenn du das so sagst«, meinte er schließlich und wechselte das Thema. »Ein Platz in der Maschine ist immer frei, du kannst mit.«
»Okay, das ist mir lieb. Wo findet die Hochzeit eigentlich statt?«
»Auf Durham Castle.«
Ich überlegte. »Das ist weit im Norden.«
»Richtig, deshalb das Flugzeug.« Bill begann wieder zu lachen. »Ich bin gespannt, was Sheila für Augen machen wird, wenn sie hört, dass du mitfliegst. Die kriegt sich überhaupt nicht mehr ein.«
»Es ist bisher nur ein Verdacht, Bill. Tu mir den Gefallen und forsche nach. Such all das heraus, was du über die Familie Durham finden kannst. Ob es einen dunklen Punkt in der Vergangenheit oder Ahnenreihe gibt, über den du stolperst.«
»Du meinst Schwarze Magie?«
»Ja.«
»Okay, werde ich machen. Wo treffen wir uns?«
»Am Flughafen.«