John Sinclair Sonder-Edition 72 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 72 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Wen aus den Reihen der Teufelsdiener selbst die Hölle verfluchte, schickte Satan nach Deadwood. Bis in alle Ewigkeiten sollten sie in den hängenden Särgen dieser Geisterstadt vermodern.

Gehört hatte ich schon von Deadwood. Als ich nach nervenaufreibender Suche an diesem Ort eintraf, stand ich plötzlich waffenlos einem furchtbaren Gegner gegenüber ...

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EPUB

Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Deadwood – Stadt der Särge

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5936-7

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Deadwood – Stadt der Särge

von Jason Dark

Jane Collins wusste, dass in dieser Nacht etwas passieren würde. Es gab keinen besonderen Grund für diese Annahme, auch wenn der Abend einen für sie etwas ungewöhnlichen Lauf genommen hatte, denn sie war mit John Sinclair ausgegangen. Sie hatten sich in einem netten Lokal getroffen, etwas gegessen, über gewisse Dinge gesprochen, die sie einmal gemeinsam erlebt hatten, und Jane hatte ihm erzählt, dass sie sich bei der Horror-Oma Sarah Goldwyn sehr wohl fühlte.

Es war also ein gewöhnliches Treffen unter Freunden gewesen. Jane war dann mit dem Taxi nach Hause gefahren, hatte sich ausgezogen, in ihr Bett gelegt, war eingeschlafen, wieder erwacht und wusste nun, dass etwas geschehen würde.

Sie saß im Bett und versuchte, in dem dunklen Zimmer etwas zu erkennen.

Alles schien normal zu sein, und doch spürte sie den Druck, der unterschwellig auf ihrer Seele lastete und das Gefühl der Angst in ihr hochtrieb. Es war wirklich nicht warm in dem Zimmer, aber sie schwitzte trotzdem.

Jane lauschte in die Finsternis. Im Haus selbst war alles ruhig. Sarah Goldwyn schlief einige Räume weiter. Die alte Dame hatte einen gesunden Schlaf. Sie ging stets früh zu Bett und stand leider ebenso früh wieder auf.

Jane ignorierte diese Warnung keineswegs. Sie, die ehemalige Hexe, wusste mehr als die meisten Menschen. Sie kannte Dinge, vor denen sich andere fürchteten oder sie nicht einmal auszusprechen wagten. Jane wusste über fremde Welten und Dimensionen Bescheid und hatte selbst die schrecklichsten Erlebnisse hinter sich. Erst in letzter Zeit war sie etwas zur Ruhe gekommen, dank Sarah Goldwyn, bei der Jane Collins wohnte.

Die Warnung traf sie nicht unvorbereitet, aber doch ein wenig überraschend, und sie wollte diesem Phänomen auf den Grund gehen. Deshalb schwang sie die Beine aus dem Bett, schlüpfte in die flauschigen Hausschuhe und griff zum dünnen Morgenmantel, der über der Stuhllehne hing. Erst als sie das Kleidungsstück übergestreift hatte, begab sie sich zum Fenster.

Jane hatte sich für das rechte der beiden Fenster entschieden. Wenn sie durch die Scheiben blickte, konnte sie den Vorgarten übersehen und bis zur Straße schauen, wo die alten Bäume wuchsen, deren herbstlich gefärbte Blätter tagsüber beinahe so leuchteten wie das Licht der Straßenlaternen.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war Geisterstunde, Mitternacht war gerade vorbei. Jane wusste aus Erfahrung, dass man diese ersten sechzig Minuten eines Tages nicht umsonst so bezeichnete.

Im Garten war es ruhig. Hin und wieder strich ein Windzug über das kleine Gelände und spielte mit dem Blattwerk der Büsche. Einige nur noch lose hängende Blätter fielen ab und bedeckten das satt wirkende Grün des Rasens. Ein normaler Mensch hätte sich möglicherweise mit diesem einen Blick zufriedengegeben, aber keine Jane Collins. Nicht, dass sie unnormal gewesen wäre, doch das warnende Gefühl hatte sie auf keinen Fall vergessen oder verdrängt.

Ein Wagen rollte am Haus vorbei. Zuerst erschien der Lichtteppich und strich geisterhaft über den Asphalt der Straße. Den Heckleuchten schaute Jane hinterher. Sie erinnerten sie an eckige, blutgefüllte Glotzaugen.

Ruhe kehrte ein.

Jane wollte es genau wissen und öffnete das Fenster. Sie schlief in der ersten Etage des Hauses.

Wind strich in ihr Haar, als wollte er es kämmen.

Weiter entfernt, bestimmt schon nahe der Kreuzung, vernahm sie die Stimme eines Mannes. Was er sagte, war nicht zu verstehen. Es musste etwas Witziges gewesen sein, denn eine Frau begann, zu lachen.

Abermals legte sich die nächtliche Ruhe über die Straße. Jane schaute nach wie vor aus dem Fenster. Mittlerweile wurde ihr doch kühl. Sie schalt sich eine Närrin, als sie die Schritte hörte.

Nächtliche Schritte waren nichts Ungewöhnliches. Im Zusammenhang mit der Warnung jedoch sah Jane die Dinge ganz anders. Außerdem störte sie der Rhythmus der Geräusche.

Wenn jemand normal geht, hört man es an der Regelmäßigkeit der Schritte. In dieser Stunde war es anders. Der Unbekannte, der auf das Haus zulief, zog ein Bein nach. Das Laufen bereitete ihm große Mühe.

Plötzlich spürte sie die Kühle der Nacht nicht mehr. Spannung hielt sie erfasst und sorgte für eine innerliche Wärme. Sie wollte wissen, welche Person an diesem Haus vorbeiging, denn sie rechnete damit, dass deren Auftauchen mit der Warnung zusammenhing, die ihr Unterbewusstsein gemeldet hatte.

Lauter wurden die Schritte kaum, dennoch glaubte Jane, dass die Gestalt jeden Augenblick den Lichtschein der Laterne durchqueren würde.

Dann sah sie die Person.

Es war ein Mann, so viel konnte Jane erkennen. Er hielt sich allerdings nahe der Vorgärten, sodass der Laternenschein ihn fast nicht erreichte.

Beinahe gemächlich schlurfte er heran – und er hinkte!

Jane schloss das Fenster so leise wie möglich, um nicht gesehen zu werden.

Der Fremde ging weiter. Leider hatte er die Hutkrempe so tief im Gesicht, dass Jane ihm nicht in die Augen schauen konnte. So dunkel wie der Hut war der Mantel des Mannes, der zur unteren Hälfte hin weit aufschwang und wie eine Glocke aus Stoff wirkte.

Jane wohnte schon etwas länger bei Sarah Goldwyn. Sie kannte inzwischen die Gegend und die meisten Menschen, die in der Nähe lebten. Diesen hinkenden Mann aber hatte sie nie zuvor gesehen. Er schien nicht aus von hier zu stammen oder hielt sich tagsüber im Haus verborgen.

Jedenfalls blieb er plötzlich stehen!

Für Jane Collins gab es keinen vernünftigen Grund, vor Lady Sarahs Haus stehen zu bleiben. Der Fremde aber hielt sich direkt vor dem Gartentor auf.

Und dort blieb er. Er beugte seinen Oberkörper vor und wirkte so, als wollte er sich ausruhen.

Danach drehte er sich langsam um.

Die schlimmen Ereignisse der Vergangenheit hatten Jane Collins sensibilisiert. Sie wusste immer, wann eine Gefahr drohte, und in diesen Augenblicken glaubte sie, sie zu spüren. Jane atmete schneller und presste ihre Hand aufs Herz.

Weshalb war der Mann stehen geblieben? Was wollte er von ihr? Diese Fragen stürmten auf sie ein. Gleichzeitig ärgerte sie sich, dass sie darauf keine Antwort wusste. Auch der Fremde tat nichts dazu, dies zu ändern. Er starrte auf das Haus, suchte es nach etwas ab. Das war keine natürliche Neugierde mehr!

Wie lange er stand und sich das Haus anschaute, wusste Jane nicht zu sagen. Zeit war plötzlich bedeutungslos geworden. Sie hatte sich zurückgezogen, aber gleichzeitig einen Plan gefasst, der gefährlich werden konnte.

Jane hatte vor, den Fremden anzusprechen. Nicht vom Fenster aus, nein, sie wollte das Haus verlassen und durch den Garten auf ihn zulaufen. Dann würde es sich zeigen, ob er etwas Unrechtes im Sinn hatte.

So leise wie möglich eilte Jane durchs Haus. Sie wollte Lady Sarah auf keinen Fall wecken. Die Treppen bestanden aus Holz, deshalb war es schwer, lautlos über die Stufen zu laufen. Im Flur vor der Haustür klappte es besser.

Lady Sarah Goldwyn war eine Frau, die vorsorgte. Selbst beim Abschließen ihres Hauses. Sie hatte die Tür mit drei Schlössern bestücken lassen. Jane besaß ebenfalls einen Schlüssel. Mit zitternden Fingern schloss sie auf.

Urplötzlich war sie nervös geworden, weil sie befürchtete, dass der Fremde die Geräusche gehört hatte.

Jane beging nicht den Fehler, die Tür mit einem heftigen Ruck zu öffnen. Behutsam ging sie vor. Durch einen Spalt lugte sie in die nächtliche Dunkelheit, wo sich die Büsche des Vorgartens im Wind wiegten. Den Mann sah sie nicht, deshalb öffnete sie die Tür. Ihr Blick fiel auf das Gartentor, wo der gepflasterte Weg abschloss. Dahinter hätte sich die Gestalt des Mannes abzeichnen müssen, aber der Fremde war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt, sodass Jane fast an einen Traum hätte glauben können.

Nein, das nicht, sagte sie sich und lief trotz der Kühle aus dem Haus. Der Vorgarten war nicht besonders groß. Das Tor hatte sie bald erreicht. Von dieser Stelle aus konnte sie rechts und links des Gehsteigs entlangschauen.

Dank der Laternen hätte sie den Fremden sehen müssen, aber der Gehsteig war menschenleer.

Tief atmete Jane ein. Ihre Handflächen waren feucht.

Der Fremde brauchte nicht unbedingt verschwunden zu sein. Er konnte sich ebenso gut zwischen den Büschen des Vorgartens oder hinter einem Baum versteckt halten.

Dies gefiel Jane Collins überhaupt nicht. Sie wollte so rasch wie möglich wieder zurück und achtete diesmal nicht darauf, möglichst leise zu gehen. Die Arme hielt sie vor der Brust verschränkt, die langen, blonden Haare wehten. In ihrem hellen Morgenmantel wirkte sie wie ein durch die Nacht eilendes Gespenst. Mit der Schulter drückte sie die Haustür auf, lief in den düsteren Flur – und erschrak, als sie einige Schritte entfernt die Gestalt stehen sah.

Ein leiser Schrei drang über ihre Lippen. Danach vernahm sie die beruhigende Antwort.

»Du brauchst dich nicht zu erschrecken, Kind. Ich bin es nur.«

Jane lachte unnatürlich auf. »Sorry, Sarah, ich hatte dich nicht gesehen.«

»Jaja, manchmal muss man eben leise sein, liebe Jane. Du bist es gewesen.«

Jane nickte. »Ja, wie ich.«

»Was ist geschehen?«, fragte die Horror-Oma mit besorgt klingender Stimme.

Jane lehnte sich gegen die Wand. Sie strich die Haare zurück und blickte Sarah Goldwyn an, die im Schein der Flurleuchte stand. Sie hatte sich ebenfalls einen Morgenmantel übergeworfen, ein geblümtes Etwas mit völlig unmodernem Kragen. Sie trug ihre Schlafhaube, aber sie hatte sich bereits die Brille aufgesetzt.

»Ich wurde plötzlich wach. Irgendetwas warnte mich.«

Lady Sarah war interessiert. »Eine innere Warnung? Das Unterbewusstsein?«

»Ja.«

Die Horror-Oma hob warnend den Finger. »Das sollte man auf keinen Fall unterschätzen, Kind.«

»Habe ich auch nicht getan. Deshalb bin ich aufgestanden, öffnete das Fenster und …« Jane berichtete. Sie sprach schnell, malte nichts aus, zeigte sich aber dennoch im Nachhinein unangenehm berührt, dass der hinkende Fremde verschwunden war.

Lady Sarah hob die Schultern. »Das ist eine ungewöhnliche Geschichte. Er war wirklich weg?«

»Wie in Luft aufgelöst.«

»Dafür kann man natürlich eine normale Erklärung finden. Es gibt hier genügend Bäume, hinter denen man Deckung finden kann. Das braucht also alles nichts zu bedeuten, und ich glaube nicht daran, dass er sich in Luft aufgelöst hat. Soll ich selbst nachschauen?« Die Horror-Oma hatte keine Angst, sie trug ihren Spitznamen zu Recht.

»Wenn du willst.«

»Hast du eine Waffe an ihm entdeckt?«, fragte Sarah Goldwyn, als sie bereits auf die Haustür zuging.

»Nein, nicht einmal einen Krückstock.«

Die Horror-Oma verließ das Haus. Jane blieb in der offenen Tür stehen und schaute der alten Dame nach, wie sie durchs Tor ging und ihre suchenden Blicke nach rechts und links schickte. Bald kam sie wieder zurück. Sie hob erneut die Schultern.

»Nichts zu sehen von dem Kerl«, sagte sie.

»Das dachte ich mir.« Jane schob die Tür wieder zu. »Du kannst mit der Beschreibung auch nichts anfangen, oder?«

Sarah Goldwyn überlegte. »Meinst du, ich müsste ihn gesehen haben?«

»So ungefähr.«

»Nein, Jane. Ich kenne den Mann nicht. Ich kenne überhaupt keinen Menschen aus dieser Umgebung, der hinkt. Der Mann ist fremd hier, er kann natürlich völlig harmlos sein.«

Jane schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er wäre sonst nicht vor dem Haus stehen geblieben und hätte sich so intensiv die Fassade angeschaut.«

»Das allerdings. Und was ist deine Meinung?«

»Die Warnung hängt mit seinem Auftauchen zusammen. Dieser Fremde hat irgendetwas vor. Und zwar nur mit mir, du hast die Warnung ja nicht bekommen.«

»Kennst du einen Grund?«

»Nein, das ist es ja. Es kann nichts mit den vergangenen Stunden zu tun haben. Ich war zwar mit John Sinclair zusammen, doch der Abend ist völlig normal verlaufen. Es hat nichts zwischen uns gegeben. Keinen Streit, wir haben nicht einmal groß über Johns Fälle gesprochen und mein Schicksal nur am Rande erwähnt.« Jane lächelte. »Das Essen war einfach zu gut. Da konnte man nur auf positive Gedanken kommen.«

Lady Sarah streichelte über Janes Wangen. »Und die solltest du weiterhin behalten, mein Kind. Positive Gedanken sind wichtig. Lass dich nicht verrückt machen!«

»Ich versuche es.«

Die Horror-Oma schaute auf die Uhr. »Schon eine Stunde nach Mitternacht. Ich für meinen Teil lege mich hin. Das solltest du ebenfalls, Jane.«

»Sicher.«

Hintereinander stiegen die beiden Frauen die Treppenstufen hoch. In der ersten Etage lagen die Schlafzimmer, und Jane brachte Lady Sarah bis an das alte Bett, für das mancher Antiquitätenhändler einige Scheine hingeblättert hätte.

»Mach dir keine Sorgen, Kind. Morgen werden wir herausbekommen, woher der Mann stammt.«

»Ja, danke.«

»Gute Nacht, Kind.«

»Gute Nacht.«

Die ehemalige Hexe verließ das Zimmer der Horror-Oma. Beruhigt war Jane natürlich nicht. Sie gab zu, dass ihr das Auftreten des hinkenden Unbekannten Furcht eingeflößt hatte. Er war ein unheimlicher Typ gewesen, hatte zwar kein Wort gesprochen, trotzdem war es Jane vorgekommen, als wollte er ihr Leben.

Sie schüttelte sich, bevor sie die Tür öffnete, trat über die Schwelle – und blieb wie angewurzelt stehen.

Ihre Augen wurden groß. Angst weitete den Blick weiter. Was sie dort sah, war unbegreiflich, unfassbar, und sie spürte, wie ihre Knie zu zittern anfingen …

***

Gezahlt hatte ich bereits, Jane war schon weg – sie hatte sich ein Taxi genommen –, aber ich war allein am Tisch sitzen geblieben und schaute ins Kerzenlicht.

Lautlos war der Ober an meinen Tisch getreten.

Er beugte sich leicht vor. »Kann ich noch etwas für Sie tun, Sir?«, erkundigte er sich mit höflicher Stimme.

»Die Rechnung können Sie mir bringen.«

»Sofort, Sir.« Er verschwand ebenso lautlos, wie er gekommen war.

Ich nahm das Weinglas, drehte es zwischen den Händen und schaute auf die rote Flüssigkeit. Meinen Leih-Rover hatte ich in der Garage gelassen. An einem Abend wie diesem wusste man nie genau, wie viel man trank. Da war es besser, man bestellte sich ein Taxi.

Jane und ich hatten vorzüglich gegessen. Dieser Italiener hatte sich in Soho einen guten Ruf erworben. Auch der Wein war prächtig. Ein Gewächs aus der Toskana, das direkt ins Blut ging. Es passte zu der Atmosphäre des Lokals, wo man ungestört saß. Es war alles gedämpft. Der Innenarchitekt hatte die Lampen so aufgestellt, dass sie angenehme Lichtinseln schufen.

Der Ober kam mit der Rechnung. Sie lag in einer kleinen Truhe, deren Deckel ich anheben musste. Der Betrag war nicht gerade niedrig, aber gutes Essen hat eben seinen Preis. Ich legte ein Trinkgeld hinzu und dachte daran, dass Jane viel zu früh gegangen war, als hätte sie Furcht davor gehabt, länger mit mir an diesem Tisch zu sitzen.

Sicher, es war nicht so wie früher zwischen uns beiden, und es würde nicht mehr so werden, weil niemand von uns die Vergangenheit vergessen konnte, ich aber begegnete Jane so normal wie möglich, was umgekehrt nicht der Fall war. Jedenfalls hatte ich den Eindruck.

Ich nahm das Weinglas, lehnte mich zurück und trank den letzten Schluck.

Danach stand ich auf, strich meine Flanelljacke glatt und ging zur Garderobe, wo mein Mantel hing. Der Ober war schon zur Stelle und half mir hinein.

»Beehren Sie uns bald wieder, Sir«, sagte er zum Abschied und fragte, ob er ein Taxi rufen könne.

»Danke, sehr freundlich. Das finde ich schon.«

»Gute Nacht, Sir.«

Ich drückte die Rundbogentür auf und hielt mein Gesicht in die Kühle des späten Abends. Der Himmel war bedeckt. Leuchtreklamen malten ein buntes Muster. Autos fuhren, auf den Gehsteigen herrschte selbst jetzt noch Betrieb, wir hatten wider Erwarten einen wunderbaren Herbst bekommen. Den Mantel hatte ich nicht geschlossen. Gemächlich, die Hände in den Hosentaschen, schlenderte ich den Gehsteig hinab und sah aus wie ein Mann, der tief in Gedanken versunken war. Nicht so fröhlich und manchmal aufgedreht wie die Passanten, die mir entgegenkamen.

Taxis gab es in London genug. Wer keines fand, der musste blind sein.

Obwohl es bis zu meiner Wohnung nicht allzu weit war, hatte ich keine Lust, zu laufen. Ich winkte einen Wagen herbei und warf mich in den Fond.

»Wohin, Mister?«

Ich nannte die Adresse.

»Ist gut.«

Der Driver war schweigsam. Londoner Taxifahrer sind sowieso Typen für sich. Die reden nicht besonders viel, und sie zeigen oft genug, wie sympathisch oder unsympathisch ihnen ein Fahrgast ist. Meiner reagierte überhaupt nicht. Ich schien ihm egal zu sein.

Ich schaute aus dem Fenster. Soho ist ein Stadtteil, in dem man gut leben kann. Es gibt nicht nur die Bars und Pornoshops, hier wohnen auch normale Menschen, die gern feiern, essen gehen und sich oft genug künstlerisch betätigen.

Soho befand sich im Umbruch. In einigen Jahren würde es sich bestimmt aus den Schatten der Vergangenheit gelöst haben, obwohl diese nach wie vor vorhanden waren.

Wir hielten an einer Ampel. Ich blickte den Menschen nach, die über die Straßen liefen. Ein buntes Völkchen. Da sah jeder anders aus, da zog sich jeder anders an, und niemand nahm Anstoß daran. London war tolerant.

Der Fahrer startete, als die Ampel noch gelb zeigte. Zwei dunkelhäutige junge Männer, bunt angezogen wie Punker, überquerten die Straße im Breakdance-Rhythmus. Dabei streckten sie uns die Zungen raus und machten durch obszöne Gesten auf sich aufmerksam. Der Driver fuhr einfach an. Die Typen sprangen schnell zur Seite und schimpften hinter uns her. Was der Driver erwiderte, verstand ich nicht. Komplimente waren es auf keinen Fall.

Ich wohnte in einem Hochhaus, das auf der Grenze zu Soho lag. Obwohl es meine Wohnung beherbergte, empfand ich den Kasten als Schandfleck. Ich fühlte mich trotzdem wohl.

Für mich war es eine völlig gewöhnliche Fahrt. Ich hatte es mir im Fond bequem gemacht und die Beine seitlich ausgestreckt. Ich spürte die Wirkung des Weins. Er hatte ein warmes Gefühl in meinem Innern aufkommen lassen, eine gewisse Leichtigkeit hatte sich meiner bemächtigt. Die großen Probleme waren plötzlich weit entfernt. In dem Taxi kam ich mir irgendwie geborgen vor.

Soho verwandelte sich für mich in eine bunte, schattenhafte Fantasielandschaft. Ich sah und sah trotzdem nicht. Die Geräusche waren so weit entfernt. Müdigkeit kroch durch meine Glieder, aber ich fühlte schon jetzt Nachdurst und nahm mir vor, einen kräftigen Schluck Mineralwasser zu trinken, wenn ich in meiner Wohnung war.

Als der Fahrer bremste, wurde ich aus meinen seligen Träumen gerissen. Trotz der geringen Geschwindigkeit setzte ich zum Flug nach vorn an, aber der Gurt hielt mich. Als ich wieder zurück in den Sitz sank, hörte ich den Fahrer fluchen.

»Was ist denn?« Ich war plötzlich hellwach.

Wir standen. Ohne sich umzudrehen, sagte der Fahrer. »Schauen Sie sich diesen Idioten an.«

Ich blickte an der Schulter des Mannes vorbei. Zuerst sah ich kaum etwas. Die Straße war zu dunkel, dann aber erschien die Gestalt im Scheinwerferlicht.

Sie schob sich von der rechten Seite her in das Licht, und mir fiel sofort der Gang dieses Mannes auf sowie die ungewöhnliche Kleidung.

Der Mann hinkte!

Er zog das linke Bein nach, setzte dann jedoch seinen Fuß noch einmal hart auf, als wollte er demonstrieren, dass sein Hinken überhaupt nicht so schlimm war.

Von seinem Gesicht war ebenso wenig etwas zu erkennen wie von seinem Körper. Ihn verbarg ein langer Mantel, der bis zu den Füßen reichte.

»Der ist nicht nur provokativ, der ist schon unverschämt!«, schimpfte der Fahrer und stieg aus.

Ich beobachtete, wie er um den Wagen herumlief und mir die Sicht auf den Fremden nahm. Kaum war er in den Bereich der Scheinwerfer geraten, blieb er wie angewurzelt stehen. Es störte ihn nicht, dass hinter ihm jemand hupte und sich andere Fahrzeuge an uns vorbeischoben. Der Fahrer wirkte wie jemand, der einen Geist gesehen hatte. Sein Gesicht hatte einen dümmlichen Ausdruck angenommen.

Irgendetwas stimmte da nicht. Ich sah den hinkenden Fremden nicht mehr, öffnete die Tür und stieg aus. Ich hatte den Driver kaum erreicht, als sich dieser umdrehte.

»Mister, verdammt, Sie haben ihn doch ebenfalls gesehen, oder nicht?«

»Den Mann?«, fragte ich.

»Genau.« Er streckte den Arm aus und wies mit dem Zeigefinger dorthin, wo die Gestalt gestanden hatte. »Sehen Sie ihn? Ich nicht. Der ist blitzschnell verschwunden. Als wäre er geplatzt.« Der Driver »zeichnete« mit beiden Armen einen Kreis in die Luft. »Können Sie sich das vorstellen?«

»Kaum.«

»Ich nicht.« Er wischte sich durchs Gesicht. »So etwas ist mir noch nie passiert, und ich fahre schon über zehn Jahre in dieser verdammten Stadt herum.«

»Nehmen Sie es nicht so tragisch. Vielleicht hat er uns das Hinken nur vorgespielt und ist weggelaufen.«

Der Driver schlug mit beiden Händen auf seine Oberschenkel. »Aber ich hätte ihn doch sehen müssen, verdammt. Zumindest wegrennen, Sie verstehen?«

»Sicher.«

»Das war bestimmt ein Geist.«

Ich winkte ab. »Darüber sollten wir uns jetzt keine Gedanken machen, Mister.«

»Hat auch keinen Sinn. Okay, steigen Sie wieder ein.«

Ich nahm wieder Platz. Der Fahrer schimpfte eine Weile, ich aber hörte nicht hin, denn mich hatte das Verschwinden des Fremden ebenfalls nachdenklich gemacht. Der Fahrer hatte von einem Geist gesprochen. Das traf meiner Ansicht zwar nicht den Kern des Problems, aber etwas Geisterhaftes hatten das Auftauchen und das Verschwinden schon gehabt.