John Sinclair Sonder-Edition 94 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 94 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Sie nannten sich die Loge der Mystiker - oder die Psychonauten. Sie wollten dem Rätsel der Welt auf die Spur kommen und gerieten dabei in einen teuflischen Kreis, der dort endete, wo die Rätsel der Welt verborgen liegen sollten.
In der Cheops-Pyramide!
Auch für mich führte die Spur nach Ägypten und zu den Psychonauten, die mich in der Vergangenheit verschwinden lassen wollten ...

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Psychonauten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7508-4

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Die Psychonauten

von Jason Dark

Dein Ende ist ein neuer Anfang!

Tausende von Stimmen umschwirrten sie. Es war ein Zischeln, ein Raunen, ein Flüstern. Sie sah Schatten, Gesichter, manchmal verzerrt, dann wieder starr, göttergleich.

Sie glaubte sich in anderen Welten zu sehen, durchreiste Raum und Zeit. Ihr Körper war der Motor, der nie versiegen sollte und aus unerschöpflichen Reserven neue Kraft hervorholte.

Sie hieß Fatima. Man hatte ihr oft bestätigt, dass sie ein hübsches Mädchen war. Das mochte im allgemeinen stimmen, aber nicht jetzt, wo sie sich so quälte. Es zeichnete sich das auf ihrem Gesicht ab, was sie erlebte. Die einzelnen Stadien liefen unter den dunklen, glatten Haaren wie ein Film ab.

Der Traum riss sie in die Tiefe. Ein Sog tat sich vor ihr auf und verschlang sie.

Fatima erlebte die Stationen ihres Lebens. Sie kippte hinein in gewaltige Tiefen, sah sich als kleines Mädchen bei ihrer Mutter auf dem Schoß sitzen, hörte die Lieder des Kindermädchens, vernahm die hellen Stimmen ihrer Schulkameradinnen und sah die hellen Mauern des Schweizer Internats, in dem sie ihre Ausbildung erhalten hatte. Dahinter zeichneten sich die Berge ab. Eine gewaltige graue Mauer mit schneebedeckten Gipfeln, die plötzlich zusammenschmolzen, um einem anderen Bild Platz zu schaffen. Es war ein Gesicht, böse und grausam. Im nächsten Augenblick wieder asketisch und mit fast gütigen, wissenden Augen.

Sie wusste genau, dass es dieses Gesicht war, das sie hineinholen wollte in ein anderes Reich.

Dann verschwammen die Züge. An ihren Rändern bekamen sie einen pechschwarzen Glanz, der sich in einer Wolke aus Ruß auflöste. Die einzelnen Wolkenteile veränderten sich abermals.

Aus ihnen entstanden schreckliche Gestalten. Mischungen zwischen Tieren und Menschen.

Fatima stöhnte. Ihr Mund stand offen, die Augen hielt sie geschlossen. Dennoch glitzerten Tränen in den Winkeln. Sie liefen bis zu den schon feuchten Wangen hinab, wo sie sich mit den anderen vereinigten. Die Haut dort war stark gerötet und schien so heiß zu sein, dass die Tränen jeden Augenblick kochen konnten.

Fatima flüsterte Worte, die stockend über ihre Lippen drangen. Es hörte sich an wie ein Gebet. Zudem bewegten sich ihre Hände unruhig, glitten auf- und ineinander, verkrampften sich, und die Worte aus ihrem Mund blieben. Sie gaben ihr Kraft. Das Unterbewusstsein hatte sich aufgelehnt und verdrängte die Bilder des Schreckens aus ihrem drogengepeinigten Hirn.

Auf einmal war sie wach!

Es war wie ein Strahl, auf dem sie ritt und der sie von einem Zustand in den anderen katapultierte.

Fatima öffnete die Augen.

Die Dunkelheit hüllte sie ein wie dichte Watte. Es gab keinen Lichtschimmer, der über ihre Augen geglitten wäre. Alles war tiefschwarz, beängstigend, düster und geräuschlos.

Trotzdem wusste sie, wo sie sich befand. Der Traum wirkte noch nach. Vorsichtig hob sie die Hand und wischte damit über ihr Gesicht. Sie putzte einen Teil der Tränennässe und des Schweißes weg. Ihre Augenlider flatterten. Zwar atmete sie, doch die Stöße flossen abgehackt über ihre Lippen.

Das Herz schlug!

Irgendwie empfand Fatima darüber eine wilde Freude. Das Herz schlug, sie war nicht tot! Das andere, das Schlimme lag hinter ihr. Überstanden hieß das Wort.

Doch für wie lange?

Jemand hatte ihr gesagt, sie müsse unbedingt gehorchen. Bereits im Internat war der Kontakt hergestellt worden. Da war der Mann gekommen, um ihr zu berichten, dass sie auserwählt worden war. Die Gruppe, die hinter ihm stand, war mächtig, und der Unbekannte hatte davon gesprochen, dass sie bald die Welt beherrschen würde, wenn sie an das Wissen herankamen.

Das Wissen der Welt!

Auch wieder ein Schlagwort, über das Fatima nachgedacht hatte. Es hing mit ihr unmittelbar zusammen, aber auch mit anderen Dingen, über die sich der Fremde nicht näher ausgelassen hatte. Jedenfalls war sie seinem Wunsch – oder war es ein Befehl? –, nach London zu fahren, gefolgt. Ahnungslos, auch voller Freude, schließlich lebten in der Stadt an der Themse ihre Eltern.

Als sie daran dachte, richtete sie sich auf. Die Erinnerung glich einem Stichwort. Fatima spürte auf ihrem Rücken die Gänsehaut, diesen kalten Schauer, der nicht weichen wollte.

Sie sah die Szene vor sich, als würde ein Film in Zeitlupe ablaufen.

Vater und Mutter hatten sie erwartet. Sie waren von Heathrow in die Stadt gefahren.

Es war dunkel gewesen. London versank bereits in den blauschwarzen Schatten der Nacht, obwohl die zahlreichen künstlichen Lichter wie ein Meer schimmerten.

Aber die Stadt schlief nie. Auch zu dieser Zeit hatte es einen Stau gegeben.

Nichts ging mehr.

Dann waren sie gekommen. Wie Schatten hatten sie sich in die große Limousine gedrängt und Fatima hervorgeholt. Ihre Eltern hatten nichts unternehmen können.

Der Mutter war die Spitze eines Messers unter das Auge gepresst worden, der Vater schaute in die Mündung eines Revolvers. Fatima selbst hatte nur die Hand gesehen. Auf der Fläche hatte etwas Weißes gelegen. Ein getränkter Wattebausch.

Das Zeug hatte sie sofort in das Reich der Bewusstlosigkeit geschleudert.

Aus, vorbei …

Gefolgt waren schlimme Stunden oder Tage. So genau wusste Fatima es nicht, das Zeitgefühl war in der Dunkelheit ihres Gefängnisses verloren gegangen.

Ab und zu hatte sie Besuch bekommen. Sie durfte Wasser trinken und etwas feste Nahrung zu sich nehmen. Nur Brot, sonst nichts. Sie kannte ihre Peiniger nicht, aber sie hatte stets die verdammten Spritzen vor Augen, deren Dosis sie völlig verändert hatten.

Irgendwann war sie mit der Wahrheit konfrontiert worden. Da ging es ihr bereits derart schlecht, dass sie die Tragweite des Geschehens kaum nachvollziehen konnte.

Wann würde man sie holen?

Noch wusste sie nichts, wartete, schlief hin und wieder ein. Dann kamen wieder die Träume. Wild, grausam und ihre Seele peinigend.

Wie hatte es noch geheißen?

Dein Ende wird ein neuer Anfang!

Und so wartete Fatima auf den Tod …

Der Herbstwind wühlte bereits durch die noch belaubten Kronen der Bäume, als ich die hell gestrichene Parkbank erreichte, in deren unmittelbarer Nähe eine gewaltige Eiche ihr Geäst gegen den wolkenreichen Himmel streckte.

Die Sonne war verschwunden, der Wind fuhr durch den Park wie ein Besen aus Luft. Er drückte sich hinein in die Wolken, die am grauen Himmel ein wildes Muster bildeten. Manchmal riss er auch Löcher. Dann konnte ich den blass wirkenden Vollmond sehen, dessen Licht mir an diesem späten Abend besonders fahl vorkam. Es drang ein in die Schichten der Wolken und riss trichterartige Lücken in sie hinein.

Ich trieb mich natürlich nicht ohne Grund im Park herum. Vor einigen Stunden war ich von einem Mann namens Adnan Meshir angerufen worden.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich von dem Menschen noch nie etwas gehört. Aber er benötigte Hilfe, wie er mir mit flüsternder Stimme berichtet hatte.

Durch Nachfragen hatte ich folgendes feststellen können: Adnan Meshir war Ägypter und arbeitete in der Botschaft seines Heimatlandes hier in London.

Dort musste er ebenfalls zu den Höheren gehören. Jedenfalls stand er rangmäßig nicht weit unter dem Botschafter.

Dieser Mann brauchte Hilfe. Man hört es an der Stimme eines Menschen, wenn ihn Sorgen drücken. Bei Meshir war das der Fall.

Verzweifelt hatte er geklungen und mich gebeten, dass alles unter uns bleiben müsste.

Ich hatte es ihm versprochen und auch meinen Freund und Kollegen Suko nicht eingeweiht.

So war ich allein in den Hyde Park und zu dem abgemachten Treffpunkt gefahren.

Eine Viertelstunde vor der Zeit war ich eingetroffen und hatte mir zunächst einmal die Umgebung angeschaut.

Sie gehörte nicht zu den Plätzen, die unbedingt in der Nacht frequentiert wurden. Keine Störenfriede. Das lichtscheue Gesindel traf sich woanders. Dennoch konnte ich ein ungutes Gefühl nicht vermeiden. Ein Park in der Dunkelheit besitzt stets etwas Befremdendes. Auf mich wirkte er ebenfalls wie eine Insel inmitten eines Lichtermeers, aus dem jeden Augenblick die Gefahr hervorstoßen konnte.

Still war es nie.

Manchmal hörte ich laute Stimmen. Sie klangen zu weit entfernt, als dass ich ihre Verursacher hätte sehen können. Einige Straßen durchzogen den Park.

In der Nähe führte ebenfalls eine vorbei. Von mir nicht einsehbar, weil ein Buschgürtel mir die Sicht verwehrte.

Kalt war es nicht. Am Tag hatte London unter einer südlichen Windströmung gelegen. Die Temperaturen waren bis über zwanzig Grad geklettert, obwohl sich die Menschen schon auf den Herbst eingerichtet hatten.

Natürlich war ich gespannt und neugierig darauf, was dieser Ägypter von mir wollte.

Seine Probleme mussten sehr groß sein, sonst hätte er sich bestimmt nicht an einen Fremden gewandt. Da waren die Araber doch sehr eigen, wie ich wusste.

So blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten und die Umgebung im Auge zu behalten, wie mir Meshir geraten hatte. Seine Feinde sollten überall und auch allmächtig sein. Bisher hatte ich keinen gesehen.

Ich hatte mich nicht auf die Bank gehockt. Auch in der Dunkelheit wäre ich zu sehen gewesen. Um auf Nummer sicher zu gehen, stand ich unter dem Baum und wartete ab.

Einige Äste und Zweige wuchsen sehr tief, als wollten sie mich schützen. Ich schaute durch eine Lücke und verschmolz mit dem dunklen Stamm des Baumes.

Noch tat sich nichts.

Minuten vergingen. Ich blickte auf die Uhr. Es war genau zweiundzwanzig Uhr eins.

Schon um eine Minute hatte Adnan Meshir den Zeitpunkt überschritten. Mittlerweile überlegte ich, wie lange ich auf ihn warten sollte. Eine halbe Stunde oder länger?

Wenn jemand so drängend auf ein Treffen besteht, dann ist er pünktlich. Es sei denn, es kommt ihm etwas dazwischen. Damit rechnete ich auch, und es waren beileibe keine fröhlichen Gedanken, die sich um dieses Thema drehten. Jemand kam.

Ich hörte die Schritte von links. Der schmale Weg, flankiert von zwei Wiesen, durchschnitt den Park. Auf diesem Strich bewegten sich die beiden Gestalten. Dem Schritt nach waren es Frauen. Männer gingen anders. Ich konzentrierte mich auf die beiden Näherkommenden und sah, dass es tatsächlich Frauen waren. Der Wind spielte mit ihren langen Haaren. Da sie es eilig hatten, gingen sie dementsprechend schnell.

Der Wind blies von vorn gegen sie, deshalb hatten sie sich geduckt, sodass ich von ihren Gesichtern nicht viel erkennen konnte. Zudem trugen sie noch dünne Mäntel, die vom Wind ebenfalls eng gegen ihre Körper gedrückt wurden.

Ich sah keinen Grund, mich ihnen zu zeigen, und ließ sie deshalb passieren.

Mein Blick fiel auf ihre Rücken. Etwas störte mich an ihnen. Ich wusste aber nicht, was es war. Zudem hatten sie sich schon zu weit von mir entfernt. Schon sah ich sie nicht mehr, und auch ihre Schritte verklangen allmählich.

Jetzt konnte Meshir aber kommen. Schon über zehn Minuten Verspätung. Die Unruhe in mir stieg.

Ich schrak zusammen, als ich den Klang einer Hupe hörte. Er wehte durch den Park wie ein hoher Schrei. Danach war wieder nur das Rauschen des Windes zu hören.

Und so vergingen abermals die Minuten. Was sollte ich tun? Ich kannte den Namen des Mannes und nahm mir vor, wenn er nach fünf Minuten noch nicht erschienen war, in der ägyptischen Botschaft anzurufen.

Da erschrak ich!

Wie aus dem Boden gewachsen stand die Gestalt neben der Parkbank. Hochgewachsen, dunkel, nur das helle Hemd leuchtete bleich im Ausschnitt des Jacketts.

Ich sagte nichts, aber der andere hatte mich bereits entdeckt. Er musste Augen wie ein Falke haben.

»Entschuldigen Sie die Verspätung, Mister Sinclair, aber man muss heutzutage vorsichtig sein. Ich komme zu Ihnen.«

Es war die gleiche Stimme wie am Telefon. Meine Spannung klang allmählich ab.

Er trat unter das Geäst der Bäume, blieb vor mir stehen und nickte mir zu. Dann reichte er mir die Hand. Es war ein fester Druck, auch wenn die Finger etwas zitterten.

Ich schaute ihn an.

Adnan Meshir besaß ungefähr meine Größe, aber weniger Haare. Die ihm noch geblieben waren, wuchsen mehr auf der zweiten Hälfte des Kopfes. Dort bildeten sie einen krausen Wirrwarr. Dunkle Augen, eine für einen Ägypter und auch bei diesen Lichtverhältnissen zu erkennende ziemlich helle Haut, ein leichter Mantel, unter dessen Saum die scharfen Bügelfalten wie Messerschneiden hervorschauten.

Ein orientalischer Gentleman, ein Diplomat eben.

»Darf ich rauchen?«, fragte er.

»Natürlich.«

Die kleine Blechschachtel steckte in seiner rechten Manteltasche. Er holte sie hervor und klappte sie auf. Dünne Zigarillos füllten die untere Hälfte.

»Sie auch?«, fragte er. »Es ist ein ägyptischer Tabak. Sehr aromatisch, kann ich Ihnen sagen.«

»Ja, danke.«

Aus einem goldenen Cartier-Feuerzeug huschte die blasse Flamme. Der Widerschein tanzte auch über sein Gesicht, das einer Landschaft aus Schatten und Furchen ähnelte. Die Falten hatten sich sehr tief in die Haut eingegraben. Zeichen der Sorgen.

Wir rauchten einige Züge, ohne miteinander zu reden. Meshir hatte recht gehabt, der Tabak war tatsächlich außergewöhnlich. Ich drehte das Zigarillo zwischen den Fingern und fragte schließlich: »Womit kann ich Ihnen helfen, Mister Meshir?«

Er holte durch die Nase Luft. »Wenn Sie mir helfen wollen, Mister Sinclair, wird es sehr schwer werden.«

»Starten wir einen Versuch.«

»Ja, zudem eilt es.« Er schaute zu Boden und der Asche nach, die abgefallen war. »Sie werden von mir nicht allzu viel wissen, Mister Sinclair. Ich bin von meiner Regierung an die englische Botschaft gesandt worden und habe in Ihrem Lande den Rang eines Attachés. Ich stehe damit praktisch vor dem Sprung zum Botschafter.«

»Gratuliere.«

Er winkte ab. »So dürfen Sie das nicht sehen. Was ist schon Karriere, wenn es um die Familie geht?«

»Sind das Ihre Sorgen?«

»Ja, es geht um Fatima, meine Tochter. Man hat sie, als sie mich in London besuchte, entführt.«

»Wo?«

»Zwischen Heathrow und der City of London.«

»Das möchte ich genau wissen.«

»Natürlich.«

Ich bekam eine Geschichte präsentiert, die in einen Krimi passen konnte. Man hatte die Tochter dem Ehepaar im Stau weggeschnappt. Allein die Tatsache wies auf Menschen hin, die man als Profis oder zumindest als abgebrüht bezeichnen konnte.

»Gab es Zeugen, oder standen Sie unter Bewachung?«

»Nein, Mister Sinclair.« Er produzierte eine dichte Rauchwolke, die in das Geäst trieb. »Es ging alles blitzschnell. Bestimmt hat es Zeugen in den Nachbarwagen gegeben, aber es war dunkel, und wir hielten mit unserem Wagen dicht am Rand der rechten Überholspur. Die Täter waren bewaffnet und wussten genau, was sie wollten.«

»Ihre Tochter also. Um Lösegeld zu erpressen?«

Er lächelte schmal. »Wenn es nur das gewesen wäre, Mister Sinclair, hätte ich Sie nicht eingeschaltet.«

»Wieso sagen Sie das mit einer starken Betonung?«

»Nun, es hat sich in gewissen Kreisen herumgesprochen, welch einen Job Sie ausüben.«

Ich schnippte Asche ab. »Dann vermuten Sie hinter der Entführung dämonische Umtriebe?«

»Ja und nein.«

»Das verstehe ich nicht, Mister Meshir.«

»Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären. Ich bin mir nicht sicher, ob tatsächlich Dämonen dahinterstecken. Dämonen sind für mich etwas anderes. Diese Gruppe, die sich etabliert hat, möchte gern das Wissen der Welt besitzen.«

»Au«, sagte ich und trat einen kleinen Schritt zurück. Dabei streiften Blätter mein Haar.

»Sie glauben mir nicht?«

»Das habe ich nicht gesagt, aber es gibt Dinge, die ich nicht so ernst nehmen kann.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Nun ja, Gruppen, die die Welt verändern wollen, gibt es viele. Ich kann Ihnen die einzelnen Namen der Sekten und Vereinigungen nicht aufzählen, aber wenn Sie auf so etwas hereingefallen sind …«

»Nein, nein, Mister Sinclair. Das ist kein Hereinfallen. Diese Gruppe meint es ernst.«

»Wer genau steckt dahinter?«

Meshir rauchte hastig. »Genau das ist mein Problem. Ich kenne leider keine Namen, weiß jedoch, dass diese Gruppe in meinem Heimatland ihren Ursprung hat und mittlerweile die Länder des Mittelmeeres nicht gerade beherrscht, aber in gewisser Hinsicht kontrolliert. Eine nicht erklärbare Strömung ist dort entstanden. Sie ist so stark, dass sie alles andere mit in ihren Bann zieht.«

»Was hat Ihre Tochter damit zu tun?«

»Sie wurde ausgesucht«, erwiderte er mit kaum verständlicher Stimme.

»Ausgesucht?«, wiederholte ich. »Für was?«

»Um zu sterben. Sie soll geopfert werden, das ist alles.«

Ich bekam eine trockene Kehle. Die Entführung sah ich jetzt in einem anderen Licht. »Wissen Sie das genau, Mister Meshir?«

»Ja, man gab mir Bescheid. Nicht per Brief, man rief mich an und erklärte mir, dass ich stolz sein könne, wenn meine Tochter Fatima ihr Leben verliert, denn ihr Tod bedeutet einen neuen Anfang für die Bewegung, die das Wissen der Welt in sich aufsaugen will. Nur durch ihren Tod können sie an die Geheimnisse herankommen, die in einer großen Tiefe, das müssen Sie sinnbildlich sehen, verborgen liegen.«

»Bisher blicke ich nicht durch. Vielleicht ist die Tiefe, von der Sie sprachen, auch zu tief.«

»Ja, natürlich, entschuldigen Sie, aber …« Er hob die Schultern. »Ich weiß auch nicht viel von dieser Verbindung. Sie stammt jedenfalls aus meinem Heimatland und nimmt ihre Kraft sowie ihr Wissen aus der Vergangenheit meiner Heimat.«

»Sie sprechen jetzt von der frühen Kultur?«

»So ist es, Mister Sinclair. Wie ich hörte, kennen Sie sich ein wenig in der Geschichte meiner Heimat aus.«

»Mehr schlecht als recht. Ich hatte mehrmals mit gewissen Dingen zu tun, wie Sie wissen.«

»Das weiß ich. Auch in London, als Sie sich um die Nadel der Cleopatra kümmerten.«

»Das liegt lange zurück.«

»Ist aber nicht vergessen.«

Ich nickte. »Gut, Mister Meshir, fassen wir einmal zusammen. Ihre Tochter wurde entführt, befindet sich nun in den Händen dieser Menschen, und ich soll sie befreien.«

»So ist es.«

»Wo könnte sie sein?«

»Das ist die Frage. Ich habe lange überlegt, Beziehungen spielen lassen und bin zu dem Entschluss gekommen, dass sie sich nicht mehr in London aufhält. Sie wissen, dass Fatima lange in der Schweiz gelebt hat. Dort muss man Kontakt mit ihr aufgenommen haben. Zudem war ihr Besuch nicht eingeplant. Im Nachhinein kommt mir alles sehr seltsam vor. Sie rief meine Frau und mich in der letzten Woche an und bat darum, so schnell wie möglich nach London kommen zu dürfen. Natürlich erkundigte ich mich nach dem Grund. Den wollte sie mir aber später nennen. Sie erklärte mir, dass sie sich in der Schweiz nicht mehr sicher genug fühlte.«

»Wollte man sie töten?«

»Erst entführen.«

Ich schaute Meshir ins Gesicht und sah darin die schweren Sorgen, die er sich machte. »Sicher sind Sie nicht, dass sich Fatima in der Schweiz befindet?«

»Nein, nicht hundertprozentig. In London allerdings besitzt diese Gruppe keine Filiale. Es muss von der Schweiz aus gesteuert worden sein. Sie wissen ja selbst, dass dieses kleine Land gleichzeitig eine Hochburg für Esoteriker ist.«