John Sinclair Sonder-Edition 52 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 52 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Geschäftstüchtige Menschen wollten nicht allein den Muttertag feiern, deshalb erfanden sie den Vatertag.
Viele Männer waren Väter, auch Mörder und Totschläger.
Manche von ihnen sehnten sich nach ihren Familien zurück. Selbst im Grab noch. Der Tod kennt keine Wiederkehr.
Wer sollte den Schwarzen Seelen diesen Wunsch daher erfüllen?

Eine Möglichkeit gab es, und an einem Vatertag waren alle toten Väter plötzlich wieder da.
Und diesen Tag werde ich niemals in meinem Leben vergessen ...

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EPUB

Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Tödlicher Vatertag

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4700-5

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Tödlicher Vatertag

von Jason Dark

Die Frau hieß Evelyn Binussek, saß mir in meinem Büro gegenüber und schaute mich skeptisch an.

»Ich möchte von Ihnen eine ehrliche Antwort, Mister Sinclair«, sagte sie nach einer Weile.

»Bitte, ich werde mich bemühen.«

Sie winkte ab und lächelte. »Das ist mir zu wenig, denn ich bin nicht zum Spaß zu Ihnen gekommen.«

»Das kann ich mir vorstellen, Mrs Binussek. Wer geht schon grundlos zur Polizei? Dazu noch zu Scotland Yard. Das kostet immer eine gewisse Überwindung.«

Sie senkte den Kopf und nahm die Tasse Kaffee in beide Hände. Glenda Perkins, meine Sekretärin, hatte ihr das Getränk gebracht. Sie blickte in die Tasse und schüttelte wieder den Kopf. Sie hatte ausdrücklich darum gebeten, mich allein sprechen zu dürfen, und ich hatte zugestimmt. Mein Freund Suko, mit dem ich das Büro teilte, wollte sich in der Zwischenzeit in der EDV beschäftigen.

Jetzt stellte sie die Tasse weg und atmete ein. Ein Zeichen, dass sie sich entschlossen hatte, endlich zu reden.

»Glauben Sie an die Rückkehr der Toten, Mister Sinclair?«

Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Ich konnte sofort keine Antwort finden, strich mir durchs Haar und zündete mir eine Zigarette an, um eine kleine Denkpause zu bekommen. Draußen regnete es, der Himmel war trüb, und ebenso trüb war meine Stimmung.

»Jetzt sind Sie sprachlos, nicht?«

»Nein, das nicht.«

»Und weshalb antworten Sie nicht?«

Ich war ehrlich. »Diese Frage, Mrs Binussek, hätte ich nicht von Ihnen erwartet.«

»Was dann?«

»Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls machen Sie mir nicht den Eindruck, als würden Sie sich mit diesem Metier beschäftigen. Mit den lebenden Toten …«

»Sagen Sie ruhig Zombies, Mister Sinclair. Ich habe mich vorher informiert.«

»Gut, bleiben wir bei Zombies.«

»Obwohl Sie mir meine Frage immer noch nicht beantwortet haben. Glauben Sie daran?«

»Wenn Sie die Rückkehr der Toten im christlichen Sinne meinen, Mrs Binussek …«

Sie hob die Hände und unterbrach mich. »Nein, nein, ich sagte Ihnen doch, das nicht. Ich meine die andere, die schreckliche, die grauenvolle Rückkehr.«

»Ja, Zombies kann es geben.«

Sie blickte mich starr an. Nichts regte sich in ihrem Gesicht. Ich hatte den Eindruck, als wäre sie blasser geworden. Einige Sommersprossen traten hervor. Evelyn Binussek war ungefähr vierzig Jahre alt. Eine aparte Frau mit kurzen schwarzen Haaren. Sie hatte dunkle Augen und hochstehende Wangenknochen. Einen schwarzen Pullover trug sie und einen karierten Rock im Schottenmuster. Die Stiefel reichten fast bis zu den Knien. Auf dem Leder waren die Regentropfen bereits getrocknet.

Sie atmete auf. »Darf ich auch eine Zigarette haben?«

»Natürlich, gern.« Ich reichte ihr die Packung, und sie nahm sich eine. Feuer bekam sie ebenfalls von mir. »Ich bin froh, dass Sie mich nicht auslachen, Mister Sinclair.«

»Wie käme ich dazu?«

»Die meisten Menschen hätten mich ausgelacht.« Sie blies den Rauch über meinen Schreibtisch.

»Dann wären Sie ja nicht zu mir gekommen, wenn ich ein gewöhnlicher Mensch wäre.«

»Das sicherlich nicht.«

»Kommen wir mal zur Sache, Mrs Binussek: Haben Sie einen triftigen Grund, an lebende Tote zu glauben?«

»Den habe ich. Und nicht ich allein. Meinen beiden Freundinnen ist es ebenso ergangen.«

»Wieso?«

»Gesehen habe ich keinen, nur gehört.«

»Ein Zombie sprach zu Ihnen?« Ich war ein wenig verwirrt.

»Genau das.« Ihre Stimme wurde ein wenig lauter, schriller. »Es war nicht irgendein Zombie, Mister Sinclair, sondern mein Mann Claus, der zu mir gesprochen hat.«

»Ich kann davon ausgehen, dass Ihr Mann nicht mehr unter den Lebenden weilt.«

»So ist es.«

Ich runzelte die Stirn. Was sollte ich tun? Der Frau glauben oder sie für hysterisch halten? Eigentlich machte sie einen viel zu normalen Eindruck. Evelyn Binussek sah aus, als stünde sie mit beiden Beinen im Leben. Und sie hatte auch während unseres Gesprächs die Ruhe bewahrt. Ob sie dabei unter starkem Druck stand oder nicht, wollte ich dahingestellt sein lassen.

»Ihr Mann hat sich also mit Ihnen in Verbindung gesetzt.«

»Ja.«

»Können Sie das beweisen?«

Mrs Binussek warf mir einen längeren Blick zu, nickte und drehte sich auf dem Besucherstuhl, da sie ihre Tasche an sich nehmen wollte, die sie über die Lehne gehängt hatte.

»Ja, Mister Sinclair, das kann ich beweisen, denn mein Mann wollte dies sogar«, sagte sie. »Ich nehme es aber an.« Sie öffnete die dunkle Tasche und nahm eine Kassette hervor. Behutsam legte sie sie auf den Schreibtisch. »Das ist der Beweis. Darauf befindet sich die Stimme meines Mannes.«

»Und wann hat er mit Ihnen gesprochen?«

»Vor drei Tagen. Haben Sie einen Rekorder?«

»Natürlich.« Ich öffnete eine Schreibtischschublade und holte den Rekorder hervor.

»Die Kassette war leer«, erklärte sie mir. »Es ist also nur die Stimme meines verstorbenen Mannes darauf.«

»Wir werden es hören.«

Ich legte das Band ein. Es war still geworden. Nur das Geräusch der zufallenden Klappe war zu hören.

Mrs Binussek saß schweigend und angespannt vor mir. Ihre dunklen Augen waren starr auf den Rekorder gerichtet. Auf der blassen Stirn sah ich die ersten Schweißperlen. Sie stand unter einem hohen seelischen Druck, obwohl ihr äußerlich kaum etwas anzumerken war.

Ich drückte die entsprechende Taste und setzte das Laufwerk in Bewegung.

Zunächst vernahmen wir beide nichts, außer einem leisen Rauschen, das aus dem Lautsprecher drang.

»Wir müssen noch etwas warten«, erklärte sie.

Ich nickte, lehnte mich zurück und leerte meine Tasse. Kaum hatte ich sie abgestellt, als die ersten Töne erklangen. Von einem Sprechen konnte man nicht reden. Es waren lallende, stöhnende Laute. Dazwischen ein widerliches Grunzen, ein Lachen. Laute, die einen Menschen erschrecken konnten und die ich von Zombies kannte.

»Gleich ist es so weit«, flüsterte sie. Evelyn Binussek umklammerte mit beiden Händen ihre Handtasche so fest, dass die Fingerknöchel scharf hervorsprangen. Es musste schlimm für sie sein, die Stimme ihres verstorbenen Mannes zu hören, auch wenn sie die Aufnahme schon einige Male hatte ablaufen lassen.

»Hallo, Evelyn …«

»Da ist es, Mister Sinclair!«

Die ersten beiden Worte hatten dumpf und gleichzeitig rau geklungen, allerdings ziemlich gut zu verstehen. Der Gruß eines Mannes an eine Frau, aber nicht echt oder ehrlich, sondern heimtückisch gesprochen.

»Na, Evelyn, bist du überrascht, meine Stimme zu hören?«

Diesmal sah ich Tränen in ihren Augen.

»Evelyn, ich melde mich bei dir, weil ich nicht tot bin. Ich habe das immerwährende Leben. Ich komme zurück. Ich werde am Vatertag meinen großen Auftritt haben. Und nicht nur ich, liebe Evelyn. Du kannst dich freuen, mich wiederzusehen. Du hast mich doch geliebt, oder? Hast du das nicht immer gesagt? Also, freu dich darauf, mich bald in die Arme schließen zu können.«

Die Frau schluchzte.

»Mich, deinen Mann, der gleichzeitig ein Zombie ist, ein lebender Toter. Liebe versetzt Berge, hast du immer gesagt. Sie kann selbst Grenzen und tiefe Gräben überwinden. Du warst psychologisch immer so auf der Höhe, hattest für alles Verständnis, jetzt musst du auch für mich Verständnis haben, wenn ich zurückkehre und meinen kalten Körper an dir wärmen will. Ach, es wird dein …«

»Schalten Sie ab, Mister Sinclair, bitte!« Evelyn Binussek sprang plötzlich auf. Sie schaute mich flehend an, und ich drückte auf die Stopptaste, genau in dem Augenblick, als ein schauriges Lachen erschallte, das der Sprecher als Ausklang seiner Worte hinzugefügt hatte.

»Möchten Sie einen Whisky?«, fragte ich sie.

»Ja, bitte.«

Ich holte eine Flasche und ein Glas. Einen Doppelten schenkte ich der Frau ein, die vor Panik grau geworden war. Ich sah zu, wie sie trank. Dabei zitterte sie, und sie hielt das Glas mit beiden Händen fest, während sie starr nach vorn schaute.

»War es tatsächlich Ihr Mann, Mrs Binussek?«, fragte ich.

»Natürlich.«

»Nicht, dass er die Sätze vor seinem Tod schon auf die Kassette gesprochen hat, um Sie in Angst und Schrecken zu versetzen.«

»Nein, das ist unmöglich. Ich habe die Kassette erst vor zwei Wochen gekauft. Sie sollte für meine beiden Kinder sein. Da ist echt, ich habe nichts getürkt. Weshalb auch?« Sie schaute mich an.

Ja, weshalb auch?, dachte ich und hob die Schultern, bevor ich wieder Platz hinter dem Schreibtisch nahm. »Nichts getürkt«, murmelte ich. »Ihr Mann will also als Zombie zurückkommen.«

»Und nicht nur er, Mister Sinclair. Seine beiden Freunde ebenfalls. Es sind also drei.« Zur Unterstreichung ihrer Worte hob sie die entsprechende Anzahl von Fingern.

Das war in der Tat eine Überraschung. Ich räusperte mich.

»Drei?«, fragte ich nach.

»Ja.«

»Aber weshalb kehrt Ihr Mann nicht allein zurück?«

»Das kann ich Ihnen sagen. Weil Jerome, Eric und er gewissermaßen eine Clique bildeten. Die EG-Clique haben sie immer gesagt. Wir sind Engländer, auch wenn sich der Name Binussek nicht so anhört. Silvie und Jerome Woeber kommen aus Belgien, Brigitte und Erich Buchwald aus Deutschland. Sie wohnen in der Nähe von Köln …«

»Und sie waren oft zusammen?«, fragte ich.

»Seit der Studienzeit. Und Vatertag war ihr höchster Feiertag …«

Evelyn legte ihre Hände gegeneinander. Mit leiser Stimme fuhr sie fort. »Nun hat der Vatertag für mich und die anderen eine sehr tragische und schlimme Bedeutung bekommen. Denn am Vatertag vor einem Jahr starben sie alle.«

Ich schwieg für einen Moment. »Die Frage klingt dumm, Mrs. Binussek«, sagte ich dann, »aber ich muss es wissen: Starben sie zur selben Zeit?«

»Ja.«

»Wie waren die Umstände?«

»Ich habe keine Ahnung. Wir Frauen waren ja nicht dabei. Sie hatten sich wieder in der Schweiz getroffen und zogen los. Man hat sie später gefunden. In den Bergen, im Gelände, in der Nähe eines Wasserfalls, wo sie ein Picknick machen wollten. Alle waren tot, und die Zungen hingen aus ihren Mündern. Sie waren blau angelaufen, es war wirklich schlimm, Mister Sinclair.« Evelyn Binussek holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.

Ich wartete geduldig, dass sie weitersprach.

»Wir haben sie dann in der Schweiz beerdigt, sie nicht überführen lassen. Ich glaube, dass es ihr Wunsch gewesen ist, weil sie das Land so liebten …«

»Wo genau ist das passiert?«, fragte ich.

»In der Nähe des kleinen Dorfes. Es heißt Kandersteg und ist recht bekannt, weil es am Lötschbergtunnel liegt. Das ist der Zugang zum Kanton Wallis. Dort geht es mit dem Wagen nicht mehr weiter. Sie müssen auf den Verladezug, der Sie und Ihr Auto durch den Tunnel nach Goppenstein bringt. Eine herrliche Gegend und ein wunderschöner Friedhof, auf dem die drei Freunde liegen. Aber dass sie jetzt zurückkommen wollen?« Evelyn weinte jetzt lauter.

»Bitte, beruhigen Sie sich wieder, Mrs Binussek!«

»Ich kann es nicht fassen. Stellen Sie sich vor, mein Mann würde sein Versprechen einlösen. Ein Toter will sich an mir wärmen. Ein Mensch, der ein Jahr in der kalten Erde gelegen hat. Das ist unfassbar, unglaublich.« Sie schüttelte sich, als hätte sie jemand mit eiskaltem Wasser übergossen.

Ich strich mir durchs Haar. »Ja, das ist in der Tat nicht einfach«, gab ich murmelnd zurück. »Und für Sie wird es vielleicht noch schlimmer, denn ich muss Ihnen eine bestimmte Frage stellen.«

»Bitte, Mister Sinclair!«

»Hatten die drei Männer vielleicht Kontakt zu irgendwelchen schwarzmagischen Kreisen?«

»Wie meinen Sie das?«

»Glaubten sie an teuflische Kräfte? Haben sie vielleicht der Hölle gedient?«

»Nein, wo denken Sie hin!« Sie schüttelte den Kopf. »Das … das ist unmöglich. So gut kannte ich meinen Mann.«

»Und wenn er sich mit seinen Freunden getroffen hat?«

»Auch sie waren völlig normal. Man konnte alle drei als gläubig, im kirchlichen Sinne, bezeichnen. Da war nichts mit Magie. Das hätte ich bemerkt.«

»Okay, lassen wir das vorerst einmal dahingestellt sein, Mrs Binussek. Etwas anderes will ich Sie fragen: Ihr Mann hat ja davon gesprochen, zurückzukehren. Was wollen Sie tun? Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht?«

»Nicht nur ich. Silvie Woeber und Brigitte Buchwald ebenfalls. Sie haben zwar keine Nachricht bekommen, dennoch fühlen sie sich betroffen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, der Gefahr ins Auge zu sehen.«

»Sie wollen nach Kandersteg?«

»Ja. Und ich möchte Sie bitten, uns zu begleiten!«

»So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht«, erwiderte ich lächelnd. »Wie sind Sie überhaupt auf mich gekommen?«

»Ich habe mal etwas über Sie in der Zeitung gelesen. Fahren Sie mit?«

»Wahrscheinlich. Ich muss mich mit meinem Chef absprechen, aber eigentlich steht einer Reise nach Kandersteg nichts im Weg.«

Ihre Augen wurden groß. »Glauben Sie mir, Mister Sinclair?«

»Ich gehe davon aus, dass Sie mich nicht belogen haben.«

Ein glückliches Lächeln überflog das Gesicht der jungen Witwe. »Das werde ich Ihnen nie vergessen.«

Ich winkte ab. »So weit ist es noch nicht, Mrs Binussek. Wir müssen vor allen Dingen versuchen, den Fall so emotionslos wie möglich anzugehen. Sollten wir uns tatsächlich am Vatertag treffen, so halten Sie sich bitte zurück. Das Gleiche gilt für Ihre Freundinnen. Und noch etwas: Lassen Sie Ihre Kinder zu Hause!«

»Das versteht sich.« Sie schaute mich forschend an. »Wann können Sie fliegen?«

»Ich weiß es nicht genau …«

»Silvie, Brigitte und ich haben bereits gebucht. Wir werden uns in Zürich treffen.«

»Und wo wohnen Sie in Kandersteg?«

»In einem Hotel, in dem unsere Männer stets abgestiegen sind. Es ist das Royal Gemmi, das erste Haus am Platz. Ein wunderschönes Hotel. Nicht zu groß, herrlich gelegen, mit einem fantastischen Garten …« Sie schluckte und begann, wieder zu weinen. »Nun ja, das ist vorbei.« Evelyn Binussek hatte Mühe, sich zu beherrschen.

»Ich kann Sie im Laufe des Tages erreichen?«, erkundigte ich mich.

»Natürlich.« Sie holte eine Karte aus der Handtasche. »Hier steht meine Anschrift.«

»Danke sehr.«

Bevor sie zur Tür ging, schaute sie mich noch einmal an. »Und Sie werden wirklich alles tun, um diesen schrecklichen Fall aufzuklären?«

»Wenn ich nach Kandersteg komme, sicherlich.«

»Danke, Mister Sinclair. Auch die anderen beiden werden froh sein, wenn ich es ihnen sage. Ich telefoniere mit Belgien und Deutschland.«

»Tun Sie das.«

Ich brachte die verzweifelte Frau zum Fahrstuhl. Dort drückte sie mir erneut die Hand. Als sich die Lifttür schloss und ich zum letzten Mal einen Blick in ihr Gesicht warf, sah ich wieder die Tränen.

»Es wird schon gut werden«, sagte ich.

Evelyn nickte. Die Tür schloss sich, der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, und die Frau war meinen Blicken entschwunden.

Ich blieb für einen Moment im Gang stehen und atmete tief durch, während ich über den außergewöhnlichen Besuch dieser Frau nachdachte.

Es war nicht einfach, ihr zu glauben. Andererseits sah ich keinen Grund, dies nicht zu tun. Nach dem Warum und Wieso wollte ich nicht fragen. Ich nahm es vorerst als Tatsache hin, dass Evelyn Binussek Kontakt zu ihrem verstorbenen Mann gehabt hatte. Er hatte sich bei ihr gemeldet, jetzt mussten wir weitersehen.

Mit etwas müden Schritten ging ich zurück.

Im Vorzimmer sprach mich Glenda, meine Sekretärin, an. »Die Frau kam mir verzweifelt vor.«

»Das war sie auch.« Ich nahm auf der Schreibtischkante Platz.

Glenda wusste, was ich jetzt benötigte. Sie schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. Ich nahm Zucker und rührte um.

»Willst du es mir nicht erzählen?«, fragte sie.

»Ja.« Mit wenigen Worten fasste ich den Bericht der Besucherin zusammen.

Glenda hörte zu und wurde bleich. »Aber das ist ja furchtbar!«, flüsterte sie.

»Falls es stimmt«, schränkte ich ein.

»Und du willst in die Schweiz?«

»Ja. Ich habe mich entschlossen. Denk mal nach! Wenn in einem Urlaubsort wie Kandersteg drei Zombies umherirren, kann das zu einer Katastrophe führen. Du weißt selbst, wozu lebende Tote fähig sind. Die kennen keine Rücksicht. Menschenleben bedeuten ihnen überhaupt nichts.«

»Ich weiß. Willst du allein fahren?«

»Da müsste ich mit Sir James sprechen. Ich weiß nicht, ob Suko mit von der Partie sein wird.«

Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür. Suko betrat das Vorzimmer. »Habt ihr von mir gesprochen?«

»Ja.«

»Hoffentlich nur Gutes.«

»Kann man von dir etwas Schlechtes behaupten?«

»Dir traue ich alles zu, John.«

Ich berichtete abermals von der Kassette.

Mein Freund und Kollege wiegte den Kopf. »Kandersteg könnte mir schon gefallen.«

»Mir auch, aber ob es unserem Chef gefällt, dass wir zu zweit fahren, weiß ich nicht.«

»Du kennst ihn ja …«

Das Telefon meldete sich. Glenda hob ab. »Ja, die beiden sind hier, Sir.«

Sie legte wieder auf. »Ihr sollt zu ihm kommen.«

»Wie klang seine Stimme?«, fragte ich.

»Brummig.«

»Ich sehe meine Flugchancen schwinden«, tönte Suko und bekam recht, denn als sich Sir James meinen Bericht angehört hatte, schüttelte er den Kopf.

»Wenn überhaupt jemand von Ihnen in die Schweiz fliegt, wird es John Sinclair sein.«

»Und weshalb, Sir?«, fragte Suko.

»Weil es sonst Ärger mit der Abrechnung gibt. Ich habe gestern einen Bericht bekommen. Angeblich haben wir zu viel Geld ausgegeben …«

»Unsere Abteilung?«

»Nein, John, aber man klammert uns aus den Gesamtausgaben nicht aus. Es soll gespart werden.«

»Und damit beginnt man bei mir«, stöhnte Suko.

»So ist es leider. Zudem weiß ich nicht, ob tatsächlich etwas an der Sache …«

»Sir«, unterbrach ich ihn. »Ich habe die Frau erlebt und das Band abgehört.«

»Das heißt, Sie glauben ihr?«

»Ja.«

»Mehr auch nicht. Glauben heißt nicht wissen.«

»Sir, die Beweise muss ich erst beschaffen. Das ist bei jedem Fall so, wie Sie wissen.«

»Jaja.« Sir James ging um seinen Schreibtisch herum und ließ sich im Sessel nieder. »Ich verstehe alles, aber da ist dieser verdammte Schrieb gekommen, dass wir sparen sollen. Da muss einer von Ihnen in London bleiben und die Stellung halten. Da die Frau Sie ja angesprochen hat, John, werden Sie fliegen.«

»Aber nicht im Gepäckraum.«

»Wieso?« Sir James schaute mich irritiert an.

»Das soll ja billiger sein, habe ich mir sagen lassen …«

***

Der Schnee war noch nicht getaut, und so lag die weiße Pracht bis ins Tal hinein, in dem der kleine Ort Kandersteg in ungefähr dreitausendsechshundert Fuß Höhe liegt.

Sommer wie Winter herrscht hier kein großartiger Touristenrummel. Es gibt keine großen Hotelpaläste, dafür kleine Pensionen, Ferienwohnungen und nette Hotels, wo noch der Gast König ist. Die Ruhe des Ortes ist sprichwörtlich, obwohl Kandersteg am Lötschbergtunnel liegt.

Dort befindet sich die Autoverladung für eine wichtige Nord-Süd-Strecke, der Durchgang zum Wallis. Man hatte beim Bau der Autostraße mitgedacht, denn die Fahrbahn führte nicht durch den Ort, sondern umging ihn. Urlauber und Einheimische wurden durch keinen Verkehrslärm gestört, es sei denn, der Wind trug die Geräusche der anrollenden Züge herbei, aber das gehörte dazu.

In Kandersteg gab es alles: Lebensmittelgeschäfte, Metzgereien, Andenkenläden, Tearooms, Cafés, zwei Seilbahnen. Eine führte hoch zum Oeschinensee, die andere brachte die Besucher zum Gemmipass.

An der Südseite war der Schnee bis auf einige Flecken weggetaut, und da blühten die ersten Blumen bereits auf den Almen. Hin und wieder strich ein warmer Wind durchs Tal, der die Menschen ins Freie lockte. Der Frühling kündigte sich an. Manche Hotels hatten geschlossen. Da wurde geputzt, renoviert und gebaut, um für den Sommertourismus eingerichtet zu sein.

Noch waren die Tage kurz, und die Dunkelheit kam immer schnell. Blaugraue Schatten fielen auf den Ort, nur durchbrochen von einzelnen Lichtern, die hinter den Scheiben der Hotels und Pensionen leuchteten. Dann leerten sich die Straßen. Es gab kein Nachtleben in Kandersteg, und Touristen, die jetzt hier wohnten, erlebten die absolute Ruhe. Ihre Nerven erholten sich.

Besonders ruhig war es auf dem kleinen Friedhof. Er lag nicht weit von der Kirche entfernt, deren Abendglocke schon geschlagen hatte. Die letzte Messe war vorbei, und der Ort schien unter einer Schweigeglocke zu liegen. Selbst am Bahnhof war es still. Es fuhr an diesem Abend nur ein Zug durch den Tunnel, aber der würde später kommen.

Niemand ahnte, dass sich in diesem idyllischen Ort der Schrecken vorbereitete, um grausam zuzuschlagen.

Wer glaubte schon an Zombies oder lebende Leichen? Das waren Dinge, die in das Reich der Fabel gehörten. Es gab zwar einige abergläubische Menschen, aber sie legten mehr Wert auf die alten Geschichten, die mit Kandersteg in einem unmittelbaren Zusammenhang standen, denn man munkelte, dass beim Bau des Lötschbergtunnels nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Da waren Unglücke passiert, über die Jahre später nur flüsternd gesprochen wurde.

Auch über den Friedhof legten sich die langen, blauen Schatten der Dunkelheit. Wer gute Augen hatte, sah den Kirchturm, der sich scharf von der Finsternis abhob.

Im Hintergrund wuchsen die Berge in den Himmel. Über neuntausendachthundert Fuß hohe, gewaltige Klötze, uneinnehmbar, wie stumme Wächter eines kleinen Tals, das vor Hunderten von Jahren einmal das Ende der Welt bedeutete.

Und das Grauen spürte, dass seine Zeit allmählich gekommen war. Noch hatte es sich zurückgehalten, aber es musste den schwarzmagischen Gesetzen gehorchen und machte sich bereit, seine Wohnstatt zu verlassen.

Bis jetzt barg der Friedhof dieses tödliche Geheimnis, und selbst der einsame Wanderer, der die Mauer passierte, ahnte nichts davon. Sonst wäre er nicht so fröhlich weitergegangen, um die Hauptstraße zu erreichen, an der die Jugendherberge lag.

Seine Schritte verklangen.

Es wurde still …

Wenn die Sonne schien, berührte der Schatten des Kirchturms den Friedhof. In der Nacht war es allein die Finsternis, die den Totenacker wie einen Mantel umhüllte.

Manchmal leuchteten die Grabsteine. Es kam stets darauf an, aus welchem Material sie waren. Nur die Metalleinschlüsse im Gestein gaben das Leuchten ab.

Die Gräber waren gepflegt. Man legte Wert darauf, die Ruhestätten der Toten dem allgemeinen Eindruck des Dorfes anzupassen. Viele Gräber wurden einmal in der Woche geschmückt, bekamen frische Blumen oder wurden gereinigt.