John Sinclair Sonder-Edition 96 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 96 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Das Grab der Königin

Die Königin von Saba!
Welch eine Frau. Verehrt von den Anhängern dreier Religionen. Geheimnisvoll, sympathisch - und verschollen.
Ich sollte das Grab der Königin finden, bevor mir andere zuvorkamen. Es waren keine normalen Menschen, die es suchten, sondern Morgana Layton mit ihrer tödlichen Werwolf-Meute ...


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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

DAS GRAB DER KÖNIGIN

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7612-8

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

DAS GRAB DER KÖNIGIN

von Jason Dark

Die Frau erschien gespenstergleich aus dem Dunkel der Schwaden, die wie feine Tücher die Nische umwehten und einen Geruch abgaben, der mich an allmählich verglimmende Gewürze erinnerte.

»Eine Rose, Sir?«, fragte sie. Ihre Stimme glich einem geheimnisvollen Flüstern, besaß zudem ein dunkles Timbre, das mir vorkam, als wäre es durch irgendwo vorhandene Lautsprecher verstärkt worden.

Ich hob den Kopf.

Das Gesicht schwebte über mir. Umrahmt von einem dunklen Tuch, nah und doch so fern. Das Tuch umspannte den Kopf sehr eng. Es lief an den Seiten über in einen langen Mantel oder in ein mantelähnliches Gewand, das die Gestalt der Frau sehr schlank machte.

Ich versuchte in ihrem Gesicht zu lesen. War es alt, war es jung? Mir kam es irgendwie alterslos vor.

»Sie haben Rosen?«, fragte ich.

»Ja, Sir.« Sie kam noch näher. Eine Hand erschien. Bisher war sie in dem Mantel verborgen gewesen. Die Frau stemmte sie auf den Tisch, als würden die Finger nicht zu ihr gehören. Rechts von mir brannte eine Lampe. Ihr Lichtschein war lächerlich zu nennen. Er schaffte es kaum, die Schwaden zu durchteilen.

»Wo haben Sie die Rosen?«, wollte ich wissen.

»Moment.« Es sah so aus, als wollte sich die Frau auf der runden Tischplatte abstützen. Sie griff jedoch daneben und knickte ein. Ich sprang hoch, um sie zu stützen, da hatte sie sich bereits gefangen und auf dem zweiten Stuhl ihren Platz gefunden. »Danke, Sir«, sagte sie. »Danke. Nicht nötig. Ich komme schon allein zurecht.«

Noch immer entdeckte ich keine Spur von der Blume. Wenn sie die Rosen tatsächlich bei sich trug, musste sie sie unter dem langen Kleidungsstück verborgen halten.

Aber wollte sie mir tatsächlich eine Rose verkaufen? Ich war mir nicht mehr so sicher, das Erscheinen der Frau kam mir vor, wie nach einem Regieplan gestellt.

»Möchten Sie etwas trinken?«, erkundigte ich mich. »Vielleicht ein Glas Mineralwasser? Wir befinden uns in einem Lokal, wo …«

»Nein, Sir.« Die Frau schaute mich nur an. Ich wich ihrem Blick nicht aus.

Ob sie junge Augen hatte, konnte ich nicht genau sagen. Jedenfalls steckte Leben in ihren dunklen Pupillen. Ein unruhiges Leben, möglicherweise auch Angst?

Ich saß ja nicht ohne Grund in diesem Lokal, das mehr eine Teestube war, die sich aus zahlreichen Nischen zusammensetzte. Jemand hatte mich gebeten, herzukommen, eine alte Bekannte namens Jenna Jensen, Archäologin und Historikerin. Ich hatte mit Dr. Jenna Jensen schon des Öfteren zusammengearbeitet. Dabei war es stets um Fälle gegangen, die tief in die Historie hineingriffen und auch den Bereich der Magie und Legendenbildung nicht nur streiften. Stets hatte es sich dabei um eine bestimmte Person gedreht, um ein historisches Rätsel, die Königin von Saba.

Wer sie war, woher sie gekommen war, ob sie überhaupt existiert hatte, wo ihr Grab lag, wenn es sie gegeben hatte, das alles stand in den Sternen, und darüber konnte ich nur mehr spekulieren. Doch Jenna kannte sich aus, sie hatte des Öfteren Hinweise auf die Grabstätte der Königin empfangen, und auch ich hatte ihr Gesicht als eine Erscheinung gesehen.

Noch stand ich dem Phänomen der Königin neutral gegenüber. Anders ihre Feinde, zu denen ungewöhnlicherweise auch die Werwölfe zählten, mit ihrer neuen Anführerin Morgana Layton.

Sie hatten es damals, als sich Jenna auf die Suche nach dem Grab der Königin begeben hatte, geschafft, die junge Frau zu vertreiben, und ihre Helfer zuvor getötet.

Es gab also genügend Zündstoff, was die Königin von Saba und ihr Umfeld anging.

Hatte das Erscheinen der Frau und die Frage, ob ich eine Rose wollte, auch damit zu tun?

Ich war mir beinahe sicher, denn bei dem Begriff Rose hatte es bei mir geklickt. Die Königin von Saba hatte auch etwas mit einer Rose zu tun, nur kam ich im Moment nicht darauf, um was es sich im Einzelnen handelte. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt auch nicht darüber nachdenken, weil mich das Erscheinen der Fremden zu sehr ablenkte. Wenn sie etwas von mir wollte, sollte sie auch von allein auf dieses Thema zu sprechen kommen.

In ihrem Gesicht fiel der Mund kaum auf, so blass waren die Lippen. Auch als sie lächelte, bewegten sich nur die Mundwinkel.

»Sie sprachen von einer Rose, die Sie mir verkaufen wollten, Madam. Was ist damit?«

»Nein, nicht verkaufen – schenken.«

»Oh, das wundert mich.«

»Wieso?«

»Wer verschenkt in der heutigen Zeit noch etwas?«

»Das geschieht in der Tat selten.«

»Und Sie gehören zu diesen Menschenfreunden?«

»So könnte man es sehen.«

»Man braucht es aber nicht.«

Sie hob die Schultern, ich schaute an ihr vorbei in die Mitte der Teestube hinein und sah dort die neuen Schwaden, die sich über der im Raum befindlichen Kochstelle gebildet hatten und gegen die Nischen trieben. Der Geruch war noch intensiver geworden. Er umwehte mein Gesicht wie ein Schleier.

Ich trank Tee. Für meinen Geschmack war er etwas zu bitter, auf Zucker jedoch wollte ich verzichten.

»Welche Bedeutung haben die Rosen für Sie?«

»Es sind wunderschöne Blumen, Sir.«

»Ja, das weiß ich.«

»Deshalb möchte ich Ihnen eine schenken. Diese Blume soll Sie an etwas erinnern.«

»Bitte.«

Sie bewegte sich auf ihrem Platz. Die Hand verschwand in ihrem langen Mantel. Draußen war es winterlich kalt. Der erste Schnee hatte London überschüttet, viel Glätte hinterlassen und das Chaos auf den Straßen noch verschlimmert.

Die Unbekannte holte die langstielige Rose tatsächlich hervor. Ich wollte sie berühren, doch die Frau entzog sie meinem Griff. »Nein, nicht so einfach, Sir.«

Ich schaute sie skeptisch an. »Was hat das zu bedeuten? Ich will sie haben.«

»Ich möchte Ihnen etwas sagen«, flüsterte sie mir zu, »und es bleibt mir nicht viel Zeit.«

»Dann bitte.«

Eine Bedienung kam und unterbrach unser Gespräch. Das junge Mädchen trug ein Kleid aus Sackleinen. Ich bestellte für die Unbekannte eine Tasse Tee.

»Es wäre nicht nötig gewesen, Sir.«

Ich hob die Schultern. »Wollten Sie mir nicht etwas sagen, Madam?«

»Ja.«

»Wie heißen Sie eigentlich?«

Sie winkte ab. Die Haut spannte sich dabei scharf über ihre Handknöchel. »Was sind denn Namen? Sie sind Schall und Rauch. Sehen Sie nur mich an, und freuen Sie sich, dass ich hier bin.«

»Okay, ich kann sie also nicht haben.«

»Noch nicht.« Sie hob die Rose an. Daumen und Zeigfinger befanden sich in einer Lücke zwischen zwei Dornen. »Es ist eine wunderschöne Blume, eine herrliche Pracht. Die Natur hat sich etwas einfallen lassen. Schauen Sie sich nur einmal die feinen Blätter an. Sie fühlen sich wie feine Seide an. Es ist die Königin der Blumen – aber, wie alle Königinnen, auch sehr sensibel und empfindlich. Sie dürfen ihr auf keinen Fall ein Leid antun, das wird sie niemals überwinden. Man muss sie hegen und pflegen, Sir, wenn man schon in der glücklichen Lage ist, sie zu besitzen.«

»Ich habe sie nicht.«

»Nein, ich will auf etwas anderes hinaus. Wissen Sie …« Der Tee wurde gebracht, und die Frau verstummte. Erst als das Mädchen sich wieder entfernt hatte, redete sie weiter. »Wer eine Rose besitzt, sollte sie hegen und pflegen, denn sie ist nicht nur die Königin unter den Blumen, sie ist auch sehr empfindlich. Schon seit alters her ist sie geliebt worden, das müssten Sie wissen.«

»Möglich.«

Sie lächelte schmal. »John Sinclair, ich bin nicht ohne Grund zu Ihnen gekommen, denn ich habe gespürt, dass es soweit ist. Diese Rose sieht äußerlich noch wunderschön aus, doch sie ist bereits dabei zu verfaulen. Diese Blume ist ein Indikator, ein Anzeiger für schlimme Dinge, die sich ereignen können.«

»Welche besondere Beziehung soll ich zu den Rosen haben?«

»Wenn Sie nachdenken, werden Sie darauf kommen.«

»Tut mir leid, aber …«

»Nicht jetzt, später. Wenn wir einmal nicht mehr sind. Es dauert gar nicht mal lange.«

Ich runzelte die Stirn. »Was sagen Sie da? Es dauert nicht mehr lange? Rechnen Sie mit Ihrem Tod?«

»Ja.«

»Wieso?«

»Lassen Sie es mich erklären. Die Rose verblüht, und wenn sie verblüht, werde auch ich nicht mehr sein. Dann ist das Grab in einer großen Gefahr, Sir.«

Ich beugte mich über den Tisch. Die Teetasse rutschte vor. »Von welchem Grab sprechen Sie?«

»Vom Grab der Königin«, erwiderte sie mit einer Stimme, die bei mir eine Gänsehaut erzeugte.

Ich runzelte die Stirn, ein Zeichen, dass ich nachdachte. »Königinnen«, murmelte ich, »gibt es viele, das wissen Sie auch.«

»Ja, sehr viele, tote und noch lebende. Aber ich meine eine bestimmte, Sir.«

Bei mir klickte es. Eigentlich hätte ich schon früher auf die Lösung kommen müssen, schließlich war ich hier mit Jenna Jensen verabredet. »Meinen Sie etwa die Königin von Saba?«

»Endlich!«

Ich bekam zwar keinen Schock, doch die zweite Haut auf meinem Rücken verstärkte sich. Das war interessant. Erst Jennas Anruf, das Erscheinen der Unbekannten, was würde noch folgen?

»Fällt Ihnen jetzt etwas ein, Sir?«

»Natürlich. Ich habe mit der geheimnisvollen Person zu tun gehabt. Nur ist ihr Grab nicht gefunden worden, sosehr man auch danach suchte.«

»Das weiß ich, Sir.«

»Aber es existiert?«

»So ist es!«

Ich nickte ihr zu. »Toll, dass Sie es so einfach behaupten können. Es hörte sich an, als wüssten Sie, wo das Grab liegt.«

Die Unbekannte schaute mich ernst an. »Das weiß ich auch, denn ich gehöre zu den Hüterinnen des Grabes. Sieben Totenwächterinnen bewachen es und sorgen dafür, dass ihr kein Leid geschieht. Solange die Rose blüht, hat die Königin Ruhe.«

Ich deutete auf die Blume. »Noch steht sie in voller Blüte, Madam. Wir brauchen also keine Furcht zu haben.«

Die Rose stand zwischen uns, von zwei Fingern gehalten. Sie war wie ein Zeichen, über das die Frau hinwegschaute. Ihr Gesicht blieb dabei unbewegt. Dennoch rann etwas aus ihren Augen, das mich an kleine Perlen erinnerte.

Tränenwasser …

Sie weinte um die Rosen, um die Königin, vielleicht auch wegen ihres Schicksals.

»Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Mir nicht mehr, denn das Ende ist nah. Ich habe es soeben noch geschafft, zu Ihnen zu kommen.« Den Tee hatte sie nicht angerührt. Die Frau blickte mich nur an.

»Nun, Sie sind da, aber …«

»Da, sehen Sie!«

Ich hatte die Frau angeschaut und gleichzeitig auch die Rose. Plötzlich erkannte ich, wie ein Zittern durch den Stiel lief. Diese Bewegung setzte sich fort, bis sie den Blütenkelch erreichte.

Da geschah es!

Bisher hatte ich die einzelnen, samtigen Blütenblätter trotz des schlechten Lichts als dunkelrot eingestuft. Nun begannen sie, ihre Farbe zu verändern.

Mir kam es vor, als würden die Haare eines unsichtbaren Pinsels über sie hinwegstreichen. Die Blätter nahmen einen anderen Farbton an. Es musste ein tiefes, dunkles Grau sein, farblich zu vergleichen mit einem schneeverhangenen Nachthimmel.

Ohne dass die Unbekannte etwas dazugetan hätte, knickten die Blätter nach außen hin ab und fielen der Tischplatte entgegen. Noch waren sie ganz. Erst als sie die Platte berührten, lösten sie sich auf und blieben als winzige Staubhäufchen liegen.

Ich hielt den Atem an. Was hier vor sich ging, das war schon phänomenal.

Blatt für Blatt wechselte die Farbe, knickte ab, wurde zu Staub, und aus den Augen der Frau rannen die Tränen in langen, nassen Spuren bis hin zum Kinn.

Die Hände der Frau zitterten, sie ließ die Rose nicht los, saß nur da, schicksalergeben, wie es mir vorkam.

Auch ich stand diesem Phänomen ratlos gegenüber und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Auf irgendeine Art und Weise war ich hilflos, außerdem konnte ich nichts daran ändern. Die Blätter verwelkten zu Staub, das Sinnbild des Lebens verging.

Auch das letzte Blatt fiel ab. Es schaukelte der Tischplatte entgegen, berührte sie sanft wie eine Feder, und doch reichte der Druck aus, um es vergehen zu lassen.

Aus – vorbei …

Ich hatte keinen Kommentar gegeben, auch die Frau mir gegenüber schwieg. Sie wischte nicht einmal die Tränen fort. So schaute sie mich aus den nassen Augen an, die Lippen zuckten, dann nahm sie auch die andere Hand zu Hilfe und brach den Rosenstiel mittendurch.

»Vorbei«, flüsterte sie, »Es ist einfach vorbei. Die Rose gibt es nicht mehr, verblüht, zu Staub zerfallen – wie alles Leben, von dem wir uns so viel erhofften.«

Ich konnte ihr nicht einmal widersprechen, wollte es auch nicht und hoffte nur auf weitere Erklärungen, die sie mir vielleicht geben würde, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen.

Die Frau senkte den Kopf. So wie sie vor mir saß, machte sie einen verzweifelten Eindruck. Ich wollte nach ihrer Hand greifen, sie entzog mir ihre Finger.

»Es ist einfach der Lauf der Dinge«, erklärte sie mir. »Es hat so kommen müssen.«

»Ja, ich habe es gesehen.«

»Zuerst die Rose, dann ich, danach die Königin. Die feindlichen Kräfte sind stärker.«

Ich hatte ihre Worte genau verstanden, runzelte die Stirn und fragte nach. »Weshalb wollen Sie vergehen?«

»Ich will nicht, ich muss.«

»Wer sagt das?«

Vor der Antwort hob sie den Kopf, um mich direkt anzuschauen. »Das Schicksal, Sir. Wenn die Rosen verblühen, haben auch die Grab- oder Totenwächterinnen keinen Grund mehr, länger am Leben zu bleiben. Dann haben sie versagt, Sir.«

»Wieso versagt?«

»Sie werden es merken, Sir. Sie werden es sehr bald schon merken, wenn die Chance vorbei ist. Sie ist gegangen, sie ist geflohen wie die Asche im Wind. Ich habe gehofft, und ich hoffe noch immer. Möglicherweise können Sie es schaffen. Sie und die Frau …«

»Meinen Sie Jenna Jensen?«

»Richtig. Sie ist eine gute Person. Wenn jemand ihr Grab finden soll, dann muss sie es sein. Sie allein. Ich habe Vertrauen zu ihr, aber auch sie wird zu spät kommen. Auch jetzt ist sie noch nicht erschienen. Vielleicht hat es auch sie erwischt.«

»Kann ihr etwas passiert sein?« Ich war plötzlich aufgeregt.

Wieder blickte mich die Frau aus ihren dunklen Augen an. »Kennen Sie die verschlungenen Pfade des Schicksals genau, Sir?«

»Nein, die kenne ich nicht.« Auch weiterhin schaute ich in ihre Augen, da ich den Eindruck hatte, dass mir ihr Blick eine Botschaft hinterlassen wollte.

Die Farbe der Pupillen hatte sich verändert. Sie waren auch nicht mehr so klar wie Perlen, etwas stimmte mit ihnen nicht. Hatten sie einen Grauschimmer bekommen?

Eigentlich war es verrückt, dies anzunehmen, aber ich hatte mich nicht getäuscht.

Auch nahmen sie an Größe an. Plötzlich füllten sie die gesamten Augen aus. Ich schaute nur in diese Finsternis hinein, die ebenfalls ihre tiefe Dunkelheit verlor und genau den Farbton bekam, den ich auch von den Rosen her kannte. Unnatürlich grau …

Ich spürte den Druck in meiner Brust. Das Herz schlug plötzlich schneller, eine kalte Hand kroch über meinen Rücken mit sich rasch bewegenden Fingern.

»Mein Schicksal und das der Rose sind eng miteinander verknüpft, Sir. Sie werden es sehen.« Bei ihrer Antwort hatte sie die Hände gegen das Gesicht gepresst und die Finger etwas gespreizt. Allerdings nicht so stark, als dass ich viel von ihrem Gesicht hätte erkennen können.

Dennoch blieb mir das Unbegreifliche und Grauenvolle nicht verborgen. Zwischen den Fingerspalten quoll etwas hervor, drückte von innen dagegen und fand seinen Weg nach außen.

Ich wollte es nicht glauben, konnte es allerdings auch nicht abstreiten.

Was da zu Boden rieselte, war Staub.

Die mir unbekannte Frau begann damit, zu Staub zu zerfallen wie ein alter Vampir, dem jemand einen Eichenpflock mitten ins Herz gerammt hatte …

Das Thermometer war unterhalb des Gefrierpunktes gesunken. Die Pfützen auf den Fahrbahnen und Gehsteigen hatten eine helle Schicht aus Eis bekommen und bildeten gefährliche Rutschbahnen, die sich auch auf der Fahrbahn an den Gehsteigkanten entlangzogen.

Diese helleren Flächen sah auch Dr. Jenna Jensen, wenn sie aus dem Fenster ihres Wohnzimmers schaute. Das Eis brach sogar das Licht der Straßenlaternen und hatte an manchen Stellen ein buntes Muster aus Spektralfarben bekommen.

Über London lag der Himmel wie eingepackt. Sterne strahlten ihr Licht ab. Es würde eine sehr klare Nacht mit noch stärkerem Frost werden, der Erste in diesem Jahr. Doch die Gedanken der Frau beschäftigten sich nicht mit dem Wetter, sie wanderten weit in die Vergangenheit, die teilweise im Dunkel der Geschichte begraben lag. Darüber dachte Jenna nach, und sie beschäftigte sich dabei mit einem Problem.

Es war die Königin von Saba! Jeder Mensch besitzt irgendwie eine Aufgabe. So war es auch bei Jenna Jensen. Sie hatte sich vorgenommen, das Grab der Königin zu finden. Es wäre der Fund gewesen, die Entdeckung der Archäologie in den letzten Jahrzehnten.

Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen war Jenna davon überzeugt, dass dieses Grab tatsächlich existierte. Irgendwo in Arabien, dem heutigen Jemen. Doch damals, zu Zeiten der Königin, hatte die gewaltige Halbinsel noch anders ausgesehen.

Da durchschnitten die großen Karawanenstraßen das riesige Land. Man hatte diesen Straßen Namen gegeben. Es gab die Weihrauchstraße, die Seidenstraße und dazwischen noch die üblichen Handelswege. Sie alle lagen unter dem Sand der Geschichte begraben, ebenso wie die historisch wichtigen Städte Marib und Sana.

Dort hatte die Königin über ein großes Reich geherrscht, hieß es. Sie war verteufelt und glorifiziert worden. Von Christen, Juden und Mohammedanern. Jeder hatte sie anders in Erinnerung. Die einen positiv, die anderen negativ. Selbst die moderne Black-Power-Bewegung führte ihre Wurzeln auf das Leben der Königin von Saba zurück, denn sie war die erste mächtige Schwarze und so etwas wie eine Stammmutter der Bewegung gewesen. Das alles wusste Jenna Jensen und vieles mehr.

Dennoch war es ihr bis heute nicht gelungen, das Grab der Königin zu finden, obwohl sie vielen Hinweisen nachgegangen war und auch expeditionsartige Reisen nach Arabien unternommen hatte.

Fast wäre sie bis zu der Stelle des angeblichen Grabes gelangt. Da jedoch waren Hindernisse aufgetaucht, denn nicht allein sie suchte die Stätte, auch andere wollten sie finden, allerdings mit gefährlichen Absichten.

An der Spitze stand Morgana Layton, die Anführerin der Wölfe. Die Wolfsmagie war älter als die Welt, das wusste Jenna von ihrem guten Bekannten John Sinclair. Welches Motiv die Wölfe allerdings hatten, um sich gerade um die Königin von Saba zu kümmern, war Jenna unbekannt.

Sie glaubte fest daran, dass sie das Grab finden und der Königin gegenüberstehen würde.

Kontakt mit ihr hatte sie schon einmal bekommen. Ein goldenes Henkelkreuz war ihr dabei behilflich gewesen, diese Verbindung herzustellen.

Dadurch hatte Jenna auch erfahren, wer noch zu den Feinden der Königin zählte. Eine Vampirin namens Layana, die dem geheimnisvollen und ebenfalls uralten Schlangenkult frönte. Layana war vernichtet worden, doch die Hoffnung, den Weg zur Königin nun frei zu sehen, hatte sich für Jenna Jensen nicht erfüllt.