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Als in Hollywood die Lichter ausgingen, glaubten viele an einen Scherz. Dann erschienen die Geister, und das Lachen verging den Leuten.
Plötzlich herrschte Panik. Die Studios standen leer. Niemand wollte mehr drehen. Man schrie nach Hilfe.
Aus London kamen Suko und ich nach L. A. Wo Glamour, Sex und Drogen regierten, jagten wir die Dämonen von Hollywood.
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Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Geisterstunde in Los Angeles
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6408-8
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Geisterstunde in Los Angeles
von Jason Dark
Drei Dinge liebte Anne Cargill ganz besonders in ihrem Leben: sich selbst, viel Geld und ihre Katze, gelb und schwarz gestreift, ein kleiner Tiger.
Wo Liebe ist, existiert auch Hass. Und es gab etwas, das Anne Cargill hasste.
Ihre Seele! Die verdammten Angstgefühle, die Bedrohung vor dem Unheimlichen, das hinter dem Vorhang des sichtbaren Lebens lauerte. Da war eine Kraft, die sie nicht begreifen konnte. Anne hatte darüber nachgedacht, nächtelang, sie hatte sie gespürt, aber sie konnte die Bedrohung nicht erfassen. Das Dunkle, das Unheimliche lag tief in einer anderen Welt, die sich in ihrer Seele befand, unsichtbar und trotzdem mit der sichtbaren Welt eng verbunden.
Anne war am Ende. Sie konnte die andere Seite des Lebens nicht begreifen. Diese Tatsachen zerhämmerten ihre Seele, nur durfte das niemand merken. Für die Öffentlichkeit war sie die Cargill, der Star, eine Frau, die große Rollen bekam, Regisseure in den Wahnsinn getrieben hatte und von Millionen geliebt wurde.
Das war die Fassade, das »äußere« Hollywood. Aber es gab noch die andere Seite, die Einsamkeit, die prächtigen Villen, die doch so leer waren, trotz des Luxus in den oft turnhallengroßen Räumen.
Leer und einsam. Die Folge waren Depressionen und Angst. Da stiegen aus den Tiefen der Seele Angstgefühle hoch, da erzeugten sie Zerrbilder und dämonische Malereien.
Andere Welten öffneten sich den Menschen. Hollywood hatte es besonders getroffen. Zuerst sprach man nur flüsternd darüber. Mit der Zeit jedoch wurden diese Gespräche offener. Es verging kaum ein Jahr, bis das erste Buch eines Stars über unheimliche Begegnungen mit den Kräften des Jenseits erschien. Andere folgten. Das Jenseits, die Welten dahinter wurden zu Partygesprächen. Manchmal belächelt, dann wieder aufgesaugt und Angstgefühle erzeugend.
Es gab die Geister, die bösen Mächte im Hintergrund. Sie warteten und lauerten. Sie ergriffen von den Menschen Besitz, drangen in ihre Seelen und führten sie zu neuen Ufern – oder in den Tod.
Anne Cargill gehörte zu den Schwachen. Sie setzte sich mit den anderen Dingen nicht auseinander. Sie floh vor ihnen in die Öffentlichkeit. An den Abenden feierte sie beinahe jede Party mit, ließ sich im Blitzlichtgewitter der Fotografen feiern, wollte jedermanns Freund sein und erlebte dennoch bedrückende Einsamkeit.
Irgendwann musste sie schlafen. Dann kamen die Träume. Manchmal seicht, meist grauenhaft. Bedrückend, unruhig. Anne wälzte sich dabei in ihrem Bett herum und versuchte vergeblich, diesen Gefühlen zu entgehen.
Sie schlugen grauenhaft zu, umgaben sie, drückten sie hinein in die Enge eines seelischen Käfigs. Manchmal vernahm sie das Heulen und Jaulen, als würde ein scharfer Wind um die gläsernen Ecken ihres Bungalows pfeifen, aber es war kein Sturm, denn die Geräusche erinnerten sie mehr an das Schreien fremder Wesen.
Geister und Dämonen!
Früher hatte man darüber gelacht. In den letzten Jahren allerdings glaubte man auch in Hollywood daran.
Es gab Menschen, die warnten. Seher, Gurus. Sie redeten über eine beginnende Endzeit. Welten kamen zusammen. Ein Pandämonium wurde aus dem Unsichtbaren hervorgehoben und veränderte die Kreaturen, ob es nun Menschen oder Tiere waren.
In den letzten Tagen hatte es Anne Cargill besonders stark getroffen. Wegen einer leichten Grippe konnte sie an mehreren Partys nicht teilnehmen.
Wieder erlebte sie eine schlimme Nacht. Sie hatte nicht länger als zwei Stunden geschlafen, als sie erwachte und sich aufsetzte. Die seidene Decke rutschte von ihrem Körper. Das hauchdünne Nachthemd klebte auf der Haut. Annes Haar war zerrauft, das Make-up klebte noch im Gesicht. Sie hatte in den letzten Stunden geweint, und Tränenspuren hatten schmale Kanäle in die Schminke gegraben.
Anne löschte nie das Licht, wenn sie sich niederlegte. Sie brauchte den Schein, denn das Licht bedeutete Hoffnung. In Reichweite ihres Betts stand eine Lampe. Sie wirkte futuristisch, bestand aus einer Röhre, die einen hellblauen Schein abgab. Er floss über den Parkettboden des Zimmers und erreichte fast die Tür, die Anne ebenfalls nicht schloss, wenn sie schlafen ging.
In dieser Nacht machte ihr das Herzrasen besonders zu schaffen. Immer noch saß sie aufrecht und überlegte, weshalb sie der Traum so gequält hatte. War es eine Botschaft? So schlimm hatte sie ihn nie empfunden. Sie hatte Dinge gesehen, die es nicht geben konnte. Sie waren so schrecklich, dass ihr die Worte fehlten, sie zu beschreiben. Da waren die Tiefen der menschlichen Seele plötzlich sichtbar geworden und hatten sich ihr offenbart.
Grausame Gestalten, Geister, Monster und Dämonen vermischten sich in einem rasanten Wirbel.
Ihr Schlafzimmer besaß an einer Seite eine breite Fensterfront, die sich versenken ließ. Dahinter lag die Terrasse. Sie endete dort, wo ein weiß gestrichenes Gitter die Grenze des hoch gelegenen Grundstücks bildete. Hinter der Absperrung fielen die Felsen steil wie eine Wand in die Tiefe. Zu den anderen beiden Seiten hin wurde das Haus von einem dichten Pinienwald geschützt. Anne sah den Nachbarn nicht, der ein ähnliches Grundstück besaß.
Auch jetzt fiel ihr Blick wieder auf die Terrasse. Die Fliesen glänzten bläulich im Mondlicht, dessen Strahlen der Oberfläche des Pools einen matten Schein gaben.
Niemand befand sich auf der Terrasse. Die Liegestühle waren zusammengeklappt, ebenso die beiden Tische. Anne befand sich allein im Haus, dennoch überkam sie das Gefühl, einen Besucher zu haben. Ein Wesen, das nicht sichtbar war und sich überall aufhielt, sodass es alles beobachten konnte.
Im Bett drehte sie sich. Ihr Blick fiel auf die Flasche Rotwein. Zur Hälfte hatte sie den Wein getrunken, und sie verspürte wieder Durst.
Anne Cargill schwang die Beine aus dem Bett, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das aschblonde Haar und schaute zur Tür, die aus zwei Flügeln bestand. Einen ließ sie stets offen. In dem dahinterliegenden Raum brannte kein Licht. Dort lag dicht die Finsternis. Anne kam es vor, als wäre die offen stehende Türhälfte der Eingang zu einer Welt des Unheimlichen.
Diese andere Welt war da. Und sie war nicht die einzige Person, die so etwas gespürt hatte. Ihre Kollegen wussten ebenfalls Bescheid. Nur sprachen sie selten darüber, sie behielten gewisse Dinge für sich, weil sie sich nicht lächerlich machen wollten. Nicht jeder besaß den Mut, ein Buch darüber zu schreiben.
Anne hatte sich ein Glas holen wollen, auf einmal fand sie nicht den Mut, ihr Zimmer durch die Tür zu verlassen. Sie hatte Angst vor dem anderen Raum, der Finsternis, dem dort lauernden Bösen. Dunkelheit bedeutete für sie das Böse, und das Böse war die Angst, ein Spiegel ihrer Seele. Vielleicht bekam sie jetzt das zurück, was sie anderen Menschen in ihrem Leben angetan hatte.
Vor allen Dingen den Männern. Nach drei Ehen hatte sie über das angeblich starke Geschlecht nur gelacht. Sie hatte von sich aus Schluss gemacht und die Kerle aus dem Haus geworfen. Einer war darunter, der sehr gelitten hatte.
Was kümmerte sie das!
Anne Cargill schwitzte. Sie fühlte sich schmutzig und wäre gern unter die Dusche gestiegen. Plötzlich fiel ihr auf, dass der kleine Tiger nicht bei ihr war. Er lag oft genug am Fußende, wenn sie schlief und sie die Träume quälten. Nun war er verschwunden. Tiere haben ja Vorahnungen, das wusste sie. Sie spürten früher als die Menschen, wenn etwas passierte.
Auch ihre Katze?
Anne drehte sich wieder um. Dabei fiel ihr Blick abermals durch das große Fenster – und sie erschrak!
Auf der Terrasse malte sich ein Schatten ab. Unheimlich, bizarr, groß und schwarz.
Wer den Schatten warf, konnte sie nicht erkennen. Er war einfach da und fiel von der Seite her fast bis an den Rand des Pools. Anne ballte die Hände zu Fäusten. Sie wollte sich nicht verrückt machen lassen.
Mit zitternden Knien lief sie auf das Fenster zu. Dabei musste sie das Bett umrunden. Die ausgestreckten Finger ihrer Hand streiften über die seidene Decke. Anne wollte wissen, wer diesen gewaltigen Schatten warf. Das unförmige Ding ähnelte einem Tuch, das im Wind flatterte.
Anne Cargill verstand nichts mehr.
Sie schlich näher an das Fenster heran. Plötzlich legte sich die Angst wie eine Klammer um ihren Hals. Ihre Katze hatte den Schatten geworfen!
Aber wie sah sie aus?
Gewaltig, unheimlich. Sie erreichte beinahe die Größe eines Menschen. Aus dem kleinen Tiger war ein echter geworden.
Mit seidenweich wirkenden Schritten bewegte sich das Monster über die Terrasse, es streifte am Pool entlang, drehte den Kopf, sodass die kalten Raubtieraugen direkt ins Zimmer starrten.
Anne Cargill stand wie angewachsen auf der Stelle. Sie hatte nur mehr Augen für ihre Katze und hoffte, sich getäuscht zu haben, doch das war nicht der Fall.
Sie kannte jedes Barthaar bei ihrem Tier, jeden Ausdruck der Augen, denn sie hatte immer wieder darüber gestaunt, wie sehr sich der Ausdruck verändern konnte.
Den, den sie jetzt sah, hatte sie nur selten bei ihrem Tier erlebt, nur in Ausnahmefällen.
Es war ein teuflischer, ein böser Ausdruck.
Mordlüstern!
Aus der Katze war ein vierbeiniger Killer geworden, der sich nun duckte und anschlich. Ein sicheres Zeichen für den Angriff.
Anne hatte ihre Katze aus Spaß immer Tiger genannt. Doch jetzt schrie sie das Wort, und es bestand aus Angst, Panik und Furcht.
Die Riesenkatze stieß sich ab. Der gewaltige Körper beschrieb einen Halbbogen, als er sich vom Boden in die Luft wuchtete und auf das Fenster zusprang.
»Neiiinnn …« Der Schrei wurde vom Klirren des Glases übertönt, als der schwere Körper hindurchbrach und ins Zimmer hechtete. Er prallte zuerst auf das Bett, das unter dem Gewicht zusammenbrach. Danach stieß sich die Katze ab. Sie wurde zu einem fliegenden Ungeheuer, das über die entsetzte Schauspielerin herfiel.
Anne schrie nicht mehr. Der schwere Tigerkörper hatte sie umgerissen und sie unter sich begraben. Sie spürte plötzlich die Pfoten, die zu Pranken geworden waren und sie mit einer spielerisch anmutenden Bewegung in die Höhe schleuderten, während sie die Frau an beiden Seiten der Taille umklammert hielten.
Anne Cargill flog quer durchs Zimmer, prallte mit dem Hinterkopf gegen die offen stehende Tür und hatte den Eindruck, in Watte gedrückt zu werden. Der Schmerz durchschnitt gleichzeitig ihren Kopf wie ein Blitzstrahl.
Noch einmal riss sie sich zusammen. Sie sah klar, sie hörte klar und vernahm das überlaute satanische Lachen, das von der Terrasse her durch den Raum hallte.
Es war der letzte Laut, den sie als Lebende mitbekam. Die Pranke des Tigers fegte nach unten wie ein Fallbeil. Sie tötete Anne Cargill bereits mit dem ersten Schlag …
☆
Als Ken Travers das Bad verließ, war er nach wie vor nackt. Den teuren Bademantel hatte er locker über die Schulter gelegt. Der Stoff duftete nach seinem Körperspray, denn Ken liebte den Gleichklang. In der Rechten hielt er das halb gefüllte Glas Whisky, in der Linken schaukelte er eine Flasche vom teuersten Champagner.
Dunkelhaarig, solariumbraun und »in«, so kannte man Ken Travers, einen der bekanntesten Drehbuchautoren und Frauenhelden in der Filmstadt Los Angeles.
An diesem Abend wollte sich Travers wieder beweisen. Er wusste nicht einmal, wie die beiden jungen Frauen hießen, die ihn in einer Bar am Sunset Boulevard mit verführerischen Blicken angemacht hatten, jedenfalls hatten sie ihn gekannt, und sie waren scharf. Wahrscheinlich erhofften sie sich eine Rolle, denn Travers besaß ein Mitspracherecht, was die Besetzung der Filme anging, die nach seinen Büchern gedreht wurden.
Sie waren ihm willig gefolgt, und Travers, der Profi in solchen Geschäften, hatte sie noch mehr aufgeheizt. Die Drinks, die sie jetzt wahrscheinlich schlürften, enthielten nicht nur Alkohol, sondern auch eine Droge, die alle Hemmungen nahm.
So wollte Travers es haben, so hatte er es schon bei zahlreichen Häschen gemacht, und die alte Masche zog nach wie vor. Besonders bei den jungen Frauen, die vom Land kamen und dachten, dass Hollywood so wäre, wie es immer im Kino gezeigt wird.
Travers wohnte in einem kleinen Penthouse. Alle fünf Zimmertüren zweigten sternförmig von der runden Diele ab, die ein Glasdach besaß und als Mittelpunkt einen Springbrunnen. Eine nackte Puppe stand auf einem Sockel und spie grün schimmerndes Wasser aus, das in das Becken plätscherte.
Travers hörte die beiden kichern. Die tolle Aussicht bis hin zum Meer genossen sie wahrscheinlich nicht. Bestimmt hatten die Zusätze längst ihre Wirkung getan.
Mit dem Fuß stieß Travers die Tür auf. Er blieb auf der Schwelle stehen und lächelte breit. Die beiden Hübschen lagen auf den Kissen, die zu der Wohnlandschaft gehörten. Sie hielten die halb leeren Gläser fest. Eine Lampe, die aussah wie ein Propeller, erstarrten Flammen gleich, warf ihr Licht über die geschmeidige Dunkelhäutige und die Rotblonde mit dem Puppengesicht. Die Rotblonde, das hatte sie erklärt, wollte so gern eine zweite Monroe werden.
Ken hatte versprochen, alles für sie zu tun.
Die Rotblonde entdeckte ihn zuerst. »Juhu!«, jubelte sie, »du bist aber ein ganz schneller. Schon im Bademantel?«
»Ja, ihr Süßen, aber so schnell bin ich nicht. Zuerst nehmen wir ein Gläschen Champagner.«
»Wie irre. Das habe ich gelesen, dass man in Hollywood nur Champagner trinkt.«
»Er schmeckt auch gut.«
Jetzt richtete sich die gertenschlanke Dunkelhäutige auf. Ihre knallrote Bluse war aus dem Saum des engen Lederrocks herausgerutscht und klaffte so weit auf, dass die kleinen handlichen Brüste hervorschaukelten. Die Haare hatte sie zu kleinen Zöpfen gedreht und die Lippen mit einem hellen Rot nachgezogen.
»Darf ich ins Bad?«
»Sicher, Süße.«
Da sprang die Blonde auf. »Ich gehe mit.« Sie warf Travers eine Kusshand zu. »Es dauert nicht lange. Wir sind schnell.« Mit einer geschickten Körperdrehung schlüpfte sie aus dem weit geschnittenen T-Shirt und präsentierte ebenfalls, was sie vorzuweisen hatte. Und das war nicht gerade wenig.
Travers nickte anerkennend. »Dann beeilt euch.«
»Klar doch.«
Er hörte sie im Flur lachen, nahm Platz und ließ Champagner in eines der Gläser schäumen. Das Zeug war eiskalt, er trank es mit Genuss, bevor er sich ausstreckte und durch das Fenster schaute, bis dorthin, wo die Lichter von Long Beach leuchteten, die nie verloschen, weil dort immer etwas los war.
Ihm ging es gut, die Aufträge liefen, privat war ebenfalls alles in Ordnung, denn von Hollywoods Krise hatte er nicht viel mitbekommen. Als das Filmgeschäft nicht so lief, erinnerten sich TV-Bosse an ihn, sodass er Drehbücher für Serien und Kurzfilme schreiben konnte. Finanzielle Einbußen hatte er nicht hinnehmen müssen.
Sein Wohnzimmer war eine Lustwiese. Verstreut lagen die Kissen. Sie alle waren weich und daunengefedert. Man sich darauf vergnügen, ohne dass es eng wurde. Das liebte Travers sehr. Überhaupt dachte er hin und wieder daran, es noch wilder zu treiben, schließlich hatte er seinen Fünfzigsten gefeiert, nur sollte das niemand wissen.
Angst vor Aids hatte er. Aber die verdrängte er, weil er sich zu den Glückskindern im Leben zählte. Diese Krankheit bekamen andere, nicht er.
Allerdings hatte er in letzter Zeit öfter über das Jenseits und den Tod nachgedacht. Nicht etwa, weil er sich krank fühlte, nein, die Kollegen sprachen in den Bars und Kneipen darüber. Das Jenseits war ebenso in wie Reinkarnation. Es wurden sogar Wetten darüber abgeschlossen, als was man wohl wiedergeboren werden würde. Einige Spinner glaubten herausfinden zu können, als was ihre Kunden schon einmal auf der Welt gewesen waren.
Das Thema lag in der Luft. Außerdem stand Travers mit einer der größeren Filmfirmen in Verhandlungen. Es ging um einen Streifen, der die Reinkarnation zum Thema hatte. Da musste er sich zwangsläufig damit beschäftigen, und er würde es entsprechend aufbereiten. Natürlich musste der Streifen Unterhaltungswert und einen Gruseltouch haben und im Filmmilieu spielen, sprich in Hollywood.
Darauf trank er.
Das erste Glas war leer, er goss ein zweites ein. Ihm kam in den Sinn, dass keine Musik lief. Travers schwang sich hoch, sein Bademantel verrutschte, darunter trug er nichts. Die Mädchen sollten schließlich nicht viel Mühe haben. Er erwartete das Gleiche von ihnen, wenn sie aus dem Bad kamen.
Da flackerte das Licht!
Es ging aus, wieder an, aber doch auffällig genug. Travers schaute hoch zur Lampe. Eine Freundin hatte sie ihm einmal geschenkt, weil sie die Form so irre fand. Travers war anderer Ansicht, aber zu faul, die Lampe auszuwechseln. So hing sie schon seit zwei Jahren unter der Decke.
Gab sie jetzt ihren Geist auf? Nein, die Lampe mit den drei Birnen leuchtete normal weiter.
Dann wieder das Flackern!
Diesmal heftiger, fast wütend. Travers hatte den Eindruck, als würde sich etwas in den Flammenschalen bewegen. Er ärgerte sich. Seiner Ansicht nach musste alles perfekt sein. Er gehörte zu den Perfektionisten.
Das Licht brannte wieder mit normaler Stärke, allerdings schimmerten hinter dem weißen Glas Farben. Rot, grün und blau.
Travers wischte sich über die Augen. Ich spinne, dachte er. Wie kommen Farben in die Lampen? Ich muss verrückt sein. Er stellte das Glas weg. Der kostbare Prickelsaft schmeckte ihm plötzlich nicht mehr. Er dachte an die beiden Mädchen. Ob deren Auftauchen etwas mit den Vorgängen zu tun hatte?
Travers schaute noch einmal hoch zur Decke. Sie war weiß gestrichen und gab einen matten Glanz ab. Aus dem Bad hörte er lautes Kreischen und Lachen. Die beiden Hühner amüsierten sich jetzt schon. Plötzlich wollte Travers sie wieder wegschicken. Er wollte sie nicht mehr. Mit wuchtigen Schritten ging er zum Fenster.
Es reichte bis zum Boden. Der Ausblick war herrlich, Travers hatte ihn oft genug genossen, an diesem Abend jedoch nicht. Seine Gedanken beschäftigten sich mit ganz anderen Dingen.
Das Flackern des Lichts!
Wieso war es so plötzlich gekommen? Was stimmte daran nicht? Natürlich, es hätte die Folge eines allgemeinen Stromabfalls sein können, daran wollte er seltsamerweise nicht glauben. Travers spürte eine Bedrohung.
Aber wer steckte dahinter?
Dann hörte er das Fauchen! Ein Laut, der nicht in die Stille hineinpasste, als hätte sich jemand im Zimmer versteckt gehalten. Vielleicht ein Raubtier.
Er drehte sich um. Im selben Moment zersprangen die Lampenarme. Schlagartig wurde es dunkel. Aus weit geöffneten Augen stierte der Mann gegen die Decke, wo sich drei geisterhafte farbige Erscheinungen drehten und ineinander glitten. Dann teilten sie sich und jagten in verschiedenen Richtungen davon.
Geister …?
Etwas pfiff heran. Kein farbiges Geistwesen. Er erkannte den Gegenstand nicht, er spürte ihn nur, wie er über seine Wange huschte und einen tiefen Schnitt hinterließ.
Mit dem pumpenden Blut kam der Schmerz. Travers heulte auf. Er presste die Hand gegen die getroffene Stelle und taumelte vor. Genau in sein Verderben hinein.
Es war nicht stockfinster geworden. Durch das Fenster drang ein grauer Winterschein, der bis in die Mitte des Zimmers hineinreichte.
Dort lauerte das Verderben!
Der Autor fiel in diesen tödlichen und mörderischen Kreisel hinein. Er hörte ein scharfes Pfeifen, sah etwas Helleres, Langes, Spitzes dicht vor seinen Augen, griff danach, bekam es zu fassen und schnitt sich in die Hand. Es war ihm, als hätte er ein doppelschneidiges Messer angefasst.
Der Schmerz war unbeschreiblich. Travers drehte sich auf der Stelle. Er hatte den Mund weit aufgerissen, als ihn die nächste Scherbe erwischte.
Am Hals.
Travers wurde zu einer Marionette. Er stampfte im Kreis, stieß den Tisch mitsamt Champagner um und hörte, wie das Zeug gluckernd ausfloss.
Von zwei Seiten jagten die nächsten beiden Lampensplitter heran. Sie stießen zu, ohne dass das Opfer eine Chance gehabt hätte.
Jemand lachte hässlich und teuflisch. Dieses Geräusch nahm Ken Travers mit ins Jenseits.
Er starb auf grauenhafte Art und Weise, während sich seine Mädchen im Bad zurechtmachten. Sie hatten von all dem nichts mitbekommen, verließen den weiß und rot gekachelten Raum fröhlich und beschwingt.
Augenblicke später überfiel sie das nackte Entsetzen.
Sie drehten durch, schrien und flüchteten schließlich ins Freie. In irgendeinem Park wurden sie schließlich aufgegriffen, in ein Revier gebracht und befragt.
Man protokollierte die Aussagen, aber man wollte ihnen nicht glauben, weil die Beamten annahmen, dass sie unter Drogen standen. So gab man ihnen Kleidung und steckte sie in eine Zelle.
Der Tote wurde erst einen Tag später gefunden. Selbst abgebrühte Beamte der Mordkommission wurden totenbleich, als sie den Autor Ken Travers dort liegen sahen …
☆
Ein Freund hatte die beiden Stuntgirls für verrückt gehalten. Andere hatten sie ausgelacht, aber Patty und Linda Gage, die Zwillinge, gehörten zu den Menschen, die das Außergewöhnliche liebten.
Die beiden Frauen begeisterten sich nun mal für Wüstentrips. Sie hatten sich einen alten offenen Jeep zugelegt und erholten sich bei diesen rasanten Autofahrten vom Stress der Dreharbeiten.
Die Wüste war nicht tot, wie viele immer behaupteten. Sie lebte. Man musste nur genau hinschauen, um dies erkennen zu können. Es war ein besonderes Leben, nicht an der Oberfläche, mehr tiefer und versteckter.
Nirgendwo war das Farbenspiel so prächtig wie in diesen angeblich öden, rauen und bergreichen Gegenden nordöstlich von Los Angeles.
Auch an diesem Nachmittag waren die beiden wieder unterwegs. Patty lenkte den Wagen auf der Hinreise. Zurück würde ihre Zwillingsschwester fahren.
Sie trugen Stiefel, derbe Jeans, Hemden und Jacken. Die Gage-Sisters glichen sich wie ein Ei dem anderen. Beide waren hellblond, gleich groß, hatten die gleichen Gesichter mit den etwas zu schmalen Lippen, und sie waren beide gleich schlank.
Hollywood hatte sie mit offenen Armen empfangen. Stuntgirls waren gefragt. Über mangelnde Arbeit konnten sich die jungen Frauen nicht beklagen. Sie arbeiteten nicht nur für den Film, TV-Produzenten griffen ebenfalls hin und wieder auf sie zurück.
An diesem Tag hatten sie frei. Erst am nächsten würden sie mit neuen gefährlichen Hochhaus-Stunts beginnen und einen Star doubeln, der bei den männlichen Bewunderern feuchte Augen und einen schwachen Kreislauf hinterließ.