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New York - Washington Square. Ein brodelnder Hexenkessel innerhalb der Weltstadt.
Nicht so vor 200 Jahren. Da befanden sich genau an diesem Platz ein alter Armeefriedhof und eine Richtstätte. Täglich wurden auf dem rollenden Galgen Menschen hingerichtet.
Und einmal hängte man den Verkehrten. Der kehrte zurück - in das New York von heute, zusammen mit dem rollenden Galgen ...
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Der rollende Galgen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7399-8
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.
Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.
Lesen Sie in diesem Band:
Der rollende Galgen
von Jason Dark
»Shit, den stech ich ab!« Buddy Rivolta war nicht nur schnell mit dem Mundwerk, auch mit dem Messer. Und wenn Buddy so etwas sagte, konnte man darauf bauen, dass er es auch tat. Es kam ganz darauf an, wie Buddy drauf war.
Der Typ, der ihm da entgegenkam, störte ihn einfach. Er passte auch nicht in die Gegend der eleganten Fifth Avenue, direkt am Washington Square. Ebenso wenig passte Buddy dorthin, das jedoch störte ihn weiter nicht. Er wollte unter dem Torbogen einen Dealer treffen. Sie hatten vor, Geschäfte zu machen.
Der Typ hatte ihn noch nicht gesehen. Er stand im Licht einer Laterne und blickte gegen die Mauern des Tores, als wären sie etwas ganz Besonderes. Wenn du nicht verschwindest, dachte Buddy, dann schlitze ich dich auf. Es ist blöd, hier nur herumzustehen.
Wer Rivolta ansah, wusste, dass auch er sich verlaufen haben musste. Das einzig Helle an ihm war sein weißes Stirnband. Ansonsten war er schwarz. Haut, Kleidung und Lockenhaar. Am liebsten hätte er alle Weißen umgebracht, aber das ging auch nicht, hin und wieder brauchte man sie noch.
Er scharrte mit den Füßen wie ein Pferd. Buddy wollte Knete machen, und jetzt kam ihm der Kerl dazwischen.
Wie sah der überhaupt aus!
Verwildert, breitschultrig, graublau im Gesicht, als wäre er aus einem Sarg gekrochen. Seine Kleidung war total zerknittert.
Buddy hielt ihn unter Kontrolle. Was der Kerl vorhatte, wusste er nicht. Sollte er ihm aber in die Quere kommen, würde er sein blaues Wunder erleben.
Rivolta war da rigoros. Nur so hatte er im Dschungel New York überleben können.
Seine Gegend war der Washington Square nicht. Er kam von dort, wo die Menschen arm und verzweifelt sind. In den Straßenschluchten der Westside war er aufgewachsen und hatte den Geruch von stinkendem Hafenwasser einatmen müssen.
Nun stand er ziemlich im Süden von Manhattan. Er hatte sich die Insel regelrecht erobert.
Normalerweise lauerte er auf Touristen, um sie mit dem Messer zu kitzeln. Die Leute gaben ihm Geld, das hielt ihn am Leben. Mit zwanzig Jahren hatte er schon einiges auf dem Kerbholz. Ein Wunder, dass er noch nicht erwischt worden war.
Sein Geschäftspartner kam nicht. Um Mitternacht hatten sie sich verabredet. Zehn Minuten schon über die Zeit und nichts zu sehen. Nur die Lichterketten auf den Avenues, die wie breite Striche in Richtung Norden wiesen. Er sah auch die Spitze des Empire State Building. Sie ragte wie ein Dom aus den Straßenschluchten hervor.
Buddy sah auf die gestohlene Uhr.
Fünfzehn Minuten nach Mitternacht. Und der Snowman war noch immer nicht gekommen. Snowman deshalb, weil er den Schnee, das weiße Gift, brachte. Buddy wollte es an der Westside verkaufen. Das Geld für den Stoff hatte er sich bei einem Einbruch besorgt.
Abgase trieben zum Washington Square. Sie kamen in dünnen Wolken und legten sich über das sommerliche Grün der Bäume, die den hohen Torbogen umstanden.
Wind fuhr kaum in die Straßenschluchten, die an manchen Tagen wie Kanäle wirkten.
Buddy schwitzte. Fünf Minuten wollte er dem Dealer noch geben und sich dann um den Kerl unter der Laterne kümmern. Der war ihm nicht geheuer. Rivolta fragte sich, weshalb er dort stand und nichts tat. Er bewegte sich nicht einmal. Seine Gestalt sah aus, als wäre sie künstlich hergestellt worden.
Buddy leckte über seine Lippen. Bei ihm ein Zeichen, dass er auf dem Sprung stand. Die narbige Rechte des Zwanzigjährigen verschwand in der Tasche. Für einen Moment umklammerte sie dort den Metallgriff des Messers, bevor er die Waffe mit einem glatten Zug hervorholte.
Auf Knopfdruck schoss die Klinge hervor.
Auf dem Stahl brach sich ein Lichtreflex, bevor er über Buddys Stirn zuckte.
Rivolta grinste scharf. Er bewegte die Oberarme wie Rambo, bevor dieser zum Kampf schritt. Das war sein großes Vorbild. Den letzten Streifen hatte er sich gleich viermal angesehen, um alle Kämpfe genau mitzubekommen. So wie Rambo wollte er sein.
Leider verwechselte er Film und Wirklichkeit, doch einem wie ihm blieben nur die Leinwandträume.
Er verließ seinen Platz. Bisher hatte er in guter Deckung gestanden, nach zwei Schritten wäre er von der Gestalt unter der Laterne zu sehen gewesen, die sich jedoch nicht um ihn kümmerte. Noch immer stand sie unbeweglich und wartete ab.
Das Gehen hatte Buddy regelrecht gelernt. An der Westside, wo er herkam, da ging man nicht, da bewegte man sich und auch so geschmeidig und leise wie möglich.
Das Messer hielt er so, dass es nicht gesehen werden konnte, Buddy hatte die Hand gedreht. Sie wies mit der Fläche zum Körper hin, und die Klinge klemmte zwischen seinen Fingern.
Nur seine Augen lebten, ansonsten war das Gesicht starr. Das Aufsetzen der Füße war kaum zu hören, den Blick hielt er unverwandt auf die Gestalt gerichtet.
Es war ein Mann mit langen Haaren. Sie wirkten ungleichmäßig geschnitten und reichten bis auf die Schultern. Noch immer rührte er sich nicht.
Ein Eisblock.
Buddy näherte sich ihm bis auf vier Schritte. Auch er geriet jetzt in den kalten, blauweißen Schein der Leuchte. Jetzt musste der Kerl ihn sehen und auch reagieren.
Das tat er nicht.
Er blieb stehen und starrte an Buddy vorbei. Sein Interesse galt anderen Dingen.
Rivoltas Lippen zuckten. Dann kippte er die rechte Hand, sodass die Klingenspitze wie eine dünne Zunge aus Stahl nach vorn wies. In der Verlängerung würde sie den Wartenden dicht über dem Nabel treffen.
So weit war es noch nicht …
Der Fremde kümmerte sich nicht um Buddy. Rivolta gehörte zu den jungen Menschen, die stets auf dem Sprung waren. Er konnte aggressiv werden, sich jedoch ebenso rasch wieder zurückziehen, wenn es darauf ankam. Und er hatte in den Slums der Westside gelernt, gewisse Dinge zu riechen, vor allem, wenn es sich dabei um negative Strömungen handelte.
Eine ähnliche Schwingung nahm er auf …
Er sah den Mann an der Laterne stehen. Der Fremde tat nichts, trotzdem strömte er etwas aus, das Buddy überhaupt nicht gefiel.
Rivolta bekam eine Gänsehaut. Sie rann über seinen Rücken. Seine innere Alarmglocke war angeschlagen und warnte ihn vor dieser Gestalt.
Nur wollte er keinen Rückzieher machen. Damit hätte er sich nur lächerlich gemacht. Also am Mann bleiben.
Wieder ging er vor, und wieder machte er es wie Rambo, indem er die Schultern rollte.
Sein Messer kam.
Schnell wie der Blitz war es. Es beschrieb einen Halbbogen und sah so aus, als würde es in die Kehle des Mannes eindringen, doch dicht davor stoppte die Spitze. Sie drückte nur gegen die Haut, wobei sich Buddy wunderte, dass aus dieser, obwohl sie leicht eingerissen war, kein Blut drang.
Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern sprach den Fremden an. »Pass mal auf, Stinker. Manhattan ist groß. Du kannst dir tausend andere Plätze zum Herumstehen aussuchen, nur den nicht, verstehst du? Bisher bin ich noch cool, aber wenn ich mich ändere, kenne ich niemanden mehr. Hast du gehört? Weg!«
Der Fremde rührte sich auch jetzt nicht. Vielleicht dachte er über die Worte nach.
Drei Sekunden vergingen. Buddy wollte ihn noch einmal nachdrücklich ansprechen, als der andere ein Geräusch ausstieß, das ihn an eine Mischung aus Knurren und Gurgeln erinnerte. Gleichzeitig öffnete er den Mund, und Buddy bekam eine Gänsehaut.
Er starrte geradewegs in eine leere Hülle, die dunkel war und wo er auch keine Zunge sehen konnte.
Ein widerlicher Schlund …
Das hatte er noch nie gesehen. So etwas konnte kein Mensch besitzen, auch wenn der Kerl so aussah.
Seine Hand, die das Messer hielt, begann zu vibrieren. Ein leichtes Zittern, als würden Stromstöße hindurchgeschickt. Auch die Spitze bewegte sich mit. Sie schleifte dabei über die Haut, riss eine Furche, aus der eigentlich hätte das Blut fließen müssen, aber Buddy Rivolta sah nicht einen roten Streifen …
Auch dies war für ihn unnatürlich und einfach nicht mehr fassbar. Vor ihm stand ein Monstrum, etwas anderes konnte er sich nicht vorstellen.
Er wollte den Unheimlichen noch einmal ansprechen. Stockend holte er Luft, die Kehle saß zu.
Plötzlich spürte er die Kraft des Fremden. In dessen Maskengesicht hatte sich nichts bewegt. Auch die Augen waren weiterhin so starr und blicklos geblieben, aber er hatte den linken Arm erhoben, und seine langen, ebenfalls grauen Finger umklammerten das rechte Gelenk des Schwarzen. Das waren für Buddy keine Finger, das war schon eine widerliche Zange, die immer härter zudrückte.
Buddy hatte das Gefühl, seine Knochen würden zu Brei. Er konnte die Klinge nicht mehr in den Hals des Mannes stoßen, denn der Arm wurde immer stärker zur Seite gebogen.
Er ächzte, sein Gesicht verzerrte sich. Buddy hielt dagegen. Lächerlich wirkten seine Kräfte im Vergleich zu denen des bleichblauen Unheimlichen. Der bog Buddys Arm der Hüfte entgegen.
Mit einer ruckartigen, nicht berechenbaren Bewegung drehte er das Gelenk herum.
Buddy schrie wie verrückt. Nur hörte niemand sein Schreien. Den Schall fingen die dicht belaubten Bäume ab.
Er war allein mit diesem Unhold.
So schnell hatte er noch nie die Faust geöffnet. Die Klinge fiel scheppernd zu Boden und blieb dort liegen.
Plötzlich ließ der Unheimliche los. Buddy stolperte zurück. Er hielt seinen Blick noch immer auf das Gesicht des Kerls gerichtet. Die hochstehenden Wangenknochen, die etwas andere Stellung der Augen, die Haare, der sehnige Körper, all das hatte ihn an etwas erinnert. Jetzt traf ihn die Erkenntnis!
Er hatte einen Indianer vor sich. Einen dieser Männer, die man in New York sah und die Jobs erledigten, für die andere nicht geeignet waren. Man musste absolut schwindelfrei sein.
Sie gehörten zu den Arbeitern, die in luftiger Höhe auf den gewaltigen Stahlkonstruktionen der Brücken umherturnen und Teile davon entrosteten oder anstrichen.
Buddy wunderte sich, dass ihm so etwas durch den Kopf ging. Nach drei Schritten stoppte er, drehte sich um, weil er wegrennen wollte, da sah er das Schreckliche.
Nebel umwallte ihn.
In der Nähe befand sich kein Gully, aus dem der Dunst hätte hervorkriechen können. Der Nebel war einfach vorhanden. Er kam Buddy vor wie eine dünne Wand, die graublau schimmerte und nicht alles verdeckte, denn aus ihr schälten sich drei halb nackte Gestalten hervor.
Männer mit langen, dunklen Haaren, die Lendenschurze trugen und starre Gesichter hatten. Ihre Augen glänzten.
Sie kamen auf ihn zu, obwohl sie sich selbst nicht bewegten. Dafür vernahm Buddy ein anderes Geräusch.
Zuerst das Quietschen, dazwischen ein Rattern, und Sekunden später schälte sich der Gegenstand aus der Nebelwand.
Buddy, der junge Mann von der Westside, glaubte, wahnsinnig zu werden. Hastig schlug er ein Kreuzzeichen. Was man ihm da präsentierte, war ein Bild aus einer Horrorgeschichte.
Die drei Dunkelhaarigen standen auf einem rollenden Galgen!
☆
Aus Holz bestanden die Räder. Aus Holz war auch die Unterlage, und der alte Galgen war ebenfalls aus Holz angefertigt worden.
Nur der Strick bestand aus Hanf. Die Schlinge war schon geknüpft worden, sie pendelte leicht, schwang mal vor, dann wieder zurück und wehte auch zur Seite.
Einen Galgen kannte Buddy natürlich. Nur hatte er noch nie einen rollenden Galgen gesehen. Der fuhr durch das nächtliche New York!
Das war einfach Irrsinn!
Rivolta wollte lachen und weinen zugleich. Er kam sich vor wie der Mittelpunkt eines Albtraums. Als er die Arme hob, sah es so aus, als wollte er den Galgen von sich wegschieben, obwohl ihn dieser noch gar nicht erreicht hatte.
Bei jeder Drehung begannen die Holzräder zu quietschen und jämmerlich zu stöhnen. Die Schlinge schaukelte stärker, als die Räder über eine unebene Stelle rollten. Das Ziel des Galgens war Buddy!
Der Zwanzigjährige erkannte dies glasklar, und er rechnete damit, dass die Schlinge sich bald zuziehen würde. Wie unbeabsichtigt hob er eine Hand und fasste sich an den Hals. Er glaubte schon, das Kratzen des Hanfseils zu spüren.
Für ihn gab es nur noch die Flucht. Viel zu nahe war der Galgen bereits gekommen, und die drei Gestalten in den Lendenschurzen trafen keine Anstalten, ihn zu stoppen.
Sie fuhren weiter auf ihr Opfer zu.
Buddy duckte sich zum Sprung, darauf jedoch hatte der vierte nur gewartet.
Buddy stand mit dem Rücken zu ihm. Deshalb sah er nicht, wie sich der Mann abstieß und in den Nebel eintauchte.
Er hieb die Pranke in den Nacken. Buddy kam nicht einmal dazu, ein Röcheln auszustoßen. Sofort nahm man ihm die Luft.
Der Indianer kannte keine Gnade. Er behielt ihn mit einer Hand im Griff und hob ihn hoch.
Buddy hatte kurz den Bodenkontakt verloren. Danach schlug er um sich, ohne dass es etwas nutzte. Der Indianer drückte ihn so weit vor, dass Buddys Fäuste ihn nicht erwischen konnten.
Die drei anderen Gestalten standen am Galgen, als wären sie auf dem Bohlenboden festgefroren. In ihren Gesichtern regte sich nichts. Sie blieben stumm wie die Fische.
Mit den Fußspitzen stieß Buddy gegen die Holzkante. Diese Berührung weckte noch einmal die restlichen Kräfte in ihm. Er bäumte sich unter dem Griff auf, bewegte heftig die Beine und suchte einen Halt.
Es gab keinen …
Buddys Sohlen schleiften über das Holz des Fahrgestells. Es kam ihm glatt und rutschig vor. Er sah die Schlinge vor seinem Gesicht. Ein großes Oval, das leicht schaukelte.
Dunst- und Nebelschleier trieben von irgendwoher heran und über das Galgengestell hinweg.
Sie rochen irgendwie alt und auch nach Moder, als hätte die Vergangenheit tief ausgeatmet.
Der Nebel kroch an Buddys Gestalt hoch. Er kam ihm vor wie lange, kalte Totenarme, die geschickt über seine Haut strichen und auch sein Gesicht nicht ausließen.
Die Angst krampfte seinen Magen zusammen. Und der Indianer hinter ihm hielt ihn noch immer fest.
Die drei anderen Gestalten ließen Buddy nicht aus dem Blick. In den Augen lag ein mattes Glänzen, Pupillen allerdings besaßen sie nicht. Dennoch konnten sie sehen.
Für Buddy waren es keine Menschen mehr, auch wenn sie so aussahen. Der Vergleich mit schrecklichen Geschöpfen, denen man den Begriff Zombies gegeben hatte, kam ihm in den Sinn.
Ja, Zombies …
Wesen aus der Hölle!
Der Indianer hob ihn an. Jetzt griff er auch mit der anderen Hand zu. Der Arm umkrallte Buddys Hüfte.
Und plötzlich spürte er den rauen Hanf der Schlinge an seiner Kehle. Vorn und an den Seiten scheuerte er, schrammte ihm die Haut auf. Der junge Mann weinte, er bettelte, er wollte Gnade und sah nicht, dass sich zwei der Albtraumgestalten in Bewegung setzten.
Sie gingen hinter den Galgen, wo sich eine Holzwinde befand. Über die rollte auch der Strick, dessen Schlinge bereits den Hals des Schwarzen umschloss.
Dann quietschte es laut …
Vier Gestalten sahen zu, wie Buddy eines furchtbaren Todes starb.
Das mitten im nächtlichen New York, Washington Square, wo die feinen Avenues begannen und die Stadt am teuersten war …
☆
Seit einem Jahr befand sich William Penn in New York. Die Stadt aber, die er fast jeden Tag durchstreift hatte, kannte er noch immer nicht. Mittlerweile war er zu der Überzeugung gekommen, dass man ein ganzes Leben in New York verbringen konnte und man immer wieder neue Dinge entdeckte.
Penn arbeitete als Fotoreporter für verschiedene Zeitschriften in Europa. Seine Bilder wurden gern genommen, denn die trafen auch die Seele einer Stadt.
Er zeigte nicht nur die äußeren Ansichten. Bei Betrachtung seiner Fotos hatten die Leser der Zeitschriften das Gefühl, auch hinter die Dinge schauen zu können.
Egal, ob es nun die Prachtfassade von Tiffany war oder ein Bild aus der verwüsteten South Bronx. Bei William Penn erzählte jedes Foto eine eigene Story.
Im Laufe der Zeit war der schmächtige Mann, der etwas von Woody Allen hatte, gezwungen gewesen, sich einen Plan zu machen, an den er sich strikt halten wollte.
Er teilte Manhattan in Gebiete ein und vernachlässigte zunächst einmal die anderen Stadtteile.
Im Süden begann er.
Battery Park, Wall Street, die Wall Street City. Gewaltige Straßenschluchten, die künstlichen Canyons ähnelten.
Er knipste sie bei Tag und Nacht, bei Regen und Sonnenschein, mal mit Tele, mal mit Weitwinkel.
Die Fotos waren gut, kamen und sprachen an. Folglich verlangten die Auftraggeber mehr. Selbst für Zweitrechte wurden noch gute Honorare geboten.
Penn geriet immer stärker in Stress. Er musste seine Arbeit anders einteilen. Wie, das war die große Frage. Also spezialisierte er sich zunächst nur auf Nachtfotos.
Das erklärte er seinen Auftraggebern, die sich mit allem einverstanden zeigten, was er brachte.
»Nur Nacht ist auch gut!«, bekam er zu hören. »Wir werden dann auf Reportagen hinarbeiten.«
Was blieb Penn anderes übrig, als zuzustimmen? Es ging in den Sommer hinein. Das südliche Manhattan wurde für ihn zu einer wahren Fundgrube. Besonders gut gelangen ihm die Aufnahmen, wenn der Tag sich verabschiedete und die Nacht herbeischlich.
Penn schickte die Aufnahmen ein. In den Redaktionen wollte man noch mehr, aber auch Action haben. Menschen in Bewegung, vielleicht auch in Gewalt. New York hatte schließlich ein Image. Es war eine Stadt mit zwei Seiten, Penn zeigte zu stark die positive.
Er war kein ängstlicher Mensch, doch sollte man in New York gewisse Regeln beachten und sich als Einzelperson nicht in Gegenden herumtreiben, die einfach zu gefährlich sind. Für die heißen Fotos aus der Szene wollte er zwei Bodyguards engagieren, noch kam er allein zurecht, und so trieb er sich zunächst in der Nähe des Washington Square herum.
In dieser Nacht wusste der bärtige Penn, der mit seiner Haarpracht aussah wie ein wilder Künstler, dass etwas passieren würde. Er hatte es ganz einfach in der Nase …
Ein sehr warmer Tag lag hinter dem Moloch von Stadt. Doch New York schlief nicht, schlief eigentlich nie, war stets in Action, auch als die Nacht hereinbrach, der Verkehr im Süden schwächer wurde und die Börse Atem holte. Im Norden dagegen war noch immer was los: Broadway, Times Square, Greenwich Village, in zahlreichen Blöcken und Vierteln lebte man jetzt erst auf. Auch die nächtliche Kühle trieb viele Menschen aus den Häusern.
Die Cops hatten Hochbetrieb. Fast immer jaulten die Sirenen. Der wimmernde Klang gehörte ebenso zu New York wie Musik, Tanz und Life in the Night.
Ruhe am Washington Square. Der Verkehr lief um die Insel herum. Für Penn war es günstig, so konnte er sich in aller Ruhe seine Motive aussuchen.
Er war ein Mensch mit Auge. Ihm fiel auch das auf, was andere nicht sahen.
Deshalb bemerkte er auch, dass der Nebel zu dieser Zeit eigentlich nicht passte. Von den beiden Flüssen stammte er nicht. Er musste also eine andere Ursache haben, die Penn unbedingt herausfinden wollte.
Er rechnete durchaus damit, dass es sich um künstlichen Nebel handelte. Möglicherweise wurde in der Nähe ein Film gedreht.
Penn schritt auf den Nebel zu. Sein Gefühl sagte ihm, dass es besser war, sich nicht zu offen zu zeigen, so blieb er nach Möglichkeit in Deckung.
Dafür hörte er etwas. Geräusche, über die er sich wunderte. Das harte Quietschen, das Rollen von Rädern. Manchmal dumpf und kratzend klingend. Es drang aus dem Nebel auf ihn zu, und er spürte, dass etwas nicht stimmte. Es war nicht normal.
Die Kamera hielt er schussbereit. Sie gehörte zur absoluten Spitzentechnik, selbst bei dieser schlechten Sicht schaffte er es, Aufnahmen zu schießen.
Auf einmal glaubte er zu träumen.