John Sinclair Sonder-Edition 98 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 98 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Tödlicher Puppenzauber
von Jason Dark

Eine Spur des Grauens durchzog die gesamte Stadt.
Vier Tote in einem Monat. Viermal dieselben Spuren winziger Finger an den Hälsen.
Wer waren der oder die unheimlichen Mörder?
Wir standen vor einem Rätsel, bis wir Mr. Bing kennenlernten, den Puppenmacher. Er liebte Puppen, den Teufel und den perfekten Mord ...

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Tödlicher Puppenzauber

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Joe Therasakdhi/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7659-3

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Tödlicher Puppenzauber

von Jason Dark

Das Angeln im Winter nahm Dean Drakeman als passionierter Sportfischer ja noch hin, aber Schmetterlinge im Januar? Wo gab es das denn? Im Prinzip nicht und von der Natur nicht so gewollt, trotzdem huschte der bunte Schmetterling in einem Zickzack-Kurs vor seinem Gesicht hin und her und machte ihn nervös.

Drakeman wurde wütend. Er verlor etwas von seiner Anglerruhe und bewegte sich derart heftig, dass sein Boot schwankte und er sich festhalten musste. Auch die Schnur der am Heck festgestellten Angel peitschte hin und her.

»Bullshit!«, fluchte Dean. Er zog den Schirm der grauen Mütze tiefer. Auf dem kleinen See war er der einzige Angler. Die winterlich gefärbte Uferregion lag etwa hundert Yards entfernt. Dort drängten sich hinter dem winzigen Kieselsteinstrand blattlose Büsche zusammen.

Das Wasser sah schmutzig aus. An einigen Stellen schimmerten verrottende Algenteppiche.

Wieder flog der Schmetterling herbei. Diesmal kam er von links. Ein Schatten in der Luft, der abermals vor den Augen des Mannes erschien und seine Flügel heftig bewegte.

Sie waren ein Kunstwerk der Natur und von Farben durchzogen, die nicht künstlich hergestellt werden konnten.

Dean schlug nach dem Schmetterling, der jedoch blitzschnell auswich. Wieder schaukelte der alte Kahn. Die Thermosflasche am Heck kippte um. Ihr Verschluss saß nicht richtig fest, und die braune Brühe lief aus.

Da sah Drakeman den zweiten Schmetterling. Er huschte dicht über die dunkle Fläche des Sees hinweg, als wollte er auf der Oberfläche landen. Dann stieg er in die Höhe und flog Kreise über Drakemans Kopf.

»Wo kommt ihr her?«, fragte er, drehte sich um und sah den ausgelaufenen Kaffee.

Wieder fluchte er, drehte den Verschluss der Kanne fest und sah auch den dritten Schmetterling. Er war auf seiner Angel gelandet und hatte es sich dort bequem gemacht.

»Hier muss ein Nest sein«, flüsterte er und begann zu lachen. »Schmetterlinge im Januar, das ist fast so selten wie ein Wal in der Themse.« Er hatte beschlossen, sich nicht mehr zu ärgern und nahm wieder seinen Platz ein. Noch hatte er nichts gefangen. Die Fische schienen ihn ebenso auf den Arm nehmen zu wollen wie die Schmetterlinge. Es war ein verdammt schlechter Tag. Vielleicht lag es auch am Wetter. Seit Wochen schon war es viel zu warm für diese Jahreszeit. Nieselregen, tiefe Wolken, nur selten ein freier Himmel.

Auch an diesem Tag hingen die Wolken tief. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen. Allerdings wehte kaum Wind. Der See lag ruhig da.

Neben dem Kahn, nicht weit vom Heck entfernt, kräuselte sich das Wasser.

Ringe entstanden, aus deren Mitte sich etwas hervordrückte. Ein schmaler Gegenstand, kaum erkennbar, dann aber zu sehen.

Eine Hand.

Sehr klein, vergleichbar mit der eines Babys. Die Finger schienen nach irgendetwas greifen zu wollen.

Drakeman sah es nicht. Er konzentrierte sich auf seine Angelei. Das war dem Wesen in der Tiefe des Sees nur recht. Es hatte darauf gewartet und drückte sich hoch.

Ein Kopf erschien, auf dem lange Haare wuchsen, die mit einer hellroten Schleife geschmückt waren. Kalte blaue Augen leuchteten in einem Gesicht, dessen Haut so glatt war, dass sie schon künstlich wirken musste. Der Oberkörper wirkte gedrungen, steif. Arme und Beine hingen an Gelenken fest. Kein Mensch, eine Puppe war es …

Sie schwamm auf der Oberfläche und im Schatten der Außenbordwand. Das Haar lag angeklatscht an ihrem Schädel, das dunkle Kleid ebenfalls. Der dünne Stoff klebte, er war durchsichtig.

Wie weggeworfen wirkte die Puppe auf dem Wasser. Als hätte ein Kind sie nicht mehr gewollt.

Das täuschte. Die Puppe war nicht tot, sie war auch nicht weggeworfen worden. Und sie schwamm nicht ohne Grund auf dem See. Außerdem lebte sie.

Durch Kraulbewegungen erreichte sie die Bordwand, tickte dagegen, wurde zurückgetrieben und versuchte es erneut. Dann sprang sie.

Blitzartig und wie ein Pfeil so schnell jagte sie aus dem Wasser, verfolgt von einer Spur aus Tropfen. Sie landete auf der Bordwand, blieb dort stehen und kippte nach vorn.

Genau in dem Moment erhoben sich die drei Schmetterlinge und umflatterten den Kopf des Anglers, der einen wütenden Fluch ausstieß und wieder nach ihnen schlug.

Er verpasste sie, das Boot schaukelte. Eine dieser Bewegungen nutzte die Puppe aus und sprang auf die Sitzbank am Heck. Klatschnass war sie, aber in den kalten, wie künstlich wirkenden Augen veränderte sich etwas. Aus der Tiefe schien es hervorzustrahlen und drang langsam in die Pupillen hinein.

Ein kaltes, ein grausames Licht. Böse blickend. Ein schön geschwungener Mund, der zusammen mit den Augen einen grausamen Ausdruck bekam, wobei die Mundwinkel zuckten, als sich die rechte Hand der Puppe bewegte und unter der nassen Kleidung verschwand.

Sie holte dort etwas hervor. Einen kleinen Gegenstand, der aufblitzte, als sie ihn drehte.

Es war ein Messer!

Passend zur Puppe, nicht groß, aber mit einer verdammt spitzen und scharfen Klinge.

Das kleine Monster lächelte. Noch wandte ihm der Angler den Rücken zu. Die Schmetterlinge waren abermals unterwegs und umschwirrten ihn. Er kümmerte sich nicht mehr darum.

Leider hatte er auf dem Rücken keine Augen, so hätte er sehen können, wie die Puppe die rechte Hand mit dem Messer hob. Diesmal wirkten ihre Bewegungen überhaupt nicht stockend, sondern flüssig und glatt.

Drakeman war ahnungslos, bis er den scharfen Schmerz in seinem Nacken spürte und laut aufschrie. Er schlug mit der Hand gegen die getroffene Stelle. Ihn hielt auch nichts mehr auf dem Sitz. Er sprang in die Höhe, schaute sich die Hand an und sah das Blut, sein Blut.

Er konnte es nicht begreifen, dann drehte er sich langsam um. Ihm war bewusst geworden, dass er aus dem Hinterhalt attackiert worden war. Ein Schmetterling verließ seinen Platz und flog an ihm vorbei. Es war für Drakeman wie ein Zwang, dass er sich drehte, um den Flug des Insektes zu verfolgen. Automatisch sah er die Puppe.

Zuerst hielt er es für einen schlechten Witz, einen makabren Scherz. Doch es war eine Tatsache.

Der Schmetterling hatte einen neuen Landeplatz gefunden. Er hockte auf dem Kopf der Puppe. Sie war so nass, als wäre sie direkt aus dem Wasser gestiegen. Sogar das blonde Haar mitsamt der roten Schleife hing wie angeklatscht an ihrem Kopf.

Erst wollte Drakeman noch lachen. Er tat es aus zwei Gründen nicht. Der Schmerz in seinem Hals wurde schlimmer, zum zweiten hatte er entdeckt, dass aus der Faust der Puppe die Klinge eines Messers ragte.

Nicht nur das schockte ihn. Die Tatsache, dass der Stahl eine rote, schlierenartige Färbung bekommen hatte, ließ ihn wissen, dass es sein Blut war. In Tropfen hatte es sich gesammelt, klatschte auf die Bootsplanken und zerplatzte dort.

Sein Blut an ihrem Messer!

Weshalb? Wie konnte so etwas überhaupt möglich sein? Er fand dafür keine Erklärung. Wie hypnotisiert starrte er die knapp fingerlange Klinge an. Sie musste seinen Nacken getroffen haben und zu Boden gefallen sein, als er sich so heftig erhoben hatte. Dann hatte dieses Wesen sein Messer aufgehoben, einfach so.

Drakeman bewegte den Mund, ohne etwas zu sagen. Er krümmte den linken Arm und tastete mit den Fingern nach der Wunde. Er fand sie sofort. Schmerz zuckte erneut durch seinen Hals, als er die winzige Wunde berührte.

Begreifen konnte der passionierte Angler den Vorgang nicht. Um etwas sagen zu können, suchte er nach den passenden Worten, während die Puppe vor ihm stand und ihr glattes Gesicht bewegte, sodass sich ein teuflisches Grinsen auf den Lippen zeigte.

»Du!«, keuchte er schließlich. »Du verdammtes kleines Monstrum. Du bist … du hast …«

Er ging vor, kletterte über die Sitzbank hinweg, und das Boot begann leicht zu schaukeln.

Die Puppe stand noch immer auf der Sitzbank am Heck. In ihren hellblauen Augen strahlte es auf, als sich ein weiterer Schmetterling erhob und den Kopf des Anglers umflatterte.

Der kümmerte sich nicht um das Tier. Er hatte die Sitzbank hinter sich gelassen, brauchte sich nur zu bücken, um das kleine Biest zu packen. Er dachte dabei an ein ferngelenktes Puppenmonstrum, denn in der heutigen Zeit schaffte die Elektronik Dinge, die früher nicht einmal denkbar gewesen wären.

»Du wirst sterben!«

Die Puppe sprach. Flüsternde Worte hatten ihn erreicht. Dean Drakeman erschreckte sich derart, dass er zurückzuckte und sich hütete, die Puppe anzufassen.

»Was sagst du?«

Das kleine Monstrum drehte die Hand. Jetzt zeigte die Klingenspitze genau auf ihn. »Sterben wirst du!«

»Nein, nein? Ich werde dich zerquetschen. Ich werde dir zeigen, was es heißt, mich mit dem Messer zu attackieren. Du wirst zertreten, du wirst auf die Planken genagelt, und ich werde mich freuen, wenn ich das Geräusch höre, mit dem dein Körper zerknackt.«

Er steckte voller Wut und Hass auf dieses Wesen, hob den rechten Fuß auch an – und schrie auf.

Etwas war in seinen Rücken gerammt. Dicht unter dem dritten Wirbel steckte es fest. Ein glühender Schmerz durchschnitt den hinteren Teil seines Körpers. Tränen schossen Dean in die Augen. Die Puppe vor ihm begann zu schwanken, weil auch das Boot durch seine heftigen Bewegungen schaukelte.

Trotz des doppelten Schmerzes konnte er noch klar denken und folgerte genau richtig. Er dachte daran, dass die verfluchte Puppe nicht allein gewesen war. Sie musste noch einen Helfer gehabt haben, der aus dem Wasser geklettert war.

Die erste Puppe interessierte ihn nicht. Dean drehte sich um, wollte die zweite sehen und dachte nicht mehr daran, dass er sich auf einem Boot befand.

Plötzlich drehte sich der See vor seinen Augen: Die grünschwarze Wasserfläche schlug turmhohe Wellen, das Ufer führte einen unregelmäßigen Tanz auf. Dann berührte er mit der Fußspitze die Bordwand, bekam das Übergewicht und fiel. Dabei schrie er. Die wellige Fläche, der er sich näherte, kam ihm vor wie das gewaltige Maul eines Monsters. Es verschlang ihn.

Über ihm schlug das Wasser zusammen. Dean Drakeman tauchte hinein in die dunkelgrüne, gläsern wirkende Tiefe. Der Wasserdruck schob ihm die Mütze vom Kopf. Durch den Auftrieb geriet sie an die Oberfläche.

Er selbst spürte den Grund. Seine Hände tauchten in dicken, widerlichen Schlamm. Irgendwo in seinem Gehirn meldete sich der Alarm. Wenn du nicht auftauchst, wirst du ertrinken. Schon spürte er den Luftmangel. Die Kälte des Wassers hatte die Schmerzen im Rücken und im Nacken etwas abklingen lassen, jedenfalls spürte er sie nicht mehr so stark. Er bewegte seine Arme, die Beine schwerfälliger. Hinzu kam, dass seine Kleidung sich mit Wasser vollgesaugt hatte.

Nur langsam glitt er der Oberfläche entgegen, durchbrach sie, riss den Mund auf, saugte die Luft ein – und bekam Angst.

Er war ein Stück von seinem Boot weggetrieben worden. Mit heftigen Bewegungen trat er Wasser, wischte Haare aus seiner Stirn und drückte sich vor, um auf das Boot zuzuschwimmen.

Zwei, drei Bewegungen schaffte er, bis es ihn erneut erwischte. Diesmal war es am schlimmsten.

Der oder die Angreifer mussten unter ihm gelauert haben. Der glühende Schmerz wühlte sich diesmal durch seinen Bauch. Eine dieser Puppen musste es geschafft haben, unter ihm herzuschwimmen und dann zuzustoßen. Er stöhnte, Wasser drang in seinen Mund, das Stöhnen veränderte sich zum Gurgeln, dann sackte er ab, geriet wieder unter Wasser, ohne jedoch die Puppe entdecken zu können.

Sein Körper schien mit Flammenzungen gefüllt zu sein, so hart durchzuckten ihn die Schmerzen. Zum Ufer hin war der Weg zu weit. Er musste versuchen, das Boot zu erreichen und den kleinen Monstren wegzurudern.

Das war die einzige Chance.

Die Schwimmbewegungen wirkten wie die eines Schülers, der das Schwimmen noch lernte. Schwerfällig kraulte er voran, tauchte mit dem Kopf auf und sah die Bordwand schließlich vor sich.

Das Boot bewegte sich. Er sah es nicht klar, weil Wassertropfen sein Sehvermögen beeinträchtigten.

Das Schlimme erkannte er dennoch.

Wie zwei kleine Teufel hockten die Puppen auf der Bordwand und ließen ihre kurzen überdicken Beine baumeln. Auf ihren Gesichtern leuchtete die Boshaftigkeit, als würde sich genau dort ein Abbild ihrer Seelen spiegeln.

Trotzdem schienen sie sich zu amüsieren. Sie warteten, hatten ihren Spaß und hielten noch die Messer. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne erfuhr er die Wahrheit.

Nicht nur zwei Puppen hatten ihn angegriffen, es musste noch eine dritte im Spiel gewesen sein, die ihn unter Wasser erwischt hatte. Wenn er nur eine von ihnen zwischen die Finger bekommen könnte, würde er sie zerquetschen. Diese kleinen, elektronisch gesteuerten Monster durften nicht mehr weiterleben.

Er schwamm, obwohl er spürte, dass ihn die Kräfte verließen. Aus den drei Wunden rann Blut und hinterließ dicht unter der Oberfläche einen dunkel gefärbten Streifen.

Seine rechte Hand klatschte zerst gegen die Bordwand. Er hob den Arm an, um die Kante zu umklammern und hätte eigentlich gewarnt sein müssen.

Die Puppen waren grausam.

Er sah noch, wie sie ihre Messer hoben und gegen seinen Handrücken zielten.

Dean Drakeman schrie auf. Er hatte seine Hand nicht schnell genug lösen können. Zwei Klingen erwischten ihn. Eine voll, die andere ratschte über seinen rechten kleinen Finger.

Wieder musste er schreien, das zu einem Gurgeln wurde, als er untertauchte.

Im Wasser lauerte die dritte Puppe.

Drakeman war so stark mit sich selbst beschäftigt, dass er darauf nicht mehr achtete.

Das böse, kleine Monstrum hatte freie Bahn. Es erschien direkt über ihm, in Halshöhe.

Schreien konnte er nicht. Unter Wasser wirkte sein Gesicht wie eine panikverzerrte Maske aus Glas.

Den vierten Angriff überlebte er nicht. Er traf genau seine Kehle. Der Schmerz riss ihn fort. Hinein in den Strudel, hinein in die Tiefe, in den Schacht.

Es waren die Schatten des Todes, die ihn umfingen und nicht mehr losließen.

Ausgerechnet in diesem Augenblick zuckte die Angel, weil ein Fisch nach dem Köder geschnappt hatte.

Davon hatte Drakeman nichts mehr. Sein lebloser Körper trieb steif wie ein Brett dicht unter der Wasserfläche des Sees …

Die Puppen ließen sich Zeit. Schmetterlinge umschwirrten sie und nahmen auf ihren Schultern Platz, während sie sich nicht von der Bordwand wegrührten und ihre kleinen Beine schaukelnd bewegten.

Auf ihren Gesichtern lag ein Lächeln, die Augen glänzten. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt und es geschafft. Konnte es etwas Schöneres geben? Der Meister würde mit ihnen zufrieden sein.

Noch warteten sie auf ihren Artgenossen. Er schwamm noch durch den See und schoss aus der Tiefe hervor, wie ein Korken, der aus einer Sektflasche sprang.

Die Puppe reckte ihre kleinen Arme, was irgendwie ulkig wirkte. Sie hatte sich genügend Schwung gegeben, um den Rand der Bordwand packen zu können. Die Mordwaffe steckte dabei quer in ihrem Mund. Ihre Augen strahlten, sie nickte den anderen beiden Puppen zu, die ihre Köpfe drehten und der langsam abtreibenden Leiche nachschauten. Die drei Mörderinnen waren zufrieden.

Nach einer Weile erlosch ihr Interesse für die Leiche. Sie schauten hin zum Ufer, als gäbe es dort etwas Besonderes zu entdecken und nicht nur das winterlich graugrüne Buschwerk, das stumpf wirkende Gras und den schmalen Strand aus Kies und Steinen.

In der Tat geschah am Ufer etwas. Ein orgelnder Anlasser war zu hören. Dann bewegte sich ein dunkler Wagen hinter den Büschen und wurde abgebremst.

Eine Tür schwang auf, klappte wieder zu, einen Moment später erklang ein Pfiff.

Nicht schrill oder hoch, eher weich und lockend. Dabei der Tonleiter von oben nach unten folgend und allmählich ausschwingend.

Für die Puppen war es das Zeichen.

Sie hielt nichts mehr auf der Bordwand. Geschickt stießen sie sich ab und tauchten in den See.

Es sah so aus, als wollten sie bis zum Grund sinken, aber sie drehten sich und schwammen nebeneinander dem Ufer entgegen. Dabei bewegten sie nur ihre kurzen Beine, die Arme blieben vorgestreckt. Innerhalb weniger Minuten hatten sie das flachere Wasser erreicht und kletterten an Land.

Mit abgehackt wirkenden Bewegungen schritten sie auf die Büsche zu, die ihnen so hoch wie den Menschen die Bäume vorkommen mussten. Aber sie fanden genügend Lücken, um sich hindurchschieben zu können, denn der Wagen wartete auf sie.

Es war ein schwarzer Mercedes.

Ein älteres Baujahr. Die linke Hintertür stand einladend offen.

Schnell rannten die Puppen darauf zu, stießen sich ab und sprangen auf den Sitz, wo eine Decke lag, die einen Teil der Feuchtigkeit aus ihrer Kleidung aufsaugte.

Sie waren zufrieden, wie das Lächeln auf ihren Gesichtern deutlich anzeigte …

Es gibt Jobs, die muss man tun, obwohl sie einen langweilen, anöden oder anwidern.

Auch Suko und ich waren davor nicht gefeit, denn in jedem Land gibt es höhere Instanzen, die sich gern der unteren Dienststellen bedienen, damit ihnen Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt wurden.

So war es auch diesmal.

Ein Knabe, der mal Minister werden wollte und zurzeit noch eine Stufe darunter stand, hatte sich mit unserem Chef, Sir James, in Verbindung gesetzt und zwei Leute zu seinem persönlichen Schutz angefordert, weil er sich von übernatürlichen Kräften bedroht fühlte. Er hatte ein Tonband bekommen, es abspielen lassen und einen Text gehört, der ihm Schauer über den Rücken trieb.

Man hatte ihm angekündigt, dass er sterben würde. Sogar einen Bekennernamen hatte es gegeben.

Der Puppenmacher!

Damit hatte Sir Harold Evers, so hieß der Bedrohte, im Prinzip nichts anfangen können, war allerdings beunruhigt genug, um sich an Sir James zu wenden.

Nach den großen Flugzeugkatastrophen waren gewisse Leute sowieso in heller Aufregung und reagierten manchmal panisch. So auch Sir Harold, der den besten Schutz verlangt hatte und wollte, dass Suko und ich sich seiner annahmen.

»Dann tun Sie mir in Gottes Namen den Gefallen«, hatte Sir James gesagt und uns losgeschickt.

Es war ein blöder Job, im Vorzimmer des Mannes zu hocken und auf den geheimnisvollen Puppenmacher zu warten. Sir Harold sollte an einem Mittwoch sterben. Sicherheitshalber hatten wir ihn schon am Dienstag unter Kontrolle behalten. Da war natürlich nichts passiert. Weder im Büro, noch bei ihm zu Hause.

Wir hockten tagsüber nicht in seinem Arbeitszimmer. Trotz der Größe hatte man angeblich für uns keinen Platz gefunden. Wahrscheinlich sollten wir auch nicht mitbekommen, wie dieser Beamte, der von den Steuern arbeitender Menschen bezahlt wurde, seinen Tag verbrachte. Zeitungen jedenfalls waren genügend angeliefert worden.

Eigentlich hatte er zwei Vorzimmer. Wir hielten uns in dem besseren auf, wo auch seine erste Sekretärin ihren Dienst tat, viel telefonierte, die meisten Anrufer abwimmelte, hin und wieder mal schrieb, Besucher empfing, aber keinen Kaffee kochte. Dies mussten die Mädchen aus dem zweiten Raum übernehmen.

Ich kannte mittlerweile das Muster der Holzdecke auswendig. Sie war in Quadrate aufgeteilt, wovon jedes eine andere Maserung aufwies. Auch Suko langweilte sich, bis er auf die Idee kam, sich ein Buch zu besorgen, in das er sich vertiefte.

Es war ein Buch über asiatische Geschichte und Mythologie, das mich nicht unbedingt interessierte.

Die Chefsekretärin war auch nicht eben gesprächig. Sie gehörte zu den Frauen, die ihre Jugend bereits hinter sich hatten, wirkte dennoch sehr gepflegt, trug ein elegantes Kostüm, dessen Stoff nicht die kleinste Falte warf, und bedachte uns hin und wieder mit etwas unwilligen Blicken. Wir störten sie ebenso, wie sie uns auf den Geist ging.

Der Job hielt uns zusammen.