John Sinclair Sonder-Edition 90 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 90 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Er war wie ein Phantom, ein Schatten, ein böser Hauch. Man hörte ihn röcheln, keuchen und schwer atmen, und er brachte die Angst. Menschen verfielen in Panik, sein Messer war gefürchtet. Er tauchte immer dort auf, wo man ihn nicht erwartete. Gab es ihn tatsächlich? Oder war er nur ein Hirngespinst?

Ich sollte es herausfinden. Eines Tages spürte auch ich die grauenhafte Angst ...

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Angst-Macher

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7299-1

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Der Angst-Macher

von Jason Dark

Es geschah zu einer Zeit, über die kein Geschichtsbuch je berichtet hatte.

Doch es gab schon damals Gut und Böse. Besonders das Böse war sehr stark, namentlich in Asmodis manifestiert, der seine Macht ausbauen wollte, um die anderen zu unterdrücken.

Auch damals schon versuchten Dämonen, seine Macht zu brechen. Durch Intrigen und Gewalt wollten sie den Teufel von seinem Thron stoßen.

Einer von ihnen hieß Schaazar. Er zählte sich zu den Mächtigen, war aber nicht mächtig genug, um den Teufel zu stürzen. Der lockte ihn in eine Falle.

Schaazar hatte das Nachsehen. Er lag vor dem Teufel, war durch magische Fesseln wehrlos gemacht worden und starrte auf Asmodis, der, eingehüllt in sein Höllenfeuer, vor ihm stand und ihm die Strafe erklärte.

Sie befanden sich in einer Welt der ewigen Finsternis. Sie war die Leere und das kalte Grauen. In dieser Welt wurde die Angst geboren, hier besaß sie ihre Quelle, um sich anschließend ausbreiten zu können.

Es war die Welt ohne positives Denken, ohne Freude und auch ohne Licht. Nur die Angst lauerte in der tiefen Schwärze. Sie war wie ein Tier, hinterhältig, gefräßig, nahm alles für sich ein und würde die Seelen zerfressen.

Das wusste auch der Teufel. Und er weidete sich an den Ängsten des gefangenen Schaazar. Wie ein Wurm hatte sich der Dämon vor ihm gewunden.

»Na, du Held, spürst du es? Spürst du, wie die Angst in dich kriecht, wie sie einen Namen bekommt? Nämlich deinen. Du hast mich vom Thron stoßen wollen, das gelingt niemandem. Ich bin besser, denn ich bin der Herrscher, aber ich werde dich nicht töten. Ich mache dich bereit für die Zukunft, und ich werde dich trennen. Auf der einen Seite wird deine verfluchte Seele sein, die auch einen Namen hat – Angst. Auf der anderen Seite gibt es noch deinen Körper, der ebenfalls zu etwas zu gebrauchen ist. So sollen Körper und Seele trotz allem überleben, Schaazar, und irgendwann einmal wieder zusammengeführt werden.«

Der Teufel lachte. Aus seinem Maul drangen, zusammen mit den hässlichen Lauten, dicke Wolken. Er hatte seinen Spaß daran, den anderen zu erniedrigen. »Und weißt du, wie ich deinen Geist vom Körper trenne, Schaazar. Ganz einfach, ich werde deine Haut nehmen, sie abziehen und sie dann in Streifen schneiden. Das ist alles, mehr nicht. Aber es reicht, es reicht für alle Zeiten …«

Schaazar erwiderte nichts. Er wusste auch, dass Asmodis nicht bluffte. Wenn der Teufel etwas versprach, führte er es auch durch. Da kannte er kein Pardon.

Der Dämon erwiderte nichts. Es hatte keinen Sinn, den Teufel umstimmen zu wollen. Bevor er ihn tötete, würde er ihn quälen, denn Schaazar lebte noch, und der Teufel würde den ersten Teil seiner furchtbaren Rache genießen.

Die magischen Fesseln verdammten Schaazar zur Bewegungsunfähigkeit. Er konnte keines seiner Glieder rühren, musste liegen bleiben und auf sein Ende warten.

Asmodis bückte sich zu ihm nieder. Das Feuer war nah. Schaazar spürte dessen Kraft. Es brannte sich in seinen Körper.

Dann brüllte er.

Doch seine Schreie verklangen in der absoluten Schwärze der Dimensionen.

Niemand hörte sie oder wollte sie hören.

Und der Teufel löste sein Versprechen ein. Er zog seinem Feind die Haut in dünnen Streifen vom Körper.

Wie gesagt, das geschah zu einer Zeit, von der kein Geschichtsbuch je etwas berichtet hatte.

Die Welt war noch nicht so, wie sie einmal sein sollte. Aber der Teufel überlebte, und Schaazar irgendwie auch. Nur auf eine Art und Weise, die den Menschen die Angst brachte.

Denn Schaazar war der Angst-Macher!

Sie stand vor dem Spiegel, schaute auf die Fläche, sah ihr Gesicht und überlegte, ob sie tatsächlich ein Jahr älter geworden war. Daran gab es nichts zu rütteln. Am gestrigen Tag noch war sie erst neunzehn gewesen, heute wurde sie zwanzig.

Ein wunderschönes, ein herrliches Alter, auf das sich Sally Saler auch freute, dennoch wusste sie nicht, ob sie darüber auch traurig sein konnte, denn sie hatte ihre Jugend fast hinter sich gelassen. Es war schon ein Einschnitt.

Sally hob die Arme und fuhr mit beiden Händen durch ihr Gesicht. Sie betrachtete dabei ihre Finger. Sehr schmal, geschmeidig und lang waren sie. Künstlerhände, sagte man dazu. In der Tat gehörte Sally Saler zu den Menschen, die künstlerisch sehr begabt waren. Für sie war die Musik das Maß aller Dinge. Sie liebte Melodien, Töne, Rhythmen, und sie wusste, dass sie zu ihrem Geburtstag ein besonderes Geschenk bekommen sollte. Etwas, das nicht jeder bekam.

Darauf freute sie sich …

Sally senkte die Arme und strich dabei mit den Händen über ihren Körper. Sie war überdurchschnittlich groß für eine Frau, dabei ziemlich kräftig und mit einer ausgeprägten Figur von Mutter Natur versehen worden. Das Haar trug sie kurz. An einigen Stellen wirkten die Strähnen so, als wären sie hoch geföhnt worden.

Durch den kurzen Haarschnitt wirkte das Gesicht noch runder. Die Wangen, darüber ärgerte sich Sally, zeigten stets einen rötlichen Schimmer, sodass ihr Gesicht auf den Betrachter wirkte, als sei sie ständig verlegen, wenn sie einen anderen Menschen anschaute. Dabei war sie eine fröhliche junge Frau. Stets bereit, laut und heftig zu lachen, und auch ihr Mund zeigte oft genug ein verschmitztes Lächeln. Die Augenfarbe war blau und erinnerte an klares Wasser.

Sally atmete tief durch. Ja, sie war zufrieden, als sie ihr Spiegelbild sah. In der Schule hatte sie viel Sport getrieben, als Basketballspielerin war sie gefragt gewesen. Ihrem Körper merkte man das Training an. Er war straff, ohne dabei zu muskulös zu wirken.

Sie wandte sich ab und ging auf den Kleiderschrank zu. Dabei überlegte sie, was sie an diesem Tag anziehen sollte. Am liebsten trug sie die graublauen Jeans, die aber schienen ihr für einen Tag wie heute nicht angemessen zu sein.

Sally suchte weiter und fand das weiße Kleid mit den schmalen Trägern. Von der Länge her reichte es ihr bis zu den Waden. Zudem war es eng geschnitten, sodass es ihre Figur nachzeichnete.

Das genau würde passen.

Sally schlüpfte hinein, strich noch einmal mit zehn Fingern durch das Haar und legte etwas Schminke auf. Nicht zu viel, ihre Mutter wollte das nicht, und Sally richtete sich danach. Nicht dass die Mutter ein Hausdrachen gewesen wäre, doch Sally hatte festgestellt, dass es besser war, Kompromisse zu schließen. Man muss schließlich miteinander auskommen und leben.

Zu dem Kleid mit der neutralen Farbe passten die roten Schuhe. Sie waren schmal geschnitten und besaßen flache Absätze. So wirkte Sally, wenn sie die Schuhe trug, nicht so groß.

Sie war jetzt fertig.

Sally wusste, dass ihre Mutter es immer besonders spannend am Geburtstag der Tochter machte. Besonders dann, wenn dieser Tag auf ein Wochenende fiel.

Diesmal war es ein Samstag. Um das Geschenk in Empfang zu nehmen, war als Zeit 10 Uhr morgens festgelegt worden. Sally wusste, was sie bekommen sollte, war aber trotzdem sehr gespannt darauf, weil sie das Geschenk noch nicht gesehen hatte.

Sie schaute auf die Uhr.

Noch fünf Minuten musste sie ausharren. Ihre Mutter würde keine Sekunde früher erscheinen.

Beide wohnten in einem alten Haus, das Sallys Vater von seinem Vater geerbt hatte. Leider war James Saler vor mehr als sieben Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen, so wohnten Mutter und Tochter allein. Sally hatte nie mit Ellen darüber gesprochen, sie wusste auch so, dass ihre Mutter kein einziges Mal mit dem Gedanken gespielt hatte, noch einmal in den Stand der Ehe zu treten.

Sie war nur für ihre Tochter und deren Ausbildung da gewesen, und sie hatte es geschafft, Sally vieles zu ermöglichen, vor allen Dingen eine Ausbildung, die genau ihren Neigungen entsprach. Dementsprechend würde auch das Geburtstagsgeschenk ausfallen.

Sally musste über sich selbst lächeln, weil ihr auffiel, dass sie immer öfter zur Uhr schaute. Sie konnte es kaum erwarten, dass Mutter kam und sie rief.

Das war noch wie früher in den Tagen der Kindheit, an die sie geteilte Erinnerungen hatte, denn manchmal war es ziemlich knapp hergegangen mit dem Einkommen.

Sie trat an das Fenster und schaute durch die Scheibe. Unter ihr lag der kleine Garten, mehr ein bepflanzter Hinterhof, aber besser als gar nichts.

Die Sonne schien und brachte eine frühlingshafte Milde mit. Es war ein Wetter zum Verlieben, doch Sally dachte anders darüber. Sie besaß noch keinen festen Freund, einige aus der Sportlerclique, mit denen sie hin und wieder ausging, reichten ihr. Ansonsten galt ihr Interesse nur der Musik. Dieses Fach studierte sie auch seit einigen Wochen mit einer wahren Leidenschaft.

Im Nachbargarten spielten Kinder. Die Eltern saßen auf gepolsterten Stühlen und ließen es sich gut ergehen. Samstägliche Familienidylle. Sally fand es herrlich.

Noch eine Minute.

Sie drehte sich um, denn sie hatte die Schritte der Mutter gehört. Ellen Saler klopfte stets an, wenn sie das Zimmer ihrer Tochter betrat. Das gehörte sich einfach, jedenfalls war sie der Meinung.

Auch jetzt hörte Sally das Klopfen und öffnete hastig.

Das lächelnde Gesicht ihrer Mutter schaute sie an. Ellen Saler war im Laufe der Jahre grau geworden. Sie trug die Haare halblang, die ein etwas blasses Gesicht umrahmten. Die blauen Augen und das runde Gesicht hatte sie von der Mutter geerbt. Nur zeigte die Haut der Zwanzigjährigen noch keine Falten.

Ellen Saler nickte ihr zu. Gratuliert hatte sie der Tochter schon nach dem Aufstehen. »Bist du bereit, Kind?« Sie sagte fast immer Kind zu ihrer Tochter.

»Ja, Mum.«

»Dann komm bitte.« Ellen sprach mit einer etwas gepresst klingenden Stimme. Es verging kein Geburtstag der Tochter, wo sie nicht auch einige Tränen der Rührung vergoss.

Sie reichte Sally den Arm. Die Treppe war breit genug, damit die Frauen gemeinsam hinabsteigen konnten. Die Stufen bestanden aus Holz. An den Flurwänden hingen kleine Bilder, die zumeist Motive aus der Biedermeierzeit zeigten.

Obwohl das Haus nicht sehr geräumig war, hatte James Saler es so groß wie möglich gebaut. Einige Zwischenwände waren weggelassen worden, damit die Wohnfläche größer wurde. Dort spielte sich das Familienleben der beiden Frauen ab, und im Wohnraum stand auch das Geschenk. Ellen Saler hatte zwei Sessel zur Seite gerückt, um Platz zu schaffen.

Sally übertrat die Schwelle und sah genau das Instrument, das sie sich so sehr gewünscht und nach dem sie sich auch so stark gesehnt hatte. Es war eine Harfe!

Sally Saler blieb stehen. Sie hatte nur Augen für die große Harfe, deren Saiten leicht grünlich schimmerten, als hätte jemand mit einem Pinsel darüber hinweggestrichen.

»Du sagst nichts, Kind«, wunderte sich Ellen Saler und drückte die Hand ihrer Tochter.

»Sie … sie ist einfach wunderbar.«

»Ja? Gefällt sie dir?«

»Sehr sogar.«

»Sie gehört jetzt dir, Kind …«

Sally nickte und wischte über ihre Stirn. Sie konnte es kaum fassen, dass die Harfe nun ihr Eigentum war. Sie wusste nicht, ob sie jubeln, lachen oder ihre Freude still genießen sollte. Jedenfalls war sie sprachlos geworden und starrte das Instrument nur an.

Das Saiteninstrument bestand aus einem hellen Holz und gehörte nicht zur Gruppe der einfachen Pedalharfen. Dieses Instrument besaß zwei Pedale und gestattete eine zweifache Erhöhung und damit eine Einstellung sämtlicher Tonarten. Sie musste ein kleines Vermögen gekostet haben, und Sally wusste nicht, was sie sagen sollte.

»Du bist so schweigsam, Kind. Gefällt sie dir nicht?«

»Doch, Mum, sie ist wunderschön.«

»Aber …«

Sally hob die Schultern. »Weißt du, ich kann es noch immer nicht begreifen, dass sie mir gehören soll.«

»Hast du sie dir nicht schon immer gewünscht?«

»Ja, aber …« Das Mädchen hob die Schultern. »Ist die Harfe nicht unwahrscheinlich teuer?«

»Nein.«

»Mum, du …«

»Lass mich ausreden, Kind. Sie war nicht so teuer. Ich habe sie sehr günstig bekommen.«

»Sie ist aber neu und nicht gebraucht, das sehe ich sofort.«

»Mag sein, dennoch war der Preis unwahrscheinlich günstig. Ich habe mich selbst gewundert.«

Sally hob die Schultern. »Ich weiß gar nicht, ob ich das Geschenk überhaupt annehmen kann.«

»Das kannst du schon, Kind. Geh zu ihr, sie gehört dir. Versuche, darauf zu spielen.«

»Zupfen, Mum. Die Harfe ist ein Zupfinstrument.«

»Meinetwegen auch das.«

Sally traute sich kaum, auf ihr Geschenk zuzugehen. Sie war zu erschlagen, die Überraschung hatte voll geklappt, obwohl sie ja gewusst hatte, was auf sie zukommen würde. Dass die Harfe allerdings so wunderbar aussehen würde, damit hatte auch sie nicht gerechnet.

Sally bewegte sich nur sehr langsam, als könnte sie es nicht fassen, dass dieses Geschenk tatsächlich für immer in ihrem Besitz bleiben sollte. Durch das Wohnzimmerfenster schien Sonnenlicht und erreichte auch die Saiten, die aufschimmerten wie dünne Wasserfäden. Abermals wunderte sich das Mädchen über den Farbton der Saiten, nahm es jedoch hin, ohne ein Wort darüber zu verlieren.

»Ich verstehe dich nicht, Kind«, sagte Ellen Saler. »Du stehst hier, schaust dir das Instrument an und hast kein Verlangen danach, es einmal auszuprobieren.«

»Doch, Mutter.« Sally nickte.

Sie legte ihre Hand gegen den Rücken der Tochter. »Weshalb gehst du dann nicht hin?«

»Ich weiß nicht.«

»Wieso weißt du es nicht?«

»Es ist so komisch. Nicht dass ich Furcht davor hätte, aber auf irgendeine Art und Weise ist mir die Harfe doch fremd. Du wirst darüber lachen, aber es stimmt.«

»Das wundert mich doch, Sally. Ich begreife dich nicht. Du hast dir eine Harfe schon immer gewünscht. Es ist die Erfüllung eines Traumes. Und jetzt machst du einen Rückzieher.«

»Nein, keinen Rückzieher, aber ich kann es noch nicht fassen, dass sie mir gehört.«

Ellen Saler lachte. »So ist das. Na, da brauchst du dir nun wirklich keine Sorgen zu machen. Die Harfe gehört dir. Sie ist dein Geburtstaggeschenk, und sie soll dich ein Leben lang begleiten, hörst du?«

»Ja, natürlich.«

»Dann geh endlich!«

Sally gehorchte. Sie kam sich dabei vor, als würde sie die kurze Strecke über einen schwankenden Boden zurücklegen. In der Tat hatte sie sich ein so fantastisches Musikinstrument schon immer gewünscht. Doch nun, da es sich in ihrem Besitz befand, fürchtete sie sich plötzlich davor.

Darüber konnte sich Sally nur wundern.

Neben der Harfe blieb sie stehen. Sie wollte etwas sagen, da spürte sie, dass sich die Härchen auf ihren Armen hochstellten. Ein dünner Stromfluss kroch über ihre Haut und breitete sich über dem gesamten Körper aus, wo er einen Schauer hinterließ.

Das sah auch Ellen Saler. »Was hast du, Kind? Fühlst du dich nicht wohl? Frierst du plötzlich?«

»Das nicht …«

»Aber?«

Sally sah den fragenden und starren Blick der Mutter auf sich gerichtet. Sie musste eine Antwort geben, obwohl sie die Gänsehaut nicht erklären konnte. »Mir ist nur so komisch, Mum.«

»Wie komisch?«

»Anders.«

Ellen Saler lachte. »Ich glaube, mein Kind, du bist entwöhnt. Es ist die Aufregung. Ich werde uns gleich etwas zu essen holen, dann trinken wir ein Glas Sekt, und danach sieht für uns beide die Welt schon wieder ganz anders aus.«

Sie hatte so bestimmend gesprochen, dass Sally keinen Widerspruch einlegte.

Ellen Saler schaute zu, wie ihre Tochter über das glatte Holz der Harfe strich. Schon bei der ersten Berührung schrak Sally zusammen. Allerdings nicht so stark, als dass es von ihrer Mutter bemerkt worden wäre. Mehr innerlich zuckte sie, denn sie glaubte, etwas, das tief im Holz steckte, wäre auf sie übergegangen.

Es war eine Strömung, man konnte sie auch mit dem Begriff Leben umschreiben. Sallys Hände mit den langen Künstlerfingern machten sich selbstständig, ohne dass diese Bewegungen vom Gehirn gesteuert wurden. Sie strich über das Holz der Harfe, als wäre es die Haut eines Geliebten. Die Lippen des Mädchens hatten sich zu einem Lächeln gekräuselt, seine Augen bekamen einen ungewöhnlichen Glanz, und der Blick war irgendwie nach innen gekehrt.

»Wie gefällt es dir, Kind?« Die Stimme der Mutter hörte sich an, als würde sie Sally aus weiter Ferne erreichen.

Sie hob den Kopf.

»Nun?«

»Ich … ich weiß es noch nicht, Mum. Es ist so anders, verstehst du das?«

»Nein.«

»Anders als die Instrumente, die ich sonst berührt und gespielt habe. Die Harfe muss einfach etwas Besonderes sein.«

»Für dich vielleicht …«

»Nicht allein für mich, Mum. Sie ist etwas Besonderes. Anders als sonst, glaub mir.«

Ellen Saler sah die Sache nicht so kompliziert. Sie hob die Schultern an. »Wenn du das sagst, Kind, muss ich dir wohl glauben.«

»Ja, das musst du.«

»Willst du nicht spielen?«

Sally hatte die Frage verstanden und sah hastig hoch, als hätte ihre Mutter etwas Schlimmes von ihr verlangt. »Ich … ich soll die Harfe zupfen, Mum?«

»Natürlich.« Ellen Saler breitete die Arme aus. »Dafür ist sie schließlich da. Ich habe sie dir nicht geschenkt, damit du sie nur ansiehst und ansonsten hier herumstehen lässt.«

Sally nickte. »Sie lebt«, sagte sie plötzlich. »Ich werde den Eindruck nicht los, als würde sie leben.«

Ihre Mutter lachte. Es klang unecht. »Aber Kind. Wie kann eine Harfe leben?«

»Das weiß ich auch nicht!«, flüsterte Sally.

»Dabei hast du nicht einmal auf ihr gespielt. Bereite mir die kleine Freude, spiele ein Lied, oder zupfe die Saiten einfach nur an. Aber steh bitte nicht so herum.«

»Natürlich, Mum.« Sally holte sich einen Stuhl und rückte ihn dicht an das große Instrument. Bevor sie mit den Fingern die Saiten anzupfte, bewegte sie die Hände und machte sie geschmeidig.

Ellen Saler hatte sich inzwischen gesetzt. Sie hockte gespannt auf einer Sesselkante und konnte ihren Blick nicht von der Tochter nehmen, die plötzlich mit dem Spiel begann.

Sehr vorsichtig zupfte sie die Saiten an, sie schlug den ersten Akkord.

Die Melodien schwangen der lächelnden Ellen Saler entgegen. Sally spielte weiter. Ihre Finger zupften ohne Unterlass an den Saiten, und wieder überkam sie der Eindruck, als wäre gerade diese Harfe etwas Besonderes. Diesmal lag es nicht am Holz, nur an den Saiten, die eine so ungewöhnliche Farbe aufwiesen.

Wenn sie vibrierten und Sally schräg gegen sie schaute, schienen dünne grünlich schimmernde Wellen ineinanderzufließen und zu einem gläsern wirkenden Wasser zu werden.

Sally berauschte sich am Klang der Harfe. Es war etwas völlig anderes als sonst. Sie kam sich vor, als hätte sie das Instrument schon immer gespielt. Es war zu einem Teil ihrer selbst geworden, und sie konnte einfach nicht aufhören.

Eine Melodie folgte der anderen. Klassische Werke, aber auch Frühlingslieder, die glockenhell in den oberen Tonlagen ihren Weg durch das Haus nahmen.

Ellen hörte andächtig zu. Sie hielt die Augen geschlossen, lauschte den Klängen, den Melodien.

»Wunderbar«, flüsterte sie immer wieder. »Es ist einfach wunderbar …« Noch ließ sich die Frau Zeit, erst Minuten später öffnete sie die Augen, da spielte Sally noch immer.

Nur hatte sie sich verändert.

Ihr Gesichtsausdruck zeigte weder Entspannung noch Konzentration. Ein beinahe böser Schatten lag auf dem Gesicht, und ihr Mund hatte sich verzerrt, weil die Lippen nach unten gebogen waren.

Ellen Saler wunderte sich. Sie wollte ihre Tochter ansprechen, brachte es aber nicht fertig, denn etwas von dieser Melodie kam zu ihr rüber. Sie konnte nicht genau sagen, was es genau war, aber Ellen spürte einen Druck in der Brust.

Sofort danach beschleunigte sich ihr Herzschlag, und das Gefühl einer bohrenden Angst breitete sich aus.