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Jeder, der von diesem Schatz wusste, kannte die Warnung. Niemals durfte die alte Truhe geöffnet werden!
Was eine uralte Druiden-Magie für alle Zeiten geschlossen hatte, sollte für immer so bleiben.
Und doch gab es Menschen, die es reizte, die Truhe zu öffnen. Durch Geld, Macht und Einfluss geriet ein mächtiger Konzernboss daran.
Er ahnte nicht, dass er sich damit in den Teufelskreis eines geheimnisvollen Druiden-Zaubers begeben hatte und die unheimliche Macht des Landes Aibon heraufbeschwor!
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Der Druiden-Schatz
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4371-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Der Druiden-Schatz
von Jason Dark
Zuerst empfand ich das Stechen als bösen Schmerz, danach als Warnung. Für die Dauer eines langen Atemzugs war ich aus der Realität gerissen worden. Mein Gesicht verzerrte sich. Die rechte Hand, in der ich die Gabel hielt, stockte mitten in der Bewegung. Sie verharrte auf halbem Weg zwischen der Tischplatte und meinem halb geöffneten Mund.
Nur allmählich ebbte der Schmerz ab, und ich kam endlich dazu, mich um die näheren Umstände dieser »Warnung« zu kümmern.
Die Quelle befand sich dort, wo das Kreuz vor meiner Brust hing. Eigentlich ein Irrsinn, denn das Kreuz tat mir nichts, es war mein Beschützer und lag wie eine gewaltige Hand über mir. Dennoch hatte es mich malträtiert.
Das musste seinen Grund gehabt haben.
Natürlich wollte ich ihn herausfinden. Ich schaute mich um. Niemand kümmerte sich um mich. Ich saß allein in einer etwas erhöht liegenden Nische an einem Zweiertisch und aß. Dennoch drehte ich mich weg, als ich die Knöpfe meines Hemds öffnete und nach dem Kreuz tastete.
Auch bei der flüchtigen Berührung spürte ich, dass sich die Temperatur meines Talismans verändert hatte. Warm lag das Metall auf meiner Haut, und es schien irgendwie zu vibrieren. Ich streifte die Kette über den Kopf, ließ das Kreuz auf dem Handteller liegen und nahm es, vor den Blicken anderer geschützt, genauer in Augenschein.
Es hatte seine Form behalten. Ich sah die eingravierten Zeichen, an den Seiten die Anfangsbuchstaben der vier Haupterzengel, das alles war völlig normal geblieben, bis auf eine wichtige Kleinigkeit.
Mein Kreuz schimmerte grün!
Und das machte mich stutzig. Normalerweise gab es einen leichten Silberschimmer ab, der sich zu einem gleißenden Strahlen verändern konnte, wenn es aktiviert wurde. Dass es grün leuchtete, behagte mir nicht. Dennoch ging ich davon aus, dass mich das Kreuz hatte warnen wollen.
Ich dachte darüber nach und brauchte mein Gehirn nicht lange anzustrengen, denn die Lösung kannte ich.
Sie hatte einen Namen.
Druiden-Magie!
Ich nahm das Kreuz, ließ es verschwinden und schaute auf meinen Salat, der, frisch serviert, allmählich in sich zusammenfiel.
Meine Gedanken drehten sich um das, was ich herausgefunden hatte. Die Druiden-Magie. Was wusste ich von ihr? Wusste ich überhaupt etwas? Ich dachte sofort an Aibon, dieses geheimnisvolle Land, das irgendwann einmal existiert hatte und jetzt verschwunden war. Ein Druiden-Paradies, denn ein jeder Eichenkundige, so wurden die Druiden genannt, schien danach zu streben, Aibon zu erreichen.
Was daran stimmte, wusste ich nicht, denn ich hatte erst einen Zipfel des Geheimnisses gelüftet.
Ich blieb sitzen. Das Kreuz hatte ich in die Tasche gesteckt, niemand sollte es sehen, doch ich wollte mich umschauen, denn ich wurde das Gefühl nicht los, dass mein Kreuz etwas gespürt hatte, das ich noch nicht wahrgenommen hatte.
Ich hatte mich an diesem warmen Sommerabend aus der Wohnung verzogen und war in ein Lokal gegangen, das erst vor wenigen Tagen eröffnet hatte. Es nannte sich City Barbecue. Ein Restaurant für den Kenner mit kleinem Hunger, wie man in der Werbung anpries. Steaks und Salate wurden ebenso angeboten wie Filet und Spießbraten. Auch Suppen gab es. Ich aber hatte mich mit einer großen Salatschüssel begnügt, dazu ein kräftiges Bier. Den Salat hatte ich fast aufgegessen, das Glas war halbvoll, aber mir waren Appetit und Durst vergangen.
Das Kreuz hatte mich nicht von ungefähr gewarnt.
Obwohl ich getrunken hatte, war meine Kehle rau geworden.
Ich vernahm die Stimmen der anderen Gäste, hörte sie aber gleichzeitig nicht, denn ich hatte das Gefühl, mich in einem angespannten Schwebezustand zu befinden.
Wenn mein Blick an der Frau mit dem knallroten Kleid vorbeiglitt, sah ich die kleine Bar aus Mahagoniholz. Auf den langen Messingleisten brach sich das Licht der Kugelleuchten, die über der Theke hingen. Dort nahm man Platz, wenn man sich vor dem Essen einen Drink genehmigen wollte. Zwei Mixer bedienten. Von der Bar trieb dichter Zigarettenrauch träge in das Lokal hinein, wo er von einer Klimaanlage abgesaugt wurde.
Man hatte den Raum in mehreren Ebenen unterteilt. Andere Gäste saßen an größeren Tischen, die rund oder sechseckig waren, je nach Anzahl der Personen.
Nichts wies auf eine Gefahr hin. Die Männer und Frauen, durchweg sommerlich gekleidet, waren voll und ganz damit beschäftigt, ihr Essen zu verspeisen. Ober eilten geschäftig hin und her. Zwei junge Mädchen brachten die Getränke. Sie schleppten Bier, Cocktails und Longdrinks auf ihren Tabletts. Das Lächeln in ihren Gesichtern riss nie ab, selbst wenn die Damen noch so viel zu tragen hatten.
Ein völlig gewöhnliches Lokal, in dem ich mich hatte entspannen wollen.
Ich wischte mir über die Stirn und spürte kalten Schweiß. Das leichte Jackett hatte ich ausgezogen. Es hing über der Lehne hinter mir. Das Hemd klebte am Körper.
Dennoch, etwas war anders.
Nur konnte ich es nicht fassen, nicht greifen. Es hing in der Luft, und ich hatte das Gefühl, als würde es mich beobachten.
Wer konnte es sein?
Die Reaktion meines Kreuzes hatte auf den geheimnisvollen Druiden-Zauber hingewiesen, den ich mit dem Land Aibon in Verbindung brachte.
Sollten die beiden mich umkreist haben, ohne dass ich etwas davon bemerkte? Wenn ja, welcher Grund bestand? Ich konnte keinen nennen, denn in letzter Zeit hatte sich bei meinen Fällen nichts um Aibon und dessen alter Druiden-Magie gedreht.
Ein Ober kam. Er lächelte und fragte, ob ich Nachtisch bestellen wollte. Er zählte einige Eissorten auf, die er empfehlen konnte.
»Ich möchte zahlen.«
Mein Ton schien ihn irritiert zu haben, denn er fragte sofort nach. »Hat es Ihnen nicht geschmeckt, Mister?«
»Doch, es war gut. Ich werde wiederkommen. Allerdings dann, wenn es ein wenig kälter ist.«
»Das kann ich verstehen, wirklich. Auch wir schwitzen.«
»Was habe ich zu zahlen?«
Er nannte den Betrag, den ich durch etwas Trinkgeld erhöhte. Er bedankte sich artig und räumte den Salat ab. Das Bier ließ er stehen.
Ich nahm einen Schluck, schaute über den Rand des Glases hinweg, und dabei streifte mein Blick erneut die Theke. Beim ersten Sichtkontakt hatte ich automatisch die Personen registriert, die sich dort aufhielten. Das ist Polizistenart. Man lernt im Laufe der Jahre, Kleinigkeiten zu registrieren, und deshalb fiel mir der Mann am Ende der Theke auf, der ins Lokal schaute, als wollte er die Gäste mit seinen teils interessierten, teils unbeteiligten Blicken überfliegen.
Der Mann war da und war es doch nicht.
Er war zu unscheinbar, zu schattenhaft, zu grau, und er trug einen grauen Anzug.
Zu grau!
In meinem Hirn gab es eine Gedankenexplosion. Plötzlich hatte ich es. Der Mann in Grau, die Männer in Grau, Wächter des geheimnisvollen Landes Aibon, eingesetzt von den Eichenkundigen, um auf der normalen Welt zu wandeln.
Deshalb die Warnung!
Ich setzte das Glas hart auf dem Bierdeckel ab. In diesem Augenblick glaubte ich, die Lösung gefunden zu haben, und war gespannt, was der Mann in Grau vorhatte.
Im Prinzip nichts. Er stand da, trank sein Bier, und sein Blick traf alle Gäste, nur mich nicht. Diese Interessenlosigkeit machte mich stutzig. Zugleich bewies sie mir, dass der Knabe eigentlich nur mich meinen konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein anderer Gast Kontakt mit Aibon gehabt hatte oder haben könnte.
Nur gut, dass ich meine Rechnung beglichen hatte. Sollte der andere gehen, würde ich ihm folgen.
Er traf keine Anstalten. Etwa dreißig Sekunden vergingen. Meine Gedanken irrten ein wenig ab, denn ich dachte daran, dass ich eigentlich nicht allein hier gesessen hätte, sondern in Begleitung von Glenda Perkins gewesen wäre. Aber Glenda war in Urlaub gefahren, irgendwo in die Berge. Sie hatte sich von einem Tag auf den anderen dazu entschlossen.
Suko wollte den Sommerabend mit seiner Freundin genießen. Die Conollys waren ebenfalls nicht da, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als die Zeit allein totzuschlagen.
Langeweile würde nicht aufkommen.
Ich stand langsam auf und nahm mein Jackett, zog es über, dass meine Beretta verdeckt war. Es war eine dünne Leinenjacke, die ich kaum am Körper spürte.
Mein Blick fiel auf die Bar. Die Rückseite bestand aus einer mehrfach unterbrochenen Spiegelfläche, sodass ich mein Konterfei als Zerrbild sah.
Zwei Stufen musste ich nehmen, um das normale Niveau des Lokals zu erreichen.
Der Mann an der Bar hatte sich bisher nicht gerührt. Auch nicht, als ich die ersten Schritte ging. Er nahm sein Glas, hob es und leerte es. Die Geste sah nach Abschied aus, und ich sollte mich nicht getäuscht haben.
Er hatte ebenfalls bereits bezahlt, drehte sich um und ging davon.
Ich konnte sein Profil erkennen. Es war seltsam flach, man sah es, man vergaß es. Und so sollte es ja sein.
Um zum Ausgang zu gelangen, musste ich durch einen Flur, in dem sich die Treppe zu den Toilettenräumen befand. Nie hätte ich damit gerechnet, dass der Mann in Grau diese Treppe nehmen würde und war deshalb überrascht, als er die Stufen hinabschritt und sich nicht nach mir umschaute. Ich war für ihn überhaupt nicht existent, dennoch glaubte ich fest daran, dass er nur meinetwegen gekommen war, und sein Verschwinden in die Tiefe musste einen Grund haben.
Die Treppe schraubte sich spiralförmig nach unten. Ich wartete ab, bis der Mann hinter der ersten Biegung verschwunden war, dann machte ich mich ebenfalls auf den Weg. Ich hielt mich außen, achtete auf die Geräusche in meiner näheren Umgebung und vernahm das Rauschen einer Wasserspülung sowie das Klacken hoher Absätze auf einem gefliesten Boden. Das Geräusch verstärkte sich. Sekunden später sah ich eine blonde Frau, die die Stufen hochstieg.
Sie trug ein weißes Sonnentop und einen Rock aus Leinen. Dünne Spaghettiträger hielten das Oberteil, das mehr als gut gefüllt war, wie ich mit einem Blick feststellen konnte.
Die Frau lächelte mich an. Es war ein schiefes Lächeln, wie man es bei Menschen erlebt, die einen über den Durst getrunken haben.
Ich ließ sie vorbei.
Das Geräusch ihrer Absätze wurde leiser und verwehte, als die Frau die Treppe hinter sich gelassen hatte.
Ich aber ging in die andere Richtung weiter, wo der Mann in Grau verschwunden war.
Dass er bei diesem Wetter einen Anzug trug, war bezeichnend. Er spürte wahrscheinlich weder Hitze noch Kälte, sondern war voll und ganz auf seine Aufgabe konzentriert.
Die Treppe mündete in einen Gang. Er war sauber. Eine Toilettenfrau gab es nicht. Dafür sah ich mehrere Türen, die zu den einzelnen Toiletten führten.
Die mit dem Wort Gentlemen bezeichnete interessierte mich am meisten. Sie war erst vor Kurzem geschlossen worden, denn ich hörte hinter ihr die Schritte.
Bevor ich sie aufziehen konnte, wurde sie nach innen gerissen. Damit hatte ich nicht gerechnet und erschrak heftig. Ein bulliger Mann lachte. Er hielt ein Taschentuch in der Hand, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte.
»Verdammt heiß, was?«, sagte er.
»Ja, wir haben Sommer.«
Er lachte und ging. Ich schaute ihm hinterher. Sein Gang war scherfällig. Er hatte kräftig geladen.
Jetzt hielt mich nichts mehr. Da die Tür noch nicht geschlossen war, trat ich den Raum, wo es nach Desinfektionsmitteln roch. Unwillkürlich musste ich daran denken, dass ich etwas ähnliches schon einmal erlebt hatte. Es lag ungefähr ein halbes Jahr zurück. Da war mir in einem Waschraum Jane Collins begegnet und hatte mir den Würfel des Übels hohnlachend präsentiert.
Sie würde mir kaum in die Quere kommen.
Zwei Waschbecken, die blau schimmerten. Spender mit Flüssigseife, und neben dem Abzug unter der Decke befand sich ein Lautsprecher.
Die leise Musik aus dem Lokal wurde auch hier übertragen.
Um zu den Toilettenkabinen zu gelangen, musste ich mich nach rechts wenden und eine Schwingtür aufstoßen. Als ich es tat, verursachte sie einen Luftzug, der mich streifte. Der Tür gegenüber befanden sich vier schmale Kabinen.
Der Mann in Grau lehnte an einer Kabinentür und schaute mich an.
Ich blieb stehen. Sein Gesicht war unbeweglich. Es zuckte nicht ein Muskel auf der grauen Haut, die Augen blieben glanzlos. Er erinnerte mich mehr an eine Figur als an einen lebenden Menschen, wobei sich die Frage stellte, ob ich überhaupt einen Menschen vor mir hatte.
Wir sprachen nicht, aber jeder von uns wusste, dass der andere etwas beabsichtigte.
Ich unterbrach das Schweigen. »Okay«, sagte ich. »Da bin ich. Das haben Sie doch gewollt.«
Er nickte nur.
Dies betrachtete ich als Aufforderung, weiterzusprechen. »Was wollen Sie von mir?«
Der Mann in Grau öffnete den Mund. »Ich möchte dich warnen, John Sinclair.«
»Wie schön. Und wovor?«
»Vor einem Fall, den du nicht annehmen solltest, der aber auf dich zukommen wird.«
Diese Antwort entlockte mir ein Lächeln. »Es tut mir leid, aber ich stehe im Dienst des Gesetzes und kann keinen Fall ablehnen.«
»Diesmal wirst du eine Ausnahme machen.«
»Nein.«
Der Mann in Grau hatte sich immer noch nicht bewegt. In seinem Gesicht rührte sich nichts. Er hob die Schultern.
»Du solltest nicht so übereifrig sein, Geisterjäger«, erwiderte er. »Es ist besser, wenn du meinen Rat befolgst, denn dieser Auftrag würde dir den Tod bringen.«
»Und wenn ich dennoch nicht ablehne?«
»Müssten wir Gegenmaßnahmen ergreifen.«
Klar, diese Antwort hatte kommen müssen. Ich wollte wissen, wie diese Gegenmaßnahmen aussahen, und bekam eine Frage zur Antwort.
»Kannst du dir das nicht denken?« Sein Gesicht wirkte in dem kalten Licht noch fahler.
»Man wird versuchen, mich zu töten.«
»Möglich.«
»Und ich werde mich wehren.«
»Kannst du das?« Er sprach diese Frage mit einer Sicherheit aus, die mich erschreckte. Denn er hatte recht. Konnte ich mich tatsächlich gegen ihn und seine Magie wehren? Ich kannte die Männer in Grau und hatte es schon ein paarmal versucht, aber ich war nie zurechtgekommen, weil Aibon und seine geheimnisvolle Magie das Kreuz beeinflussen konnten.
»Deine Lage ist nicht gut, John Sinclair«, fuhr er fort. »Überhaupt nicht gut …«
»Das haben mir schon viele gesagt.«
»Ich meine es ernst.«
»Schön«, sagte ich. »Bleiben wir dabei. Aber darf ich fragen, worum es eigentlich geht?«
»Nein!«, erklärte er mir hart. »Jeder Hinweis ist schon zu viel und würde deine Neugierde zu sehr anstacheln.«
»Wenn du mir keinen Hinweis gibst, wird sie größer sein.«
»Daran kann ich nichts ändern. Es ist dein Problem, und du solltest damit leben. Noch einmal, John Sinclair: Lehne den nächsten Fall ab, den man dir übertragen will!«
»Woher weißt du, welcher es sein wird?«
»Wir sind informiert.«
Er hatte dies in einem so überzeugten Ton gesagt, dass ich nicht widersprach. Vielleicht hatte er sogar recht. Zeugen gab es keine, die Lage spitzte sich zu, denn in der Tat dachte ich nicht daran, einen Fall abzulehnen, von dem ich nicht einmal wusste, um was es eigentlich ging.
Der Mann in Grau startete einen neuen Versuch. »Hast du dich entschieden, Geisterjäger?«
»Das habe ich in der Tat. Es bleibt bei meinem Entschluss.«
»Schade.« Die Antwort klang bedauernd. »Schade, wirklich. Ich habe dich für vernünftiger gehalten.«
»Es ist mein Job.«
»Du hättest über deinen eigenen Schatten springen sollen. So aber ist es zu spät.«
Ich hatte den tieferen Sinn seiner Worte begriffen. Bisher hatte der Mann in Grau nur geredet. Das würde sich ändern. Wenn er mich mit Worten nicht überzeugen konnte, gab es nur eine Lösung: Gewalt.
Ich straffte mich. Ein wenig winkelte ich den rechten Arm an, um an die Beretta zu gelangen.
Der Mann in Grau lächelte nur. Wahrscheinlich wollte er mich ablenken, das gelang ihm nicht, denn ich schaute auf seine Rechte, die er bisher zur Faust geballt hatte und nun öffnete.
Etwas Grünes schimmerte zwischen seinen Fingern.
Ein Stein – der Druiden-Stein!
Und der war verdammt gefährlich. Das wusste ich. Wenn es dem anderen gelang, ihn einzusetzen, halfen mir nicht einmal die Gegenkräfte des Kreuzes.
Ich setzte alles auf eine Karte.
Bevor der Mann in Grau seine Faust ganz öffnen konnte und die Magie des Steins gegen mich ausspielte, hatte ich ihn erreicht. Mit beiden Handkanten schlug ich zu.
Ich traf ihn rechts und links am Hals, spürte die federnde Aufprallwucht und dachte daran, dass ich bei einem gewöhnlichen Menschen kaum so hart eingestiegen wäre, es sei denn …
Meine Gedanken wurden unterbrochen, denn der Mann in Grau schüttelte sich. Er wurde nicht bewusstlos, das war bei diesen Personen kaum möglich, er stemmte sich nur auf die Zehenspitzen und sagte etwas, das ich nicht verstand. Es war mir gleichgültig, ich packte seine Faust und sein Gelenk. Herumdrehen wollte ich den Arm und den anderen zwingen, den Stein loszulassen. Er durfte mich auf keinen Fall berühren und seine Druiden-Magie ausspielen, sonst wäre ich am Ende.
Bisher war es mir nicht gelungen, mit den Männern in Grau fertigzuwerden. Hier schien es mir so, als würde mein Plan wenigstens zum Teil aufgehen, da er sich meinem Griff beugte und seinen Körper nach unten drückte.
In diesem Augenblick bekam er Hilfe.
Ich hatte von vier Kabinentüren gesprochen. Zwei davon flogen auf. Eine streifte mich am Rücken und schleuderte mich ein Stück zurück. Die anderen Männer in Grau glichen meinem ersten Gegner aufs Haar. Sie stürmten heran, ich ließ den ersten los und wollte zurück.
Da waren sie bereits über mir.
Wie eine gefährliche Woge. Sie kannten kein Pardon, drückten mich nieder, und einer trat mir die Beine unter dem Körper weg.
Plötzlich schwebte ich. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich drei Gesichter über mir.
Sie lächelten nicht, sie waren starr. Ich spürte erneut den Schmerz, der vom Kreuz abstrahlte. Es warnte mich. Es waren harte Impulse, denn es wehrte sich gegen den Zauber der Druiden-Kraft, ohne dagegen ankommen zu können.
Dann hatte ich das Gefühl, als würde die Welt vor meinen Augen explodieren. Alles um mich herum nahm eine grüne Farbe an. Ich wurde hineingeschleudert in einen Strudel unbekannter Druiden-Magie. Der Strudel riss mich mit sich, er zerrte an mir, und ich stemmte mich vergeblich dagegen an.
Dann kam das Loch.
Und die Stimme.
»Du hättest auf mich hören und dich nicht wehren sollen. Jetzt ist es zu spät.«
Zu spät … zu spät …
Die Worte waren wie Donnerhall, und sie begleiteten mich in die Tiefe des Vergessens …
***
Der Wind fiel von den Bergen. Er toste nicht, er brauste nicht, er kam wie ein erfrischendes Lüftchen, das sich im Tal zu einer Brise steigerte, und packte die Sturmlaterne, die von einer kräftigen Hand gehalten wurde, sodass er das kleine Licht darin hin und her schleuderte.
Ein Auf und Ab aus Licht und Schatten zuckte über das Gesicht des Mannes, der die Laterne trug und den steinigen Weg entlangging.
Eine schweigende Kulisse umgab den Mann und seinen Partner. Beide waren in dieser Nacht unterwegs, um einen Auftrag auszuführen, für den sie gut bezahlt wurden.
Es wäre müßig gewesen, sich nach ihren Berufen zu erkundigen. Der Frager hätte sowieso keine Antwort erhalten. Die Männer waren Söldner, Killer oder Handlanger, je nachdem, welche Aufgabe sie zu erledigen hatten.
Die in dieser Nacht fiel ein wenig aus dem Rahmen. Sie sollten etwas ausgraben.
Der Auftraggeber hatte von einer alten Kiste gesprochen, die sie auf keinen Fall öffnen durften. Wenn sie es doch taten, würde es schrecklich ausgehen. Diese Warnung klang den beiden Männern noch in den Ohren. Und sie wollten sich daran halten. Hauptsache, ihr Lohn stimmte.
Wichtig für sie war die alte Kapelle, in der es angeblich spukte, wie die Menschen in der Umgebung erzählten. Die beiden Männer wollten nicht daran glauben. Sie hielten sich lieber an die Realität und an ihre Waffen.
Revolver, MPs, Handgranaten, Bazookas, das war ihre Welt. Egal, ob in den Dschungeln Südostasiens oder in der heißen Steppe des afrikanischen Kontinents.
Sie kämpften sich überall durch.
Sogar in Europa, wie jetzt.
Ihre Namen waren Schall und Rauch. Sie wechselten sie wie andere Leute ihre Hemden.
Mal hießen sie Miller, Berger oder Dupont, was für den jeweiligen Auftrag günstiger war.
Sie hatten sich in diesem Fall Voring genannt. Gerald und Jack Voring. Das reichte. Die Vornamen wiesen auf einen Engländer hin, bei den Nachnamen konnten die Menschen raten. Zudem hatten sie sich als Brüderpaar ausgegeben, was nicht schwer war, da sich die beiden Männer sehr ähnelten.
Beide besaßen dunkles Haar, nur bei Jack war es an den Schläfen ergraut. Männer, die kaum auffielen und deshalb so gefährlich waren.
Gerald trug die Lampe. Sie hatten sie zur Tarnung mitgenommen. Falls ihnen mal jemand begegnete, würden sie den anderen auf eine Nachtwanderung hinweisen.
Die Laterne schwenkte jedes Mal, wenn der Windstoß von den Bergen fuhr und sie packte. Dann zuckte ein blasser Feuerschein über das hagere Gesicht des Trägers und ließ die Züge noch lauernder erscheinen.
Der Weg war schmal und steinig, und er führte in die Senke, in der die Kapelle stand. Ein verfluchter Ort, wenn man den Einheimischen Glauben schenken sollte. Darüber lächelten die Männer. Für sie war so etwas Quatsch.