John Sinclair Sonder-Edition 73 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 73 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Wer Sorgen hat, der geht zu Harry!

Dieses geflügelte Wort hatte unter den Reichen an der Côte d’Azur Furore gemacht. Was im Jetset Rang und Namen hatte, weinte sich bei Harry aus.
Und Harry hörte zu. Aufmerksam - bis die Reichen plötzlich tot waren.

Dann stand Harry wieder an der Bar und mixte seine Cocktails. Am liebsten die mit einem Schuss Höllenblut, nach Satans Rezept!
Denn Harry war einer seiner treuesten Diener ...

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EPUB

Seitenzahl: 168

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Harrys Höllen-Cocktail

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5939-8

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Harrys Höllen-Cocktail

von Jason Dark

Den Mann muss ich töten!, dachte Harry dachte, lächelte breit und schnippte mit den Fingern, als er den Gast an der Tür stehen sah.

»Siesta?«, fragte dieser. Er war Spanier, reich und viermal geschieden. Sein Geld hatte er mit der Herstellung und dem Verkauf von Olivenöl verdient.

»Nicht für dich, Ramon.«

»Dann komme ich.« Er nickte, löste sich von der Tür und glättete die Falten seines gestreiften und leicht zerknitterten Anzugs. Es war niemand im Lokal, die chromglitzernde Bar zog ihn wie magisch an.

Harry erwartete ihn.

An der Côte d’Azur war Harry eine Institution. Wer Probleme hatte, der ging zu Harry, denn er hatte stets Zeit, er hörte zu, gab Ratschläge, beugte sich hin und wieder zu einem Gast über die Bar, flüsterte ihm etwas ins Ohr, zog dabei ein bedeutungsvolles Gesicht, sodass andere Gäste neidisch wurden und sich wünschten, Harry möge auch mit ihnen so sprechen.

Harry war modern. Er war in und lächelte immer. Es gab da allerdings einige Abstufungen. Das Lächeln konnte völlig unverbindlich sein, strahlend und hell, dann wieder kalt bis eisig. Lauernd, abwartend, nur selten warmherzig. Oberflächlich und trotzdem mit Tiefgang.

Harry stritt sich nie, er war stets bereit, sich die Sorgen der Barbesucher anzuhören.

Harry war eben wer.

Jetzt wartete er ebenfalls lächelnd. Der Spanier hatte einiges hinter sich. Sein Gesicht zeigte eine gewisse Erschöpfung. Seine Hände zitterten, und die Haut wirkte grau. Das Haar war durcheinandergewühlt, sein Blick stumpf. Es war der Blick eines Verlierers.

Hatte Ramon verloren?

Harry nahm es an. Er wusste, was Ramon brauchte. Der teure Scotch schimmerte goldbraun im Kristallglas, das Harry über den blank polierten Tresen rutschen ließ. Eine Handbreit vor dem Gast kam es zum Stillstand. Ramon schnappte danach, und Harry beobachtete den Mann, wie er hastig trank.

Der war fertig.

Reif, wie Harry immer zu sagen pflegte. Reif für ihn, und das stimmte ihn fröhlich.

Er ließ den Mann trinken und ging zur Tür, um sie abzuschließen. Um die Mittagszeit kam sowieso niemand. Der große Betrieb an der Küste hatte noch nicht eingesetzt, aber das würde sich in den nächsten Tagen ändern, wenn die Reichen den Schnee leid waren und aus den bekannten Wintersportorten an die Blaue Küste strömten, um die ersten Sonnenstrahlen zu genießen.

Da kamen dann auch die Mädchen. Es waren Geschöpfe, die den Frühling in Frankreich und den Sommer auf Ibiza verbrachten, immer auf der Suche nach einem Märchenprinzen, der den meisten sowieso nie begegnen würde.

Nicht in dieser oberflächlichen Geldgesellschaft, wo sich die Stellung des Einzelnen nach der Höhe des Bankkontos richtete.

Harry ging wieder hinter die Bar und rutschte auf seinen Stammhocker. Ramon drehte das Glas zwischen den Fingern. Es war leer bis auf den letzten Tropfen.

»Du hast abgeschlossen?«, fragte der Spanier.

»Ja.«

»Weshalb?«

»Siesta, mein Lieber. Es wird niemand kommen.«

»Aber ich bin da.«

Harry lächelte wieder. »Das ist etwas anderes.«

»Dann gehöre ich zu den Ausgesuchten?«

»Das stimmt.«

»Danke.«

»Du hast Sorgen, nicht wahr?«

Ramon zog die Lippen zurück und nickte. »Sorgen?«, wiederholte er fragend. »Die habe ich tatsächlich.«

»Welcher Art?«, wollte Harry wissen.

»Es ist vorbei.«

»Wieso?«

Der Spanier hob die Schultern. »Man hat mich reingelegt. Die Steuer, mein Geschäftspartner. Mir ist nicht viel geblieben.«

»Wie viel?«

Ramon hatte den lauernden Unterton in der Stimme des Keepers überhört. »Keine Ahnung. Vielleicht hunderttausend.«

»Welche Währung?«

»Dollar.«

»Das ist in der Tat nicht viel«, stimmte Harry zu, denn er sah dies durchaus relativ.

»Sagte ich doch.«

»Noch einen?«, fragte Harry. »Auf Kosten des Hauses.«

»Oh danke.«

Harry goss nach. »Ja«, murmelte er. »Hunderttausend, das reißt tatsächlich niemanden vom Hocker.« Er schob dem Spanier das Glas rüber. »Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was jetzt werden soll?«

»Nein.«

»Aber du bist zu mir gekommen.«

»Ja, das stimmt.«

»Und nicht ohne Grund, wie ich dich kenne. Hat man dir etwas gesagt, hat man dich geschickt?«

Der Spanier wollte lächeln, es wurde aber nur ein Grinsen. »Muss ich das wirklich sagen?«

Der blonde Harry hob die Schultern. »Du brauchst es nicht, aber vielleicht ist es besser.«

»Kann sein.« Ramon leerte das Glas. »Man erzählt sich so einiges von dir, mein Freund.«

»Und was?«, war Harry neugierig.

»Dass du für viele Probleme eine Lösung anbieten kannst.«

»Vielleicht.«

Ramons Blick wurde berechnend. »Auch für meine?«

Der Keeper nahm ein Glas, säuberte es und tat unbeteiligt. »Es kommt darauf an.«

»Auf was?«

»Umsonst ist der Tod.«

Der Spanier lachte. »Harry, du bist raffiniert, aber das ist gut. Welcher Geschäftsmann ist das nicht?«

»Eben.«

»Wie viel willst du?«, fragte Ramon.

»Die Hälfte würde reichen.«

»Von was?«

»Von den hunderttausend natürlich.«

Ramon atmete schnaufend aus. »So etwas nennt man Halsabschneider. Aber das ist egal. Ich habe viel über dich gehört. Man vertraut dir und deinem Rat, selbst wenn er teuer ist. Deshalb werde ich dir die Hälfte zahlen, wenn du mir den Rat gegeben hast.«

»Nein, Ramon.«

»Wie? Auf einmal nicht mehr?«

»Davon habe ich nichts gesagt. Ich rede von Vorkasse. Erst das Geld, dann folgt der Rat.«

Ramon nickte ein paarmal. »So ist das also«, sagte er mit flüsternder Stimme. »Jetzt begreife ich. Du bist eine linke …«

Harry hob die Hand, und Ramon verstummte. »Keine Drohungen, bitte. Ich wollte nichts von dir. Du kamst zu mir. Wenn sich herumgesprochen hat, wie gut die Ratschläge sind, die ich gebe, muss etwas daran sein, oder nicht?«

»Stimmt schon.«

Harry gab ein wenig nach. »Wir werden nicht in der Bar bleiben, aber im Haus.«

»In deiner Kammer?«

»Wieso?«

»Man spricht davon.«

»Es wird viel erzählt.« Harry breitete die Arme aus. »Entweder oder, Ramon. Wir können es sofort versuchen. Du stellst den Scheck aus, ich gebe dir Tipps.«

»Du weißt ja nicht, worum es geht.«

»Das brauche ich nicht.«

»Ach.« Der Spanier staunte den Keeper an.

Harry ließ sich nicht erweichen. »Der Scheck, Señor.«

Ramon nickte. Er befand sich in einer Zwickmühle, mit einer so raschen Wendung des Geschehens hatte er nicht gerechnet. Er fühlte sich überrumpelt. Harry wurde in der Tat von den Reichen und den Nichtstuern an der Küste empfohlen, aber niemand konnte genau sagen, welcher Art seine Tipps und Ratschläge waren.

Man musste sich auf ihn verlassen.

Der Gast sah in das Gesicht des Keepers. Wieder lächelte Harry. Er lächelte ja so oft, das hatte Ramon bisher nichts ausgemacht, aber in diesem Fall war es etwas anderes. Auf irgendeine Art und Weise fühlte er sich durch dieses Lächeln hintergangen. Noch konnte er sich umdrehen und gehen. Dann war er mit seinen Sorgen allein, ohne Ratschlag. Harrys Hilfe aber kostete fünfzigtausend. Das war eben das Risiko.

»Ich bin ein wenig müde, Ramon. Du verstehst das. Es soll nicht aussehen, als würde ich dich drängen, aber auch ich brauche meine Ruhe, Ramon.«

Der Gast schwitzte. Mit dem rechten Handrücken wischte er den Schweiß von der faltigen Stirn. »Ja«, sagte er keuchend. »Ich mache es.« Er holte das Scheckbuch hervor, beobachtete Harry, dessen Gesichtsausdruck der gleiche blieb. Nicht einmal in den Augen war ein gieriges Flimmern zu erkennen.

Der ist kalt, dachte Ramon. Eiskalt. Noch schlimmer als die Leute, die der Spanier für seine Partner gehalten hatte. Aber wenn er mir tatsächlich helfen kann, soll es mir recht sein.

So schrieb er die Summe aus.

Fünfzigtausend waren für ihn nicht viel gewesen. Er hatte schon Schecks mit wesentlich höheren Summen ausgestellt, aber seine Hände hatten dabei selten so gezittert. Vielleicht vor Jahren, als er jung war. Unterschrieb er damit sein eigenes Todesurteil?

Hoffentlich nicht …

Harry schaute sich den Scheck an.

»Jetzt bist du an der Reihe!«, verlangte Ramon.

Der Keeper steckte den Scheck ein. »Sicher, Ramon, sicher, ich halte meine Verträge.«

»Und?«

»Wie und?« Harry glättete seine silberfarben schimmernde Smokingjacke mit dem violetten Revers.

Der Spanier krümmte den Zeigefinger und bewegte ihn. »Ich will deinen Ratschlag.«

»Das ist klar, aber nicht hier.«

»Wo denn?«

»Bei mir.«

»Ach so.« Ramon grinste. »Jetzt kommt deine berühmte Wohnung oder dein Zimmer. Ich hörte davon. Niemand weiß so recht Bescheid …«

»Du wirst es sehen, komm.«

Ramon wartete, bis Harry hinter der Bar hervorgekommen war und sich nach rechts wandte, wo es einen zweiten Ausgang gab. Federnd ging Harry vor, ganz der große Sieger. Auf seinen Lippen lag ein kühl wirkendes Lächeln, die Augen glänzten, denn er wusste genau, wo er hinzugehen hatte und was geschehen würde.

Hinter der Tür gelangten sie in eine andere Welt. Wände aus rotbraunen Ziegelsteinen. Bis auf einige Poster berühmter Filmgrößen zeigte diese Umgebung die Tristesse vieler Bars und Kneipen. Der Spanier hatte sich eine Zigarette angezündet. Er paffte hastig und dachte darüber nach, ob er tatsächlich korrekt gehandelt hatte. Das würde sich zeigen …

An der Treppe gingen sie vorbei, das wunderte Ramon. Bevor er eine Frage stellen konnte, öffnete der Keeper eine schmale Tür. »Ich zeige dir jetzt mein Reich.«

»Im Keller?«, fragte Ramon erstaunt, denn er hatte an Harry vorbei und auf die nach unten führenden Steinstufen geschaut.

»Ja.«

»Was sollen wir dort?«

»Das wirst du sehen. Keine Fragen mehr. Du hast deinen Teil des Vertrags erfüllt, jetzt bin ich an der Reihe. Vertraue mir, sonst ist alles zu spät.«

»Gut, Pardon.«

Sie gingen die Treppe hinab, die einen Bogen nach links schlug. Das Licht spiegelte sich auf den glatten Stufen. Sie erreichten den Keller und damit ein Gewölbe, in dem es feucht roch. Er unterteilte sich in mehrere Räume, zu denen Türen abzweigten. Wahrscheinlich lagerten dahinter die Getränke, die oben an der Bar verkauft wurden.

Vor einer breiten Tür blieben sie stehen. Sie lag an der Stirnseite des Gangs und besaß eine gebogene Klinke. Unter ihr schimmerte ein Schlüsselloch, in das Harry einen Schlüssel schob und ihn zweimal umdrehte.

»Tritt ein, Ramon.«

Der Spanier drückte sich an Harry vorbei. Er musste einen düsteren Raum betreten, in dem ihm sofort der Geruch auffiel.

So roch Schwefel …

Harry blieb auf der Schwelle stehen. Er ließ einige Sekunden verstreichen, bis es Ramon zu dumm wurde und sich dieser umdrehte. »Willst du kein Licht machen?«

»Noch nicht.« Harry kam vor. Den ersten Schritt ging er langsam, den zweiten schnell.

Beim dritten holte er aus.

Wo dieser Mann so plötzlich den Totschläger herhatte, wusste Ramon nicht. Er konnte nicht länger darüber nachdenken, denn etwas explodierte mit ungeheurer Wucht an seiner Schläfe und löschte bei ihm vorerst sämtliche Lichter aus …

Es schneite!

Und das kurz nach Ostern. Der Wettergott spielte in London wieder einmal verrückt. Hätte man die Ostereier nicht gefärbt, wären sie in den nassen Schneemassen überhaupt nicht zu entdecken gewesen. Auch Bill Conolly hatte so gesprochen, in dessen Porsche ich saß und gegen die beschlagene Frontscheibe schaute.

»Frühling, wie bist du schön«, sagte der Reporter und schaute den dicken Flocken nach, die aus einem grauen, tief hängenden Himmel lautlos zu Boden fielen. Hin und wieder schaltete er die Wischer ein, damit die Scheibe blank wurde.

»Jeder bekommt eben das, was er verdient«, kommentierte ich.

»Du verdienst also Schnee und Kälte.«

»Ich habe nicht von mir gesprochen.«

»Dann meinst du mich damit?«, fragte Bill.

»Wenn du mich schon hier rausholst, sollst du wenigstens mitleiden.«

»Kameradenschwein.«

»Das bist du.«

Bill schaute auf seine Uhr. »Verdammt, der Kerl verspätet sich wieder.«

»Er ist eben kein Beamter.«

»Stimmt. Dafür ein Modemacher, sagt Sheila wenigstens. Er hat sie angerufen.«

»Und der Knabe heißt Yves Ducce?«, wollte ich wissen.

»Richtig.«

»Ist das ein Pseudonym?«

»Nein, in der Modebranche heißt man eben so. Da hat man außergewöhnliche Namen. Denk nur mal an folgende …« Bill zählte einige bekannte Modeschöpfer auf, die ich aus den einschlägigen Magazinen kannte.

Dieser Ducce hatte Bill Conolly angerufen, zuerst mit Sheila telefoniert und ihr mitgeteilt, dass er ihn unbedingt sprechen wollte.

Nach den Gründen gefragt, hatte er auf eine teuflische Angelegenheit hingewiesen.

Sehr vage war das. Aber Bill – ein Mann mit Feeling – glaubte, dass mehr dahintersteckte, hatte sich mit mir in Verbindung gesetzt und so lange auf mich eingeredet, dass ich an diesem Sonntag nicht im Bett geblieben war, sondern mich mit ihm getroffen hatte.

Jetzt standen wir auf einem Parkplatz und warteten auf den allseits berühmten Yves Ducce.

Zehn Minuten war er bereits über der Zeit.

Ich stöhnte auf. »Wenn der uns versetzt, bist du mir einen Nachmittag schuldig.«

»Im Bett?«, fragte Bill grinsend.

»Ja, aber nicht mit dir.«

»Hast du da besondere Vorstellungen?«

»Mal sehen.«

Der Platz befand sich am Hyde Park. Es gibt im April tatsächlich Tage, wo diese große grüne Lunge Londons gefüllt ist. Bei diesem miesen Wetter aber war nichts los. Trübes Grau, wohin man schaute, dazwischen Schnee, dann Nässe auf dem Boden, Pfützen, die an kleine Seen erinnerten.

Da blieb man lieber zu Hause.

Ich zündete mir eine Zigarette an und ließ das Seitenfenster zu einem Drittel nach unten fahren, damit der Rauch abziehen konnte. Dass dabei einige Flocken in das Wageninnere geweht wurden, störte mich nicht weiter und Bill ebenfalls nicht.

»Ich gebe ihm noch eine Viertelstunde«, sagte ich. »Mehr nicht.«

»Was versäumst du denn?«, fragte Bill.

»Mein Bett.«

»Das kennst du doch.«

»Trotzdem, ich wollte mal so richtig ausschlafen. Das Wetter ist nahezu ideal dafür.«

Bill hob die Schultern. »Sorry, John, ich wollte mich ja mit ihm bei mir zu Hause treffen. Er hat abgelehnt. Einen neutralen Treffpunkt hatte er sich ausbedungen.«

»Vor wem hat er Angst?«, fragte ich.

»Das wird er uns sagen.«

»Hast du ihn überhaupt gefragt?«

»Ja, und Sheila auch. Selbst ihr hat er nichts erzählt.«

»Dann scheint er Druck zu haben.«

Wir brauchten nicht mehr lange zu warten, denn ein Wagen bog auf den Parkplatz ein. Er hatte die Lichter eingeschaltet, die als blasse, gelbe Streifen in den grauen Tag stachen und von wirbelnden Schneeflocken durchteilt wurden.

Der Wagen fuhr neben uns. Trotzdem blieb genügend Abstand, sodass ich den Fahrer kaum erkennen konnte, dafür den Wagentyp. Es war ein amerikanischer Schlitten, ein Cadillac, von der Grundfarbe her weiß. Doch jetzt lag schmutziger Schnee auf dem Dach.

Bill schaute nach rechts, öffnete die Tür und gab mit der Hand ein Zeichen. Der andere winkte zurück.

»Alles klar«, meldete der Reporter.

»Willst du aussteigen?«

»Nein, er kommt, John.«

»Wird ein wenig eng im Porsche.«

»Das ist sein Problem.«

Die Fahrertür des Caddy schwang auf, und ich bekam Gelegenheit, mir den Knaben anzuschauen.

Er war es auch wert, angesehen zu werden.

Ja, so wie Yves Ducce stellte man sich den typischen Modezaren vor. Er trug eine weiße Pelzjacke, eine ausgestellte blaue Hose und eine Brille mit farbigem Gestell. Gegen die Gläser tupften Schneeflocken. Ducce wischte sie mit einer ungeduldigen Bewegung weg.

»Ein Traumtyp«, sagte ich leise.

»Noch schlimmer. Aber was willst du machen, John? Du bist eben nicht in.«

»Darauf kann ich stolz sein.«

Der Traumtyp aus der Modebranche zögerte. Vielleicht konnte er schlecht sehen, der Schnee fiel ziemlich dicht, er ging einen Schritt vor und wieder zurück, sodass er nichts gewonnen hatte. Mit dem Rücken berührte er die Wagentür und drückte sie wieder ins Schloss.

»Da stimmt was nicht!«

»Wieso, Bill?«, fragte ich.

»Weshalb kommt er nicht?«

»Der ist eben eigen. Geh hin.«

»Das mache ich.« Bill stieß die Tür auf.

Ich beobachtete den Kerl weiter. Vor Sekunden noch hatte ich meinem Freund widersprochen, mittlerweile aber war ich der Ansicht, dass tatsächlich einiges nicht in Ordnung war, denn wie dieser Modezar verhielt sich kein normaler Mensch.

Er hatte mir jetzt den Rücken zugedreht. Seine Hände lagen auf dem Wagendach des Caddy. Er hatte den Kopf nach vorn gedrückt, bewegte ihn nickend, und ich zuckte zusammen, weil Bill den Wagenschlag des Porsche zuknallte.

Dann sah ich ihn um den Flitzer herumgehen. Alles war harmlos, wirkte völlig normal, aber ich bekam plötzlich das Gefühl, neben einem Pulverfass zu sitzen.

Ich erkannte Bills Schatten, eingehüllt in die fallenden Schneeflocken. Dann schaute ich wieder zur anderen Seite und wollte den Wagenschlag aufstoßen.

Ich zögerte, etwas warnte mich.

Vielleicht war es Ducce!

Er lehnte sich mit dem Rücken gegen seine Wagenseite.

Das war es nicht, was mich störte.

Sein Körper schimmerte blau. Der gesamte Mann besaß diese Farbe. Er kam mir vor, als wäre er von innen angestrichen und es hätte gleichzeitig ein Blutaustausch stattgefunden, bei dem das Blut die blaue Farbe angenommen hatte.

»Bill, weg!«

Mein Freund musste mich gehört haben, es war zu spät. Von einem Moment zum anderen schlug die andere Macht zu.

Yves Ducce explodierte!

Er war plötzlich verschwunden. Es gab nicht einmal einen lauten Knall. Ich sah etwas zur Seite fliegen, vielleicht einen Schatten. Bill lag plötzlich auf dem nassen Boden, der Porsche vibrierte ein wenig, und als ich durch die Seitenscheibe schielte, sah ich zwischen dem Caddy und mir nichts mehr.

Da hatte einmal Yves Ducce gestanden.

Mir wurde auf einmal eiskalt …

Ich rang nach Luft, als hätte mir jemand einen Schlag unter die Gürtellinie versetzt. Mit der rechten Hand wischte ich über meine Augen, die linke war zur Faust geballt.

Bill Conolly rappelte sich langsam hoch, taumelte und kam mir vor, als hätte er zu viel getrunken. An der flachen Kühlerhaube stützte er sich ab und schüttelte den Kopf. Die Schneeflocken blieben in seinen braunen Haaren kleben. Es war sicherlich nicht der Grund für sein Kopfschütteln. Bill war ebenso perplex wie ich.

Endlich überwand ich mich und verließ den Wagen. Ich blieb dort stehen, wo sich vor einer halben Minute noch ein Mann namens Yves Ducce aufgehalten hatte.

Von ihm war nichts mehr zu sehen.

Nicht einmal ein Schuh.

Ich hörte Bill husten und drehte mich um. Der Reporter hob die Schultern. Sein Blick war glasig, der Mann selbst kam mir leicht angeschlagen vor.

»John, das ist verrückt.«

»Oder Magie.«

»Verdammt, der ist weg.«

»Explodiert.«

Bill wischte über sein Gesicht. Er stemmte sich von der Haube weg, ging einige Schritte und hielt den Kopf gesenkt, als wollte er nach Spuren suchen, die auf den Modeschöpfer hinwiesen.

Es gab keine.

Nur der nasse Boden und die Pfützen in der Nähe. Von einem Mann namens Ducce entdeckten wir nichts.

Schwer atmend blieben wir stehen. Allmählich sah mein Freund wieder so aus, als könnte er einen klaren Gedanken fassen.

»Well, John«, sagte er, »da war er plötzlich verschwunden. Einfach so. Weg, atomisiert, furchtbar.«

»Was hast du bemerkt?«

Bill schaute mich erstaunt an. »Ich soll etwas bemerkt haben? Das glaubst du doch selbst nicht.«

»Wieso? Du warst draußen, hast in seiner Nähe gestanden. Ich bekam nur einen Teil der Wellen mit, die den Porsche schüttelten. Du hast auf der Erde gelegen. Weshalb?«

»Mich hat es umgehauen.«

»Wer oder was?«

»Der Druck. Du hast ihn nicht so gespürt, ich bekam ihn voll mit. Das war nicht zu ändern.«

»Hast du sonst noch etwas festgestellt?«

»Wie meinst du das?«

»An Ducce?«

Bill hob die Schultern. »Eigentlich nichts. Er benahm sich nur höchst seltsam, als wäre er dabei, sich noch einmal alles zu überlegen.«

»Eben.«

»Dann muss er es vorher gespürt haben.«

»Der Meinung bin ich auch.«

»John«, sagte mein Freund. »Ich brauche erst einmal einen Schluck auf diesen Schreck.«

»Nein, du wirst dich gedulden müssen. Wir müssen erst den Wagen untersuchen.«

»Ob wir da etwas finden?«

»Ich hoffe es. Oder weißt du etwas über Ducce? Ich meine, sein Leben oder so.«

Bill schaute in den Schnee, der dünner geworden war, weil die Hälfte der Tropfen aus Regen bestanden. »Nein, ich habe keine Ahnung. Wirklich nicht.«