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Es gefiel der Mafia nicht, dass sie in der letzten Zeit viele Niederlagen hatte einstecken müssen. Logan Costello, Londons Mafioso Nr. 1, wollte dies ändern. Er hatte schon immer einen guten Draht zur Hölle gehabt und spielte seine Beziehungen voll aus.
Schon bald geisterte ein Begriff durch die Millionenstadt an der Themse: Das Voodoo-Syndikat.
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Das Voodoo-Syndikat
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7176-5
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
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www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Das Voodoo-Syndikat
von Jason Dark
Der Bleiche starrte Tonio Rizzi schon seit fast einer Minute an.
Zuerst hatte sich Rizzi nicht darum gekümmert, die Exotin an seiner linken Seite war viel interessanter, dann aber spürte er den kalten Hauch auf Nacken und Rücken. Er wusste, dass etwas nicht stimmte. Das störte Tonio Rizzi, der es gewohnt war, immer auf dem Sprung zu sein. Missmutig drehte er sich um.
Der Bleiche neben ihm hatte ein ausdruckloses Gesicht, Augen wie graue Kieselsteine, einen breiten Mund und eine kleine Nase.
»Kennen wir uns?«, zischte Rizzi.
Der Bleiche schüttelte den Kopf.
»Weshalb glotzt du dann so?«
Der Bleiche gab keine Antwort.
An Rizzis anderer Seite lachte die Exotin perlend auf. Wahrscheinlich kümmerte sie sich bereits um einen anderen Gast. Die Kleine war neu in dem Laden, wie auch der Bleiche.
»Hau ab«, sagte Rizzi. »Sofort!«
Der Bleiche nickte. Er bewegte seine Hände ruckartig von der blanken Barplatte. Nicht einmal Schweißflecken blieben zurück, was Tonio sehr wunderte.
Neben ihm blieb der Fremde stehen. Er roch so komisch. Identifizieren konnte Rizzi den Geruch nicht, weil der Gestank von Qualm, Parfüm und Alkohol überwog.
Der Bleiche bewegte den rechten Arm. Er befand sich an der von Rizzi abgewandten Seite. Da er sich dabei drehte, nahm Tonio an, dass er abdrehen wollte.
Das tat er nicht. Der Bleiche hatte nicht nur seinen Arm bewegt, er holte auch aus. Zwischen seinen knorpeligen Fingern blitzte etwas hell auf.
Ein Eispickel!
Und den schlug er in Rizzis ungeschützten Nacken!
☆
Genau zu dem Zeitpunkt betrat ich die Bar!
Sie nannte sich San Francisco und gehörte zu den Schuppen, die zurzeit »in« waren. In zahlreichen Menschen war die Sehnsucht nach den sechziger Jahren wieder hochgestiegen. Sie dachten an ihre Zeit, als noch Flower Power regierte, man das Leben leicht nahm und sich vorkam, als würde man auf einem Kranz von Blüten schweben.
An der Westküste der Staaten, in Frisco, hatte diese Bewegung ihren Ursprung gehabt und war nicht nur über die Staaten hinweggeweht, sie hatte auch Europa erfasst und die Menschen damals in eine regelrechte Euphorie hineingerissen.
Hasch wurde zur Gesellschaftsdroge, die Popstars feierten mit ihren Open-Air-Konzerten Triumphe, an den Krieg wollte niemand mehr denken, Amerika hatte sein Vietnamproblem, und die Jugend wollte keinen Leistungsdruck mehr. Diese Zeiten waren vergangen, kehrten aber jetzt wieder, zumindest in einer nostalgischen Form, die nicht tiefer drang.
Dazu gehörten eben auch Lokale wie das San Francisco. Nicht, dass dort Blumenkinder herumgeschwebt wären, die Gäste waren zumeist harte Burschen und leichte Mädchen. Hier traf sich alles, was zur Halbwelt gehörte. Auch mancher Unterweltboss verkehrte hier.
Die Girls waren spitze, die Preise auch, die Dekoration erinnerte an Strand, Sand, Meer, Sex und Urlaub.
Schon im Eingangsbereich leuchtete eine künstliche Sonne, die aus einem kitschig blauen Meer stieg. Das war nicht alles, man konnte die Wellen teilen, weil sie aus einem Vorhang bestanden, und erreichte das Lokal.
Es sah aus wie ein Schiff. Die Sitzgelegenheiten verteilten sich auf mehreren Decks, und die Brücke diente als Bar. Dort arbeiteten mehrere Barkeeper und leicht geschürzte Mädchen, angezogen im Matrosen-Look, wobei die Girls der unterschiedlichsten Hautfarben und Nationen nur knappe Jacken zu ihren noch knapperen Hosen trugen.
Unter der Decke schwebte die Nachbildung der Golden Gate Bridge, sodass der Gast das Gefühl bekam, er würde unter der Brücke herfahren, wobei der Boden noch blau und wellig gestrichen war, was wiederum das Meer andeuten sollte.
Fehlte nur der Sand, der unter den Sohlen knirschte. Darauf hatte man verzichtet, die Gefahr des Ausrutschens wäre selbst bei einem Klammertanz zu groß gewesen. Ich war nicht aus freien Stücken im San Francisco. Wenn ich einen Schluck trinken wollte, dann ging ich in einen Pub, wo ich es gemütlicher fand und mir das Bier bedeutend besser schmeckte. Dieser Besuch war dienstlich, und er galt einem Mann, der auf den Namen Tonio Rizzi hörte.
Das klang nach Mafia – und das war auch Mafia!
Was er mir genau berichten wollte, darüber hatte er nicht viel gesagt. Jedenfalls war der Name Logan Costello gefallen, und der hatte mich aus meinen wohlverdienten Feierabendträumen gerissen.
In der Kleidung hatte ich mich dem Publikum angepasst, so jedenfalls dachte ich. Aber in meinem weißen Leinenjackett, der schwarzen Hose und dem beigen Hemd fiel ich unter den Gästen trotzdem auf. Sie liefen im Look der Sechziger herum.
Zwar trugen sie keine Röhrenhosen, aber oft weit fallende Hemden, die schon an Gewänder erinnerten.
Die Girls waren ebenfalls locker und luftig gekleidet. Zum Großteil glutäugige Schönheiten, die mit einem Blick das Blut eines Mannes in Wallung bringen konnten.
Ich war da keine Ausnahme, wobei ich mich fragte, wo diese hübschen Mädchen nur herkamen.
Blüten warfen nicht ihren Duft über die Gäste, sondern ihr Licht, denn jede Lampe hatte eine Blütenform, wobei sich keine wiederholte. Das war schon originell.
Tonio Rizzi hatte vorgeschlagen, mich an der Bar zu treffen. In diesem Fall war es die Brücke, die ich erklimmen musste. Breite, weiß angestrichene Metallstufen führten hoch zu den einzelnen Decks.
Ich hatte mit einem raschen Rundblick festgestellt, dass hier Gäste versammelt waren, die so mancher Polizist gern hinter Gittern gesehen hätte.
Besonders Typen aus der Zuhälterszene trieben sich herum. Sonnenstudio-Bräune, breite Schultern aus dem Fitness-Center, gelbeschmierte Haare, alles sehr kurz und modisch geschnitten, Schönlinge eben, von denen manche auch einen brutalen Schlag hatten.
Wenn sie mich sahen, musterten sie mich aus kalten Augen. Ich kannte diese Blicke, sie »rochen« mit den Augen und nahmen wahrscheinlich wahr, dass ich zur Kategorie Polizist zählte.
Es sprach mich niemand an. Dafür konnte ich die Mädchen bewundern, die bedienten. Sie balancierten die Tabletts mit den Drinks geschickt durch die Schar der dicht gedrängt stehenden Gäste, ohne auch nur ein Glas zu zerbrechen.
Das waren schon kleine Künstlerinnen.
Mein Weg führte noch immer zur Bar, das heißt zur Brücke. Eine Treppe musste ich noch überwinden. Die Stufen glänzten so weiß, als wären sie erst gestern gestrichen worden.
Sicherlich wartete Tonio Rizzi schon auf mich, da ich mich um einiges verspätet hatte.
Ich enterte die Treppe, kam bis zur vorletzten Stufe und hatte bereits die Bar im Blickfeld, als es geschah.
Ein spitzer, schriller Schrei unterbrach den Wirrwarr der Stimmen. Er war ganz in meiner Nähe aufgeklungen, direkt an der Bar.
Ich sprintete los. Mit zwei gewaltigen Sätzen erreichte ich mein Ziel, wurde zurückgedrängt, weil einige Gäste vom Ort des Geschehens wegwollten. Ich wuchtete sie zur Seite, bekam selbst zwei Schläge mit, hatte dann freie Sicht und sah einen Mann, der noch am Handlauf der Theke hing. Er hatte sich dort mit steifen Fingern festgeklammert, rutschte aber weiter ab, da die Kraft seinen Körper verlassen hatte.
Der Mann musste tot sein. Die Waffe – ein Eispickel – steckte noch in seinem Hals.
Und es war ausgerechnet Tonio Rizzi, den es erwischt hatte.
Nicht weit entfernt stand ein dunkelhäutiges Girl in einem bunten Minikleid. Die Kleine trug Blüten im schwarzen Haar und hatte die Arme ausgestreckt. Sie wies mit dem rechten Zeigefinger auf einen bleichen, breitschultrigen Mann, der blicklos in die Gegend starrte und so aussah, als würde er nicht zu den Gästen gehören.
»Er war es!«, schrie die Schwarzhaarige. »Er hat ihn umgebracht, nur er …!«
Da fielen die Schüsse!
☆
Ich kannte dieses verdammte Hämmern einer Waffe. Dreimal erfolgte es dicht hintereinander. Geschossen worden war in meiner Nähe, und zwar rechts von mir. Dort stand ein langhaariger Zuhältertyp, der einen schweren 38er mit beiden Händen festhielt. Dreimal hatte er auf den Bleichen geschossen.
Drei Treffer, die ausgereicht hätten, um einen Menschen von den Beinen zu reißen und tot zu Boden fallen zu lassen.
Nicht bei dem Bleichen.
Er hatte die Kugeln zwar aufgefangen und war auch bis gegen die Bar zurückgeschleudert worden, dort aber blieb er stehen und glotzte uns starr entgegen.
Mit seinem Rücken berührte er den Handlauf und wirkte wie ein Gast, der nicht wusste, ob er bleiben oder verschwinden wollte.
Jeder sah die Einschusslöcher in seinem unmodernen, viel zu engen Anzug.
Der Langhaarige senkte seine Waffe und begann zu fluchen. Es war das Startzeichen für die umstehenden Gäste. Einer Flucht glich es zwar nicht, sie räumten trotzdem auf.
Jeder wollte aus der unmittelbaren Umgebung der Leichen verschwinden, aber es war nur ein Toter. Der von den Kugeln Getroffene lebte.
Dass dies so war, dafür hatten wohl die wenigsten eine Erklärung. Ich aber wusste Bescheid. Wenn jemand von Kugeln erwischt wird und nicht fällt, muss er schon ein besonderes Wesen sein.
Ein Zombie möglicherweise. Vielleicht aber auch nur ein Mensch, der eine kugelsichere Weste trägt.
Ich wollte es wissen.
Nur kam ich nicht dazu, mir den Getroffenen zu schnappen, denn plötzlich fiel das dunkelhaarige Mädchen gegen mich, klammerte sich an mir fest und begann zu schreien.
Bis ich die Kleine los wurde, war das Durcheinander um mich herum schon perfekt. Ich sah Gesichter, Köpfe, sich heftig bewegende Körper, die mir allesamt den Weg versperrten, sodass ich mich mit beiden Fäusten durchwühlen musste.
Den Bleichen sah ich nicht mehr. Es musste ihm gelungen sein, durch irgendeinen Hinterausgang zu verschwinden. Vielleicht war er auch im Gewühl untergetaucht.
Am Ende der Bar entdeckte ich zwar keine Tür, dafür eine schmale Treppe. Sie war durch ein Gitter gesichert, das jetzt allerdings offen stand. Zwei Gäste wollten vor mir die Treppe hinabgehen, was mir nicht in den Kram passte. Ich drängte sie zur Seite und stürzte mich in das Chaos.
Selbst die abgebrühten Typen hatten die Nerven verloren. Einige waren bewaffnet, hatten ihre Kanonen gezogen, schossen aber nicht, sondern drehten sich auf der Stelle, als wollten sie nach bestimmten Zielen suchen.
Manche Blütenlampen hingen so tief, dass sie von hochgereckten Armen angestoßen worden waren. Dadurch schwankten sie und verteilten ihr Licht zitternd und zuckend in farbigen Kaskaden über die anwesenden Gäste.
Da sah ich den Bleichen.
Er hatte es geschafft, sich bereits dem Ausgang zu nähern. Mit seinen rudernden Armen verschaffte er sich den nötigen Platz. Es stellte sich ihm auch niemand in den Weg. Diejenigen, die ihn sahen, waren entsetzt über die Kugellöcher in seiner Kleidung.
Der Bleiche befand sich gewissermaßen auf dem Unterdeck. Von meiner erhöhten Position aus konnte ich ihn beobachten und hätte auch eine Chance gehabt, ihn zu stellen, wenn sich die zahlreichen Gäste nicht zwischen uns geschoben hätten. Sie drängten in viele Richtungen, die meisten jedoch dem Ausgang entgegen, und bildeten zwischen dem Bleichen und mir eine wogende Mauer aus Menschenleibern.
Meine Chancen sanken.
Dennoch gab ich nicht auf, ich griff zu meinem letzten Trumpf. Es war nicht die Beretta, nein, die Silberkugel-Waffe ließ ich stecken, ich holte aus der Innentasche ein sehr flaches Gerät hervor. Die Antenne war an diesem Sprechfunkgerät integriert. Ich brauchte es nur einzuschalten, um Kontakt mit einem vor dem Lokal wartenden Mann aufzunehmen.
Das war Suko!
☆
Der Inspektor hatte sich auf eine lange Wartezeit gefasst gemacht. Sein Freund und Kollege John Sinclair hatte ihm freigestellt, mit in das Lokal zu kommen, Suko wollte nicht. Er fühlte sich in diesen Dingern noch unwohler als John. Dann schon lieber im Dienstrover sitzen und dabei im Parkverbot stehen.
Die Straße war ziemlich breit. Der Rover stand dem Lokal schräg gegenüber. Suko sah auf die zuckende, bunte Schrift aus Leuchtstoffbuchstaben. Die Farben strahlten in die Dunkelheit.
Ein Türsteher hielt sich ebenfalls vor dem Eingang auf. Er trug eine Fantasiekluft mit viel Glitzerkram und schaute sich jeden Gast genau an, der in das Lokal wollte.
Manchmal qualmte er eine Zigarette. Zwischen den Zügen versteckte er das Stäbchen in der hohlen Hand.
Suko hatte die Scheibe nach unten gedreht. Er ließ den Eingang nicht aus den Augen und sah auch die teuren Schlitten der Gäste, die am Straßenrand standen.
Das waren Wagen der obersten Klasse. Als Zuhälter und Gangster verdiente man wohl immer noch genügend Geld, um sich die Schlitten leisten zu können.
Eine Frau sprach Suko an. Kein leichtes Mädchen von der Straße, die Stimme gehörte einer Polizistin oder Politesse, die so gern Strafzettel ausfüllte, wenn jemand falsch parkte.
»Sie wissen, dass Sie hier nicht parken dürfen?«
»Das weiß ich.«
»Und weshalb stehen Sie hier?«
Suko lächelte. »Weil es mir hier gefällt, aber nicht nur deshalb, ich muss das Lokal im Auge behalten.«
Das ging der Politesse quer. Sie beugte sich tiefer, sodass sie nicht nur Suko sehen, sondern auch in den Rover hineinblicken konnte. Selbst Suko musste lächeln, als er das Gesicht der Frau sah. Sie wirkte so, als könnte sie nichts aus der Bahn werfen. So wie man sich früher Hexen vorgestellt hatte, kam sie Suko vor. Sogar der Damenbart fehlte nicht.
Dann sprach sie sehr leise in den Wagen hinein. »Willst du mich eigentlich verarschen, Bürschchen?«
»Nein, Tante!«
»Also …« Sie wollte zu einer Kanonade ansetzen, stattdessen starrte sie auf Sukos Zeigefinger, der auf das Telefon deutete.
»Nun?«
Die Politesse nickte. »Ach so«, sagte sie. »Wohl ein Kollege, wie?«
»Genau.«
»Vom Yard?«
»Richtig.« Suko zeigte ihr trotzdem seinen Ausweis, damit sie ruhig schlafen konnte.
Die Politesse sah ihn kaum an. Aber sie war neugierig geworden. »Beobachten Sie den Bums dort drüben?«
»Genau.«
»Der sollte dichtgemacht werden!«, schimpfte sie.
»Weshalb?«
»Dann würden hier nicht so viele Angeberschlitten herumstehen.«
»Für Sie wäre das schade, Madam. Vielleicht würden Sie dann Ihren Job verlieren.«
»Keine Sorge, Kollege, in London gibt es mehr als genug Falschparker. Wir kommen schon auf unsere Kosten.« Sie wechselte das Thema. »Kann es denn gefährlich werden?«
»Weiß ich nicht.«
»Na dann, viel Spaß noch.«
»Danke, gleichfalls.«
Die Politesse ging weiter, um nach neuen Opfern zu suchen. Suko konzentrierte sich wieder auf den Eingang. In der letzten Zeit waren keine neuen Gäste gekommen, vielleicht war der Laden auch gerammelt voll. Dafür fiel Suko jemand anderer auf.
Es war ein schlanker, hochgewachsener Schwarzer mit breiten Schultern. Er überquerte die Straße und geriet dabei auch in den Schein der Lichtkaskaden. Suko konnte sehen, dass er eine Art Overall trug. Der Stoff glänzte in einem dunklen Rot, als bestünde er aus kostbarer Seide. Die Haare des Mannes waren kurz. An seinen Ohrläppchen hingen große Goldringe.
Der Portier stellte sich in Positur und sah den Schwarzen von der Stirn bis hin zu den weißen Schuhen an. Suko konnte nicht hören, was er sagte, seine Handbewegung aber war deutlich genug. Sie machte dem Farbigen klar, dass er nicht erwünscht war.
Der Mann verbeugte sich mit einer spöttisch wirkenden Bewegung, und als der Portier drohend auf ihn zukam, sprang er tänzelnd zurück, lachte den Mann noch aus und ging davon.
Eine kleine Episode am Rande, wie man sie oft genug in London erlebt. Suko maß dieser Beobachtung auch keine weitere Bedeutung bei, besonders deshalb nicht, weil plötzlich die Doppelhälften der Eingangstür aufgestoßen wurden und erste Gäste herausquollen.
Wie sie aus dem Lokal rannten, das ließ Suko misstrauisch werden, denn es sah nach einer Flucht aus.
Der Inspektor setzte sich angespannt hin. Er sah zu, wie sich die Menschen vor dem Lokal drängten, durcheinanderschrien, sodass Suko kaum ein Wort verstand. Nur einige Fetzen drangen an seine Ohren, die aber reichten, um ihn aufhorchen zu lassen.
Er hatte gehört, wie jemand von einem Mord gesprochen hatte. Schüsse mussten gefallen sein, und immer mehr Gäste verließen das Lokal.
Suko hielt nichts mehr in seinem Wagen. Er öffnete die Tür, um auszusteigen, als ihn das Quäken des Walkie-Talkies von seinem Vorsatz abhielt.
Sein Gerät steckte in der rechten Außentasche. Er schaltete es ein und meldete sich mit einem knappen: »Was gibt es, John?«
»Wahrscheinlich ein Zombie!«, hörte Suko die etwas verzerrte Stimme des Geisterjägers.
»Was?«
»Ja, hör genau zu.«
Und wie Suko zuhörte. Er hielt das kleine Gerät in der Nähe seines rechten Ohrs, behielt aber den Eingang des Lokals dabei genau im Auge. Noch immer strömten die Menschen hervor, die die ersten Gäste in Richtung Straße drängten.
Die Menschen hatten zwar eine gewisse Furcht, die Neugierde jedoch überwog. Niemand floh, man wartete, und Suko lauschte inzwischen den Worten seines Freundes John, der ihm den Mann beschrieb, der möglicherweise ein Zombie sein konnte.
»Okay, Partner, ich werde mal nach dieser grauen Maus Ausschau halten. Soll ich ihn testen?«
»Das musst du wissen. Ich komme hier schlecht raus.«
»Bis gleich dann.«
Suko hämmerte die Wagentür zu. Er huschte quer über die Straße und dabei dicht vor einem anrollenden Wagen entlang.
Auf dem Gehsteig drängten sich noch immer die Gäste. Einige von ihnen hatten Waffen gezogen, niemand kümmerte sich um Suko, der sich so hatte hinstellen können, dass es ihm auch gelang, den Eingang im Auge zu behalten.
Da kam der angebliche Zombie!
John hatte ihm den Mann gut beschrieben. Suko erkannte ihn nicht nur an dem Anzug, ihm fielen auch die Kugellöcher auf, die im Stoff ein Muster bildeten.
Wäre er tatsächlich ein Mensch gewesen, hätte er längst tot sein müssen, denn zwei Kugeln hatten ihn in der Brust erwischt. Eine davon sogar dicht neben dem Herzen.
Aber der Mann lebte!
Suko achtete genau darauf, wie er sich bewegte. Sein Gehen hatte etwas Marionettenhaftes an sich. Bei jedem Schritt schleuderte er zudem noch die Arme vor, als wollte er nach irgendetwas greifen, das überhaupt nicht vorhanden war.
Ein junges Mädchen schob sich vor seine Gestalt. Er aber drückte die Kleine so hart zur Seite, dass sie stürzte.
Suko wollte ihn stoppen. Er hätte es mit der Beretta versuchen können, aber Schüsse hätten eine nur noch größere Unsicherheit bedeutet und hätten eventuell auch eine weitere Schießerei provoziert. Die wollte Suko auf jeden Fall vermeiden.
Deshalb griff er zur Dämonenpeitsche.
Er schlug einmal einen Kreis. Sofort danach rutschten die drei aus Dämonenhaut gefertigten Riemen hervor, und die Waffe war einsatzbereit. Noch befand sich der mögliche Zombie nicht in seiner Schlag- oder Reichweite. Er musste erst näher kommen, aber er drehte sich so, dass er in eine andere Richtung laufen würde.
Das ließ Suko nicht zu.