John Sinclair Sonder-Edition 75 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 75 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Als wir den Sarg nach fünf Monaten öffneten, sahen wir die Leiche. Sie war fast verwest, nur das Schild auf der Brust nicht. Darauf stand: I love you, Susy.

Beim zweiten und dritten Toten entdeckten wir das gleiche Schild. Und Sir James, mein Chef, sagte: "Suchen Sie diese Susy, John."

Ich tat mein Bestes, fand sie und verliebte mich in sie. So bekam auch ich mein Schild ...

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EPUB

Seitenzahl: 177

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Verliebt, verlobt und eingesargt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6295-4

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Verliebt, verlobt und eingesargt

von Jason Dark

Der erste Anruf erreichte mich drei Minuten vor Mitternacht!

Ich hatte auf der Bettkante gesessen und wollte gerade die Beine hochschwingen, als der moderne Quälgeist läutete. Ich griff zum Hörer und brummte mein »Ja, bitte?« in die Muschel.

»Öffne den Sarg.«

Mehr sagte der unbekannte Anrufer nicht. Ich kam nicht dazu, mich auf seine Stimme zu konzentrieren, denn er legte nach diesem einen Satz sofort auf.

Verblüfft schaute ich auf den Hörer. Nein, Einbildung war es nicht gewesen, vielleicht ein Scherz?

Aber wer scherzte mit Anrufen dieser Art kurz vor Mitternacht? Okay, es gab genügend Spinner, die sich einen Spaß daraus machten, fremde Menschen durch dumme Anrufe in der Nacht zu erschrecken, aber bei mir lag der Fall anders. Ich war zwar ein gewöhnlicher Mensch, hatte aber einen ungewöhnlichen Job, denn wer jagt schon Geister und Dämonen?

Dass mir die unwahrscheinlichsten Dinge widerfuhren, lag auf der Hand, und so sah ich den Anruf als eine ernste Sache an.

Öffne den Sarg.

Mehr hatte er nicht gesagt, dieser makabre Witzbold. Särge gab es genug. Stellte sich die Frage, welchen ich öffnen sollte. In letzter Zeit war ich auf keiner Beerdigung gewesen, weder dienstlich noch privat. Was bezweckte der fremde Anrufer also damit?

Eines jedenfalls hatte er geschafft: Ich war wieder hellwach und würde nicht die Nerven finden, mich hinzulegen und einzuschlafen. Ich schaute aufs Telefon. Möglicherweise klingelte der Unbekannte erneut durch, um mir weitere Informationen zu geben. Man musste schließlich mit allem rechnen.

Also wartete ich.

Draußen war es bitterkalt. Eine frost- und sternenklare Nacht. In den Tagen zuvor hatte es geschneit, der körnige Schnee war liegen geblieben.

Wieder klingelte es!

Bevor ich abhob, warf ich einen Blick auf die Uhr. Genau Mitternacht – Tageswende. Ich nahm den Hörer, kam aber nicht dazu, irgendetwas zu sagen, denn wiederum hörte ich nur den einen Satz des unbekannten Sprechers.

»Öffne den Sarg.«

Aufgelegt, fertig, basta. Ich saß da, wurde langsam wütend und flüsterte: »Wenn ich den Sarg öffne, lege ich dich hinein, mein Freund. Diese Späße mag ich nicht.«

Aber ich hatte mit meiner Vermutung recht behalten. Der Kerl hatte sich nicht nur mit einem Anruf begnügt. Vielleicht würde er ein drittes Mal durchklingeln.

Also warten.

Auf der Bettkante wurde es mir allmählich unbequem. Ich stand auf, reckte mich und trat ans Fenster, um den sternenklaren Himmel zu beobachten. Er bot ein wunderbares Bild. Wie gemalt lag er über der Riesenstadt London. Eine wahre Augenweide für Astrologen und Sterngucker. Über einer Großstadt wurde der Himmel nie richtig dunkel, auch jetzt schwebte unter ihm wie ein feiner Schleier der Widerschein zahlreicher Lichter.

Vier Minuten waren seit dem letzten Anruf vergangen. Der Unbekannte hatte die Zeit überschritten. Sollte ich mich getäuscht haben?

Nein, es klingelte wieder!

Diesmal allerdings ließ ich mir Zeit. Der Knabe sollte merken, dass ich nicht nur auf dem Bett hockte und auf Anrufe wartete. Erst beim vierten Läuten nahm ich ab.

»Welchen Sarg soll ich öffnen?« Diesmal war ich ihm mit der Frage zuvorgekommen.

»Dann warst du also der Witzbold, der anständige Bürger mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt«, war die wütende Antwort.

Ich verdrehte die Augen. Der Anrufer war mein Freund und Kollege Suko, der seine Wohnung neben der meinen hatte. »Nein, so ist das nicht gewesen. Ich habe mit einem dritten Anruf gerechnet und damit, dass man mir wieder das Gleiche sagen würde.«

»Öffne den Sarg«, wiederholte Suko.

»Ja.«

»Das hat der Kerl mir ebenfalls gesagt.«

»Dann hat er uns beide angerufen.«

Suko lachte. »Ich wollte dich fragen, ob du mehr darüber weißt, John.«

»Nein, aber wir sollten die Leitung nicht zu lange blockieren. Vielleicht ruft er tatsächlich ein drittes Mal an und nennt Details.«

»Einverstanden.«

Wir legten gleichzeitig auf. Der Fall wurde immer mysteriöser. Suko war ebenfalls angerufen und gebeten worden, einen Sarg zu öffnen. Was steckte dahinter?

Ich wusste es nicht und wartete deshalb voller Ungeduld auf den dritten Anruf.

Der kam.

Um elf Minuten nach Mitternacht klingelte der Apparat abermals. Diesmal hob ich beim dritten Läuten ab und fragte sofort: »Welchen Sarg soll ich öffnen?«

Ich musste ihn mit dieser Frage aus der Fassung gebracht haben, zunächst vernahm ich keine Antwort. Nur sein zischendes Atmen drang an meine Ohren.

»Also bitte, welchen Sarg?«

»Es ist wichtig, Sinclair.«

»Wunderbar. So kommen wir der Sache näher. Da Sie meinen Namen kennen, möchte ich den Ihren auch gern hören.«

»Larry Elkman.«

»So heißen Sie?«

»Nein«, sagte er hastig. »Ich nicht. Ich heiße so nicht, ganz bestimmt nicht.« Er wehrte dies so heftig ab, dass ich an eine Lüge glaubte. »Es ist der Name des Mannes, dessen Sarg Sie unbedingt öffnen müssen. Verstehen Sie?«

»Fast.«

Seine nächste Bemerkung klang ärgerlich. »Ach, tun Sie doch nicht so, Sinclair. Ich habe Sie nicht umsonst angerufen. Ich weiß, wer Sie sind, glauben Sie mir.«

»Gut, kommen wir zu diesem Larry Elkman. Wo liegt er begraben?«

»Auf dem West Ham Cemetery. Es ist ein kleiner Friedhof, er liegt nicht weit vom City of London Cemetery entfernt. Sie müssen …«

»Ich kenne ihn.«

»Ja, das ist gut. Larry Elkman, denken Sie daran. Öffnen Sie seinen Sarg.«

»Aber zuerst müssen wir das Grab aufschaufeln.«

»Klar.«

»Wie lange ist Larry tot?«

»Ungefähr ein halbes Jahr«, antwortete der Anrufer.

»Dann wird die Leiche nicht gerade gut aussehen.«

Er lachte. »Seit wann fürchten Sie sich vor diesem Anblick, Sinclair? Sie sind einiges gewohnt.«

»Sie scheinen mich gut zu kennen, Mister Unbekannt.«

»Ja, das stimmt.« Er räusperte sich und atmete schneller. »Ich will Ihnen eines sagen, Sinclair: Das ist nichts im Gegensatz zu dem, was auf Sie zukommen wird.«

»Können Sie da nicht deutlicher werden?«, wollte ich wissen.

»Nein, Sie müssen es herausfinden. Verfolgen Sie Elkmans Spur. Sie werden sich wundern, so wie er sich gewundert hat. Es kann sein, dass Sie es nicht überstehen, denn Sie werden es mit einer magischen Zeitbombe zu tun bekommen. Wir hören voneinander.«

Bevor ich eine weitere Frage stellen konnte, hatte er eingehängt. Ich vernahm nur das Rufzeichen.

Kopfschüttelnd legte ich den Hörer auf, zog meinen Bademantel über, nahm die Schlüssel mit und verließ die Wohnung, um bei Suko zu klingeln. Der schien hinter der Tür gewartet zu haben, denn er öffnete sofort. Auch er trug einen Bademantel.

»Hat er mit dir gesprochen?«, fragte er.

»Ja.«

Suko schloss hinter mir die Tür. »Und wer war es?«

Ich ging in den Wohnraum, warf dabei den Schlüssel einige Male hoch und fing ihn wieder auf. »Ich weiß es nicht. Er hat mir seinen Namen nicht genannt.«

»Aber du weißt, welchen Sarg wir öffnen sollen?«

»Ja. Der Tote liegt auf dem West Ham Cemetery begraben und heißt Larry Elkman.«

Suko schaute mich an. Er überlegte und schüttelte den Kopf. »Sorry, den Namen habe ich noch nie gehört.«

»Ich auch nicht.«

»Und du hast keine Ahnung, wer der Anrufer sein könnte?«

Ich setzte mich und schlug die Beine übereinander. »Nein, Suko, er gab mir nur den Namen des Mannes, der seit gut einem halben Jahr unter Londons Erde liegt.«

»Was hast du für einen Eindruck von ihm gehabt? Könnte es ein Spinner gewesen sein?«

»Ich bin mir nicht sicher, tendiere aber eher dahin, ihm Glauben zu schenken, Suko. Er wusste über meinen Job verdammt gut Bescheid. Der hat sich vorher informiert.«

Suko rieb seine Hände, als würde er frieren. »Also gehen wir der Sache nach.«

»Ich weiß nicht. Wir können nicht einfach auf irgendeinen Verdacht hin ein Grab öffnen. Wir brauchen eine richterliche Genehmigung, ich muss Gründe angeben.«

»Man kennt uns. Du könntest einen Verdacht äußern, dass man einen Scheintoten oder Zombie begraben hat.«

Ich winkte ab. »Das überlasse ich Sir James, der soll sich einschalten.«

»Ich denke die ganze Zeit über den Namen Elkman nach. Gehört habe ich ihn tatsächlich nie zuvor. Macht nichts. Wir werden herausfinden, um wen es sich handelt. Man kann wohl anonym leben, anonym zu sterben, ist schon schwieriger.«

Jetzt klingelte bei Suko das Telefon. Er nahm ab, kam aber nicht dazu, sich zu melden, denn wiederum war der unbekannte Anrufer schneller. Er sprach so laut, dass ich mithören konnte.

»Öffnet den Sarg so schnell wie möglich. Die Zeit drängt. Sonst ist es zu spät …«

»Wofür ist es zu spät?«

Suko bekam keine Antwort auf seine Frage. Der Anrufer hatte abermals aufgelegt.

»Allmählich werde ich neugierig«, sagte der Inspektor. »Ob das die Nacht über so weitergeht?«

»Glaube ich nicht. Jedenfalls werde ich versuchen, eine Mütze voll Schlaf zu nehmen.«

»Das kann nie schaden.«

Ich verließ die Wohnung meines Freundes und stand eine Minute später in meinem Schlafzimmer. Diesmal lag ich, als sich der Apparat wieder meldete. Das artete zu einem regelrechten Telefonterror aus. Ich hob ab und hörte dieselbe Stimme.

»Eines noch, Sinclair: Hüte dich vor Susy …«

Mehr sagte er nicht. Die Verbindung war tot, und ich legte mich hin. Im Dunkeln starrte ich gegen die Decke und dachte nach. Nein, ein Spinner war der Mann nicht. Der hatte nicht ohne Grund angerufen und nicht motivlos den Namen Susy erwähnt.

Was steckte dahinter?

In den folgenden Stunden bekam ich darauf keine Antwort. Ich schlief ein und wurde durch kein Telefonklingeln mehr gestört …

Am nächsten Morgen hatte die Kälte zugenommen. Wer nicht unbedingt aus dem Haus musste, blieb sicherheitshalber zwischen den eigenen vier Wänden. Die Menschen, die sich dennoch auf der Straße befanden, zeigten sich dick vermummt.

Es war gegen zehn Uhr, als Suko und ich durch London in Richtung West Ham fuhren.

Die administrativen Schwierigkeiten hatte uns Sir James Powell aus dem Weg geräumt. Wir hatten die richterliche Erlaubnis erhalten, das Grab zu öffnen. Jetzt erwartete der Superintendent, dass wir der Spur des toten Larry Elkman nachgingen.

Wir nahmen die Ausfallstraße Richtung Stepney, die weiter nach West Ham und zum Friedhof führte.

Der verantwortliche Totengräber war über unsere Ankunft informiert worden.

Je ländlicher die Gegend wurde, umso mehr verdichtete sich der Nebel. Ruhig lag er über den Feldern. Er schien bei diesen eisigen Temperaturen festgefroren zu sein.

Auch unsere Laune sank. Wir konnten nur hoffen, dass uns der Anrufer keinen Bären aufgebunden hatte. Immerhin hatten wir telefonisch vom Friedhofsverwalter erfahren, dass auf diesem Friedhof tatsächlich ein Mann namens Larry Elkman begraben lag. Man hatte uns versprochen, dass die entsprechenden Arbeiter schon mit der Öffnung des Grabs beginnen wollten.

Der Verkehr hielt sich in Grenzen. Wir hatten uns hinter einen Lastwagen geklemmt, bei dem der Fahrer seine Mühe hatte, den schweren Wagen auf der Straße zu halten. An manch glatten Stellen schwankte er von einer Seite auf die andere.

Überholen konnten wir nicht, und so blieben wir hinter der Abgaswolke des Wagens.

Die Zeit ging vorbei. Unser Ziel lag rechts der Straße. Es war kein großes Gelände, eben ein Vorort-Friedhof, wie man sie in London zu Dutzenden findet.

Umfriedet war er, ein hoher Zaun aus Eisen rahmte ihn ein. Auf den Metallstäben schimmerte grau das Eis. Das Tor war zur Hälfte geöffnet. Dahinter hatten dienstbare Geister den Weg vom Schnee befreit. Ich lenkte den Rover auf das Gelände und sah zur rechten Hand ein schmales Gebäude, in dem wahrscheinlich die Friedhofsverwaltung untergebracht war.

Man hatte uns gesehen, denn eine Tür wurde aufgestoßen. Auf dem Treppenabsatz erschien ein hochgewachsener Mann, der eine gefütterte grüne Parkajacke trug. Er hatte die Hände in den Taschen vergraben und eine Pelzmütze aufgesetzt.

Er schaute uns entgegen, wusste natürlich, wer wir waren und stellte sich als Kenneth Todd vor. »Ich bin der Verwalter und der oberste Totengräber in einem.«

»Das dachten wir uns«, erwiderte ich.

Er schaute gegen den grauen Dunsthimmel. »Ein mieses Wetter haben Sie mitgebracht.«

Ich hob die Schultern. »Man kann es sich leider nicht aussuchen.«

»Finden bei dieser Witterung überhaupt Beerdigungen statt?«, fragte Suko.

Todd wiegte seinen massigen Schädel und scharrte mit der Fußspitze über einen Eisbuckel auf der Treppe. »Im Prinzip ja, obwohl wir möglichst zusehen, dass wir einige Tage warten. Der Boden ist verdammt hart und tiefgefroren. Manchmal müssen wir sprengen.«

»Wie war es denn bei Elkmans Grab. Haben Sie das auch aufsprengen müssen?«

»Nein, Oberinspektor Sinclair. Es genügten Hacken und Schaufeln.« Er schaute auf seine Uhr. »Kommen Sie, ich führe Sie hin. Es ist zum Glück nicht weit.«

Wir ließen den Bau hinter uns. Die Kälte stand über dem Friedhof wie eine Wand. Ich hatte den Kragen der dicken Lederjacke hochgeschlagen, um die Ohren zu schützen. Der Schal lag um meinen Hals wie der Körper einer grünen Schlange.

Die Natur zeigte kein Leben mehr. Auf Bäumen und Sträuchern lag eine weiße Schicht aus hartem Schnee. Einige Vögel segelten aufgeplustert durch die Luft, zumeist Amseln, Spatzen und Krähen.

Die langen Gräberreihen zeigten sich ebenfalls vereist. Dieser Friedhof war relativ neu. Wir sahen keine prächtigen Gruften oder ausgefallene Grabsteine. Die Gräber waren, wie man so schön sagt, pflegeleicht angelegt worden. Schachbrettartig durchzogen die schmalen Fußwege die Areale und führten den Besucher sicher ans Ziel.

Auf den breiteren Pfaden lag Kies. Auch er hatte eine graue Schicht bekommen und war rutschig. Der Untergrund der schmaleren Wege war steinhart gefroren, sodass sich die Fußabdrücke der Besucher vor dem großen Frost wie eine Kraterlandschaft abzeichneten.

Die wenigen Bäume machten auf mich einen traurigen Eindruck. Ihre blattlosen Äste und dünnen Zweige hatten etwas Krallenartiges an sich. Wenn sie tiefer hingen, wirkten sie wie Reckstützen für aus den Gräbern kletternde Zombies.

Todd drehte sich um und grinste. »Der Boden scheint doch härter zu sein, als wir angenommen haben.«

»Ich konnte mir die Zeit leider nicht aussuchen, Mister Todd«, erwiderte ich.

Er wischte mit der Hand durch die Luft. »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Oberinspektor.«

Larry Elkmans Grab lag am Rand eines Gräberfelds. Zwei Männer hoben sich deutlich ab. Einer hielt einen Presslufthammer fest, mit dem er den Boden aufbrach. Der andere schaute uns entgegen. Zwischen seinen dicken Lippen steckte eine braune Zigarre. Eine feine Rauchwolke zog in den Nebel und vermischte sich mit ihm.

»Wie geht es, Parry?«, fragte Todd.

Der Raucher nickte ihm zu. »Ist ziemlich schwierig, Mister Todd. Der Frost kam sehr tief.«

»Aber ihr schafft es?«

Parry paffte zwei dicke Wolken. »Klar.«

Wir wurden ihm und seinem Kollegen vorgestellt. Arbeiterdenkmal wollten Suko und ich nicht spielen. Wir schnappten uns beide die herumliegenden Schaufeln und begaben uns daran, die schon gelösten Dreckklumpen zur Seite zu werfen.

Es dauerte gut eine halbe Stunde, bis wir den Deckel des Sargs freigelegt hatten. Mittlerweile hatte sich der Nebel ein wenig verzogen. Die Wintersonne stand als blendender Ball tief am Himmel. Jetzt hätte ich gern eine getönte Brille gehabt.

Todd nickte. »Es war ein guter Sarg. Die Erde hat ihn nicht eingedrückt. Bei manchen geht das schnell. Sollen wir ihn hochhieven?«

»Ist das mit Schwierigkeiten verbunden?«, fragte Suko.

»Das schaffen wir schon.«

Der Inspektor maß den Raum zwischen Grabwand und Sarg mit schätzenden Blicken ab. »Da müssten wir dazwischenpassen, John.«

»Okay.«

Wir schaufelten einiges an Erde aus dem Grab und waren dann so weit, hineinsteigen zu können.

Todd und seine beiden Helfer hatten sich an den Rändern aufgebaut. Die Sonne stand in ihrem Rücken, strahlte sie an und gab ihnen den Schein überirdischer Wesenheiten.

Natürlich waren die Schlösser verdreckt. Wir säuberten sie mit unseren Handschuhen, sodass wir sie öffnen konnten.

Gemeinsam hoben wir den Deckel ab, schoben ihn unseren Helfern hoch und schauten in die Totenkiste. Suko und mir stockte der Atem.

Sie liebte das Leben und den Tod!

So verschieden die beiden Dinge auch waren, für sie gehörten sie zusammen. Erst das Leben mit allen positiven Dingen, die es brachte, genießen und dann, gewissermaßen auf dem Höhepunkt, es radikal zerstören. Das war ihre Motivation, das hielt sie aufrecht, das machte ihr Spaß.

Niemand wusste von ihrem geheimnisvollen Leben. Kein Einwohner der Stadt, die größte Westfalens, ahnte, dass sie eine lebende Zeitbombe bedrohte.

Magie war für die meisten Bewohner so fern wie irgendein Spiralnebel in der Galaxis. In Dortmund hatte man andere Sorgen. Um Dämonen, Geister, Teufel und die damit verbundenen Folgen wollte sich niemand kümmern.

Das wusste sie.

Und deshalb fand sie immer wieder Opfer.

Wobei das nächste schon auf ihrer Liste stand. Nur wusste der andere nichts davon. Er würde in ihre Falle laufen und das Grauen kennenlernen, das er schließlich mit in den Tod nahm.

Susy lächelte …

Eine Leiche sieht nie gut aus. Es sei denn, sie wird für einen Film gebraucht und ist dementsprechend geschminkt. Doch ein Toter, der fast ein halbes Jahr in der feuchten Erde gelegen hat, war längst in den Verwesungszustand übergegangen.

Ich möchte auf eine detaillierte Beschreibung Elkmans verzichten, nur so viel sei gesagt, uns wurde es trotz der bissigen Kälte warm. Vom Rand des Grabs hörten wir das Räuspern der Totengräber. Auch sie, die einiges gewohnt waren, zeigten sich erschüttert.

»Nun«, sagte Suko und drehte den Kopf zur Seite, »da liegt also der Tote.«

Ich nickte nur.

»Und wir haben den Sarg geöffnet«, fuhr mein Freund fort. »Aber was jetzt, John?«

Das war eine verdammt gute Frage, auf die ich keine Antwort wusste. Außerdem hatte mir der unbekannte Anrufer kaum Informationen gegeben, er hatte nur mehr eine gewisse Susy erwähnt, vor der ich mich hüten sollte.

Aber Susy war mir ebenfalls unbekannt, genau wie diese Leiche, die dennoch mit Susy in einem Zusammenhang stehen musste, denn als ich meinen Blick über den Körper gleiten ließ, entdeckte ich plötzlich, zwischen Bauch und Brust liegend, ein Schild.

Es war ein runder Button, der mit einer Nadel am feuchten und fleckigen Leichenhemd festgesteckt worden war. Die in das Metall eingravierten Worte waren nicht zu lesen. Ich musste das Abzeichen entfernen und fragte mich, wer es dem Toten mit auf die lange Reise gegeben hatte.

Bestimmt nicht die Leute, die die Leiche offiziell unter die Erde gebracht hatten. Die Klemmnadel war verrostet, außerdem steckte sie im Fleisch der Leiche.

Ich hatte Mühe, das Ding abzubekommen. Irgendwie ging ich davon aus, dass es wichtig war, deshalb gab ich mir Mühe.

Suko schaute mir zu, die drei anderen Männer am Rand des Grabs schauten ebenfalls in die Tiefe. Ich befreite das Abzeichen vom Schmutz, sodass ich endlich die Worte lesen konnte. Mit halblauter Stimme murmelte ich den Text.

»I love you, Susy!«

Suko schaltete sofort. »Susy. Das ist der Name, den man dir telefonisch durchgegeben hat, John.«

»Stimmt, trotzdem kann ich nichts damit anfangen.«

»Noch nicht.«

Ich steckte das runde Schild ein. Es hatte etwas zu bedeuten, das war klar. Eine Spur irgendwohin, und der würden wir nachgehen. Ich ließ mir den Deckel reichen und setzte ihn zusammen mit Suko wieder auf das Unterteil. Wir alle waren froh, vom Anblick der Leiche befreit zu sein.

»Ungewöhnliches habe ich an dem Toten nicht feststellen können«, meinte der Inspektor.

Ich nickte. »Kein Zombie.«

»Darauf kann ich verzichten, John.«

»Lass uns rausklettern.«

Hände streckten sich uns entgegen. Für die beiden Totengräber war es eine Kleinigkeit, uns aus dem Grab zu helfen.

Als wir neben ihnen standen, schauten sie uns fragend an.

»Haben Sie gefunden, was Sie gesucht haben?«, fragte Todd.

Ich lächelte schmal. »Vielleicht.«

»Nur dieses Abzeichen?«

»Es kann wichtig sein«, erwiderte ich.

»Ich weiß nicht …«

»Sie wissen nicht zufällig, wer es der Leiche angesteckt haben könnte?«, erkundigte sich Suko.

»Nein«, lautete die erstaunte Erwiderung.

Suko zitierte den Text und wollte wissen, ob jemand eine Susy kannte, die eventuell mit dem Toten in Verbindung gestanden haben könnte.

»Ich kenne eine Susy«, meldete sich Parry. »Die ist Hausfrau und nebenbei Mittagsstripperin in einem Arbeiterlokal. Ein scharfes Weib, kann ich euch sagen. Die hat vielleicht einen Vorbau …«

»Ich glaube«, unterbrach Suko ihn sanft, »wir sprechen von verschiedenen Personen.«

»Kann sein.«

Todd schaute seinen Mitarbeiter strafend an und hob zu uns gewandt bedauernd die Schultern. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann, leider kannte ich diesen Larry Elkman nicht. Und demnach auch die Person namens Susy nicht.«

»Sie können schließlich keine persönlichen Beziehungen zu den Toten aufbauen, die hier begraben werden«, beschwichtigte mein Freund.

»Da haben Sie recht.« Todd deutete auf das Grab. »Kann ich es wieder zuschaufeln lassen?«

Ich nickte. »Ja.«

»Dann hoffe ich wenigstens, dass ich Ihnen helfen konnte.«

Ich lachte leise. »Dies wird die Zukunft erweisen.« Ich griff in die Tasche und holte eine Flasche Whisky hervor. Einem der Totengräber warf ich sie rüber. »Für euch, Freunde. Wärmt euch nach der Arbeit auf.«

»Danke.«