John Sinclair Sonder-Edition 42 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 42 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

An der Küste von Wales sprach man nur flüsternd über die "Esmeralda".

Wer den Namen des Schiffes erwähnte, wurde verflucht. Nie sollte dieses geisterhafte Hexenschiff zurückkehren.

Es kehrte zurück.

Mit einer Mannschaft an Bord, die Wikka, ihrer neuen Königin, huldigen wollten. Bei Nacht und Nebel lief das Schiff in den alten Hafen. Wikka war bereits zur Stelle.

Aber auch zwei andere Personen - Suko und ich ...

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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Hexenschiff

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4203-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Das Hexenschiff

von Jason Dark

Für die Presse war der Mann seit Wochen ein Phänomen. Er hieß mit bürgerlichem Namen Flavio Bucci, und seine Wiege hatte irgendwo in Sizilien gestanden. Bekannt geworden war er unter dem Namen »Geisterschreiber«.

Die Botschaften bekam er aus dem Jenseits. Das sagte er wenigstens immer wieder staunend zuhörenden Reportern. Angeblich stand er in Verbindung mit geheimnisvollen, längst verstorbenen Persönlichkeiten, die über ihn als Vermittler den Kontakt zu ihrer ehemaligen Welt und ihrem ersten Leben nicht abbrechen lassen wollten.

Ja, für die Presse war er ein Phänomen. Für uns jedoch wurde er zum Problem …

***

Der Legende nach sollen die Frühlingsgewitter in Wales zu den schlimmsten des Königreichs gehören. Darauf schworen die Alten. Und sie schworen weiter, dass sich bei einem Gewitter die Pforten der Hölle öffneten und der Teufel seine Geschwader freilassen würde.

Das war Sage, Märchen, Aberglaube. Fragte man einen Meteorologen, so nickte dieser und gab zu bedenken, dass gerade die Luft um Wales besonders feucht und großen Temperaturschwankungen unterworfen war. Deshalb gab es relativ oft Stürme und Gewitter.

So ein Maigewitter bahnte sich auch an diesem seltsamen Nachmittag an. Die Tiere hatten es zuerst gemerkt. Katzen waren ohne ersichtlichen Grund von ihren Lieblingsplätzen gesprungen und hatten sich irgendwo verkrochen. Den Hunden erging es kaum anders, und die Menschen hatten ebenfalls das Gefühl, es würde sich irgendetwas zusammenbrauen.

Gegen Nachmittag nahm die Bewölkung zu.

War der Himmel zuvor blau gewesen, so ballten sich im Westen die ersten grauen Berge zusammen. Kenner behaupteten, das Unwetter liege noch weit über dem Meer, andere waren der festen Überzeugung, dass es schon das Land erreicht habe.

Die Diskussionen endeten ergebnislos. Man musste sich darauf einstellen, dass es bald krachen würde.

Und dies nicht zu knapp.

In den Dörfern traf man Vorbereitungen. Die Tiere wurden sicherheitshalber von den Weiden geholt und in die Ställe gesperrt. Wenn das Gewitter kam, brachte es nicht nur Wind und Regen mit, sondern auch gefährliche Blitze, die oft genug in Scheunen oder Häusern einschlugen.

Das wollte niemand.

In einem kleinen Dorf saßen einige Männer im Gasthaus zusammen und diskutierten über das Wetter. Die Kneipe hieß Last Corner. Und eine letzte Ecke war es wirklich. Ein Vorposten der Zivilisation, hatte mal jemand behauptet, denn in Richtung Westen gab es nur flaches Land und das Meer.

»Es ist das erste Gewitter, nicht wahr?«, fragte jemand.

»Ja.«

»Kann es denn schlimm werden?«

Vier Köpfe drehten sich zu dem Mann, der die Frage gestellt hatte.

Es war ein Fremder. Ein Mann, der so gar nicht in die abgeschiedene dörfliche Kulisse passen wollte. Er hockte an einem Tisch, hatte einen Block vor sich liegen und war ruhig, denn er beschäftigte sich damit, Zahlen in ein Buch einzutragen.

»Sie kommen nicht von hier?«

»Nein, Gentlemen. Ich bin Schotte.«

»Aha.«

Mehr sagten die Männer nicht. Waliser hatten ihre Eigenarten. Bei den Schotten verhielt man sich relativ neutral, denn viele Waliser erkannten den Freiheitsdrang eines Nachbarn an.

Der Mann lächelte und bestellte eine Runde Whisky. Das Getränk wurde gern genommen, und der Wirt, er hieß Hugol, spülte zuvor die Gläser, bevor er zu einer Erklärung ansetzte.

»Dieser Gentleman dort ist Whisky-Vertreter«, sagte er. »Er will hier in Wales ins Geschäft kommen.«

»Augenblick, mein Lieber, Augenblick. Ich bin in Wales bereits im Geschäft. Nur haben Sie es bisher versäumt, meine Produkte zu kaufen. Das ist schlecht. Sie werden merken, was Sie verpasst haben. Ich habe Ihnen ja eine Flasche dagelassen.«

»Sicher.« Der Wirt schenkte ein, stellte die Gläser auf ein altes Holztablett und brachte sie den Männern.

Es war eine gemütliche Kneipe, rustikal eingerichtet. Mit viel Holz und einem Fußboden aus dicken Bohlen. Zwischen den Balken schaukelten Petroleumlampen unter der Decke. Des Abends wurden sie angezündet und verbreiteten einen warmen Schein. Hier legte man Wert auf Tradition. Zwar gab es elektrisches Licht, aber das war nur für den Notfall gedacht. Im Kegel der Petroleumleuchten ließ sich viel besser diskutieren, da kamen die alten Gruselgeschichten, die man sich immer wieder erzählte, erst richtig zur Geltung.

Die Männer hatten den Whisky vor sich. Der Fremde trank auch ein Glas, das er nun anhob. »Ich trinke auf diesen romantischen Ort und auf die Menschen.« Dabei stand er auf und lachte.

Seine Masche kam nicht so recht an. Die Waliser waren anders als die Großstädter. Sie nickten dem Fremden nur zu und kippten den Whisky in die Kehlen.

»Na?«, fragte der Vertreter, nachdem die Gläser geleert waren. »Wie hat es den Gentlemen geschmeckt?«

Man nickte wieder, ein Zeichen, dass man zufrieden war. Der Vertreter kannte die Gebräuche und Reaktionen der Menschen. Er hatte sich vor seiner Reise gut informiert.

»Es freut mich, dass ich mit meiner Whiskymarke nicht danebengegriffen habe. Wenn ich mich vorstellen darf? Ich heiße Malt. Jerry Malt.« Er lachte. »Malt wie Malz. Gott erhalte Whisky und Malt. Mein Motto, ähm.«

Über die Gesichter der Männer zuckte ein spärliches Grinsen. Eigentlich war er ein sympathischer Bursche. So um die Dreißig, immer agil. Er trug eine Brille, hatte blondes Haar, das locker nach hinten gekämmt war, und auf seiner Oberlippe wuchs ein blonder Schnauzbart. Sein Gesicht war schmal. Die Wangen waren ein wenig eingefallen. Überhaupt machte er mehr den Eindruck eines alternden Sportlers als den eines Vertreters.

»Wenn Ihnen der Schluck geschmeckt hat, lassen Sie es mich wissen, denn ich verkaufe auch privat.«

Einer der Männer war interessiert. »Wie viel soll die Flasche denn kosten?«

»Das ist kaum der Rede wert.« Malt nannte den Preis.

»Ich werde mal mit meinem Familienrat sprechen.«

»Wenn Sie eine Kiste bestellen, Mister, bekommen Sie eine Flasche gratis hinzu.«

»Das lässt sich hören.«

»Brennst du dein Gesöff nicht selbst?«, fragte ein anderer den Interessenten.

»Nein, das …«

»Ach, lüg nicht!«

»Ich will nicht mehr selbst brennen. Außerdem hat mein Weib so einiges dagegen. Sie meint, mein Whisky wäre wie Säure. Lebensgefährlich.«

»Ja, ja«, meldete sich Jerry Malt. »Wenn wir die Frauen nicht hätten, ginge es uns oft schlecht.«

»Oder besser«, sagte ein anderer.

Die anderen lachten. Ihr Gelächter brach jedoch abrupt ab, als die Tür aufgestoßen wurde. Der Mann, der den Raum betrat, sah aus, als käme er frisch vom Feld. Seine Stiefel waren schmutzig, die Kleidung ebenfalls, und er roch nach Kuhmist. Die Hutkrempe zeigte nach unten, und ebenso grau wie die Kopfbedeckung war sein Gesicht.

»Was ist los, Burns?«, fragte der Wirt.

»Gib mir erst einmal einen Schluck!«

»Was denn?«

»Whisky.« Burns schlug mit seiner schwieligen Hand auf die Theke. »Ich brauche den jetzt.«

»Sicher, du bekommst gleich einen Doppelten.«

»Ist mir auch recht.« Burns verzog die Lippen, drehte sich halb um und schaute die anderen an, ohne etwas zu sagen. Jerry Malt blickte er direkt in die Augen. Dann kippte er den scharfen Alkohol runter. »So«, sagte er und stieß kräftig auf, »das hat gutgetan.«

»Rülpsen kannst du woanders«, beschwerte sich Hugol, der Wirt.

»Sollte ja auch ein Lied werden. Aber ich kann nun mal nicht singen.«

»Dann lass die Versuche!«, meldete sich einer vom Tisch.

»Gib mir noch einen Doppelten!«

Diesen leerte Burns ebenfalls in einem Zug, bevor er mit der Sprache herausrückte. »Hört mal her, Männer! War einer von euch in der letzten Viertelstunde draußen?«

»Nein«, antwortete der Wirt für alle.

»Dann geht mal nachsehen.«

»Wieso?«

Burns machte eine auslandende Handbewegung. »Los, geht zur Tür! Schaut hinaus, ihr werdet schon erkennen, was ich meine. Beeilt euch! Ich will eure Gesichter sehen.«

»Wie du meinst.«

Die vier Männer erhoben sich vom Tisch. Jerry Malt schloss sich ihnen an. Wenn es etwas Außergewöhnliches zu sehen gab, durfte er nicht fehlen.

Hugol baute sich so an der Theke auf, dass er durch die offenstehende Tür schauen konnte.

Die Männer gingen auf die Straße. Jerry Malt drückte sich ebenfalls nach draußen. Er sah dasselbe wie seine Begleiter.

Sie standen da und staunten.

Jerry Malt schluckte ein paarmal. Als ängstlichen Menschen konnte man ihn wahrhaftig nicht bezeichnen, doch was er da zu Gesicht bekam, das ging ihm an die Nieren.

Der Tag war zur Nacht geworden. Wenn er den Kopf in den Nacken legte und zum Himmel schaute, sah er nur eine Farbe.

Grau!

Wohin er auch blickte, der Himmel hatte sich mit einem düsteren, manchmal fast schwarz wirkenden Grau überzogen, als hätte ein Maler einen gewaltigen Pinsel über das Firmament geführt.

»Da kommt was auf uns zu«, flüsterte einer.

»Ja, ein Gewitter«, sagte Malt.

Er erntete ein Lachen. »Haben Sie schon ein Frühjahrsgewitter in Wales erlebt?«

»Nein.«

»Dann machen Sie sich auf etwas gefasst!« Der Sprecher tippte Malt gegen die Brust. »Es ist die Hölle, Mister. Die reine Hölle, das kann ich Ihnen versprechen. Sie werden zittern und beten. Ihnen fallen all Ihre Sünden ein, wenn der Himmel seine Schleusen öffnet. Dann spielt der Teufel mit der Natur, so sieht es aus. Ich kenne Menschen, die sind während eines Gewitters umgekommen, einfach vor Angst gestorben.«

»Nicht vom Blitz erschlagen?«

»Nein.«

»Da, der erste Blitz«, rief jemand und deutete nach Westen, wo tatsächlich ein heller Pfeil über den Himmel wischte und ein gezacktes Muster in die gewaltige Wolkenwand schnitt. Sie wurde für einen Moment aufgerissen, und in dem Spalt sahen die Männer etwas Rotes schimmern.

Nur für kurze Zeit, dann war es wieder verschwunden, und die graue Fläche überdeckte alles.

Die Männer standen stumm. Zwei von ihnen hatten die Hände wie zum Gebet gefaltet, während die anderen beiden in die Kneipe zurückkehrten und hastig zahlten.

Die anderen gingen ebenfalls. Malts Fragen stießen ins Leere. Niemand wollte ihm eine Antwort geben.

Er blieb vor dem Gasthaus. Die Dorfstraße wirkte wie leergefegt. Nicht einmal ein Tier ließ sich blicken.

Selbst die kleinen Häuser schienen sich in der Erwartung des Gewitters zu ducken, und Malt wurde das Gefühl nicht los, als hätte sich auch die Luft verändert.

Sie war längst nicht mehr so klar und rein. Irgendwie schmeckte sie anders. Zwar nicht direkt nach Schwefel, aber doch rauer, als hätte man sie mit Gasen angereichert.

Malt holte tief Luft. Er schnippte mit den Fingern, denn ihm war etwas eingefallen.

Es ging kein Wind. Die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Seltsam dünn hörten sich die Stimmen der Männer aus der Gaststube an, und seltsam dünn wirkte der Klang der Kirchenglocke, der plötzlich über den Häuserdächern schwebte.

Ein Läuten, das eine Bedeutung besaß. Man warnte vor Gefahren. Wer jetzt noch draußen war, sollte sich ins Haus zurückziehen. Auch Jerry Malt wollte dies und war froh, seinen Wagen auf dem Hinterhof der Wirtschaft geparkt zu haben.

Wenig später verließen die Männer die Kneipe. Der Mann, der als Letzter eingetroffen war, hatte es ebenfalls nicht mehr ausgehalten.

Er warnte Jerry. »Sie sollten sich zurückziehen, Mister. Es wird bald gefährlich.«

»Ich kenne Gewitter.«

»Aber keines wie dieses.«

»Was kann denn schon passieren?«

Der andere lachte meckernd. »Was passiert schon, wenn die Hölle ihre Pforten öffnet?«

»Dann kommt der Teufel.«

Der Einheimische nickte Malt zu und blickte ihn aus großen Augen an. »Ja, mein Lieber, dann kommt der Teufel. Und er nimmt keine Rücksicht. Weder auf Sie noch auf mich. Der Satan frisst uns alle. Haben Sie gehört? Alle!« Es waren die letzten Worte des Walisers. So rasch er konnte, eilte er den anderen hinterher.

Jerry Malt hob die Schultern und rückte seine Brille zurecht. Okay, ein wenig mulmig fühlte er sich, aber war das ein Grund, in Panik auszubrechen? Nein, sicherlich nicht. Man musste nur die Nerven behalten. Selbst die längsten Gewitter gingen vorbei.

Allerdings ärgerte sich der Vertreter darüber, dass sein Zeitplan durch dieses Gewitter durcheinandergeraten war. Dies passte ihm überhaupt nicht. Er hatte vor Einbruch der Dunkelheit fahren wollen, weil er im Nachbarort ebenfalls zu tun hatte. Nun hatte man ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.

»Wollen Sie nicht wieder hereinkommen, Mister?«, hörte er den Wirt rufen.

»Ja, ich bin gleich da.« Während Malt über die Schwelle trat, zündete er sich eine Zigarette an.

Hugol erwartete ihn mit einem gefüllten Glas. »Der geht auf Kosten des Hauses.«

»Danke.«

Auch der Wirt trank einen Schluck. Malt blieb an der Theke stehen und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht begreifen, dass erwachsene Männer wie kleine Kinder fliehen. Wirklich nicht. Da stimmt doch was nicht. Oder was meinen Sie?«

Der Wirt zuckte nur mit den Schultern.

»Reden Sie schon!«

»Gewitter sind eben etwas Besonderes.«

»Aber nicht so, dass die Leute fluchtartig wegrennen. Habt ihr böse Erfahrungen gemacht?«

Jerry Malt bekam keine direkte Antwort. »Hören Sie mal zu, Fremder. Haben Sie vielleicht gesehen, dass die Wolkendecke aufgerissen wurde? Durch einen Blitz, meine ich.«

»Klar.«

»War es dahinter rot?«

Malt nickte.

»Da haben wir es«, rief Hugol aus. Der Gastwirt beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Es ist so, Mister: Ich habe Ihnen gesagt, dass die Hölle ihre Pforten geöffnet hat. Der Teufel liegt bereits auf der Lauer.«

Malt grinste. »Hinter den Wolken?«, fragte er spöttisch.

»Genau.«

»Dann war die rote Farbe wohl das Licht der Hölle.«

Hugol nickte und machte ein so ernstes Gesicht, dass es Jerry Malt die Sprache verschlug.

»Jetzt brauche ich noch einen Whisky«, sagte er schließlich. »Nehmen Sie auch einen. Wie ich das so sehe, komme ich heute doch nicht mehr weg. Kann man bei Ihnen übernachten?«

»Eigentlich nicht«, erwiderte der Wirt. »Ein paar Räume stehen aber leer. Da haben früher meine Kinder geschlafen.«

»Okay, ich nehme zur Not das Lager.«

»Und trinken die Fässer leer?«

Malt lachte. »Ich trinke nur wenig. Ich will den Whisky verkaufen und nicht mein bester Kunde sein.«

»Das ist lobenswert.«

Dennoch nahmen die beiden Männer einen Schluck.

Malt drückte die Zigarette aus. »Folgendes«, sagte er. »Ich kümmere mich um meinen Wagen, komme dann zurück, und Sie zeigen mir mein Zimmer. Alles klar?«

»Meinetwegen.«

Jerry Malt ging zu seinem Tisch und hob die Tasche an. In extra abgeteilten Fächern standen vier Flaschen mit Whisky, in einem Seitenfach befand sich die Mappe mit den Unterlagen: Lieferscheine, Rechnungen.

»Bis gleich.« Malt winkte mit der freien Hand und begab sich zur Tür.

Er hatte das Gefühl, in die Nacht zu geraten. Für seine Begriffe war es noch dunkler geworden. Die Schwärze war wie ein großer Sack über den kleinen Ort gefallen und hüllte alles ein.

Malt sog schnuppernd die Luft ein. Verdammt, es roch doch nach Schwefel. Da hatte er sich vorhin nicht getäuscht. Er musste husten.

Menschen sah er nach wie vor nicht. Bestimmt hockten sie in ihren Häusern und warteten das Gewitter ab. Aber er machte hinter manchen Fenstern flackernden Kerzenschein aus.

Angeblich sollen brennende Kerzen vor den Gefahren des Gewitters schützen. Daran glaubte der Vertreter nicht so recht. Jerry Malt war Realist. Ihn interessierte am Ende der Woche nur, was in seinem Auftragsbuch stand, und das war in der letzten Zeit wenig gewesen. Das Geschäft war härter geworden, zudem schlief die Konkurrenz nicht. Die Kirchenglocke hatte längst aufgehört zu läuten. Ein wenig hatte der Wind wieder aufgefrischt, dennoch wollte es ihm nicht gelingen, die unnatürliche Schwüle zu vertreiben.

So etwas hatte Malt noch nicht erlebt. Das waren fast tropische Zustände.

Malt musste um das Haus herumgehen, um auf den Parkplatz zu gelangen. Dort hatte er seinen Wagen abgestellt. Es war ein Caravan. Auf der Ladefläche hinter der Rückbank standen einige Kisten mit Whiskyflaschen.

Der Volvo war unter einem Baum abgestellt. Die Zweige standen in frischem Maigrün, aber Malt wollte das Fahrzeug woanders parken. Wenn ein Blitz in den Baum einschlug und den Stamm spaltete, konnte der Wagen leicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Malt startete. Nahe der Hauswand fand er einen Platz, der ihm geeignet erschien.

Er stieg wieder aus. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeschlagen, als ihn der erste Windstoß packte. Er war so heftig, dass er den Mann gegen den Wagen warf. Malt klammerte sich fest.

»Verdammt, jetzt geht es aber los«, schimpfte er. Ins Haus laufen konnte er nicht, da er die Hecktür aufschließen musste, um sein Gepäck zu holen.

Als die Tür hochschwang, brach der erste Donner los. Den Blitz hatte Jerry nicht gesehen, er hörte nur dieses schmetternde Krachen, das durch die Luft peitschte, bevor das Echo irgendwo in der Ferne ausrollte.

Es war für Malt unheimlich, denn einen solch heftigen Donnerschlag hatte er niemals zuvor erlebt.

Die Männer schienen recht zu haben. Da bahnte sich tatsächlich einiges an.

Jerry schaute unwillkürlich zum Himmel, während seine rechte Hand den Koffergriff umklammert hielt.

Am Himmel spielten sich unheimliche Szenen ab. Die Wolkendecke war aufgerissen. Durch die Lücke schimmerte das Rot, das sich an einigen Stellen vertieft hatte und in Flammen übergegangen war. Wie das Feuer der Hölle!

Jerry schüttelte den Kopf. Jetzt spinnst du auch, dachte er, schloss den Wagen ab und machte sich auf den Weg, um in die Gaststätte zurückzukehren.

Der flammende Blitz jagte über den Himmel. Er war breiter als die Blitze, die Jerry Malt bisher gesehen hatte. Und der Donner folgte schlagartig.

Ein unheimliches Geräusch. Obwohl Jerry auf ihn vorbereitet gewesen war, zuckte er zusammen und zog den Kopf ein, um so schnell wie möglich ins Haus zu gelangen. Er wusste, dass Regen einsetzen würde, und er innerhalb von Sekunden bis auf die Haut durchnässt wäre.

Malt ging schnell und schaffte es trotzdem nicht.

Der Regen kam blitzartig. Es goss wie aus Eimern.

Über sich sah Jerry eine freie Stelle am Himmel, die glutrot schimmerte.

Die Tropfen klatschten auf ihn nieder. Er spürte sie auf der Haut, er sah sie auf die Erde hämmern und blieb auf einmal abrupt stehen, obwohl er es so eilig hatte.

Das war kein normaler Regen.

Wo regnete es schon rote Tropfen!

Malt schluckte. Er wischte sich übers Gesicht.

Es stimmte. Sie waren rot wie Blut!

***

Blutregen!

Das ist verrückt, das ist Wahnsinn. Du musst dich täuschen. So redete sich Jerry Malt es ein, und er wusste nicht, wie er das Unbegreifliche fassen sollte.

Er presste sich gegen die Außenwand des Gasthauses. Er war dort einigermaßen durch das vorstehende Dach geschützt, denn noch fiel der Regen kerzengerade vom Himmel.

Malt schaute wieder auf seine Hand. Kein Zweifel, die rote Farbe blieb. Also doch ein Blutregen! Sein schmutziges Gesicht war ihm im Moment egal, er wollte nur so rasch wie möglich ins Trockene gelangen.

Er schaute auf die Straße. In den Rinnsteinen hatte sich das Blut bereits gesammelt und floss durch die Abflüsse.

Malt begann zu lachen, sein Gesicht verzerrte sich. Es war unmöglich, dass Wolken Blut absonderten.

Vielleicht eine schlimme Form des sauren Regens, von dem immer die Rede war.

Aber kein Blut.

Es rann über sein Gesicht und erreichte die Lippen. Obwohl sich Jerry sträubte, ließ er die Zungenspitze hervorschnellen und kostete von der Flüssigkeit.

Sie war seltsam scharf und gleichzeitig süßlich. Widerlich.

Jerry schüttelte sich. Er glaubte nach wie vor nicht an Blut, in seinem tiefsten Inneren zweifelte er jedoch.

Plötzlich kam wieder Wind auf und wehte den Blutregen gegen die Hauswand. Jerry Malt wurde getroffen. Es überschwemmte ihn regelrecht, und er schaute zu, wie sich seine Kleidung rot färbte.

Sein Blick traf das Fenster.

Der Blutregen hämmerte gegen die Scheiben. Dort rann er in langen Bahnen nach unten und gab ein Bild des Horrors ab.

Beinahe hätte der Vertreter seinen Koffer stehen lassen, so schnell wollte er plötzlich hier wegkommen. Stolpernd erreichte er die Tür, drückte sie auf und wankte in den Gastraum.

Der Wirt stand neben dem Tisch, an dem die vier Männer vorhin gesessen hatten. Seine Augen waren weit aufgerissen. Der kräftige Mann mit dem eisgrauen Haar zitterte wie Espenlaub. Er starrte auf die Fenster, gegen die das Blut klatschte.

Das war für ihn nicht zu fassen. Hugol löste sich erst wieder aus seiner Erstarrung, als die Tür hinter Jerry Malt mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.

Er schaute hoch und sah seinen Gast.

Das Gesicht des Wirts verzerrte sich noch mehr. Es wurde zu einer regelrechten Fratze, und er wankte langsam zurück, bis er mit dem Rücken gegen den hölzernen Handlauf der Theke stieß.