John Sinclair Sonder-Edition 80 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 80 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Lucky Lips hieß der neue Lippenstift, der von einer cleveren Werbefirma in einer selten erlebten Kampagne bekannt gemacht wurde.
Lucky Lips war anders. Erotisch, zärtlich und dämonisch.
Das aber erfuhren die Käufer erst später.

Wie auch meine Freundin Jane Collins, die nichts ahnend den Lippenstift kaufte ...

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EPUB

Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Todesküsse

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6632-7

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Todesküsse

von Jason Dark

Viele Bewohner ahnten den Untergang des Landes schon voraus, aber niemand wollte es zugeben oder sprach darüber.

Die Wissenden aus Atlantis, ob sie finsteren Göttern dienten oder nicht, trafen ihre Vorbereitungen in aller Stille. Wenn die große Katastrophe einmal über sie hereinbrach, sollten gewisse Dinge der Nachwelt hinterlassen werden. Es konnte ja sein, dass andere Menschen das Wissen nutzen wollten.

Auch die vier Gestalten, die im Schutz der Dunkelheit dem Meer entgegenliefen und nach drei Stunden Fußmarsch eine versteckt liegende Bucht an der felsigen Küste erreichten, dachten so. Sie hatten etwas sehr Wichtiges vor, das nur sie allein anging. Sie waren Verschwörer, und so kleideten sie sich.

Dunkles Linnen bedeckte ihre Körper. Es war zu weiten Gewändern genäht worden, die bei jedem Schritt Falten warfen und aufwallten. Die nackten Füße der Männer wurden von Sandalen umschlungen, deren Riemen bis unter die Knie reichten. Die Sandalen besaßen dicke weiche Sohlen, die sich bei jedem Schritt den Unebenheiten des Bodens anpassten.

In der Nähe des Strands spürten sie den Wind deutlicher. Da fuhr er über den feinen Sand und griff mit seinen unsichtbaren Händen hinein. Dabei hob er lange Fahnen hoch und trieb sie über den Sand, bis zu den Felsen an der Westseite der Bucht, die eine kompakte Mauer bildeten.

Schräg über ihr stand der Mond.

Eine schmale Sichel nur. Ihr Glanz zeigte Blässe und Fahlheit. Sie wirkte vor dem Hintergrund wie ausgeschnitten.

Sterne verteilten sich ebenfalls auf der dunklen Fläche. Kleine, helle Punkte, die irgendwie verloren aussahen.

Es war eine klare Nacht. Oft genug bildeten sich besonders nahe der Bucht Nebelbänke, doch in dieser Nacht waren sie erst gar nicht erschienen.

Die vier Männer waren trotzdem vorsichtig. Häufig blieben sie stehen und lauschten in das Rauschen der Brandung, aber kein fremdes Geräusch zerstörte diese Geräuschkulisse.

Sie waren sicher.

Über einen schmalen Pfad erreichten sie die Bucht. Sie hatte die Form einer gekrümmten Hand, halbrund, nicht einmal besonders groß und am Ufer mit einem schmalen, feinen Sandstrand versehen.

Das Meer sah dunkel aus. Wie ein breiter, wogender, in der Unendlichkeit verlaufender Teppich. Nicht weit vom Strand entfernt, am Rand der Bucht, zeichnete sich etwas von der Oberfläche ab.

Eine Silhouette, in der unteren Hälfte plump, sich nach oben hin verjüngend und mit zwei Masten versehen, an denen das Leinen der Segel schlaff herabhing.

Es war ihr Schiff, das seit Tagen vor der Küste ankerte. Und es gehörte ebenso zu ihrem Plan wie der lange Marsch durch die finstere Nacht.

Sie gingen bis dorthin, wo die Wellen zu schaumigen Blasenstreifen ausliefen, schauten sich an und nickten sich zu. Die Dunkelheit machte ihre Gesichter fast gleich, sodass sie selbst wie der blaue Stein der Felsen aussahen.

Sie reichten sich die Hände, wobei sie kein Wort sprachen. In ihren Augen jedoch lag ein gewisses Schimmern. Es kündete davon, dass sie es geschafft hatten.

Einer von ihnen löste sich aus dem Kreis. Er ging nach Osten und verschwand im Schutz einer überhängenden Felsnase, wo er für einige Zeit blieb und beim Zurückkommen ein hölzernes kleines Boot hinter sich herzog, das Platz für vier Männer bot.

Er schleifte es zum Ufer, schob es hinein, die anderen halfen ihm, stiegen ein, als das Wasser ihre Schienbeine umspielte, und griffen nach den Rudern.

Sie kämpften gegen die anlaufende Brandung. Das Boot begann, zu schaukeln. Mal sah es aus, als würde es über die Wellenkämme hinwegfliegen, dann wieder sank es ab, ohne allerdings vom Wasser verschlungen zu werden, auch wenn die Wellen an greifende Hände erinnerten.

Gischt sprühte auf sie.

Das Wasser zog und zerrte. Es wollte nicht zulassen, dass vier Menschen stärker waren, und musste sich trotzdem geschlagen geben.

Die Männer erreichten das Schiff. Einer von ihnen hatte sich hingekniet, nach einer Leine gegriffen, an deren Ende ein krummer Haken hing. Zielsicher warf der Mann Haken und Leine hoch. Das krumme Metallstück hakte sich an der Bordwand fest. So blieb das kleine Ruderboot mit dem wesentlich größeren Zweimaster verbunden.

Der Werfer machte den Anfang.

Er hangelte sich mit kräftigen, geschickten Bewegungen an der Leine hoch und turnte elegant über die Bordwand.

Seine drei Gefolgsleute warteten. Erst als der erste das Schiff inspiziert hatte und sie zu sich winkte, kletterten sie an der Leine hinauf.

Beinahe mühelos sah es aus. An Bord wurden sie erwartet, und sie schauten in dieselbe Richtung.

Mittschiffs stand ein wuchtiger Gegenstand, der durch Planen und Tücher verdeckt war. Für sie war der Gegenstand wichtiger als das Schiff.

Die vier Männer besprachen sich flüsternd und kamen zu dem Entschluss, ein wenig zu ruhen. Über einen Niedergang verschwanden sie unter Deck, wo lange Bänke standen, auf denen bei großer Fahrt die Ruderer saßen und das Schiff bei Flaute fortbewegen mussten.

Sie streckten sich auf den hölzernen Bänken nieder. Durch eine breite Luke über ihnen konnten sie in die Nacht und gegen den dunklen Himmel schauen.

Dieser Anblick hatte etwas Beruhigendes für sie. Niemand würde sie stören. Was sie bisher geschafft hatten, machte ihnen so leicht keiner nach. Das lange Wandern hatte sie müde gemacht. Wie von selbst fielen ihnen die Augen zu. Schon bald bewiesen ruhige und regelmäßige Atemzüge, dass sie eingeschlafen waren.

Ein jeder von ihnen besaß eine innere Uhr. So war es nicht verwunderlich, dass sie fast zur gleichen Zeit erwachten, sich aufrichteten und sofort durch die Luke schauten.

Für sie wurde es Zeit, denn das Grau der Dämmerung schob die Finsternis der Nacht bereits zur Seite. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne explosionsartig am Himmel erschien und ihre gleißenden Strahlen über das Land warf.

Dann war ihre Zeit gekommen.

Hintereinander liefen sie den Niedergang hoch. Ihre Bewegungen wurden mit jeder zurückgelassenen Stufe geschmeidiger und kräftiger. Der kurze Schlaf hatte gutgetan.

Kaum an Deck, entfalteten sie eine fieberhafte Tätigkeit. Auch dies geschah, ohne dass sie sich abgesprochen hatten. Jeder hatte seine Aufgabe und wusste genau, was er tun musste.

Sie teilten sich die Arbeit auf. Zwei Männer jeweils hissten die Segel. Sie arbeiteten geschickt. Es war ihren Bewegungen anzusehen, dass sie dies nicht zum ersten Mal machten.

Das Leinen glitt an den Masten hoch. Der erste Morgenwind fuhr wie ein Gebläse über das Meer und beulte die breiten Tücher aus. Die Männer befestigten die letzten Leinen. Das Schiff fing zu schaukeln an. Noch wurde es vom Anker gehalten, aber es zeigte sich schon unwillig, weil es nicht länger an seinem Liegeplatz bleiben wollte.

Zu viert holten sie den Anker ein. Es war eine schwere Arbeit. Sie keuchten, die lange Kette schien kein Ende nehmen zu wollen. Auf ihren von Anstrengung gezeichneten Gesichtern glänzte der Schweiß. Manchmal wischten sie sich mit den Ärmeln ihrer Gewänder über die Stirnen, und sie waren froh, als der Anker rasselnd in den dafür vorgesehenen Kasten fiel.

Einer übernahm das Ruder.

Er sprang hoch zum Ruderstand. Seine Befehle gellten über das Deck.

Der Wind blähte die Segel. Schwerfällig und etwas unwillig gehorchte das Schiff den Kräften der Natur. Es wurde zur Backbordseite gewendet. Am Heck lief schmatzend das Wasser zusammen, während der Bug schon einen weißen Bart aus Schaum und Gischt bekommen hatte.

Der Wind stand günstig. Er wehte fast immer aus derselben Richtung, das hatten die vier Männer mit einkalkuliert, und so verließen sie ohne Schwierigkeiten die Bucht, um in die aus dem Meer steigende und aufgehende Sonne hineinzufahren.

Das Meer gehörte ihnen!

Ein blanker, gläsern und hell wirkender Ozean breitete sich vor ihnen aus. Eine Weite, die einsam, aber auch glücklich machen konnte, je nachdem, ob man das Meer, die Sonne und den salzigen Geruch der Wellen liebte.

Das alles kümmerte die vier Seefahrer nicht. Der Wind wies ihnen den Weg in die Weite des Ozeans und vor allen Dingen in die immer höher steigende Sonne hinein.

Das war für sie ungemein wichtig. Die Kraft der Sonne würden sie ausnutzen.

Längst war das Festland hinter ihnen zurückgeblieben. Sie sahen es nicht einmal mehr. Im Westen hob sich ein schmaler Streifen von der Wasserfläche ab. Eine der zahlreichen Inseln, die den großen Kontinent in lockerer Reihenfolge umgaben.

Einige von ihnen waren bewohnt. Andere wiederum nicht. Sie galten wegen ihres Vulkanbodens und der kaum vorhandenen Vegetation als lebensfeindlich.

Nach wie vor fuhren sie der Sonne entgegen. Am Ruder standen sie jetzt zu zweit. Die Fahrt verlief glatt. Das Meer war wunderbar ruhig. Der Wind blies nur aus einer Richtung, es gab kaum anlaufende Querwellen, und so rollte das Schiff seinem Ziel entgegen.

Sie hatten keinen bestimmten Punkt ausgemacht, sie wollten keine Insel anlaufen, sondern mitten auf dem Meer bleiben, dessen Oberfläche von den Sonnenstrahlen angestrahlt wurde, doch der Himmelskörper war den vier Männern nicht hoch genug. Sie würden ihre Aufgabe erst in Angriff nehmen, wenn der gleißende Himmelskörper im Zenit stand.

Das dauerte eine Weile. Als es so weit war, holten sie die Segel ein. Das Schiff verlor an Fahrt. Einen Anker konnten sie nicht werfen, weil die See an dieser Stelle zu tief war.

Erneut verglichen sie den Stand der Sonne, bevor sie sich an die Arbeit machten.

Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, kein Außenstehender kannte ihre Pläne. Ihnen selbst war unwohl, weil sie nicht wussten, ob alles so in Erfüllung gehen würde, wie sie es sich vorgestellt hatten. Jedenfalls hofften sie es.

Keiner der Männer befand sich mehr am Ruder. Sie hielten sich dort auf, wo die Tücher und Planen den Gegenstand verdeckten, auf den es ihnen allein ankam. Seinetwegen hatten sie die beschwerliche Reise aufs Meer unternommen.

Sie schauten noch einmal hoch zur Sonne. Sie hatte jetzt ihren höchsten Stand erreicht, die wärmenden Strahlen fielen auf das Schiff und die Wellen.

Sie nickten sich zu. Ein jeder nahm den Platz ein, der ihm zustand. Die Wellen liefen klatschend gegen den Schiffsrumpf. Eine lange Dünung wiegte das Schiff. Der Wind fuhr über das Deck und spielte mit den Enden der Plane.

Acht Hände griffen danach. Sie brauchten sich gegenseitig keine Befehle zu geben. Jeder wusste genau, wie er die Plane wegzuzerren hatte. Die Sonne brannte auf ihre Köpfe. Es war heiß geworden, und ein warmer Luftzug entstand, als die Plane zur Seite schwang und endlich den Gegenstand freigab, den sie so lange verdeckt hatten.

Es war eine Sphinx!

Groß und mächtig. Eine Löwin mit dem Kopf einer Frau. Mensch und Tier gemeinsam, ein Rätsel, das schon den alten Atlantern bekannt war.

Der Körper schimmerte hellbraun. Die Sphinx lag, sah irgendwo gesättigt aus, wie eine Katze, die es sich bequem gemacht hatte, aber dabei auf der Lauer lag.

Selbst die Strenge des Gesteins konnte die Schönheit des Frauengesichts nicht verhehlen. Ein breiter Mund, eine wohlgeformte Nase und zwei Augen, die aussahen, als würden sie leben.

»Sie wird sterben«, sagte einer.

»Ja, aber nicht für immer.«

»Dann werden wir nicht mehr sein«, bemerkte der Dritte.

Und der Vierte fügte hinzu: »Man wird sich an uns erinnern müssen. Atlantis kann nicht in Vergessenheit geraten.«

»Schauen wir zu, wie sie stirbt«, sagte der Erste.

Sie traten zurück. Von vier verschiedenen Seiten richteten sie ihre Blicke auf die Figur, die schutzlos den Sonnenstrahlen preisgegeben war. Das war die Absicht der Männer.

Minuten verrannen. Die Sonne schien weiter. Sie schickte ihre Strahlen auf die Sphinx, brannte erbarmungslos auf den Rücken, wo sich das Gestein plötzlich auflöste. Es begann, zu zittern, Tropfen bildeten sich, Blasen entstanden, platzten auf, wurden zu kleineren Tropfen, die sich über dem Körper verteilten und an beiden Seiten an der Gestalt nach unten rannen.

Aber nicht nur die obere Haut wurde von den Sonnenstrahlen erwischt. Sie brannten sich in den Körper ein, zerstörten ihn ebenfalls von innen, weichten ihn auf, als wollten sie ihn schmelzen.

Die Figur »schwitzte« und sackte nach einer gewissen Zeit in sich zusammen. Lachen hatten sich bereits gebildet, aber noch hielt sie den Kopf stolz erhoben.

Auch er wurde nicht verschont.

Das Haar des Frauenkopfes erwischte es zuerst. Langsam wurde es flüssig. Als träge, zähe Masse breitete es sich aus, floss über das Frauengesicht und verzerrte es zu einer Grimasse. Nichts blieb mehr von der Schönheit. Die Augen schmolzen weg, die Nase verkleinerte sich, der Mund schrumpfte, nachdem er eine schiefe Form angenommen hatte.

Der Schrei brandete urplötzlich auf. Ein Ruf, der über das Schiff hallte. Grausam, schrill, ein Schrei des Todes, der Qual, ein letztes Aufbäumen vor dem Ende.

Die vier Männer hörten zu. Niemand rührte sich. Die Blicke waren starr auf den Körper gerichtet, der sich verkleinerte.

Stunden vergingen, die Sonne wanderte weiter, aber sie hatte ihre Pflicht getan.

Die Sphinx war geschmolzen.

»Sie ist ein Rätsel gewesen, sie wird für immer ein Rätsel bleiben«, erklärte einer der vier Männer. »Andere Völker, die nach uns kommen, werden sie übernehmen, und in einer fernen Zukunft noch wird man vor ihr sprechen. Unsere Sphinx aber, die erste überhaupt, die atlantische, die vor unseren Augen schmolz, wird ihr Erbe tief hinein in die Zukunft tragen und als Botin des Todes über ferne Welten hereinbrechen. Man wird ihr Erbe niemals vergessen. Niemals …«

Seine Freunde nickten ihm zu. Gemeinsam gingen sie unter Deck, wo die geschmolzene Masse in einem großen Gefäß aufgefangen worden war und allmählich abkühlte.

»Man wird sich an sie erinnern«, flüsterten die Männer und fassten sich an den Händen. »Man wird sich an sie erinnern. Irgendwann, wenn die Ersten sterben durch den Todeskuss der Sphinx …«

Es gibt Menschen, die schaffen es immer wieder trotz zahlreicher Ablenkungen, andere Personen in ihren Bann zu ziehen. Zu dieser Gruppe zählte Rowena de Largo.

Schön, dunkelhaarig, verführerisch, gestylt und trotzdem eine eigene Persönlichkeit, war sie genau die richtige Frau für einen bestimmten Job.

Sie verkaufte die neueste Errungenschaft auf dem Gebiet der Kosmetik.

Lucky Lips, der neue Lippenstift, der andere Stift. Erotisch, zärtlich – und dämonisch. Erfüllt vom dämonischen Feuer der tiefen Leidenschaft, so hatten es die cleveren Werbestrategen erfunden und in Rowena de Largo jemanden gefunden, der den Lippenstift an die Käufer brachte.

Es war ihr gelungen, in die Abteilungen der Kaufhäuser einzudringen und dort einen Platz zu finden, der, wenn sie einmal anfing, ständig überlaufen war.

Viele Frauen fühlten sich in dieser künstlichen Glitzerwelt aus Glas, Leuchtstrahlern, Flakons, Seifen und Parfüms wohl. Die nie abreißende Duftwolke in der Abteilung gaukelte ihnen etwas von einer glamourösen Welt vor, die sie sonst nur vom Bildschirm her kannten.

Rowena de Largo tat alles, um diesen Eindruck zu verstärken. Sie stand ein wenig erhöht und hatte auf der Verkaufstheke vor sich die Dinge aufgebaut, für die sie Werbung machte. Der neue Lippenstift war überproportional vertreten. Er steckte in einer dunkelroten Hülle, die an den beiden Enden goldfarbene Ringe besaß, sodass die Verpackung einen wertvollen Touch bekam.

Auch an diesem Vormittag drängten sich Kundinnen und Schaulustige um den Stand. Alle Altersgruppen waren vertreten, vom Teenager bis hin zur Großmutter. Lucky Lips war eben etwas Besonderes. Man hatte es gehört, denn parallel zu Rowenas Live-Demonstrationen liefen die Werbeaktionen auf dem Bildschirm und in den Zeitungen.

Rowena de Largo lächelte, an diesem Tag herrschte wieder starker Andrang. Sie wusste, dass ihr die Kundinnen einiges abkaufen würden, und sie fühlte sich gut. An ihr war alles ebenmäßig. Das schwarze Haar, zu Locken gedreht, fiel leicht bis in den Nacken. Sonnenbraun präsentierte sich die Haut. Ein Hauch von Lidschatten betonte die eindrucksvollen Augen noch stärker. Der Mund war geschwungen wie eine schöne Welle.

Die Lampen waren so angebracht, dass sie Rowena nicht blenden konnten. Sie aber schaute von ihrem erhöhten Platz in die Gesichter der Kundinnen. Teils waren sie erwartungsfroh, manchmal ein wenig spöttisch, aber nie direkt ablehnend, selbst bei den älteren Zuhörerinnen nicht.

»Ich darf Sie, meine sehr verehrten Ladys, begrüßen und freue mich, dass Sie zu mir gekommen sind, um sich von Lucky Lips überzeugen zu lassen.« Rowena setzte ein mokantes Lächeln auf. »Eigentlich hätte es dieser Überzeugung nicht bedurft, dieser Lippenstift spricht für sich selbst, aber es gibt Dinge, die kann man nicht oft genug wiederholen, weil sie eben so anders und besonders sind.«

»Wie besonders denn?«, rief ein Mann, der ein wenig abseits stand und sich jetzt unwohl fühlte, weil er die zahlreichen Blicke spürte, die sich auf ihn richteten.

»Wie besonders, Gentleman? Wollen Sie ihn ausprobieren?«

Rowena hatte die Lacher auf ihrer Seite, und der Mann suchte nach einer Antwort. »Vielleicht meine Frau?«

»Das ist ein Wort, Sir. Wenn Ihre Frau den Lippenstift ausprobiert hat, werden Sie begeistert sein. Sie haben dann ein anderes Wesen vor sich, eine neue Frau, verstehen Sie? Gerade weil der Lippenstift anders ist. Erotisch, zärtlich – und dämonisch. Dieser Lippenstift erweckt in Ihrer Frau ein Feuer, wie sie es nie zuvor erlebt haben, Sir. Sie werden plötzlich eine andere Person neben sich sitzen oder liegen haben. Der Lippenstift ist Stimulator und Rauschbringer. Er verändert, weil er aus einer besonderen Masse besteht. Mir hat eine Kundin einmal gesagt, sie würde ihn sogar als Rauschgift ansehen. Ja, er hat bei ihr wie ein Rauschgift gewirkt …«

»Jaja, erzählen kann man viel …«

»Ich bitte Sie, Sir.« Rowena tat entrüstet. »Aber doch nicht ich! Das habe ich nicht nötig. Fragen Sie die Ladys. Haben Sie Lucky Lips schon ausprobiert?«

Einige hoben schüchtern die Arme.

»Und, meine Damen? Wie ist er Ihnen bekommen? Reden Sie ruhig offen. Ich kann Kritik vertragen, obwohl es nichts zu kritisieren gibt.«

»Er ist anders«, sagte jemand.

»Wie anders?«

»So prickelnd.«

»Wie Champagnerperlen auf den Lippen?«, erkundigte sich die Verkäuferin.

»So ähnlich.«

»Das habe ich gewusst. Ich hatte es nur mit anderen Worten beschrieben. Aber der Vergleich ist gut. Ein Lippenstift wie Champagner. Danke für diesen Tipp, Lady.« Sie schaute wieder auf den männlichen Zuhörer. »Ich sehe es Ihnen an, mein Herr, meine Worte haben Sie nicht überzeugen können. Schade!« Rowena hob die Schultern und tat so, als sei sie enttäuscht. Einen Moment später aber sprang der Funke wieder über. »Nein!«, rief sie. »So einfach lasse ich Sie nicht wegkommen. Ich mag es nicht, wenn man an diesem Produkt zweifelt.« Sie hielt einen Lippenstift so hoch, dass ihn jeder sehen konnte. »Sir, ich bitte Sie, kommen Sie her. Bitte, meine Damen, lassen Sie diesen Ungläubigen durch.«

»Ich soll wirklich?«

»Ja, Sir, ich muss Sie überzeugen, damit Sie Ihre Frau überzeugen können.«

Wieder fühlte sich der Mann unwohl und gleichzeitig in die Defensive gedrängt. Er sah die schadenfrohen Blicke der Kundinnen. Jede war froh, dass es nicht sie getroffen hatte, denn gegen die Sicherheit der Verkäuferin wäre keine von ihnen angekommen.

»Gehen Sie schon«, sagte eine Frau und trat zur Seite.

Die anderen machten es ihr nach. So bildeten sie eine Gasse, die der Kunde zögernd betrat.

Er wirkte ein wenig hilflos. Es war ihm alles über den Kopf gewachsen. Sein Lächeln wirkte verkrampft, auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen. Das dunkle Haar zeigte schon graue Fäden. Er zwinkerte mit den Augen, als er zögernd auf die Theke zutrat, wo ihn Rowena de Largo erwartete.

»Darf ich Ihren Namen erfahren, Mister?« Sie beugte sich vor. Der Ausschnitt ihrer roten Bluse – es war die passende Farbe zum Lippenstift – klaffte weit auseinander und ließ tief blicken.

»Ich heiße Wilson. Gerald Wilson.«

»Danke, Mister Wilson, dass Sie den Mut gezeigt haben, um Lucky Lips zu probieren.« Sie begann, zu lachen. »Haben Sie eigentlich Angst vor mir?«

»Wieso?«

»Weil Sie so weit entfernt stehen.«

»Nein, aber ich dachte …«

»Kommen Sie, Mister Wilson. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die Männer fressen. Im Gegenteil, ich liebe das andere Geschlecht.«

Da hatte sie die richtigen Worte getroffen, denn die übrigen Kundinnen fingen zu lachen an.

Gerald Wilson bekam einen roten Kopf. Er wäre am liebsten in den Boden versunken und dort für immer geblieben.

Rowena de Largo streckte ihm beide Hände entgegen. Auf ihrer Handfläche lag der Lippenstift.

Rot wie gestocktes Blut und an den Enden die beiden goldenen Streifen. Sie nickte Wilson zu. »Nehmen Sie ihn. Nehmen Sie ihn, ohne zu bezahlen, schenken Sie ihn Ihrer Frau und bestellen Sie ihr einen Gruß von mir. Werden Sie das tun?«

»Ja, ich nehme ihn.«

»Gut, sehr gut.« Rowena legte ihn in Gerald Wilsons Hand. Er schloss die Finger zur Faust. »Und denken Sie daran, Mister Wilson«, gab ihm Rowena zum Abschied mit auf den Weg. »Lucky Lips ist anders. Erotisch, zärtlich – und dämonisch …«

Beim letzten Wort trat ein besonderer Ausdruck in ihre Augen. Er war irgendwie wissend, und Gerald Wilson schüttelte sich.

Er hatte plötzlich das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben, wollte den Stift wieder abgeben, das aber hatte die Verkäuferin bemerkt, denn sie wandte sich rasch der übrigen Kundschaft zu.

Wilson zog sich zurück. Man sprach ihn an, die Bemerkungen waren witzig, auch spöttisch.

»Hoffentlich übernimmt sich Ihre Frau nicht«, sagte ein Zuschauer und lachte.

»Keine Sorge.« Wilson drängte sich an dem Sprecher vorbei. Beinahe fluchtartig verließ er die Abteilung.

Er ahnte nicht, dass er eine magische Zeitbombe in seiner rechten Faust hielt …

Eve Wilson saß in der Küche, trank Kaffee und dachte daran, wie mies das Leben war.

Seit drei Monaten war sie ohne Job. Man hatte sie und andere Mitarbeiterinnen kurzerhand auf die Straße gesetzt, denn ein großer Computer hatte die Arbeit der fünf Frauen übernommen. Zwei waren geblieben, sie wurden angelernt.

Und einen neuen Job zu bekommen, war verdammt schwer. Es gab zu wenige freie Stellen und zu viele Hindernisse. Eve dachte über ihr Alter nach.

Zweiunddreißig war sie jetzt, ein gutes Alter. Sie fühlte sich nicht alt, und sie hatte von einer Bekannten gehört, dass in einigen Lokalen Stripperinnen gesucht wurden.