John Sinclair Sonder-Edition 66 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 66 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Plötzlich war er da!
Verkleidet als Nikolaus erschien er bei den Familien, um sein Weihnachtsfest zu feiern. Alle sahen ihn, aber sie wussten nicht, wer sich hinter der Maske verbarg. Mensch oder Dämon?
Ich sollte dieses Rätsel lösen. Und ich jagte ein Phantom.
Als ich es stellte und die Weihnachtsglocken läuteten, steckte ich in seiner Falle.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 180

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Mörderische Weihnachten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5549-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Mörderische Weihnachten

von Jason Dark

Die Untat

»Mummy, Mummy, kann ich schon runterkommen?« Martin Adamic konnte es kaum erwarten. Die Bescherung stand kurz bevor, und der elfjährige Junge war nervös. In diesem Jahr sollte er etwas bekommen, endlich, denn in den letzten beiden war er leer ausgegangen. Nicht einmal auf einen Tannenbaum hatte er schauen können.

Zitternd stand er im Flur. Er hatte Angst vor seiner Mutter, weil er sie kannte. Sie konnte manchmal sehr schlimm sein, wenn sie sich gestört fühlte oder wenn sie wieder getrunken hatte.

»Warte!« Ihre Stimme klang schrill wie immer, aber nicht so abweisend, wie Martin befürchtet hatte. Sie schien auch nichts getrunken zu haben.

»Ja, ist schon recht, Mummy.« Martin zog sich zurück. Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. Normalerweise gab es in seinem Elternhaus nichts zu lachen, denn hier regierten die Furcht und eine unbekannte Drohung. Unter ihr litt die Mutter ebenfalls. Mochte sie sein, wie sie wollte. Frank Adamic, der Vater, war schlimmer. Er hätte sich Schläger, Schinder, Zyniker und Teufelsfreund schimpfen sollen. Menschen verachtete er. Selbst seine Familie.

Martin würde die Drohungen, die er gegen ihn und seine Mutter ausgestoßen hatte, niemals vergessen. Sie waren so fürchterlich. Frank Adamic hatte mit dem Teufel gedroht und seiner Familie versprochen, sie dorthin zu schicken.

Und an diesem Tag wollte er kommen.

Vielleicht wartete die Mutter deshalb. Eine Uhrzeit gab Frank Adamic nie an. Er stand irgendwann plötzlich in der Tür, schaute aus kalten, bösen Augen die Mitglieder seiner Familie an und fing an, sie zu terrorisieren.

Und immer sprach er von der Hölle. Die Hölle war allgegenwärtig, ebenso der Teufel.

»Irgendwann wirst du beide kennenlernen«, hatte er seinem Sohn Martin versprochen. Vor diesem Tag fürchtete sich der Junge jetzt schon. Jeden Abend quälten ihn die gleichen Gedanken. Auch jetzt, wo er wieder zurück in sein Zimmer ging, über dessen Ausmaße andere Kinder sicherlich gelacht hätten, weil es nicht mehr als ein Verschlag war. Manche Hundehütte war größer als diese Bude und wärmer, denn der alte Ofen funktionierte längst nicht mehr. Eine Zentralheizung besaß das Haus nicht. Die beiden Mieter mussten mit Steinkohle heizen. Nebenan wohnten die Livingstones, ein älteres Ehepaar, das den Winter über meist in wärmeren Regionen verbrachte, Weihnachten ebenfalls, so gehörte das alte Zechenhaus der Familie Adamic allein.

Erst im März würden die Nachbarn zurückkehren.

Martin nahm auf dem alten Bett Platz. Sein Vater hatte es vom Schrottplatz geholt. Die Matratze war feucht, sicherlich schimmelte sie bereits von innen.

Ein wackliger Schrank, einige Spielzeugautos, ein defektes Radio und ein Fenster, das zum Hinterhof hinführte, sodass selbst im Sommer kaum Licht das Zimmer erhellte.

Martin fror. Er trug über dem Hemd eine Strickjacke, die viel zu dünn war. Seine Lehrerin, die einen Sohn in Martins Alter hatte, hatte sie ihm geschenkt. Er hing an ihr, denn es gab nur wenige Menschen, die ihm etwas schenkten, seine Eltern eingeschlossen. Der Mutter konnte er deswegen keinen Vorwurf machen. Das Geld, das sie hin und wieder von ihrem Mann bekam, reichte gerade aus, um die Miete zu bezahlen. Ansonsten herrschte in der Kasse meist gähnende Leere.

Das sollte sich an diesem Tag ändern.

Es war der Heilige Abend, Weihnachten, das Fest der Liebe, das die Menschen zur Farce degradiert hatten, denn es bestand nur mehr aus Hast und Eile.

Martin wusste nicht, was ihm die Mutter gekauft hatte. Es sollte eine Überraschung werden. Dem Jungen war es gleich, was er bekam, Hauptsache, die Mutter schenkte ihm etwas.

Wie ein Kind, das Stubenarrest bekommen hatte, hockte er im dunklen Zimmer. Er zitterte, seine Hände waren kalt. Manchmal bewegte er seine Finger. So hatte er oft gesessen und geweint, und niemand war gekommen, um ihn zu trösten.

Heute weinte er nicht.

Es war ja Weihnachten. Vieles würde anders werden. Er konnte sich diesmal auf seine Mutter verlassen.

Martin war ein blasser Junge. Die Spuren seines wenig erfreulichen Lebens zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Es besaß einen harten Zug, gleichzeitig lag ein ängstlicher und lauernder Ausdruck in seinen Augen, weil Martin gelernt hatte, niemandem zu vertrauen. Erwachsene waren schlecht, bis auf wenige Ausnahmen, wie seine Lehrerin.

Gern hätte er eine Uhr besessen, aber daran war nicht zu denken. Auch die billigsten Chronometer waren für die Familie unerschwinglich.

Zeit verstrich. Sie wurde Martin lang. Er traute sich nicht, noch einmal zu fragen. Erst wenn seine Mutter ihn rief, würde er nach unten gehen.

Er machte kein Licht. Wenn es brannte, sah er immer die nassen Flecken an der Decke und an den Wänden. Es hatte sogar Zeiten gegeben, wo von ihnen Wasser getropft war.

Martin dachte an seine Schulkameraden. Sie alle würden ein tolles Weihnachtsfest feiern und bestimmt mehr bekommen, aber in diesem Jahr würde er ihnen ebenfalls zeigen können, was er bekommen hatte.

Wie in den letzten Tagen so oft, dachte er jetzt darüber nach, was es wohl sein könnte.

Ein Spielzeug? Eine Rennbahn wünschte er sich so sehr.

Wenn er seine Mutter danach gefragt hatte, dann hatte er nur ihr karges Lächeln gesehen. Sie wollte nichts sagen und ließ ihn weiter schmoren.

»Martin!«

Fast hätte er den Ruf seiner Mutter überhört, weil er so in Gedanken gewesen war.

Jetzt aber sprang er hoch, als hätte ihn jemand gestoßen, lief zur Tür und riss sie hastig auf.

»Kann ich runterkommen?«, rief er die Treppe hinab.

»Ja.«

Martin schloss die Tür langsamer. Er konnte es kaum glauben. Seine Lippen zuckten, und er sah so aus, als wollte er jeden Augenblick anfangen zu weinen. Das aber aus Freude.

Tief holte er Luft. Es roch nach Putzmitteln. Selbst das Haus hatte seine Mutter an diesem Tag gesäubert. Es war eben etwas Besonderes, Weihnachten feiern zu dürfen.

Er ließ sich Zeit.

Mein Gott, wie genoss er es, so langsam die Treppe hinunterzugehen. Stufe für Stufe nahm er. Die Treppe kam ihm vor wie eine Himmelsleiter, die direkt ins Paradies führte. Er bemerkte nicht, wie abgewetzt und löchrig der alte Teppich war, der auf den Stufen lag. Für ihn schimmerte er wie pures Gold.

Die Treppe mündete in eine winzige Diele. Zwei Türen führten in verschiedene Zimmer. Einmal in den Wohnraum, zum anderen in das Bad, wo ein Freund eine alte Dusche eingebaut hatte. Daneben stand die Toilette, und die Wände waren grün gestrichen. Auf dem Boden lag ein steifer Teppich, den man besser nicht barfuß betrat.

Die dritte Tür führte aus dem Haus in die enge Straße hinein, wo Menschen wohnten, die vom Leben so gut wie nichts mehr zu erwarten hatten. Die meisten Männer waren arbeitslos. Der Frust regierte, Gewalt und Wut waren an der Tagesordnung.

Heute aber nicht. Heute war der Heilige Abend, da sollten sich die Menschen vertragen. Vielleicht würde sein Vater sogar lachen, wenn er kam. Möglicherweise brachte er ein Geschenk mit.

Martin blieb vor der letzten Stufe stehen und rief nach seiner Mutter.

»Ich bin hier im Zimmer. Komm zu mir, du musst mir helfen.«

»Wirklich?«

»Komm schon!«

Martin wollte seine Mutter nicht enttäuschen. Die letzten Schritte lief er schnell, trat über die Schwelle und sah seine Mutter mitten im Raum stehen. Hinter ihr wuchs der Tannenbaum in die Höhe. Er sah wunderbar aus, denn Brenda hatte ihn mit buntem Papier geschmückt. Sogar Kerzen hatte sie besorgt, sie schauten wie blasse Finger aus den Haltern hervor.

Martins Mutter hatte sich umgezogen. Sie sah so fremd aus in dem roten Kleid, das sie nur zu besonderen Gelegenheiten überstreifte. Es saß eng, Brenda hatte in den letzten Jahren zugenommen. Der Ausschnitt war viereckig, der Hals schimmerte weiß, wie der Ansatz ihres Busens. Das dunkle Haar hatte sie frisiert. Es lag lockig auf ihrem Kopf. Rouge bedeckte die Wangen, die Lippen schimmerten hellrot.

»Willst du nicht näherkommen, Martin?«, fragte sie.

Er hob die Schultern. »Du … siehst so fremd aus.«

»Gefalle ich dir nicht?«

»Doch ja, schon.« Er nickte heftig. Auf keinen Fall wollte er seiner Mutter widersprechen.

Sie drehte sich um, während der Junge ins Zimmer trat. Den alten Tisch hatte seine Mutter verschoben, weil sie Platz für den Baum brauchte.

»Willst du mir helfen, die Kerzen anzustecken?«, fragte sie.

»Ja, gern.«

Die Mutter warf ihm eine Zündholzschachtel zu, die er geschickt auffing.

»Kommt Dad auch?«, fragte er und wunderte sich, dass er sich getraut hatte.

Scharf drehte sich die Mutter herum. »Ich weiß es nicht!«, erwiderte sie hart. »Ich weiß es nicht.«

»Entschuldige, Mummy.«

»Schon gut.«

Gemeinsam begannen sie damit, die Kerzen anzuzünden. Brenda Adamic nahm die oberen, Martin die Kerzen, die unten auf den Fichtenzweigen steckten.

Selbst das Anreiben des Zündholzes besaß für ihn eine gewisse Symbolik. Heute wurde nicht das Feuer im Ofen angezündet, sondern die Flammen der Hoffnung. Vielleicht kamen bessere Zeiten, schlechter konnte es nicht mehr werden.

Beinahe andächtig vertiefte er sich in diese Arbeit.

Dabei schaute er in die Runde, weil er sein Geschenk suchte, fand es aber nicht. Die Mutter hatte es zu gut versteckt.

Sie ging zur Tür und löschte das elektrische Licht, sodass nur mehr die Kerzen brannten.

Sie erfüllten den Raum mit ihrem warmen herrlichen Schein. Selbst die alten Möbel wirkten in dem Licht wertvoll. An der Decke schufen die Lichter helle Kreise, die an den Rändern zerfaserten, sich manchmal berührten und breite Flecken bildeten.

Es roch weihnachtlich. Der Junge hatte den typischen Geruch längst vergessen gehabt, jetzt aber stieg er ihm wieder in die Nase, und seine Augen bekamen vor Freude einen feuchten Glanz.

Brenda ging auf ihn zu und blieb neben ihrem Sohn stehen. »Gefällt es dir, Martin?«

Er schaute seine Mutter an. Ihr Gesicht wurde vom Schein der Kerzen umschmeichelt und hatte einen ganz anderen Ausdruck angenommen.

»Ja, Mummy, es gefällt mir«, antwortete er. »Es ist wie früher, als bei uns noch alles in Ordnung war.«

Verstohlen tastete er nach ihrer Hand und nahm sie zwischen seine kleinen Finger.

So standen sie da und schauten die Kerzen an. Es lief keine Musik. Das Radio hatte ihr Vater irgendwann einmal zum Trödler gebracht, um Geld zu bekommen.

»Sollen wir nicht ein Lied singen, Mummy?«, fragte Martin.

»Welches?«

»Das ist mir egal.«

»Ich kenne die Strophen nicht mehr.« Die Frau seufzte. »Es ist alles so lange her. Ich habe sie vergessen. Weihnachten ist eine ganz andere Welt. So fremd.«

»Aber auch schön, Mummy.«

»Ja, das ist es. Und damit es für dich noch schöner wird, habe ich ein kleines Geschenk.«

Martin tat überrascht. »Ist das wirklich wahr?«

Sie strich ihrem Sohn über den Kopf. »Du kannst es mir glauben, Junge. Warte, ich hole es.«

Sie ließ seine Hand los, wandte sich ab und ging auf den alten Schrank zu, der irgendwann in den Fünfzigerjahren gebaut worden war. Sie hatten ihn geschenkt bekommen.

Martin bekam vor Freude einen roten Kopf. Das war so wunderbar, wie in anderen Familien. Er erlebte das Weihnachtsfest so, wie er es sonst nur aus den Erzählungen seiner Schulkameraden kannte.

Brenda Adamic öffnete eine Schublade. Sie griff tief hinein, weil das Geschenk nach hinten gerutscht war und hinter einigen Schürzen versteckt lag.

Die Erwartung des Jungen steigerte sich. Ein paarmal huschte ein Lächeln über seine Lippen. Er hätte vor Freude weinen können. Dass er so ein Fest noch einmal erlebte, hätte er nie für möglich gehalten. Es machte ihm nichts mehr aus, dass der Vater nicht anwesend war. Martin hatte nur Augen für die Hand seiner Mutter.

Darin lag etwas.

Er konnte nicht erkennen, was es war. Seine Mutter hatte es mit Geschenkpapier umwickelt, aber es war ein flaches Kästchen, und es wirkte auf ihn wie ein großes Paket.

Martin kam sich vor wie in seinen Träumen. Selbst Mutters Stimme klang so weit entfernt, obwohl sie vor ihm stand.

»Nimm es, Junge, es gehört dir, und ich wünsche dir ein fröhliches Weihnachtsfest …«, sagte sie.

Bei jeder Silbe erstickte ihre Stimme mehr. Sie begann plötzlich, zu weinen, und Martin umklammerte ihre Hand sowie das Geschenk gleichzeitig. Er spürte die Kälte der Finger. Er selbst konnte nichts mehr sagen. Seine Kehle war zu.

»Soll ich es wirklich annehmen, Mummy?«

»Es gehört dir.«

Martins Finger zitterten, als er das Päckchen festhielt und es dann öffnete.

Das Papier riss, es knisterte, und Martin schaute auf die flache graue Schachtel mit dem schmalen Deckel, den er vorsichtig anhob. Sein Herz klopfte bis zum Zerspringen, er wischte sich mit einer Hand über die Stirn, die Lippen bebten, im nächsten Augenblick schaute er auf den Inhalt, und sein Blick wurde starr.

Der Junge wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Die Gefühle überwältigten ihn, denn was er vor sich sah, war ein lang gehegter Wunsch.

Es war eine Uhr!

Eine richtige Armbanduhr. Zwar sehr schlicht, nicht teuer, aber für Martin ging damit ein Traum in Erfüllung. Jetzt stand er nicht mehr zurück, jetzt brauchte er niemanden mehr nach der Uhrzeit zu fragen. Er blickte seine Mutter hinter einem Schleier aus Tränen an.

Brenda hatte den Arm erhoben. Auch sie weinte. Sie liebte ihren Sohn und hatte ihm nichts Positives bieten können.

Aber jetzt dies.

»Mummy …« Martin holte tief Luft. »Mummy, das kann ich nicht begreifen. Ist die Uhr wirklich für mich?«

»Ja, sie gehört dir.«

Er lächelte. Das offene Päckchen lag auf seiner linken Handfläche. Mit den Fingern der Rechten nahm er die Uhr behutsam hervor, schaute sie an und sah das auffordernde Nicken der Mutter.

Martin legte das Päckchen auf den Tisch und wollte die Uhr umlegen, als beide zusammenzuckten, denn jemand hatte die Haustür so wuchtig aufgetreten, dass sie mit der Klinke gegen die Wand geprallt war.

Brenda Adamic erstarrte. »Mein Gott, Dad kommt!« Sie sagte es voller Angst, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

Im Gegensatz zu Martin, er sagte nur: »Du hast ihn doch erwartet.«

»Schon, aber …« Sie ging auf ihn zu. »Schnell, weg mit der Uhr! Dad muss sie nicht sehen.«

Als Martin nicht sofort reagierte, war sie bei ihm und legte die Uhr unter den Baum.

Frank Adamic stand bereits in der Tür, lachte, und dieses Lachen ließ die beiden herumfahren.

Sie glaubten, sich in einen Film versetzt zu sehen. Zwar stand Adamic im Zimmer, aber er hatte sich verkleidet, denn er war als Weihnachtsmann erschienen und fragte mit höhnisch klingender Stimme: »Darf ich bei euch mitfeiern?«

***

»Aber sicher, Dad!« Martin waren die Worte so herausgerutscht, und er vernahm abermals das harte Lachen seines Vaters, das einen bösen Unterton angenommen hatte.

Sein weißer Kunstbart bewegte sich. Aus der Watte wehte Martin und seiner Mutter eine Alkoholfahne entgegen. Wenn Frank getrunken hatte, konnte er sehr schlimm werden.

Der Weihnachtsmann trug einen roten Mantel, der Flecken hatte. An den Säumen war das Kleidungsstück weiß abgesetzt. An den Stiefeln klebte der Schmutz, die Kapuze saß schief auf dem Kopf. Der gesamte Mann wirkte irgendwie lächerlich, aber das durfte man ihm nicht ins Gesicht sagen.

»Na, gefalle ich euch?«, fragte er höhnisch.

Brenda hatte sich wieder gefangen. »Was soll die ganze Verkleidung, Frank?«

»Wieso? Was hast du? Heute ist doch Weihnachten. Das Fest der Liebe und der Überraschungen.«

»Du siehst lächerlich aus.«

Adamic grinste nur. »Ob lächerlich oder nicht, das ist mir egal. Ihr habt mich eingeladen, mit euch Weihnachten zu feiern. Dieser Einladung bin ich gefolgt. Oder willst du mich nicht mehr haben, mein Sohn?«

»Doch, Dad, doch.«

»Das ist ja fein. Dann bin ich also gerade rechtzeitig gekommen.« Er ging einen Schritt nach rechts. Seine Bewegung wirkte schwerfällig. Wahrscheinlich war es für ihn ungewohnt, diese klobigen Stiefel zu tragen. Er stützte sich an einer Kommode ab und schaute auf den Baum. »Selbst die Kerzen brennen. Toll. Du scheinst ja viel Geld für diesen Krempel ausgegeben zu haben, Brenda.«

»Bitte, Frank, sag so etwas nicht. Heute ist Heiligabend. Ich möchte einmal im Jahr Frieden haben.«

»Du?« Er lachte sie giftig an. »Du hast doch immer deinen Frieden. Du bist froh, wenn ich nicht zu Hause bin …«

»Das stimmt nicht, Dad.« Martin wunderte sich, woher er den Mut nahm, ihm zu widersprechen. »Wir hätten gern den Vater im Haus. Aber du bist nicht da. Und wenn, dann sehen wir dich nur betrunken. Dann tobst du, dann schlägst du uns.«

Wieder bewegte sich der Bart, als der Mann grinste. »Und? Was soll das? Ihr habt nichts anderes verdient. Wenn ich weg bin, habe ich zu tun. Da, heute wollte ich euch überraschen. Wie werde ich empfangen? Mit Vorwürfen. Mit verdammten Vorwürfen. Das finde ich überhaupt nicht gut, ihr beiden.« Er ignorierte Brenda und kam auf seinen Sohn zu. »Na, Martin, hat es dir gefallen?«

»Ja, Dad!« Der Junge schaute in das Gesicht seines Vaters. Über dem Bart erkannte er die böse blickenden Augen und die Falten auf der Stirn.

»Wie schön für dich, mein Junge.« Er schlug seinem Sohn mit zwei Fingern wie spielerisch gegen die Wange. Die Hände waren schmutzig, so wie der gesamte Kerl.

Martin hatte sich nicht gerührt. Er starrte seinem Vater starr ins Gesicht.

»Du bist aber nicht freundlich zu mir, Junge«, flüsterte dieser. »Überhaupt nicht. Hat man dir zum Fest wenigstens etwas geschenkt?«

Martin nickte. Er sah nicht, wie seine Mutter die Hände faltete. Sie kannte ihren Mann besser und wusste, worauf die Frage zielte.

Die nächste setzte Adamic sofort nach. »Was hat man dir denn geschenkt, mein Kleiner?«

»Eine Uhr.«

Adamic tat, als würde er ins Staunen geraten. »Eine Uhr? Das ist ja toll.«

»Finde ich auch.«

Brenda konnte es nicht länger aushalten. »Bitte, Frank, lass den Jungen in Ruhe!«

Scharf drehte der Mann den Kopf. »Halte du dich raus, du Schlampe! Zu dir komme ich noch.«

Brenda schluckte. Ihr Gesicht glich plötzlich einer Maske aus Marmor. So weiß war es. Sie sagte nichts mehr, aber der Schrecken drang intervallweise in ihr hoch.

»So, eine Uhr hast du bekommen«, wiederholte Adamic. »Das ist ja toll. Kann ich sie mal sehen?«

Martin nickte und holte sie. Er ahnte nichts Böses, als er die Uhr seinem Vater auf die offene Handfläche legte.

Der grinste wieder. »Toll«, sagte er. »Wirklich toll.«

Martin überhörte den Zynismus in der Stimme und nickte. »Ja, das finde ich auch, Dad.«

»So eine tolle Uhr habe ich noch nie besessen. Deine Mutter muss viel Geld haben.«

»Ich habe gespart, Frank. Sie war nicht teuer!«, rief Brenda mit schrill klingender Stimme.

»Mir schenkst du nie so etwas.«

»Es tut mir leid, aber …«

Martin merkte, dass sich etwas Schlimmes anbahnte. Er wollte Frieden stiften. »Dad, wenn du die Uhr haben willst, dann gebe ich sie dir. Wirklich, du kannst sie behalten.«

Er schüttelte den Kopf. Die Mütze verrutschte und fiel nach hinten. Das schwarze Haar lag frei. An der Stirn war es bereits gelichtet, dafür fiel es lang in den Nacken, wo es sich wellte. Der Mann machte einen ungepflegten Eindruck.

»Nein«, sagte er, »die will ich gar nicht haben. Ich brauche keine Uhr. Aber du ebenfalls nicht, mein Junge.«

»Wieso?«

In die Augen des Mannes trat ein sadistischer Ausdruck. Er ließ die Uhr über seinen Handteller rutschen und fing sie schließlich mit zwei Fingern auf. So baumelte sie, und der Mann wiederholte seine Bemerkung.

»Wirklich, du brauchst sie nicht.« Mit diesen Worten ließ er sie fallen.

Obwohl sie mit normaler Geschwindigkeit dem Boden entgegenfiel, hatte der Junge den Eindruck, als würde sie immer langsamer. Aber er konnte sich nicht bewegen. Er sah die Uhr am Boden liegen und sah auf das Zifferblatt. Auf dem Glasdeckel tanzte der Lichtreflex einer Kerze.

Frank Adamic lachte leise. »Willst du sie nicht aufheben, Martin? Los, heb sie auf!«

Misstrauen keimte in dem Jungen auf. »Ich weiß nicht, ich …« Er schaute zu seiner Mutter, die mit einem sto­ischen Gesichtsausdruck an der Kommode lehnte und sich nicht rührte. Sie sah aus, als würde sie lautlos weinen.

»Na komm schon, Junge, heb sie auf. Bück dich mal. Oder soll ich dir dein Gesicht auf den Boden drücken?«

»Frank, bitte …«

»Maul halten, Brenda!«

Martin spürte, dass Gewalt in der Luft lag, und er wollte alles tun, um sie zu vermindern. Er nickte und flüsterte: »Ja, Dad, ich werde sie aufheben.«

Während er in die Knie ging und den Oberkörper vorbeugte, streckte er die Hand aus. Dabei schielte er zur Seite und sah die Beine seines Vaters vor sich.

Der rechte Fuß bewegte sich. Auf einmal kam ihm der schmutzige Stiefel riesengroß vor. Viel zu groß für die Uhr, über die er sich gesenkt hatte.

»Dad, nein!«

In den Schrei des Jungen klang das Lachen des Vaters und übertönte ihn. Es brach ab, als er die Uhr zertrat.

Brechendes Glas verursachte ein Geräusch, das den Jungen wie eine Messerspitze mitten in die Brust traf. Er hörte es, Schwindel erfasste ihn, er schloss die Augen, nahm den leisen Schrei der Mutter wahr, und als er die Augen öffnete, da entdeckte er, wie sein Vater den Fuß drehte.