John Sinclair Sonder-Edition 58 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 58 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Sie hieß Miranda, war zwanzig Jahre jung, schön, blond, hatte grüne Augen und hütete ein grauenvolles Geheimnis: Sie war die einzige Person auf der Welt, die aus vier Monstern bestand - einem Vampir, einem Werwolf, einem Zombie und einem Zyklopen.
Tagsüber war sie zu allen freundlich. In der Nacht aber erwachte ihr höllischer Trieb.
Dann wurde sie zu einer reißenden Bestie ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Mirandas Monsterwelt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5160-6

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Mirandas Monsterwelt

von Jason Dark

Percy Morton hatte die Tür seines Hauses kaum aufgeschlossen und den Flur betreten, als er merkte, dass etwas nicht stimmte. Aber was? Das Licht in der langen Diele brannte wie eine ewige Leuchte. Ihr matter Schein fiel auf die gelblich schimmernden Tapeten, den Schrank aus Weichholz, streifte die Bilder, die Motive aus der christlichen Seefahrt zeigten, und verlor sich dicht vor der ersten Stufe der nach oben führenden Treppe.

Genau darin bestand das Problem.

Es war nicht die Treppe, die den Mann störte, sondern die obere Etage, wo sie endete.

Was lauerte dort?

Percy holte durch die Nase Luft. Schon dieses Geräusch störte ihn, und deshalb bemühte er sich, dass seine Schritte nicht zu hören waren. Wenn sich jemand im Haus aufhielt – und dieses Gefühl hatte er –, sollte der andere ihn nicht schon jetzt hören. Deshalb blieb er vor der Treppe stehen und atmete erst einmal aus.

Er mochte es nicht, wenn sich das Haus tagsüber aufgeheizt hatte und am Abend nicht gelüftet war. Deshalb hatten die Mauern die Wärme des Tages gespeichert und gaben sie nun nach innen hin ab. Darunter litt der Mann, und er merkte schnell, dass sich auf seiner Stirn ein Schweißfilm gebildet hatte.

Vorsichtig wischte er ihn ab. Einige Tropfen fielen zu Boden.

Morton hob den linken Arm und legte die feuchte Handfläche auf den Handlauf des Geländers.

Obwohl sich Morton in seinem eigenen Haus befand, traute er sich nicht, von dieser Stelle aus nach oben zu rufen und zu fragen, ob sich dort jemand aufhielt.

Stattdessen wartete er und konzentrierte sich auf das, was ihn umgab.

Es war die spätabendliche Dunkelheit. Nichts Ungewöhnliches, und doch kam ihm diese Finsternis so vor, als hätte sie allein auf ihn gewartet, um das freizulassen, was sie bisher versteckt gehalten hatte.

Aber was hielt sich dort versteckt?

Der Mann spürte das innerliche Zittern. Er konnte nicht dagegen ankämpfen, es war vorhanden, und er dachte daran, ob es wieder einmal so weit war.

Ja, der Vollmond stand am Himmel.

Erst jetzt fiel es ihm ein, und als er sein: »Mein Gott«, hervorpresste, drückte er seine Hand gegen den Mund, aus Angst, sich zu früh verraten zu können.

Sie musste oben sein. Er hatte sie zwar nicht gesehen, aber gefühlt. Ihre Ausstrahlung war vorhanden, sie lag da wie eine unsichtbare Watteschicht, und sie strahlte gegen ihn.

Furchtbar …

Weshalb musste gerade ihm das passieren? Aus welchem Grund war er der Verfluchte?

Der Mann wusste es nicht, er nahm es hin, zum dritten oder vierten Mal. Dabei wäre es besser gewesen, eine Waffe zu nehmen und zu töten.

Ja, zu töten, dann hätte er diesen furchtbaren Fluch unter Umständen löschen können.

Da er aber zu feige war, musste er mit ihm leben. Und, verdammt noch mal, der Fluch existierte ja nicht immer. Nur bei diesem matt scheinenden Vollmond.

Er konnte nicht töten, nicht seine …

Die Gedanken des Mannes wurden unterbrochen, da er aus der oberen Etage ein Geräusch vernommen hatte. Keine Stimme, kein Ruf, ein Schaben oder Poltern.

Sie war also doch da!

Es ging ihm besser, da er jetzt Gewissheit hatte. Die Andeutung eines Lächelns zuckte über seine Lippen, als er den rechten Fuß hob und ihn auf die erste Stufe setzte.

So und nicht anders wollte er es machen. Einfach hochgehen und mit ihr sprechen. Vielleicht alles ins Lot bringen, bevor die mitternächtliche Stunde begann.

Als er daran dachte, fühlte er sich gleich wohler. Es hatte keinen Sinn, die Augen vor dem Schrecklichen zu schließen. Da es dies nun einmal gab, musste er damit fertig werden.

Und so ging er weiter.

Erst zügig, dann etwas verhaltener, und, als er den ersten Absatz erreicht hatte, sehr langsam. Es sah so aus, als hätte er Angst, den nächsten Schritt über sich zu bringen.

Zum Glück brannte im oberen Flur Licht. Zwar nur die elektrische Wachskerze an der Wand, doch besser als nichts. Der helle Fleck erreichte die Tür des Zimmers, in dem sie wohnte. Vor der Tür lag eine Puppe. Ein kleines Gebilde aus Stoff, das man mit ins Bett nehmen und an sich drücken konnte.

Sie spielte noch mit Puppen, dann konnte sie nicht so schlecht sein, wie immer behauptet wurde.

Seine Augen wurden feucht, als er daran dachte. Nein, und abermals nein. Miranda war nicht so.

Wer mit Puppen spielte, der …

Percy Morton ging weiter. Nach zwei Schritten blieb er stehen. Da sich sein Blick auf die Tür eingependelt hatte, sah er, dass sich diese bewegte.

Sie wurde vorsichtig und lautlos geöffnet.

Morton wollte eine Frage stellen und den Namen rufen, als er die Hand sah, die sich durch den Spalt schob. Schmal, zerbrechlich wirkend wie weißes Porzellan. Die Finger waren gekrümmt, denn sie hielten etwas fest.

Es war ein Teddy …

Ein niedliches, fast fünfzehn Jahre altes Stofftier, das sie immer so geliebt hatte.

Puppen, Tiere, dies war einmal ihre Welt gewesen.

Eigentlich hätte er jetzt gehen müssen, aber die weiteren Vorgänge hielten ihn davon ab.

Die Finger lösten sich. Das Tier rutschte an der Handfläche entlang und fiel zu Boden. Als es aufprallte, wurden die Augen des Mannes groß, denn Percy sah den Teddy erst jetzt genauer.

Er war zerrissen.

Die Arme hatte er ebenso verloren wie die Beine!

Da wusste Percy Morton Bescheid, und er sah, wie die Hand plötzlich wieder verschwand.

Die Tür fiel zu!

Endgültig.

War es das Zeichen? Konnte er es als Symbol auffassen? Das Zuschlagen einer Tür musste man so sehen, besonders zwischen ihm und dieser Person im Zimmer, die er so liebte.

Seine Beklemmung wuchs. Aus ihr wurde Angst, als er auf Zehenspitzen weiterging und am liebsten umgekehrt wäre, um sich irgendwo in einer in der Nähe liegenden Kneipe sinnlos zu betrinken.

Was tat er stattdessen?

Er ging weiter.

Näherte sich Schritt für Schritt der Tür und hatte das Gefühl, in ein Verhängnis zu laufen. Der Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht. Verzerrt war der Mund, die Anstrengung und die nervliche Belastung hatten Furchen in seine Haut gegraben, aber er gab trotzdem nicht auf. Er musste einen letzten Versuch wagen.

Vor der Tür hielt er an. Ihm wurde erst jetzt bewusst, dass er sich in seinem eigenen Haus wie ein Fremder benahm. Er hob die Hand, um gegen die Tür zu klopfen.

Nein, das wollte er nicht.

Aus diesem Grund fasste er sich ein Herz und rief den Namen der Person, die sich im Raum befand.

»Miranda, mein Liebling. Bitte, öffne!«

Er bekam keine Antwort.

Percy gab nicht auf. »Tochter, ich bitte dich, öffne deinem Vater die Tür! Ich muss mit dir reden. Ich muss es. Noch besteht eine Chance. Morgen kann es zu spät sein …«

Was würde sie tun? Würde sie sich von ihm beeinflussen lassen? Und er bekam eine Antwort.

»Bleib draußen!«

Percy Morton zuckte zurück. Nicht wegen der Worte. Es war die Stimme gewesen, die ihn so erschreckte, und er dachte im ersten Moment daran, dass Miranda Besuch eingeladen hatte, denn die Stimme war nicht die ihre gewesen.

Diese hier hatte anders geklungen.

So rau, so drohend, unheimlich und warnend zugleich.

Percy Morton überlegte. Was sollte er tun? Die Warnung beachten und nicht hineingehen? Oder die Tür öffnen. Schließlich befand sich in dem Raum dahinter seine Tochter, sie war sein eigen Fleisch und Blut, obwohl es manchmal ganz anders schien.

Es war schwer für ihn, eine Entscheidung zu treffen. Angst zu haben, dass die Tochter den Vater umbringen konnte, war für ihn ein völlig neues Gefühl. Da musste er zunächst einmal durch.

Die Tür veränderte sich. Weiche, fließende und schwankende Umrisse bewegten sich tänzerisch. Die Nerven spielten ihm bereits einen Streich. Es fiel ihm immer schwerer, eine Entscheidung zu treffen.

Sollte er gehen, blieb er draußen?

Ein furchtbares Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Es war aus dem Zimmer gedrungen und hatte sich angehört, als wäre es von einem Ungeheuer ausgestoßen worden.

Grauenhaft …

Seine Tochter!

»Himmel, Miranda!« Es war ebenfalls ein Schrei, der aus der Kehle des gepeinigten Vaters kam. Der Ruf nach Hilfe, Ausdruck einer Verzweiflung, und dann hielt ihn nichts mehr, als er mit einem Ruck die Tür aufriss.

Er war auf alles gefasst. Aber er sah weder seine Tochter, ein Monster, noch den Teufel.

Dafür ein unwirkliches, dunkelgrünes und flimmerndes Licht, das ein Quadrat bildete, in dessen Zentrum er schwach den übergroßen Kopf seiner Tochter sah mit den weit aufgerissenen, ebenfalls grünen Augen und den vier furchtbaren Gestalten an den Enden des Quadrats.

Sie waren nur Schatten, mehr nicht.

Aber sie reichten aus.

Percy Morton dachte nicht mehr an Miranda. Der Ansturm von Furcht glich einem plötzlichen Gewitter, das ihn zurück in den Gang trieb, wo er gegen die gegenüberliegende Wand stieß, sich dort abwandte und auf die Treppe zurannte.

Welche Gedanken sich in seinem Hirn wiederfanden, konnte er selbst nicht nachvollziehen.

Panik überflutete alles.

Und sie sorgte dafür, dass Percy Morton in seinem eigenen Haus die erste Treppenstufe verfehlte, stolperte und sich überschlagend nach unten fiel.

Er spürte einen flammenden Schmerz an der Schläfe, der sich rasend schnell ausbreitete und dafür sorgte, dass er von dem, was sich jetzt abspielte, nichts mehr sah.

Das war auch besser so …

***

Es war die berühmte hohle Gasse, durch die er hätte kommen können. So musste der Wirt gedacht haben, als er seinen Pub Hollow Lane nannte.

In gewissen Kreisen hatte er einen vorzüglichen Ruf. Es konnte zwar getrunken und eine Kleinigkeit gegessen werden, wichtig aber war das Hinterzimmer, eine Zockerstube, in der um hohe Einsätze gespielt wurde.

Poker hieß das Spiel der Stunde, und es waren beileibe keine armen Männer, die sich am frühen Abend zusammengefunden hatten und in einer Viererrunde spielten.

Einer verlor immer.

Er hatte eine regelrechte Pechsträhne hinter sich, konnte machen, was er wollte, fluchen, flehen oder beten, seine Karten wurden nicht besser.

Bis er sie um zehn Minuten vor Mitternacht auf den Tisch knallte, tief durchatmete und aufstand.

»Ich spiele nicht mehr.«

Die anderen schauten ihn an. Er sah es nicht, weil das Licht der runden Lampe nur auf den mit Filz bedeckten Tisch fiel. Ihre Hände, die Karten hielten, gerieten in sein Blickfeld. Es waren schlanke, schmale Hände, die mit den Karten jonglieren und sie durch die Finger laufen lassen konnten.

Zocker-Klauen!

»Aber Mitch, du hast doch erst angefangen …«

»Und verloren.«

»Das kann sich ändern.«

»Nein!« Mitch schüttelte den Kopf. »Ich habe genug von euch und den Karten.«

»Für immer?«, fragte der Pastor. Er wurde wegen seines Aussehens so genannt, denn er machte einen milden und lieben Eindruck.

»Wenigstens will ich euch in dieser Woche nicht mehr sehen.«

»Wann dann?«

»Ich rufe an.«

»Okay, Mitch.«

Mitch leerte sein Glas. Er wusste, dass die anderen zu dritt weiterspielen würden, und das sollten sie auch. Er hatte sich ein Limit gesteckt, das wurde eingehalten.

Mit schweren Schritten erreichte er die Tür. Sie ließ sich von innen nicht öffnen. Erst wenn er einen Schalter betätigte, glühte im normalen Gastraum eine Lampe auf. Da wusste der Wirt Bescheid, dass jemand das Hinterzimmer verlassen wollte.

Er öffnete dann.

Sekunden später vernahm Mitch den Summer, drückte gegen die Tür und gelangte in einen schmalen Gang, der nur mehr notdürftig erhellt wurde.

Wenn ihm jetzt jemand entgegenkam, sah es so aus, als wäre er von der Toilette gekommen. Die Tarnung war gut. Im Lokal selbst befanden sich nicht viele Gäste.

Einige hielten sich an ihren fast leeren Biergläsern fest, andere wiederum hockten an den Tischen und stierten dumpf vor sich hin, als überlegten sie, ob das Leben noch einen Sinn hatte.

Die Kneipe hatte keine Atmosphäre. Das jedoch kümmerte weder den Wirt noch die Gäste.

Mitch ging zur Theke. Er stützte sich auf und sah das Grinsen des Wirts. Es war gleichzeitig eine Aufforderung zu einer Erklärung, die Mitch ihm gab.

»Genug«, sagte er.

»Verloren?«

»Ja.«

Der Wirt lachte leise und schob ihm ein frisch gezapftes Bier rüber. »Hier, als Trost.«

»Auf Kosten des Hauses?«

»Klar.«

»Man dankt.«

Der Wirt grinste schief. »Ich will ja, dass du wiederkommst, mein Lieber.«

Mitch trank in langsamen Schlucken. Den dünnen Schaumstreifen wischte er mit dem Fingerrücken von den Lippen. »Das ist so eine Sache, weißt du. Ich käme ja gern zurück …«

»Aber?«

»Erst in der nächsten Woche. Ich muss Geld ranschaffen.«

»Wettest du wieder?«, wollte der Wirt wissen.

Mitch tippte dem Wirt auf die Brust. »Ich lasse wetten.«

»Sorry, das hatte ich vergessen.«

Der Spieler nahm einen Schluck und schaute in den Rauch, der sich um die Lampe wölkte. Der Wirt wurde von einem Gast gerufen. Für Mitch war es eine gute Gelegenheit, sich zu verabschieden.

An der Tür winkte er noch einmal und drückte sie mit der Schulter auf. Die nach oben führende Treppe kannte er. Die unterste Stufe begann nach zwei Schritten und einer Rechtskurve. Den Weg hätte Mitch selbst mit verbundenen Augen gefunden, so oft war er in dieser alten Zockerhöhle gewesen.

Wieder musste er an den Namen der Kneipe denken, als er die Treppe hinter sich gelassen hatte.

»Hohle Gasse«, murmelte er. »Verdammt, das ist genau richtig.«

Er blieb stehen und schaute dorthin, wo die Gasse in einen kleinen Platz mündete. Er war mit Blaubasalt-Pflaster bedeckt und reflektierte matt den Schein einer Leuchtreklame.

Die hohle Gasse war leer.

Rechts und links wuchsen die Hausfronten hoch. Alte Häuser, nicht leer stehend, sondern von den unterschiedlichsten Menschen bewohnt. Hier tat keiner dem anderen etwas. Da ließ der Zuhälter die Hausfrau in Ruhe und der Rocker den Dockarbeiter.

Man hatte sich aneinander gewöhnt und akzeptierte sich gegenseitig. So etwas gab es nicht überall.

Aus diesem Grund brauchte Mitch keine Angst zu haben, als er die Gasse hinunterschlenderte. Einen Überfall würde es kaum geben. Man wollte seine Ruhe haben.

Mitch war ohne Wagen gekommen. Er würde sich eine der zahlreichen Taxen nehmen, die man an jeder Ecke fand, auch in einer Gegend wie dieser.

In Gedanken versunken, lief er durch die Gasse und ärgerte sich darüber, dass er so viel verloren hatte. Er kannte seine Spielpartner. Sie hatten ihn nicht betrogen, dafür spielten sie zu lange miteinander. Es gab tatsächlich Tage oder Nächte, da bekam man nichts auf die Hand. Wie in seinem Fall.

Nun ja, in der folgenden Woche war sicherlich einer der anderen an der Reihe.

Mitch hatte die Gasse halb durchquert, als er stehen blieb, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er war der einzige Mensch weit und breit. Allein in der Gasse und allein mit dem Wind, der in den Raum zwischen die Hausfronten fuhr, sodass sich Mitch gezwungen sah, die Flamme mit einer Hand abzuschirmen.

Er konzentrierte sich zu sehr auf das Anzünden der Zigarette, als dass er einen Blick auf seine Umgebung geworfen hätte. Aus diesem Grund bemerkte er die Gestalt nicht, die dort erschien, wo die Gasse auf dem Platz endete.

Sie war so plötzlich da, dass es dafür keine Erklärung gab. Es sei denn, man hätte daran geglaubt, jemand aus der Erde wachsen zu sehen. Unbeweglich blieb sie, hielt sich im Schatten und wartete ab, bis Mitch die Zigarette angezündet hatte.

Dann erst ging sie vor …

Und es erklang kein Geräusch, als sie den Weg in die Gasse nahm, sodass sie mit dem Spieler zusammentreffen musste.

Mitch stieß den ersten Rauch aus. Die graublauen Wolken wehten hoch, streiften sein Gesicht, die Augen und brannten darin. Mitch zwinkerte, rieb nach, schaute wieder und glaubte, plötzlich einen bösen Traum zu erleben.

Vor ihm stand einer!

Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, menschenleer war diese Gegend in der Nacht nicht, aber dieser Jemand war eine furchtbare Gestalt, die an ihrem Kopf eine Lampe haben musste.

Anders konnte sich der Spieler das rote Leuchten auf der Stirn nicht erklären.

Mitch ging näher.

Er hatte den ersten Schock überwunden. Jetzt wollte er sehen, mit welch einer Figur er es tatsächlich zu tun hatte. Dass ein Mann vor ihm stand, sah er ebenfalls. Er trug ein langes Gewand, es ähnelte einem Nachthemd.

Hals und Kopf waren vorhanden, alles war normal, bis auf die Augen …

Mitch ging keinen Schritt weiter. Die Zigarette entglitt seinen Fingern. Mit der Glut zuerst prallte sie auf den Boden, wo sie einen kleinen Funkenregen hinterließ.

Dafür hatte Mitch keinen Blick mehr. Ihn interessierte nur der Schädel des vor ihm Stehenden. Und dabei nur eine ganz bestimmte Stelle auf der Stirn.

Wie eingeschnitten oder angemalt sah sie aus. Sie leuchtete in einem dunklen Rot, als hätte jemand ein brennendes Kohlestück in die Haut hineingedrückt.

Es war ein Auge.

Aber nur eines!

Mitch hörte sich selbst laut atmen. Er wusste nicht, ob er sich korrekt verhielt, indem er stehen blieb und nichts tat. Seine Mundwinkel zuckten, es sah so aus, als wollte er die Gestalt ansprechen, ohne jedoch ein Wort hervorbringen zu können, da er unter einem zu großen Schock stand.

Erst jetzt fiel ihm der Name ein.

Das war ein Zyklop!

So nannte man diese einäugigen Monster. Zyklopen. Und so einer war in die Gasse gekommen, um sich ihm zu zeigen. Endlich hatte es Mitch geschafft, seine Überraschung zu verdauen. So etwas wie ein Grinsen huschte über das Gesicht. Er ging weiter vor. Den ersten Schritt, den zweiten, dann den dritten, und der Zyklop rührte sich nicht von der Stelle.

Bis zu dem Augenblick, als Mitch ihn ansprechen und anfassen wollte.

Da war der andere schneller.

Der Spieler bekam kaum mit, wie der Arm des Zyklopen vorstieß und nach seinem Gelenk griff. Blitzschnell hatte er es umklammert, hielt eisern fest und zog den völlig überraschten Mann zu sich heran.

Mitch prallte gegen den Unheimlichen. Er sah das Auge übergroß. Es schwamm wie eine rote Insel im Gesicht, die irgendetwas abstrahlte, das ihn in seinen Bann zog.

Den Schrei brachte er noch hervor. Er hallte schaurig durch die Gasse und jagte als Echo über die Hauswände.

Dann wusste der Spieler nichts mehr.

Später wurde er gefunden, denn sein Schrei hatte die Gäste und den Wirt aus der Kneipe alarmiert.

Sie sahen Mitch liegen. Sein Kopf ragte auf die Gasse hinaus, die Füße berührten den Rinnstein.

Und sie fanden einen Menschen vor, dessen Arm dunkelrot und gleichzeitig schwarz verbrannt war, als wäre in seinem Körper ein Feuer nicht ganz gelöscht worden …

***

Diese Nacht hatte es in sich!

Meilen entfernt, am Stadtrand, wo die Gegend nicht mehr so bebaut war und breite alleeartige Ausfallstraßen am Wochenende und bei Sonnenschein zum Spazieren einluden.

Am Abend veränderte sich das Bild.

Keine Familien mehr, nein, Frauen, die sich die Plätze ausgesucht hatten und dicht an der Straße entlangmarschierten, wobei sie oft genug stehen blieben und lächelnd in die Scheinwerferaugen der heranfahrenden Wagen schauten.

Für diese Art von Begegnung gab es einen simplen Begriff:

Straßenstrich.

Zahlreiche Dirnen hatten sich diesen Bezirk ausgesucht, aber das Geschäft lief immer schlechter. Selbst in den Sommermonaten gab es nicht mehr diesen Verdienst, und so kam es, dass schon viele vor Mitternacht ihren Platz räumten.

Zwei blieben zurück.

Eine von ihnen hatte »Glück«. Ein Wagen stoppte, der Fahrer beugte sich aus dem offenen Fenster, verhandelte kurz, die beiden wurden sich einig, dann war die Sache gelaufen.

Zurück blieb die rotblonde Josy.

Sie zog einen Flunsch. Gern wäre sie losgefahren, aber das Glück war nun mal nicht auf ihrer Seite gewesen, und möglicherweise war sie mit dreißig Jahren schon zu alt für den Job. Da half nur noch eines: die Schminke um eine weitere Schicht aufstocken.

Ärgerlich lehnte sich Josy mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. Die Nächte waren kühler geworden. Diesen Sommer konnte man sowieso vergessen. Und in ihrem kurzen Rock fror sie ganz schön. Hinzu kam der dünne Pullover, der um zwei Nummern zu klein war und sich vor ihrem Busen spannte.

Locken umspielten ihr Gesicht. Mit den Spitzen klebten sie auf der Haut, Josy wischte sie oft genug weg, auch jetzt, wo sie sich eine Zigarette anzündete.

Es war wie bei Mitch, nur kannten die beiden sich nicht, und trotzdem waren sie irgendwie miteinander verbunden.

Josy stieß den Rauch lässig aus, winkelte ein Bein an und stemmte die Schuhsohle gegen die Rinde. So blieb sie stehen, schaute dem Rauch nach und blinzelte hin und wieder in die Lichter der Scheinwerfer.

Niemand hielt an.

Josy hatte zudem keinen Nerv mehr, einen Arm zu heben und zu winken. Vieles war ihr egal geworden. Der Tagesdurchschnitt stimmte nicht, und auf die Schnelle jetzt noch etwas zu verdienen, war wohl nicht mehr drin.

Die Wagen rollten vorbei.

Sie hörte die typischen Geräusche. Das Schmatzen der Reifen auf dem Straßenbelag, und sie bekam den Windzug mit, wenn ein Wagen vorbeifuhr. Trotzdem wartete sie weiter.

Der Autoverkehr nahm ab, die Stille nahm zu.

Deshalb hörte sie das Geräusch. Hinter dem Baum musste es aufgeklungen sein, und das waren Schritte gewesen.

Josy räusperte sich. Für einen Moment bekam sie Angst. Wer sich da im Dunkeln heranschlich, konnte kein reines Gewissen haben, andererseits gab es genügend Freier, die sich nicht trauten, mit forschen Schritten auf eine Frau zuzugehen, aus diesem Grund mussten die Geräusche nicht unbedingt etwas Schlimmes zu bedeuten haben.