John Sinclair Sonder-Edition 44 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 44 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Er hieß Ricardo Bachara und war ein begnadete Schnitzer. Böse Zungen behaupteten, solche Kunstfertigkeit ginge nicht mit rechten Dingen zu.

Es stimmte tatsächlich. Der Satan hatte ihm die Begabung schon mit in die Wiege gelegt.

Nur gab der Teufel nichts umsonst. Ricardo musste seine Aufträge ausführen. Er schuf die Nachbildungen der Menschen, die der Teufel hasste und vernichten wollte.

Einer davon war ich ...

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Seitenzahl: 174

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Hände, die der Satan schuf

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4303-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Hände, die der Satan schuf

von Jason Dark

Diese Hände waren nicht normal!

Bei ihrer Entstehung musste der Satan mitgewirkt haben, denn Ricardo Bachara hielt sie selbst für außergewöhnlich und unerklärbar. Es waren seine Hände, über die er nachdachte. Hände, die vollkommen gewöhnlich aussahen und es doch nicht waren.

Was sie anpackten, gelang!

Ricardo Bachara war kein bescheidener Mensch. Er schätzte seine Möglichkeiten richtig ein, und er bezeichnete sich selbst als genialen Schöpfer. Vor allen Dingen deshalb, weil jemand hinter ihm stand, der ihm die Kraft gab, der ihn leitete und auf das Ziel hinführte.

Ricardo Bachara hatte ihn nie gesehen. Er wusste nur, dass er existierte und ihn beobachtete. Dieses Wissen genügte ihm. Der andere schaute zu, zog die Fäden, und Ricardo gehorchte.

Der Schatten des Mannes fiel auf die Werkbank, vor der er saß. Immer wenn er sich bewegte, quietschte der Drehschemel, auch jetzt, als er die Hände in den Lichtkegel der eingeschalteten Lampe brachte.

Das Licht fiel über die Finger.

Ricardo senkte den Kopf. Er kannte seine Finger, dennoch wurde er nicht müde, sie anzuschauen. Da glich er einem Narziss, der sich am eigenen Anblick hochschaukelte.

Es waren lange Finger, nicht dünn, sondern kräftig. Unter der braungebrannten Haut wuchsen starke Knochen. Die Nägel zeigten gesunde Halbmonde, sie waren glatt, ohne Risse und Furchen. Manche Klavierspieler besaßen solche Finger, aber Ricardo spielte nicht Klavier. Er ging einer anderen Arbeit nach.

Er schnitzte!

Diese Finger waren in der Lage, ein Stück Holz in ein Kunstwerk zu verwandeln. So echt, dass sich jeder in dem wiedererkannte, was Ricardo schuf. Er schnitzte Menschen.

Frauen, Männer und Kinder. Er formte die Figuren nach, die ihm irgendwann einmal in seinem langjährigen Leben begegnet waren. Und er tat dies mit ungeheurem Geschick. Zuerst hatte er seine Eltern geschnitzt. Sie waren lange tot. Auf dem Regal seines Zimmers standen sie jetzt als Andenken.

Später schnitzte er seine Freunde, Bekannte, Verwandte. Schließlich Menschen, die er auf der Straße sah, selbst wenn es flüchtige Begegnungen waren. Dabei hatte er sich über sein fotografisches Gedächtnis gewundert. Er brauchte eine Person nur einmal zu sehen, und er wusste genau, wie diese aussah.

Danach hatte es eine Zeit in seinem Leben gegeben, die er als die wertvollste empfand. Auch wenn sie hart gewesen war. Das Verbrechen hatte ihn berührt, erst gestreift, dann war es ihm gelungen, ihn in seinen Bann zu ziehen.

Ricardo Bachara war den schlimmen Weg gegangen, und er hatte zu hassen gelernt.

Menschen, die hassen und besondere Fähigkeiten besitzen, sind immer eine leichte Beute für die Hölle. Beim Schnitzer war es nicht anders gewesen. Nach seiner Flucht in die Einsamkeit hatte sich der Teufel gemeldet und ihm Vorschläge unterbreitet, die Ricardo schwindlig werden ließen. Wenn das alles eintraf, was der Teufel sagte, war er bald mächtig. Dann erfüllte sich sein Lebenstraum.

Von nun an schnitzte er wie besessen. Und der Satan gab ihm seinen Segen.

Wie in dieser Nacht, als der Himmel dunkel und wolkenverhangen war, sodass die Bergkuppen im Dunst lagen. Ob es Nacht war oder Tag, das interessierte Ricardo Bachara nicht, er arbeitete, und es gab kaum jemanden, der ihn störte.

Noch immer schaute er auf seine Hände. Er spitzte die Lippen und blies darüber.

Holzstaub flog der Lampe entgegen. Die Partikel schimmerten im Lichtschein. Beide Hände hatte er auf die Arbeitsplatte gelegt. Die rechte bewegte er jetzt, sodass sie aus dem Lichtschein geriet. Die linke verschwand ebenfalls für einen Moment. Als sie wieder erschien, umklammerten Daumen und Zeigefinger ein Schnitzmesser für Feinarbeiten.

Die Rechte hatte nach einer Puppe gegriffen. Aus dem Stück Holz war ein Meisterwerk entstanden, ein Mensch, wie er hätte leben können.

Das kunstvolle Gesicht wirkte nicht steif, es besaß Leben, und Bacharas Züge verzogen sich zu einem kalten Lächeln, als er darauf starrte.

Wie er diesen Mann hasste!

Er hatte ihn gejagt und fast erwischt, wenn es Bachara nicht im letzten Augenblick gelungen wäre, durch einen Fluchttunnel zu verschwinden. Das Gesicht des Mannes hatte er nie vergessen. Jede Pore kannte er und seinen Namen.

Der Mann hieß Harald West!

Ein Todfeind, der vernichtet werden musste. Und er, Ricardo, hatte endlich die Macht dazu, da es jemanden gab, der ihn schützte.

Satan wachte …

Und er war da.

Man sah ihn nie, man hörte ihn nicht, er kam, wenn er kommen wollte. Ricardo Bachara spürte den kalten Hauch, der durch seine Hütte wehte und ihn streifte.

Es war der Hauch der Hölle. Nicht zu beschreiben, nicht mit Wind zu vergleichen, sondern mit Kälte, die auf der Erde nicht geboren sein konnte.

Reglos blieb er sitzen.

Der Schnitzer wusste, dass es falsch war, wenn er sich meldete, so etwas liebte der Teufel nicht.

Also wartete er.

Ein Geräusch vernahm er nicht. Dafür roch er den Höllenherrscher. Es war dieser typische strenge Geruch, von dem die Menschen erzählt und geschrieben hatten.

Der Geruch nach Schwefel.

Höllengestank …

Wenn er von Ricardo wahrgenommen wurde, war der andere nicht weit. Bachara ließ die kleine Figur aus den Fingern rutschen. Mit dem Schnitzermesser geschah dasselbe.

»Bist du zufrieden?«

Bei den ersten Begegnungen war er noch zusammengezuckt, wenn er die Stimme hörte, inzwischen hatte er sich daran gewöhnt. Ja, er freute sich darauf, wenn der andere kam.

Ein Schatten fiel über ihn. Bachara wagte nicht, sich umzudrehen. Er blieb starr sitzen, denn ihm war bewusst, was er zu tun hatte. Ein gewöhnlicher Schatten war es nicht, so klar und konturenscharf konnte nur ein magischer sein, und der Schatten wanderte auf die Lichtinsel zu, um die Helligkeit aufzusaugen.

»Ja, ich bin zufrieden«, sagte Ricardo.

»Mit deiner Arbeit?«

»Ja.«

»Und allgemein?«

Ricardo hob die Schultern. »Du weißt, dass man mich sucht. Wenn man mich findet, steckt man mich bis an mein Lebensende hinter Gitter.«

»Wo du kaum schnitzen kannst.«

»Genau.«

Satan begann zu lachen. »Ja, das würde diesen verfluchten Ignoranten so passen, dich zu vernichten. Aber ich lasse es nicht zu. Du hast dich einmal für mich entschieden, und ich werde dir helfen. Kannst du dir vorstellen, zu was die Hölle fähig ist?«

»Nein.«

Wieder lachte der Teufel. »Du bist wenigstens ehrlich, das freut mich. Die Hölle und ich sind so mächtig, dass du es dir kaum vorstellen kannst. Wir können das, von dem Menschen nur träumen. Ich bin gekommen, um dir dies zu beweisen.«

»Darauf warte ich.«

»Dann willst du tun, was ich von dir verlange?«

»Sicher.«

»Gut«, erklang die geheimnisvolle Stimme des Teufels. »Ich werde den Beweis für meine Macht antreten. Wenn ich ihn dir gezeigt habe, wirst du mir weitere Gefallen erweisen.«

»Alles, was du willst.«

»Versprich nur nicht zu viel!«, sagte der Teufel. »Menschen machen Fehler, das ist nun mal so. Damit sich die Fehler jedoch in Grenzen halten, bin ich gekommen, mich als Mentor an deine Seite zu stellen. Die Figur, die du da geschnitzt hast, zeigt einen Menschen, der lebt und den du hasst, oder?«

»Ja, ich hasse ihn!«

»Wie lautet sein Name?«

»Harald West.«

»Er hat dich gejagt?«

»Er wollte meinen Tod, meine Vernichtung. Ich stand auf der anderen Seite. Man jagt Terroristen eben. Auch in Deutschland.«

»Und das hat sich nicht gegeben?«, fragte der Teufel.

»Ich stehe nach wie vor auf ihrer Liste.«

Der Satan lachte auf. »Das soll sich ändern. Bald wirst du nicht mehr auf ihrer Liste stehen, sondern umgekehrt, und der Mann, dessen Ebenbild du geschnitzt hast, wird bald nicht mehr am Leben sein, das kann ich dir versprechen.«

»Wer wird ihn töten?«

Asmodis lachte erneut. Eine Schwefelwolke wallte auf Ricardo zu. »Du hast bereits den Anfang gemacht.«

»Wieso?«

»Indem du diese Figur geschnitzt hast. Jetzt brauche ich sie nur mehr zu manipulieren.«

»Und wie willst du das anstellen?«

»Aber nicht doch! Es darf keinen Zweifel zwischen dir und mir geben, hast du gehört? Die Kräfte des Satans sind unermesslich. Man kann sie nicht erfassen, in keine Schablone pressen. Ich kann aus den einfachsten Dingen eine magische Zeitbombe herstellen. Du sollst es erleben, damit deine Zweifel beseitigt werden. Gib mir die Puppe!«

Ricardo Bachara zögerte einen Moment. Er wollte nicht so recht. Das Erscheinen des Teufels hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Er hielt die Figur nicht für fertig, aus diesem Grund schüttelte er den Kopf und bat um ein wenig Zeit.

»Die kann ich dir nicht geben.«

»Aber ich werde …«

Der Teufel ließ ihn nicht ausreden. »Wir haben lange genug diskutiert. Nun muss gehandelt werden. Hast du verstanden? Wir müssen handeln!«

»Ja.«

»Willst du seinen Tod oder willst du ihn nicht?«

»Er soll verrecken«, erklärte der Mann voller Hass.

»Dann ist es gut. Er wird auch verrecken«, entgegnete Asmodis und griff zu.

Ricardo zuckte zurück, als plötzlich eine schwarze Klaue am Rand des Lichtscheins erschien und zupackte. Nur für einen Moment hatte der Schnitzer diese Pranke gesehen, auf der schwarzes Fell wuchs, dann war sie verschwunden.

Und mit ihr die Figur!

Bachara lehnte sich auf dem Schemel zurück. Er spürte die harte Lehne in seinem Rücken und stellte fest, dass sich sein Pulsschlag beschleunigt hatte. Noch immer verspürte er eine gewisse Furcht und Beklemmung, wenn der andere erschien, in dessen Hände er sich begeben hatte. Er hörte ihn reden.

Der Satan stieß Laute aus, die einem sensiblen Menschen Angst einjagen konnten. Der Schwefelgeruch nahm zu, hüllte den an der Schnitzbank sitzenden Mann wie eine dichte Wolke ein, und wenig später fiel etwas von oben aus der Dunkelheit auf ihn herab und landete direkt vor seinen Händen auf dem Tisch. Es war die Puppe.

Nichts war mit ihr geschehen. Wenigstens war nichts beim ersten Hinsehen festzustellen. Als sich der Schnitzer jedoch konzentrierte, entdeckte er, dass sich die Gesichtszüge der Puppe verändert hatten. Sie waren jetzt ein wenig verzerrt.

Ricardo sagte nichts. Stumm saß er da und schaute auf sein Werk, das durch die Hände des Teufels gegangen war.

»Na?«, fragte Asmodis.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Das ist nicht schlimm. Du brauchst mir nur zu vertrauen. Die Weichen sind gestellt. Dein Feind ist so gut wie tot. Du wirst es in wenigen Tagen in den Zeitungen lesen können, und du wirst erfahren, wie er umgekommen ist.«

»Wie?«

Asmodis lachte leise und gleichzeitig drohend. »Warte es ab! Mehr kann ich dir nicht dazu sagen. Warte es ab, mein Freund. Alles wird sich richten.«

»Ja, ich hoffe …« Bachara wusste nicht mehr, was er hinzufügen sollte. Er lauerte auf eine Antwort.

»Wir sind keine Freunde, das weißt du«, sagte der Teufel. »Kein Geschäft ohne Gegengeschäft.«

»Dann verlangst du etwas?«

»Ja. Es ist eines meiner erklärten Ziele, allmächtig zu werden. Leider habe ich diese Allmacht bisher nicht erreichen können, aber ich gebe nicht auf. Auf dem Weg dorthin bin ich zahlreichen Feinden begegnet, und diese Feinde sollen nicht mehr leben. Bisher haben sie es geschafft. Diesmal versuche ich es anders. Du wirst mir helfen, sie zu vernichten.«

Ricardo Bachara schüttelte den Kopf. »Wie könnte ich das, wo du so viel mächtiger bist.«

»Unterschätze dich nicht! Deine Hände sind es, die indirekt töten können. Ich habe das Gefühl, sie erschaffen zu haben, und du wirst nur das tun, was du immer getan hast: schnitzen.«

»Eine Figur?«

»Nein, sogar zwei.«

Ricardo atmete tief ein. Für einen Moment verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Was der Teufel da von ihm verlangte, war nicht weiter tragisch. So etwas würde er sicherlich problemlos schaffen.

»Wen soll ich schnitzen?«

»Ich werde dir die beiden zeigen und lasse die Fotos hier. Gib acht!«

Ricardo hörte etwas knistern. Dann flatterten zwei Dinge auf seinen Schreibtisch zu.

Das Bild eines Mannes und das einer Frau.

Beide Fotos blieben so liegen, dass Bachara darauf schauen konnte. Er kannte die Menschen nicht. Das eine Foto zeigte einen blonden Mann, der lächelte. Sein Gesicht war markant und hatte auf der rechten Wange eine Narbe.

Die Frau sah hübsch aus.

Ihr Haar war ebenfalls blond, das Gesicht fein geschnitten. Ihre Augen erinnerten an Sicheln.

»Das sind meine Feinde«, erklärte der Satan. »Du sollst sie genau nachschnitzen.«

»Es ist zu schaffen.«

»Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lassen würdest«, gab Asmodis zurück. »Erst wird Harald West sterben, dann die beiden. Der Mann ist mein Todfeind. Er heißt John Sinclair und nennt sich Geisterjäger. Die Frau stand mal auf meiner Seite, dann hat sie mich verraten und kocht nun ihr eigenes Süppchen. Ihr Name ist Jane Collins. Hast du verstanden?«

»Ja.« Der Schnitzer nickte. »Muss ich nicht mehr wissen?«

»Nein, das reicht. Du wirst die Ebenbilder herstellen, damit ich die beiden endgültig vernichten kann. Wenn das geschehen ist, sehen wir weiter.«

»Ist noch etwas für mich drin?«, fragte Ricardo, der seine Scheu verloren hatte.

»Könnte sein.«

»Und was, wenn ich fragen darf?«

Der Teufel ließ ein glucksendes Lachen hören. »Was hältst du davon, ewiges Leben zu bekommen?«

Bachara überlegte einen Moment, bevor er entschlossen nickte. »Viel, sogar sehr viel …«

***

Als ich an diesem Nachmittag das Büro betrat, empfing mich Glenda Perkins mit vorwurfsvollem Blick. Ich blieb im Vorzimmer stehen. »Was hast du?«

»Ich nichts, aber jemand hat zweimal für dich angerufen.«

»Und wer war es?«

»Die Person hat keinen Namen genannt. Es war allerdings eine Frauenstimme.«

»Oh.« Ich grinste. »Da scheint eine meiner zahlreichen Verehrerinnen Sehnsucht nach mir zu haben.«

Glenda verzog den Mund. »So sehe ich es nicht. Die Stimme klang ziemlich kühl. Und wie ich meine, verstellt.« Glenda deutete Richtung Fenster. »Außerdem frage ich mich, wo du bei diesem tollen Juliwetter deine Verehrerinnen hinführen willst? In ein Schwimmbad sicherlich nicht. Und wenn ich mir den Regen anschaue, bleiben selbst die Katzen im Haus.«

Da hatte Glenda recht. Es regnete schon seit zwei Tagen. Hin und wieder riss der Himmel auf, um Atem für einen neuen Schauer zu holen. Es war wirklich zum Verzweifeln. Der Sommer hatte sich weit, weit zurückgezogen. Er lag irgendwo auf der Lauer, wobei es fraglich war, ob er diese Stellung jemals aufgeben würde. Ohne Mantel traute man sich gar nicht mehr hinaus.

»Ich wüsste schon, wie ich mir mit dieser Dame die Zeit vertreiben kann. Auch wenn es regnet, können Stunden oder Tage nett werden. Soll ich dir aufzählen …?«

»Danke, ich verzichte.«

»Dein Pech. Aber etwas anderes: Hat Suko nicht …?«

»Er ist nicht da.«

»Wo steckt er denn?«

»Suko hat die tolle Aufgabe bekommen, Sir James zu begleiten. Der Alte ist auf irgendeiner Konferenz, da wollte er wohl nicht ohne Leibwächter hinfahren. Aus diesem Grund musste Suko mit.«

»Und nun?«

»Musst du allein mit der Dame fertigwerden, falls sie noch einmal anruft, versteht sich.«

»Klar, sicher.« Ich ging in das Büro, das ich mir mit meinem Partner teilte, und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. Der von Suko stand gegenüber, aufgeräumt.

Suko hatte einen Sonderjob bekommen. Ich beneidete ihn nicht darum. Sich mit Sir James abzugeben, ist keine Sache, um die man sich prügelt. Ich erst recht nicht.

Das Telefon summte.

Bevor sich Glenda einschalten konnte, hob ich ab.

»Bist du es endlich, John?«, fragte jemand.

»Ja, zum Teufel.«

»Teufel ist gut.« Die Stimme lachte. Dieses Lachen kannte ich und wusste, wer die Anruferin war.

Jane Collins!

Mir fielen zwar nicht alle Sünden ein, aber ein ähnliches Gefühl überkam mich doch. Mein Magen verhärtete sich zu einem Stein. Ich spürte Schweiß auf der Stirn, räusperte mich und fügte als Antwort ein vorsichtiges »Ja, und?« hinzu.

»Ich möchte mit dir reden.«

Alles hatte ich erwartet, nur das nicht. Den Hörer hielt ich in der Linken. Mit der anderen Hand holte ich eine Zigarettenschachtel hervor und schüttelte einen Glimmstängel auf den Schreibtisch. Ich steckte ihn zwischen die Lippen und zündete ihn an.

»Bist du überhaupt noch dran?«, wollte Jane wissen.

»Ja.«

Sie lachte. »Ich dachte schon, dass es dir die Sprache verschlagen hat.«

»So ungefähr. Dich hätte ich nicht am Telefon erwartet.«

»Ja, ich habe deine kleine Hexe Glenda ganz schön in Verlegenheit gebracht. Aber lassen wir das. Ich möchte dich sehen, John.«

Die nächste Überraschung. Ich blies den Rauch über den Schreibtisch. »Einfach so?«

»Ja.«

»Und weshalb?«

»Das sage ich dir, wenn wir uns treffen. Es geht um uns beide, soviel möchte ich vorausschicken. Wir scheinen da einer Person schwer im Magen zu liegen.«

»Die nur Asmodis heißen kann«, ergänzte ich.

»So sieht es aus.

»Gut, willst du vorbeikommen?«

Jane lachte. »Das hast du dir so gedacht. Nein, mein Junge, ich schlage einen neutralen Ort vor.«

»Wo wäre der deiner Meinung nach?«

Jane Collins gab keine direkte Antwort. »Denk immer daran, dass ich den Würfel besitze, du deinen Dolch nicht mehr hast …«

»Hör auf und komm zur Sache!«

»Gut, wir treffen uns in einer leeren Markthalle in Soho.«

»Einverstanden. Und wann?«

»Der eine wartet auf den anderen. Aber John«, fügte sie hinzu, »keine Tricks und komm allein! Verstanden?«

»Sicher.«

»Bis später in der Halle.« Es waren ihre letzten Worte. Als sie aufgelegt hatte, starrte ich den Hörer an und fragte mich, ob ich träumte.

Nein, das stimmte nicht. Ich hatte mit Jane Collins gesprochen. Mit einer Frau, die ich als Feindin betrachten konnte, die ein Hexendasein führte, die den Würfel des Unheils besaß und trotzdem vom Teufel gejagt wurde.

Verrückte Zustände, aber Tatsachen, an die ich mich halten musste. Wenn mich Jane anrief, musste es brennen. Und zwar gewaltig. Vielleicht kam sie allein nicht mehr zurecht und pochte jetzt auf alte Zeiten, als sie Privatdetektivin gewesen war und wir so manchen Fall gemeinsam gelöst hatten.

Nein, das konnte es nicht sein, Jane Collins würde nicht so radikal umschwenken.

»Wer war es denn?«

Ich drehte mich auf dem Stuhl und sah Glenda im Zimmer stehen. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt, ihr Gesicht hatte einen gespannten Ausdruck angenommen.

»Das errätst du nie.«

»Lass es mich dennoch versuchen. Vielleicht Jane Collins?« Mein Gesichtsausdruck entlockte Glenda ein perlendes Lachen. »Darf ich fragen, was sie von dir wollte?«

»Sich mit mir treffen.«

»Ein Schäferstündchen?«

Mir fiel ein, dass ich den Hörer nach wie vor festhielt. Ich legte ihn zurück auf die Gabel und schüttelte den Kopf. »Ich glaube kaum, dass es ein Schäferstündchen werden wird, meine liebe Glenda. Ihrer Stimme nach zu urteilen, schien es um, sagen wir, rein geschäftliche Interessen zu gehen, wenn du verstehst?«

»Nein.«

Ich winkte ab. »Ist auch egal. Jedenfalls werde ich mal sehen, was sie von mir will.«

»Du gehst also hin?«

»Klar.« Ich stand auf und nahm meinen Burberry vom Haken. »Frauen soll man bekanntlich nicht warten lassen.«

»Ich habe immer gedacht, dass du Jane für eine Hexe hältst.«

»Wo besteht der Unterschied?«, lächelte ich.

»Schuft.«

Ich blieb vor Glenda stehen, fasste ihre Handgelenke und drückte die Arme nach unten. Ich schaute ihr ins Gesicht und bemerkte den Zweifel in ihren Augen.

»Keine Sorge, Mädchen, ich werde schon nicht schwach«, sagte ich leise. »Wir sind Feinde, und das bleiben wir.«

»Männern ist nicht zu trauen«, erklärte sie. »Jane Collins bringt es fertig und verhext dich.«

»Bist du fertig?«

»Nicht direkt. Aber ich habe Angst um dich. John, das kann eine Falle sein.«

»Möglich.«

»Wo willst du dich überhaupt mit ihr treffen?«, wollte sie wissen.

»In Soho. Da gibt es eine alte Markthalle. Du weißt schon, wo bei Regenwetter …«

»Ja, ich verstehe. Soll ich etwas für dich tun?«

»Das wäre nicht schlecht, wenn ich mich in drei Stunden nicht gemeldet habe, dann könntest du eingreifen. Vorher nicht.«

Glenda schüttelte den Kopf. »Am liebsten würde ich mitgehen.«

Ich lachte auf. »Das kann ich mir denken.« Sacht hob ich mit einem Finger ihr Kinn an. »Jane will mich allein sehen. Wenn sie dich bemerkt, kann ich für nichts garantieren.«

»Das glaube ich auch. Nur denk daran, dass sie den Würfel des Unheils besitzt!«

»Und ich das Kreuz.«

»Der Würfel produziert nicht nur den Todesnebel, wie du sicherlich weißt. Wenn Jane gelernt hat, ihn zu beherrschen …«

»Glenda, mach dir darum keine Sorgen! Ich werde schon auf mich achtgeben, wirklich.«

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Eine Sekunde später spürte ich ihre Lippen auf meinen. »Pass um Himmels willen auf dich auf, John. Ich bitte dich!«

»Natürlich.« Ich drängte mich an ihr vorbei und verließ das Büro. Ich glaubte, Glenda weinen zu hören …

***

Konferenz der Abteilungschefs.