John Sinclair Sonder-Edition Sammelband 4 - Horror-Serie - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition Sammelband 4 - Horror-Serie E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

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Sammelband 4: Drei gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis!


John Sinclair - das besondere Gruselerlebnis: Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.

Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John mit so bekannten Gegnern wie Asmodis, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 10 bis 12 der John Sinclair Sonder-Edition:
10: Disco Dracula

11: Die Werwolf-Elite

12: Die Todesgöttin

Tausende Fans können nicht irren - über 320 Seiten Horrorspaß garantiert!

Jetzt herunterladen und sofort losgruseln!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 538

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Titelbild: shutterstock/Antracit ISBN 978-3-7325-7040-9

Jason Dark

John Sinclair Sonder-Edition Sammelband 4 - Horror-Serie

Inhalt

Jason DarkJohn Sinclair Sonder-Edition - Folge 010Sie war eine Attraktion. Ein geschäftstüchtiger Manager hatte die Gewölbe einer alten Burg in eine Diskothek umgebaut - DISCO DRACULA! Der Zulauf war enorm. Denn hier wurde nicht nur heiße Musik geboten, sondern auch Horror. Natürlich war alles nur eine große Schau, doch als von der Decke Särge schwebten, aus denen weibliche Vampire stiegen, da wurde die Disco Dracula ein Fall für mich ...Jetzt lesen
John Sinclair Sonder-Edition - Folge 011Der eine Werwolf lebte unerkannt in den Wäldern Kanadas. Der andere hatte sein Versteck in Sibirien gefunden. Lupina, die Königin der Wölfe, kannte die beiden. Mithilfe der Mordliga ließ sie die Werwölfe zu sich holen und weihte sie in ihren fürchterlichen Plan ein. Mir sollte es an der Kragen gehen, denn Lupina hatte nicht vergessen, was ich ihr angetan hatte. Nach dem Geheimgespräch stand ich auf der Todesliste der Werwolf-Elite ganz oben ...Jetzt lesen
John Sinclair Sonder-Edition - Folge 012Geheimnisvolles Indien! Ein gefährliches, rätselhaftes Land, das plötzlich vom Grauen heimgesucht wurde. Die Diener der sechsarmigen Totengöttin Kali waren wieder unterwegs. Und sie fanden ihre Opfer. In den Städten, in den Dörfern, im Dschungel. Es gab nur wenige Menschen, die sich vor Kali und ihren Dienern nicht fürchteten. Einer war Mandra Korab, mein Freund. Er holte mich auch nach Indien, und für mich wurde es ein Flug ins Verderben ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Disco Dracula

Vorschau

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Disco Dracula

von Jason Dark

Freitagabend! Wochenende, ausspannen, Feierabend. Beginn eines heißen Vergnügens – mit einem Wort: Discotime!

Überall in Europa war die Welle der Diskotheken übergeschwappt. Ob England, Frankreich, Italien, kein Land blieb verschont. Auch Deutschland nicht.

Wie Pilze waren die Diskotheken aus dem Boden geschossen. In den Großstädten hatte es begonnen, sich wie eine Seuche ausgebreitet auf die kleinen Städte, von dort weiter in die Dörfer, und selbst das winzigste Kuhkaff hatte eine Scheune oder einen Stall als Diskothek umgebaut.

Manche waren richtig extravagant. Da bot man dem zahlungskräftigen Publikum etwas. Andere Discos waren mies, konnten das Kneipenniveau nie überwinden.

Dazu gehörte eine Diskothek bestimmt nicht. Sie versprach den Besuchern nicht nur heiße Musik, sondern auch eiskalten Horror. Zum Rocken noch die Gänsehaut, so hieß die Devise der Diskothek.

Ihr Name: Disco Dracula!

***

Sie befanden sich in der Hexenstube. Zwei Mädchen saßen allein an dem kleinen viereckigen Tisch und starrten gebannt auf das zuckende Lichterspiel der Scheinwerfer, die den Raum durchkreisten und ihn zu einem regelrechten Karussell machten. In einem rasenden Wirbel glitten sie über die alten Wände mit den schmalen, kaum bearbeiteten Steinen, leuchteten mal in die eine Ecke des Gewölbes, verschwanden sofort wieder, rissen fahle Gesichter aus der Dunkelheit und glitten weiter in andere Winkel und Nischen, um sie für die Länge eines Herzschlags aus dem Dunkel zu holen.

Dazu kreischte aus den Lautsprechern eine nahezu höllische Musik, die an das Schreien von tausend Teufeln gleichzeitig erinnerte. Es war der Hexensong.

Und auf Hexen hatten sie sich heute Abend spezialisiert, der Discjockey Roland Bittl und der Besitzer der Disco, Heinz Grattner. Freitags war Hexentag, das wussten die Fans, und sie kamen in Scharen.

Ab zehn Uhr abends, wenn die jüngeren Gäste die Disco verlassen hatten, kam man zur Sache. Da holte Roland sein Vampirgebiss aus der Tasche, setzte es sich in den Mund und träufelte Farbe an die Eckzähne, sodass er wie ein Vampir aussah. Dumpf sprach er ins Mikro, während er gleichzeitig die Musik leiser drehte.

»Hey, Fans, hier spricht euer Hexenmeister. Noch zwei Stunden bis Mitternacht. Ich bin bereit, einige von euch Hexen zu vernaschen. Na, wer hat denn Mut von euch?«

Wieder drehte er die Musik auf. Das schrille Geräusch mischte sich mit dem Schreien der Mädchen, denn auf Roland – oder Ro, wie er sich nannte – waren sie alle scharf. Halblang trug er das Haar. In seiner dunkelblonden Farbe passte es gut zu den Augen. Sein Gesicht war schmal, und auf seinen Lippen lag das Anmacherlächeln wie festgefroren.

Ja, Ro Bittl wusste genau, wo es langging. Wegen ihm und seiner heißen Musik kamen zahlreiche weibliche Fans.

»Und wieder geht’s zum Hexentanz!«, rief er und klatschte in die Hände.

Das war ein Zeichen. Einige junge Frauen erhoben sich von ihren Stühlen und stürmten die kleine runde Tanzfläche. Sie bewegten sich hastig zuckend im Rhythmus der schrillen Musik. Ihre Kleider flogen, glitzernde Disco-Röcke wurden zu bunten Kreisen, die bis hoch zu den langen Schenkeln der Mädchen glitten.

Enge Hosen, ebenfalls farbig, glühten im zuckenden rotvioletten Schein. Weite Blusen, bestickt mit Perlen und Glitzerkram brachen das Licht, sodass es schien, als wären die Tänzerinnen mit bunten Diamanten übersät.

Das war der Beginn des Hexentanzes. Und Ro Bittl heizte noch mehr ein. »Tanzt weiter, Hexen. Tanzt! Mit der Schönsten von euch werde ich den Vampirwalzer aufs Parkett legen.« Er lachte rau und laut, und ein Scheinwerfer, voll auf sein Gesicht gerichtet, ließ die langen Vampirzähne blitzen.

Da hielt es kaum einen auf seinem Platz. Die Besucher waren aufgestanden, sie alle wollten was sehen, und ihre Hände klatschten im Takt der Horror-Musik.

Selbst Silvia, das Mädchen, das der älteren Frau Flur in der Küche half, hielt es nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz. »Ich komme gleich wieder«, sagte sie und war verschwunden, noch bevor die Frau protestieren konnte.

Durch einen Seitengang betrat sie die Disco. Sie drängte sich vor bis auf die lange, wabenförmig angelegte Theke und nahm dort Platz. Direkt neben Heinz Grattner, dem Besitzer.

Der warf ihr einen Blick zu. »Alles klar in der Küche?«

Silvia nickte.

Heinz schnippte mit den Fingern. Er war vierunddreißig, dunkelhaarig, trug einen pechschwarzen Oberlippenbart und hatte noch die Urlaubsbräune. Sein helles Hemd stand drei Knöpfe weit offen. Vor seiner Brust baumelte ein kleines Kreuz. Er wusste schließlich, was er als Eigentümer dieser Disco Dracula schuldig war.

Die Bewegung war gesehen worden. Eine schwarzhaarige weibliche Bedienung kam und stellte unaufgefordert ein Whisky-Soda von Grattner hin. Silvia bekam einen Martini, in dem eine grüne Olive schwamm.

Sie alle schauten und staunten, selbst Grattner, der die Show ja zur Genüge kannte. Doch Roland Bittl machte das so gut, dass er immer wieder gefesselt wurde.

Auf der runden Tanzfläche steigerten sich die jungen Frauen noch. Eine schien die andere an Wildheit übertrumpfen zu wollen, so hektisch waren sie. Da flogen die Haare, da zuckten die Körper, und aus schräg gestellten Lautsprechern schallte die heiße Musik auf die Tanzenden nieder.

Auch die beiden Mädchen im hinteren Ende der Hexenkammer konnten sich dem Discofieber nicht entziehen. Sie waren ebenfalls aufgestanden, hatten sich auf die Zehenspitzen gestellt und versuchten, einen Blick auf die Tanzfläche zu erhaschen. Sie sahen kaum etwas.

Helga, die junge Frau mit den roten Locken, stieß ihre Freundin an. »Los Ginny, auf die Stühle!«

»Was hast du gesagt?« Ginny verstand nicht recht. Sie stammte aus London und war seit drei Wochen bei ihrer Brieffreundin Helga in Gelsenkirchen zu Besuch, um die deutsche Sprache zu lernen.

»Auf – die – Stühle!«, rief Helga und lachte.

Diesmal verstand Ginny. Sie war auch mit dem Vorschlag einverstanden. Beide Mädchen rückten die Stühle bis dicht an die Wand und stiegen dann auf die Sitzfläche. Sie blickten nach vorn, hatten nur Augen für die Tanzfläche und bemerkten deshalb nicht, was sich hinter ihnen tat. Warum auch, da war ja nur die Wand – aber mit ihr hatte es eine besondere Bewandtnis.

Alte Flüche vergehen nie …

Helga zuckte zusammen. Plötzlich hatte sie die weibliche Stimme gehört. Sie sah Ginny an, die sich heftig von einer Seite zur anderen bewegte, sodass man Angst bekommen konnte, der Stuhl würde in Trümmer gehen.

Helga stieß ihre Freundin an.

»Was ist?«, fragte Ginny.

»Hast du was gesagt?«

»Wann?«

»Vorhin.«

»Nein.« Sie lachte, warf den Kopf herum, und ihre langen, schwarzen Haare flogen. »Warum sollte ich etwas gesagt haben, Helga?«

Die Deutsche winkte ab. »Vergiss es.«

»Komm, schau!« Ginny umfasste Helgas Schultern und sah zu, dass sich die Freundin ihrem Bewegungsrhythmus anpasste.

Alte Flüche kehren zurück …

Da war wieder die Frauenstimme in Helgas Ohren. Und jetzt kicherte sie auch noch.

»Da spricht doch wer«, beschwerte sie sich und sah sich um. Nichts war zu sehen.

»Was ist los mit dir?«, fragte Ginny.

»Ich glaube, das Hexengift bekommt mir nicht«, antwortete Helga.

Ginny lachte. »Dann darfst du dir so was nicht bestellen!«

»Das Gefühl habe ich auch.«

Die junge Engländerin kicherte, beugte sich nach unten und leerte das Glas, in dem sich zuvor eine rot schillernde Flüssigkeit befunden hatte, deren Zusammensetzung niemand kannte. Sie war Heinz Grattners Geheimnis.

Heute kehrt der Fluch zurück …

Da war die Stimme wieder. Und diesmal noch klarer. Sie stach in das Gehirn der jungen Frau, und Helga schlug sich gegen die Stirn, als könnte sie dort einen Schatten wegwischen.

»Was ist denn nur los?«, beschwerte sich Ginny, die mitbekommen hatte, wie es ihrer Freundin ging. Sie suchte nach den richtigen Worten und fragte schließlich: »Ist dir schlecht?«

»Nein, nein …«

»Sollen wir gehen?«

»Auch nicht.«

»Vielleicht muss ich mich nur mal setzen«, sagte Helga und brachte ihre Lippen dicht an das Ohr der Engländerin, damit sie auch etwas verstehen konnte.

Ginny nickte.

Helga nahm auf dem Stuhl Platz. Sie fühlte sich wie gerädert, nass geschwitzt, die weiße Bluse klebte an ihrem Körper. Helga trug keinen BH, und unter dem Stoff zeichnete sich der kleine Busen ab. Helga lehnte sich zurück. Mit dem Kopf berührte sie die Wand und zuckte schnell wieder vor. Eiskalt hatte sie sich angefühlt.

Helga fuhr über ihr Haar. Das hatte sie noch nie erlebt, die Wand war immer kühl, schließlich waren die Steine einige Hundert Jahre alt, aber jetzt war eiskalt hatte Helga sie noch nie erlebt.

Der Fluch ist da …

Die Stimme kreischte in ihrem Kopf. Helga presste beide Hände gegen die Stirn, während Ginny neben ihr auf dem Stuhl stand und sich lässig bewegte. Sie merkte nichts von den Veränderungen.

Aber die traten ein.

Helga hatte plötzlich das Gefühl, als würden unsichtbare Hände nach ihrem Kopf greifen und ihn herumdrehen. Sie folgte der Bewegung automatisch und blickte gegen die Wand. Schlagartig traf sie das Entsetzen. Auf der Wand – nein, in der Wand bewegte sich etwas.

Da ist was! Da war was! Da kommt was!

Schlagwortartig hämmerten die Sätze in dem Kopf der siebzehnjährigen Deutschen. Es waren fremde Gedanken, die sich ihrer annahmen und sie manipulierten.

Sie wurde bleich.

Schau her, kleines Mädchen! Schau nur her. Du sitzt doch in der Hexenkammer. In der Hexenkammer … Hexenkammer …

Die junge Frau hörte nur auf die Worte und starrte auf die Mauer. Aber das war keine Mauer mehr, denn sie konnte in die Steine hineinsehen. Drei Gesichter sah sie. Das eines Mannes und zwei Frauengesichter. Letztere rahmten das Gesicht des Mannes ein, und alle drei zeigten Spuren eines unheimlichen, langen Lebens.

Faltig und runzlig waren die Fratzen der beiden Frauen. Die Haut wirkte wie die Rinde eines alten Baums. Furchen und Runzeln hatten sich tief in das Gesicht eingegraben, ein Mund war kaum zu erkennen, ebenso wenig wie die Stirn, denn dort hinein fiel das lange, graue, strähnige Haar, das auch den Kopf umrahmte und plötzlich hochgehoben wurde, als wäre es von einem Windstoß getroffen worden.

Drei schreckliche Gesichter, wovon sich die beiden Fratzen der Frauen aufs Haar glichen. Nur die des Mannes war anders. Größer, länglicher, auch die Stirn war breiter, und dieses Gesicht strahlte eine so starke Grausamkeit und Kälte aus, dass Helga erschauderte.

Grenzenlos wurde ihre Angst. Während die Gesichter der beiden Frauen starr waren und sich nur die Augen bewegten, öffnete der Mann seinen Mund. Ein Rachen wie ein Schlund. Zahnlos dabei – oder?

Nein! Wer konnte das Entsetzen des Mädchens beschreiben, als es die beiden grauenhaften, langen, dolchartigen und spitzen Zähne sah, die aus dem Oberkiefer wuchsen. Zwei gefährliche Hauer, satanische Vampirzähne in dem uralten Gesicht des Blutsaugers.

***

Auch die beiden Frauen öffneten ihre Lippen. Zähne! Lang, dolchartig, gefährlich …

Hinzu kam der Blick der Augen. Helga vergaß die Welt um sich herum, sie hörte nicht mehr die überlaute, wilde Musik, das rhythmische Klatschen, den Hexentanz, sie hatte nur noch Augen für die Gesichter in der Wand.

»Komm …« Diesmal waren es keine Gedanken in ihrem Kopf, sondern eine Stimme, die sie aufforderte.

Und Helga gehorchte. Sie hob ihre Arme, streckte sie aus, berührte die Wand – und glitt hindurch. Etwas Unglaubliches war geschehen. Helga konnte durch die Wand fassen. Ihre Arme wurden gelenkt, die Hände schwebten automatisch auf das linke Frauengesicht zu und umfassten es.

Sie spürte die Haare. Zwischen ihren Fingern knisterten sie wie altes Stroh, und dann merkte sie selbst die Kälte, die von ihrem Körper Besitz ergriff. Wie ein schleichendes Gift drang sie in ihn ein, breitete sich aus, war ein Strom, der nicht mehr gestoppt werden konnte, erfasste das Hirn des Mädchens, die Seele …

Und Ginny tanzte. Sie war in einem regelrechten Taumel. Sie hatte nur Augen für die kleine Fläche, wo der Hexentanz weiter fortgeführt wurde und sich die Mädchen im rasenden Wirbel drehten. Andere Gäste hatten einen Kreis um die Tanzenden gebildet, der immer enger wurde, weil stets neue Gäste und Zuschauer hinzukamen.

Auch Ginny wollte nicht mehr auf dem Stuhl stehen bleiben. »Komm doch mit, los!«, forderte sie ihre Freundin auf.

Helga hörte nicht. Sie konnte nicht mehr hören, denn sie war zu einem Teil der Mauer geworden.

»Mach schon!«, rief Ginny. »Los …«

Jetzt erst sah sie hin. Jäh weiteten sich ihre Augen. In diesem Moment begriff sie das Ungeheuerliche des Vorgangs.

»Helgaaaa!« Es war fast ein tierischer Schrei, geboren aus einer unheimlichen Angst, und gerade in diesem Moment stellte Roland Bittl die Musik noch lauter. Er wollte zum Finale kommen und holte alles aus der Anlage heraus.

Niemand hörte den Schrei oder wollte ihn hören. Keiner kümmerte sich um die junge Frau.

Ginny rutschte vom Stuhl. Sie stürzte auf ihre Freundin, umfasste sie mit beiden Händen und merkte auch die eisige Kälte, die das Mädchen ausströmte.

Da sah sie die Gesichter. Böse Gesichter, uralte Fratzen, höhnisch verzogen, Triumphgefühl sprach aus dunklen Augen.

Ginny wollte zurück. Sie schaffte es nicht mehr. Der Bann der alten Vampire war stärker. Auch Ginny wurde mit hineingezogen in den tödlichen Strudel. Sie wurde wie ihre Freundin Helga ein Opfer der drei Vampire.

Disco Dracula! Als ein Gag war dieser Name aufgefasst worden, vielleicht als makabrer Scherz. Für die beiden Mädchen jedoch war die Disco zu einer Todesfalle geworden.

Wie verloren standen auf dem Tisch zwei Handtaschen und zwei Gläser. Aus der Wand aber rieselte grauer Staub, der sich auf dem Boden zu einem kleinen Häufchen sammelte. Und wer genau hinsah, hätte vielleicht zwei junge Mädchengesichter in dem uralten Stein sehen können, die jedoch nach und nach alterten und von fast mumifizierten Greisinnen nicht mehr zu unterscheiden waren …

***

Roland Bittl spürte, wie ihm jemand auf die rechte Schulter tippte. Er drehte sich um und sah Heinz Grattner.

Der Besitzer der Disco lächelte und nickte anerkennend. »Toller Betrieb hier«, stellte er fest.

Ro Bittl nahm sein Vampirgebiss aus dem Mund und legte dafür die Hand ans Ohr. Er hatte nicht verstanden.

Grattner wiederholte.

Da nickte Bittl. »Ja, irre. Wird immer besser. Unsere Show spricht sich herum.« Er blickte ins Publikum. »Man muss den Leuten nur etwas bieten, und schon kommen sie scharenweise.«

Für die beiden Männer war es fast zu eng in dem Karree. Sie waren umgeben von elektrischen und elektronischen Geräten. Da gab es Verstärker, zwei Plattenspieler, ein Mischpult und noch eine Konsole für die Beleuchtung. Bittl konnte das Licht von dieser Stelle aus steuern.

Im Moment lief die Platte ab. Der Hexentanz klang aus. Ein paar schrille Töne noch, dann war es vorbei.

Sofort schnappte sich Ro Bittl das Mikro. »Na, Leute, war das was?«

Johlen, Beifall, Trampeln!

»Irre, nicht?« Er blickte auf die Mädchen unter ihm.

Die Tänzerinnen waren verschwitzt, ausgepumpt, sie standen dort mit hängenden Armen und ruhten sich aus.

»Ja, ja«, sagte der Discjockey. »Man hat’s nicht leicht. Hoffentlich habt ihr euch nicht übernommen, Mädchen. Ihr wisst doch, um Mitternacht geht es erst richtig rund. Dann beginnt die große Horror-Show. Ich bin mal gespannt, wer sich traut, mit mir einen Vampir-Walzer aufs Parkett zu legen.«

»Wir!« Die vier schrien es zur selben Zeit, und Bittl lachte. »Aber wir sind ja nicht hier, um nur von Vampiren, Hexen und Monstern zu sprechen. Es gibt ja auch andere Musik. Tolle Oldies, Freunde, da könnt ihr in Erinnerungen schwelgen und mal wieder so richtig ausflippen, haha …«

Bittl legte eine neue Scheibe auf. Es war eine Spezialplatte, ein Zusammenschnitt alter Melodien und Gruppen. Die Beatles waren ebenso vertreten wie die Bee Gees oder die deutschen Lords.

»Da soll mal einer sagen, bei uns gäbe es keine Oldies«, sprach er ins Mikro. »Leute, macht mit, sitzt euch nicht den Hosenboden durch. Hier wird getanzt, bis die Sohlen glühen.«

Er wandte sich ab. Das war die einstudierte Rede. Ro Bittl zog sie an jedem Wochenende ab. Jetzt hatte er auch Zeit, sich um seinen Chef, Heinz Grattner, zu kümmern.

»Willst du was zu trinken?«, fragte Heinz.

Bittl nickte. »Ein Glas Sekt wäre gut.«

»Okay.« Grattner gab einer Kellnerin ein Zeichen, das sofort verstanden wurde.

Wenig später brachte sie eine Flasche Sekt. Das Zeug schäumte in die Gläser, die beiden Männer hoben die Kelche und stießen an.

Ro Bittl ahnte, dass Grattner etwas von ihm wollte. Er hielt sich jedoch mit Fragen zurück und wartete darauf, dass Grattner aus der Höhle kam.

Der leerte erst sein Glas und schnippte eine Zigarette aus der Packung. Als er Bittl ein Stäbchen anbot, schüttelte dieser den Kopf. »Nein, danke. Ich rauche hier genug mit.«

»Stimmt auch wieder.«

Bittl schaute an seinem Chef vorbei und winkte zwei neu ankommenden Mädchen zu. Ganz in Weiß waren sie gekleidet. Eine trug einen roten, die andere einen blauen Schal. Lässig lagen die Schals um Hals und Schultern. Roland kannte die Mädchen. Sie arbeiteten als Verkäuferinnen in einem Schallplattenladen.

»Was ich dich fragen wollte, Ro«, sagte Heinz Grattner. »Wie sieht es aus mit deinem Vertrag?«

»Der ist bald ausgelaufen.«

»Ich weiß.«

Bittl hob den Blick und sein Sektglas in der Hand. Dabei klirrte seine Handkette gegen den Stiel. »Willst du den Vertrag verlängern, Heinz?«

»Das hatte ich vor.«

Ro trank einen Schluck. »Aber ich nicht.«

»Warum nicht?«

»Über die Gründe haben wir schon gesprochen. Ich suche etwas für mich. Ich will nicht immer Zweiter oder Dritter sein. Auch mal Chef werden, verstehst du? Mal was auf die Beine stellen. Absahnen wie du. Abkassieren.«

»So schlimm ist es auch nicht.«

»Hör auf, Heinz. Ich sehe doch die Umsätze.«

»Ja, aber das Ding hier hat auch verdammt viele Unkosten.« Grattner zog an seiner Zigarette. »Ich will ja nicht auf Knien vor dir kriechen, aber ich mache dir ein gutes Angebot. Fünftausend im Monat. Ist das nichts?«

»Dafür muss eine alte Frau lange stricken.«

»Genau.«

»Aber mir geht es ja nicht ums Geld direkt. Ich will mein eigener Herr sein.«

Grattner drückte die Zigarette aus. »Das heißt, du willst mir Konkurrenz machen.«

»Nein.«

»Lüg doch nicht.«

»So eng darfst du das nicht sehen, Heinz. Ich bleibe ja nicht hier. Ich gehe nach Dortmund oder Essen und ziehe da meine Show auf.«

»Hast du schon was Festes?«

»Möglich.«

Heinz Grattner kniff ein Auge zu. »Komm, rück schon raus mit der Sprache. Da ist doch sicher was im Busch. Klar, du musst was in der Hand haben.«

»Noch nichts Genaues.«

»Wo denn?«

Bittl grinste. »Meine Güte, Heinz, hast du vor der Konkurrenz Angst! Ich sag dir was. Du hast dein Publikum, und ich werde meines haben, wenn es so weit ist. Alles klar?«

»Sicher.«

»Dann kannst du mir noch ein Glas geben.«

Als Grattner einschenkte, zitterte seine Hand. Fast wäre der Sekt noch über den Rand gequirlt.

Roland Bittl nahm das Glas. »Bis zum nächsten Jahr bleibe ich auf jeden Fall«, sagte er.

»Da kannst du es dir noch überlegen«, erwiderte Grattner.

»Mal sehen.« Bittl grinste.

Heinz Grattner ging. Einer der jungen Männer, die Getränke schleppten, hielt ihn auf.

»Was ist?« Grattner war ziemlich ungehalten. Das Gespräch hatte ihn nicht gerade begeistert.

»Da gibt es wohl wieder zwei Zechpreller.«

»Scheiße.« Grattner war sauer. Scharf blickte er den Kellner an. »Dann kannst du das aus eigener Tasche bezahlen, Junge.«

»Können Sie trotzdem mal schauen?«

»Wieso?«

»Mir ist da was aufgefallen.«

»Was denn?«

Der junge Kellner hatte sich schon abgewandt. »Kommen Sie mit, Chef, wo die beiden gesessen haben.«

»Wenn’s sein muss.« Grattner rammte beide Hände in die Hosentaschen und folgte seinem Angestellten.

Schwere Gedanken quälten ihn. Bittl zu verlieren, war ein Schlag, der unter die Gürtellinie zielte. Gerade jetzt, wo sie die große Show vorhatten. Am nächsten Wochenende sollte sie abrollen. Es war schon alles vorbereitet. Sogar die Särge hatten sie herangeschafft.

Und jetzt dieser Mist!

Grattner nahm sich vor, mit Roland Bittl noch ein intensives Gespräch zu führen. Der musste bleiben. Er würde ihm auch sagen, mit welch einem Risiko es verbunden war, so einen Laden zu eröffnen. Da konnte man nicht einfach losziehen, das musste schon genau geplant sein. Und man brauchte Geld. Bittl hatte zwar bei Grattner gut verdient, aber er gab das Geld auch mit vollen Händen aus. Sein Jaguar fraß viel Sprit und kostete eine Menge Scheine an Reparaturen, da er oft in der Werkstatt stand.

Vor dem Tisch blieben sie stehen.

»Hier haben sie gesessen«, sagte der junge Kellner.

»Ja und?«

»Jetzt sind sie weg.«

Grattner hob den Blick. »Bist du eigentlich völlig behämmert? Da liegen noch die Handtaschen.«

»Klar, das sehe ich auch. Allerdings noch was. Schauen Sie mal zu Boden, Chef.«

Grattner senkte den Blick. Staub bedeckte seine blanken Schuhspitzen. Er runzelte die Stirn. »Mist. Wo kommt das verdammte Zeug denn her? Das ist Staub.«

»Genau.«

»Hast du eine Erklärung?«

»Eine komische«, sagte der Kellner.

»Raus damit.«

»Als ich vorhin hier war, sah ich den Staub aus der Wand rieseln. Ehrlich, Chef«, versicherte er, als er das zweifelnde Gesicht seines Brötchengebers sah. »Aus der Wand kam der Staub. Der rieselte wie feiner Schnee zu Boden.«

»Das ist unmöglich.«

»Fühlen Sie selbst, Chef.« Der Kellner beugte sich vor und strich mit dem Finger über die Wand. »Staub, nichts als Staub und dazu ist die Wand noch eiskalt.«

Grattner machte es ihm nach. Der junge Mann hatte recht. Die Steine waren kalt, als hätte sie jemand tiefgefroren. Das konnte erklären, wer wollte, Grattner auf jeden Fall nicht.

»Und was hat das mit den Mädchen zu tun?«, fragte er.

Der Kellner hob die Schultern. »Ich meine ja nur.«

»Glaubst du, die hätten sich aufgelöst?«

Der junge Kellner grinste. Das Grinsen fiel allerdings schief aus, sodass Heinz Grattner lachen musste.

»Das kann ich mir vorstellen, du hast Schiss, mein Junge. Aber keine Angst, die werden auf der Toilette sein oder auf der Tanzfläche. Und noch etwas. Ich habe hier zu tun. Und du auch. Wenn die beiden zurückkommen, dann sieh zu, dass sie zahlen. Alles klar?«

»Ja.« Der Kellner wollte sich abwenden, als sein Gesicht plötzlich bleich wurde. Die Augen weiterten sich, und auch Grattner merkte, dass etwas nicht stimmte.

»Was ist los, Mann?«

»Drehen Sie sich mal um, Chef. Die … die Wand …«

Das tat Heinz Grattner auch. Im ersten Moment glaubte er an eine Halluzination. Als er genauer hinsah, merkte er, dass es sich um keine Einbildung handelte. Es gab die beiden Gesichter tatsächlich.

Und sie schimmerten in der Wand! Uralte Gesichter, faltig und runzlig, aber dennoch konnten die beiden Männer erkennen, dass es sich dabei um junge Personen handelte. Die Haare waren normal. Rot und schwarz, einmal zu Locken gedreht, das andere Mal lang.

Alte Gesichter, aber Haare von jungen Frauen.

Unwillkürlich trat Heinz Grattner zurück. Er wischte sich übers Gesicht.

»Was sagen Sie, Chef?«

Grattner ließ sich auf den Stuhl fallen. »Sind die beiden das?«

»Kann sein.«

»Verdammt, das ist ein Spukbild, jemand erlaubt sich mit uns einen Scherz.«

»Hoffentlich, Chef.«

Heinz Grattner hob den Blick. »Oder glaubst du, dass es so etwas wirklich gibt?«

»Eigentlich nicht, Chef.«

»Was heißt eigentlich?«

»Wir sind hier in einer Horror-Disco.«

Grattner winkte ab. »Spinn nicht. Das ist alles Show, Mensch. Illusion.«

Der junge Keller hob die Schultern. »Ich weiß nicht so recht. Ich habe mir mal die Geschichte erzählen lassen. Frau Flur kennt sich da ja aus. Sie hat von einem verfluchten Vampir gesprochen und von Hexen, die ebenfalls Vampire waren und das Blut ihrer Opfer getrunken haben.«

»Die Flur soll aufhören, immer so einen Mist zu erzählen. Ich werde ihr das sagen.«

»Jetzt sind sie weg, Chef!«

»Was ist weg?«

Der Kellner stand gebückt da. »Die Gesichter, meine ich. Verschwunden, aufgelöst.«

»Dann ist es ja gut.«

»Was machen wir?«

»Nichts.« Grattner stand auf und tippte seinen Angestellten mit dem ausgestreckten Zeigefinger gegen die Brust. »Wir werden nichts machen und nur den Mund halten. Hast du mich verstanden? Kein Wort zu irgendeinem. Sonst fliegst du!«

»Geht in Ordnung, Chef.«

»Dann kümmere dich um deine Arbeit. Die Leute haben Durst.«

Der Kellner verschwand.

Heinz Grattner blieb noch. Er starrte die Wand an. Da zeigte sich kein Gesicht. Er sah nur die Steine und den grauen Mörtel dazwischen. Die meisten Gäste saßen an den Tischen. Sie wollten noch einen Schluck trinken, bevor die große Show um Mitternacht begann. Doch der Tisch hier an der Wand blieb leer. Die beiden Mädchen kamen nicht zurück.

Heinz Grattner ging. Er wollte die trüben, quälenden Gedanken verscheuchen. Es gelang ihm nicht. Bei dem Besitzer der Disco blieb ein großes Unbehagen zurück.

***

Noch fünf Minuten bis Mitternacht.

Das Karree war leer, in dem sonst Ro Bittl, der Discjockey stand. Er hatte kurz vor dem Verlassen ein Band ablaufen lassen, weil er sich umziehen wollte.

Vier Minuten vor Mitternacht war er wieder da. Allerdings verwandelt und verkleidet. Über sein blondes Haar hatte er sich eine pechschwarze Perücke gestreift. Ebenso schwarz war der Umhang, und er glänzte seidig, wenn Licht auf ihn fiel. Am meisten hatte sich das Gesicht verändert. Roland hatte es mit Kreide eingerieben, sodass es bleich und irgendwie unheimlich schimmerte. Dafür waren die Lippen grellrot angemalt und die Farbe verschmiert. Sie sollte das Blut darstellen. Schließlich war Ro Bittl nicht nur Discjockey, sondern auch der Hausvampir. So bezeichnete er sich immer.

Wie Graf Dracula persönlich betrat er das Karree und drehte die Musik runter. Stille breitete sich aus. Die Gespräche verstummten. Spotlights drehten sich und strahlten mit ihrem roten Licht nur einen an. Roland Bittl!

Ein Mädchen lachte schrill, verstummte aber, als es angezischt wurde. Auf diese Show hatten alle gewartet, und Ro Bittl wollte die Gäste nicht enttäuschen.

Er hob beide Arme. Dabei bewegte sich auch sein schwarzer Umhang. Er wurde ausgebreitet, sodass Ro Bittl wie eine gewaltige Fledermaus wirkte.

Dann öffnete er den Mund. Sein Vampirgebiss hatte er schon zuvor hineingesteckt. Die Zähne schimmerten weiß.

Es war gar nicht einfach, mit dem Gebiss im Mund zu sprechen, doch Bittl hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass er trotz allem einige Worte herausbekam, die durch Lautsprecher verstärkt wurden und jeden Winkel des Gewölbes erfassten.

Alle Blicke waren ihm zugewandt. Die Gäste hatten ihre Plätze am Tresen verlassen, und sogar die beiden Mädchen von der Kasse sahen zu. Die Tür war währenddessen abgeschlossen. Auch die junge Garderobiere hatte es nicht mehr gehalten, sie wollte die Show ebenfalls mitbekommen.

Heinz Grattner stand an eine Säule gelehnt. Er sah Ro Bittl zwar auch, doch seine Gedanken schweiften ab. Das Verschwinden der Mädchen – inzwischen glaubte er selbst daran – ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Hinzu kamen die Gesichter, die er in der Wand hatte schimmern sehen, wofür er auch keine Erklärung hatte. Und jetzt die Show. Er hätte gern darauf verzichtet, obwohl es ja nur Imitation war, aber das ungute Gefühl ließ sich einfach nicht mehr unterdrücken. Er ahnte, dass es diesmal nicht so glatt ablaufen würde wie sonst und zündete sich nervös eine Zigarette an.

Immer wieder glitt sein Blick hinüber zur Hexenstube. Viel konnte er nicht erkennen. Die um die Tanzfläche herumstehenden Gäste verwehrten ihm den Blick.

Dann hörte er die Stimme. Dumpf klang sie aus den Lautsprechern, und manch weiblicher Gast bekam jetzt schon eine Gänsehaut.

»Mitternacht«, sagte Roland Bittl. »Ich musste aus meiner Gruft, wurde von euch hergelockt, um Blut zu trinken. Ein alter Fluch lässt mir keine Ruhe. Ich musste kommen, der Trieb war zu stark. Ich will bei euch sein. Ich will tanzen, will meine Opfer, will das Blut …« Schaurig lachte er auf, und das Gelächter pflanzte sich an den kahlen Wänden fort, bis es irgendwo im Hintergrund verhallte. »Der Vampirwalzer! Wer von euch ist bereit, den Vampirwalzer mit mir zu tanzen? Wer? Sagt es!«

Keine Antwort.

Wieder das Lachen. Diesmal spöttischer. Ro Bittl hatte seine Show genau einstudiert, und die Gäste wussten Bescheid.

»Traut sich keiner von euch? Seid ihr alle feige, ihr Hexenschwestern?«

Leises Lachen.

Dann eine Stimme. »Versuch’s doch mal mit einem Knaben. Ein schwuler Vampir wäre mal was Neues.«

Bittl konterte sofort. »Du hast wohl den Film Tanz der Vampire nicht gesehen, wie? Alles schon mal da gewesen, du Salzknabe.«

Gelächter.

Ro wartete, bis es verklungen war, dann verließ er sein Karree. Er trat auf die Tanzfläche und schleuderte seinen Umhang wie eine vom Wind erfasste Fahne um den Körper. Jeder sah, dass er von innen rot gefüttert war. Rot wie Blut …

»Will niemand einen Tanz mit mir wagen? Will es wirklich keine von euch Hexen?«

Niemand sagte etwas. Nur hier und da war ein verhaltenes Kichern zu hören.

»Dann gut, meine kleinen Hexen. Wenn ihr so feige seid, werde ich mir einige von euch aussuchen. Ich treffe die Entscheidung, wer in den Armen eines Vampirs über die Tanzfläche gedreht und hinterher seines kostbaren Lebenssaftes beraubt wird.« Während dieser Worte hatte sich Ro Bittl leicht geduckt und sich im Kreis gedreht, sodass sein Blick fast jeden erfasste, der sich um die Tanzfläche herum aufgebaut hatte.

»Grauen, Entsetzen, aber auch wilde Freude und Euphorie werden derjenigen zuteil werden, die es wagt, mit mir den Vampirwalzer zu tanzen. Na los, ihr mutigen Hexen. Kommt, kommt herbei. Ich frage noch einmal: Wer will mit mir tanzen? Mit mir, dem Fürsten der Finsternis, dem Grafen der Nacht?«

Er drehte sich im Kreis und suchte nach »Opfern«. Es gab ein paar Mädchen, die zurückzuckten. Niemand traute sich so recht, denn Ro Bittl machte seine Sache ausgezeichnet. Sie wirkte sehr, sehr echt.

»Nun? Keine? Dann werde ich eben die Erste von euch bestimmen, die mit mir tanzt!«

»Halt!«, rief plötzlich eine helle Frauenstimme. »Wir tanzen mit dir, du nachgemachter Vampir.«

Roland Bittl drehte sich um. Er war wirklich überrascht, denn damit hatte er nicht gerechnet.

Bisher hatte er die Personen noch nicht gesehen, dann bildeten die Menschen an der Tanzfläche eine Gasse, sodass die Tänzerinnen hindurchkonnten. Ro Bittls Augen wurden groß, als er die beiden Mädchen sah.

***

Sie kamen aus der Hexenstube!

Mit gemessenen Schritten gingen sie vor. Und sie trugen eine Kleidung, wie sie in diese Disco gar nicht hineinpasste. Sie war weit geschnitten und aus buntem Stoff genäht. Bei jeder Bewegung schwangen die Röcke hin und her, und Roland Bittl musste zugeben, dass er von den beiden Mädchen sehr angetan war, denn es waren wirklich Klassemiezen.

Die eine hatte rote Locken. Dabei war ihr Haar noch lang, es umrahmte ein schmales Gesicht, in dem die Wangenknochen etwas hervorsprangen und fast unter den Augen endeten. Der Mund war voll, die Lippen zu einem spöttischen Lächeln verzogen.

Das zweite Mädchen hatte schwarzes Haar. Es fiel ebenfalls bis auf die Schultern. Die Unbekannte trug eine weiße Bluse mit tiefem ovalen Ausschnitt, sodass die Ansätze ihres Busens zu sehen waren. Ihr Gesicht hatte etwas Katzenhaftes an sich, die Augen standen leicht schräg, die Nase war klein und etwas nach oben gebogen, sodass die Unterlippe ein wenig groß ausfiel.

Niemand sagte etwas, als die beiden Mädchen auf die Tanzfläche traten, und auch Roland Bittl hatte es die Sprache verschlagen.

Das waren Klassefrauen. So etwas hatte er selten zu Gesicht bekommen, und in der Disco hatte er sie noch nie gesehen. Die mussten neu sein, denn sie kannten auch die Spielregeln nicht. Normalerweise suchte er sich die Tänzerinnen aus. Oft genug war es passiert, dass er dann mit einer von ihnen hinterher im Bett gelandet war.

Aber heute hatte er zwei, und es sah ganz so aus, als würden sie ihm die Schau stehlen, indem sie ihm das Heft aus der Hand nahmen. Roland Bittl grinste. Warum eigentlich nicht? Bei Miezen, die so aussahen wie die beiden: Rothaarig und schwarz – eine tolle Mischung. Die beiden schienen ja wirklich unter Strom zu stehen, schon allein, wie sie sich bewegten … Das war eine einzige Herausforderung für einen Mann.

Roland Bittl verbeugte sich und streckte seinen rechten Arm aus. »Ich heiße euch herzlich willkommen, ihr beiden Hexenschwestern. Wer von euch Schönen möchte mit mir den Vampirwalzer tanzen?«

»Beide!« Die Antwort klang wie aus einem Mund.

»Einen Walzer kann man nur zu zweit tanzen«, erwiderte Roland Bittl und fügte ein »leider« hinzu.

»Wir werden uns abwechseln«, sagte das Mädchen mit den schwarzen Haaren.

»Darf ich deinen Namen erfahren, schöne Unbekannte?«

»Nenn mich Gabriele.«

»Für Gaby tut ein Vampir alles«, sprach Roland Bittl einen alten Schlagertext nach. Dann wandte er sich an die Rothaarige. »Und wie darf ich dich nennen, meine Liebe?«

»Brigitte.«

Da lachte der »Vampir«. »Ich kannte mal ein Mädchen, das hieß auch Brigitte. Aber ich habe sie nur Gitti genannt. Ist es dir recht, meine Liebe.«

»Ja.«

Wieder breitete Roland seine Arme aus, und der schwarze Umhang mit dem roten Futter blähte sich auf. Mittlerweile begann ihm die Sache Spaß zu machen.

»Musik!«, rief er.

Einer der Kellner stand bereit. Er sprang in das Karree und stellte das Tonband an.

»Und nun«, rief Roland Bittl, »hören Sie unseren Vampirwalzer ‚Wiener Blut’. Sehr treffend, der Name.«

Viel Spott steckte in den Worten, aber Ro Bittl nahm die Show nicht so ernst. Für ihn war es ein Spaß. Noch …

Die ersten Takte erklangen. Walzer in einer Disco. Ein Anachronismus, aber die Disco Dracula bot eben mehr, als nur das Rocken oder normalen Sound.

Die Anlage war nicht voll aufgedreht. Trotzdem hörte auch der Gast im letzten Winkel des Gewölbes die vom Walzerkönig Johann Strauß komponierten Klänge. Sie wirkten zwar fehl am Platz, doch irgendwie zogen sie auch die jungen Leute in ihren Bann. Vor allen Dingen, wenn so eine Show ablief wie hier.

»Darf ich bitten, meine Damen?«, fragte Roland Bittl und verbeugte sich galant.

Die Mädchen warfen sich einen Blick zu. Gitti, die etwas Schlankere der beiden, nickte.

Für Gaby war es das Zeichen. Sie ging auf Roland Bittl zu, der sie mit ausgebreiteten Armen empfing. »Aber Vorsicht, schöne Frau, ich beiße.«

»Ich auch.«

Ro Bittl lachte. Er hielt es für einen Scherz. Er nahm sogar die korrekte Tanzhaltung ein. Seine Arme legten sich um die schwarzhaarige Gaby. Er fühlte, dass sie unter dem Stoff der Bluse nur ihre Haut trug, und die Fingerspitzen des Tänzers glitten über den Rücken seiner Partnerin.

Gaby erschauderte.

Ro Bittl sah ihr ins Gesicht. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. In ihren Augen lag ein Ausdruck, den er schon oft bei Mädchen gesehen hatte. Ja, die Kleine hier war sicher reif. Die wollte ihn, und er würde sie auch nach Schließung der Disco mitnehmen.

Die herrlichen Walzermelodien tönten durch den Raum. Ro Bittl konnte gut tanzen. Vor allen Dingen nicht nur die modernen Disco-Tänze, sondern auch die klassischen, zu denen der Walzer gehörte. Sie schwebten beide leicht über die Tanzfläche, und das Mädchen ließ sich willig führen.

Gitti, die Rothaarige, hatte Platz geschaffen, doch nach drei Runden trat sie auf die Tanzfläche und klatschte ab.

Noch eine wirbelnde Drehung, und Ro Bittl ließ seine Partnerin los.

»Und nun du, kleine Hexe!«, rief er. »Auch dich wird der Vampir bei seinem Tanz verführen. Dein Blut wird köstlich munden.« Er hatte diese und ähnliche Sprüche stets bereit.

Gitti tanzte nicht schlechter. Sie schmiegte sich in seine Arme. Ro Bittl spürte die Wärme ihrer Haut, und ihr Atem strich über seine Stirn.

Nein, es war kein Atem, sondern der Luftzug des Ventilators. Das Mädchen wurde nicht müde. Er wirbelte über das Parkett. Während Roland schon nach Luft schnappte, war seiner Partnerin nichts anzumerken. Nicht ein Schweißtropfen stand auf ihrer Stirn. Zudem schien sie die Luft anzuhalten, zumindest merkte Bittl nicht, dass sie atmete.

Plötzlich war Gaby wieder da. »Zusammen!«, rief sie, und augenblicklich löste sich Brigitte aus den Armen des »Vampirs«.

Die beiden Mädchen wussten auch schon, wie sie den Reigen tanzen wollten. Sie hakten sich rechts und links bei Roland Bittl ein, wobei sie sich rasend schnell im Kreis drehten, zuerst rechts herum, mit dem Mann in der Mitte.

Bittl lachte auf. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Die beiden Mädchen wurden immer schneller, die Walzermelodien trieben sie an. Gäste begannen zu klatschen, vor Rolands Augen drehte sich alles. Die Zuschauer wurden zu einer verschwimmenden Wand, in der hin und wieder farbige Flecken aufleuchteten, hervorgerufen durch die bunte Kleidung der Gäste.

Es war ein Tanz, wie ihn Roland Bittl noch nie in seinem Leben erlebt hatte.

Schwindel und Taumel erfassten ihn. Er bekam kaum Luft. Das Vampirgebiss störte, und er spie es zu Boden. Weiter, immer weiter drehten sie ihn. Manchmal verlor Roland den Kontakt zum Boden. Er hörte das Kreischen der beiden Tänzerinnen, und es übertönte sogar die Musik des Walzerkönigs.

Es kam der Zeitpunkt, wo er die Kontrolle über sich verlor. Er wusste nicht mehr, wo oben, unten, rechts oder links war. Er hing nur noch in den Armen der beiden Mädchen, und das Lachen der Gäste ertönte wie ein dumpfes Brausen in seinen Ohren.

Roland Bittl war ziemlich fertig. Er hatte den Vampirwalzer tanzen wollen, jetzt hatten die anderen ihn mit ihm getanzt und dabei bis an die Grenze des Erträglichen gebracht. Er stöhnte. Seine Füße schleiften über den Boden. Den Kopf hatte er hochgerissen. Er war ihm buchstäblich in den Nacken gefallen, und dann ließen die beiden Mädchen ihn los.

Ro Bittl merkte es nicht einmal. Schwer schlug er auf und drehte sich um die eigene Achse, wobei er auf seinem aus Kunststoff gefertigten Vampirgebiss liegen blieb.

Die beiden Mädchen aber lachten. Sie drehten sich weiter und umtanzten ihn, wobei sie in die Hände klatschten. Dabei waren sie die Einzigen. Die anderen Gäste, die sich um die Tanzfläche drängten, hatten aufgehört zu tanzen. Manche sahen ängstlich zu, andere konsterniert.

Auch Heinz Grattner hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Er drängte sich an den Zuschauern vorbei, damit er einen freien Blick auf die Tanzfläche hatte.

Roland Bittl lag stöhnend auf dem Boden. Halb hatte er sich aufgestützt, der Umhang bedeckte ihn wie ein großer schwarzer Mantel. Mit der freien Hand wischte er über sein Gesicht, der Atem drang abgehackt aus dem Mund.

Gitti und Gaby tanzten. Sie drehten sich weiter nach den Klängen, hatten die Säume ihrer Röcke gefasst und hochgehoben, sodass die Augen der Zuschauer die herrlich schlanken, langen Beine der Mädchen sahen.

»Hört auf, verdammt!«, fuhr Heinz Grattner die beiden an. »Es reicht jetzt!«

Sie stoppten tatsächlich. Spöttisch blickten sie auf die beiden Männer, von denen einer am Boden lag.

»Er wollte doch seinen Vampirtanz«, sagte die rothaarige Gitti.

»Ja, verflucht, er wollte ihn.« Heinz Grattner beugte sich zu Roland Bittl hinunter und half ihm auf die Beine.

Der Discjockey konnte kaum stehen. Heinz Grattner musste ihn festhalten, sonst wäre er gefallen. Fahrig wischte Bittl mit der Hand durch die Luft.

»Kannst du noch?«, fragte Grattner.

»Mir ist schlecht, verdammt.«

»Komm mit zur Toilette.«

Die Gäste machten bereitwillig Platz, damit beide Männer hindurchkonnten. Sie waren im Augenblick die Hauptpersonen, auf die beiden Mädchen achtete niemand.

Gitti und Gaby nutzten das aus. Niemand achtete auf sie, wie sie sich zurückzogen. Auf ihren Lippen lag ein böses Lächeln, als sie sich an der großen Theke vorbeischoben und dem Ausgang immer näher kamen.

Plötzlich waren sie verschwunden. Und es schien so, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.

***

Roland Bittl wohnte nur ein paar Straßen weiter. Hinter der Galopprennbahn, wo der Südfriedhof begann. In einem älteren Haus hatte er dort eine kleine Erdgeschosswohnung. Wenn er aus dem Fenster blickte, konnte er den Friedhof sehen, was ihm als Vampir vom Dienst allerdings nichts ausmachte.

Grattner hatte Roland Bittl in seinem Wagen hergefahren. Auf der Toilette hatte sich der Discjockey zweimal übergeben müssen, jetzt ging es ihm wieder besser.

Langsam fuhr der beige Lancia durch die Straße. Seine Scheinwerfer wirkten wie zwei helle Glotzaugen. Das Haus lag auf der linken Seite und stand fast im Straßenknick.

Wie ein Toter lag Roland Bittl auf dem Beifahrersitz. Er war bleich im Gesicht, und das nicht von der Schminke, denn die war inzwischen verlaufen.

Der Lancia rollte aus. Direkt vor dem Haus blieb er stehen. Hinter keinem Fenster brannte mehr Licht. Die Menschen hier schliefen früh und fast so fest wie die Toten schräg gegenüber.

Heinz Grattner stellte den Motor ab. Dann wandte er Roland Bittl sein Gesicht zu. Der Discjockey hatte die Scheibe an einer Seite nach unten gekurbelt und holte tief Luft.

»Wie geht es dir?«, fragte Grattner.

»War das eine Scheiße«, stöhnte Bittl. »Mensch, die beiden Weiber haben mich fertiggemacht.«

Heinz Grattner lachte leise. »Ich habe mich auch gewundert. Die waren besser als du.«

Roland stemmte sich in die Höhe. Dabei rutschte er mit dem Rücken über den Sitz. »Und was das Schlimmste ist, die waren überhaupt nicht erschöpft.«

»Wie meinst du das?«

»Kein Tropfen Schweiß auf der Stirn. Die haben kaum schneller geatmet. Wobei ich mich frage, ob sie überhaupt geatmet haben.«

»Wie?« Grattner zuckte zusammen. Er fröstelte plötzlich und musste unwillkürlich an die beiden verschwundenen Mädchen denken. »Nicht geatmet?«

»Nein, wie echte Vampire.« Bittl lachte, doch sein Chef stimmte nicht in das Lachen ein. Er war sehr nachdenklich geworden.

Roland stieß ihn an. »Hey, was ist?«

Grattner schüttelte den Kopf. »Nichts, ich habe nur gerade an etwas gedacht. Da sind zwei Mädchen verschwunden, ich habe Gesichter in der Wand in der Hexenstube gesehen.«

Roland Bittl lachte. »Mein lieber Heinz, wir beide brauchen mal Urlaub.«

»Meiner liegt erst drei Wochen zurück.«

»Dann fahr noch mal. Ich jedoch lege mich ins Bett.« Er öffnete die Wagentür. Frische Luft drang in das Fahrzeug.

»Soll ich dich noch reinbringen?«, erkundigte sich Heinz Grattner besorgt.

»Danke, es geht schon. Und danke auch, dass du mich hergefahren hast.«

»Schon gut. Ach so, noch etwas«, sagte Heinz Grattner, als sich der andere schon abgewendet hatte. »Die Sache mit heute Abend, also deinen Wechsel, den überlegst du dir doch noch?«

»Mal sehen.« Roland schlug die Tür zu.

Tief atmete er durch. Ein schmaler Weg führte bis zur Haustür und teilte das kleine Rasenstück vor der Wohnung in zwei Hälften.

Heinz Grattner fuhr an. Er brauchte nicht zu wenden, rollte die Straße durch, bis er rechts einbiegen konnte. Am Schleusengraben. Auch hier war der Friedhof zu sehen. Grattner fuhr die Straße entlang, kurvte dann in die Gelsenbergstraße, fuhr ein Stück und hatte bald die Hauptstraße vor sich liegen, die man hier An der Rennbahn getauft hatte. Wo sie und die Turfstraße zusammenstießen, da lag auch die Disco Dracula.

Der Discjockey Roland Bittl hatte inzwischen seinen Schlüssel hervorgekramt und die Tür aufgeschlossen. Auf dem kurzen Stück war ihm wieder schwindlig geworden, und fast hätte er sich sogar übergeben. Das tat er dann im Bad seiner Wohnung. Nachdem sein Magen so gut wie leer war, fühlte er sich wieder wohler. Dicker Schweiß lag auf seiner Stirn, das Licht der hellen Deckenlampe blendete ihn. Bittl setzte sich auf den Wannenrand und dachte nach.

Die Mädchen waren wirklich eine Wucht gewesen. Am liebsten hätte er sie beide abgeschleppt. Wenn die im Bett auch so gut waren wie auf der Tanzfläche, dann hätte das die Nacht der Nächte für ihn geben können. Leider konnte man nicht alles haben. Zudem fühlte er sich rechtschaffen müde. Es war mal ganz gut, um eins ins Bett zu kommen. Sonst wurde es immer fünf.

Er stemmte sich hoch. Von der Diele führten alle Türen ab. Es waren nicht viele. Nur drei. Die zum Bad, zum Wohn-Schlafraum und zum Flur.

Der Discjockey peilte die dem Bad gegenüberliegende an. Er gähnte. Seinen Umhang hatte er sich schon im Bad von den Schultern gerissen. Er wollte noch etwas Wasser trinken, sich dann waschen und hinlegen.

Mit dem Knie stieß er die Tür auf, suchte den Lichtschalter und drückte ihn. Die rote Beleuchtung war auf das abgestimmt, was Roland Bittl in diesem Zimmer vorhatte. Wenn er lesen wollte, knipste er die Wandleuchte am Bett an.

Poster aus dem Playboy tauchten aus dem Dunkel auf. Dazwischen waren einige Grafiken zu sehen, und auch das Abbild einer Kawasaki hatte sich der Discjockey an die Wand gehängt.

Doch all das sah er nicht. Auch nicht das französische Bett mit der Black-and-White-Decke, wie er sie immer nannte, weil sie schwarz-weiß gestreift war. Roland Bittl hatte nur Augen für die beiden Mädchen, die vor dem Bett standen.

Es waren Gaby und Gitti. Beide waren nackt!

»Ein … ein Traum«, murmelte Bittl, »eine Halluzina …« Er konnte nicht mehr weitersprechen, weil er sich über die Augen und den Mund gefahren war.

»Nein, du kleiner Möchtegernvampir, wir sind kein Traumbild«, sagte die rotblonde Gitti. »Wir haben auf dich gewartet, denn wir wussten, was du vorhattest!«

»Was denn?«, fragte Bittl überflüssigerweise.

Gitti deutete auf das Bett.

Verflixt, die beiden waren direkt, das musste Roland zugeben. So etwas hatte er auch selten erlebt. Zwar konnte man die Miezen, die er mitbrachte, durchaus als willig bezeichnen, aber so hatten ihn die Disco-Puppen noch nie erwartet. Und gleich zwei auf einmal.

»Was ist denn?«, fragte Gitti, »traust du dich nicht?«

»Doch, doch, schon … nur …«

»Du bist doch so ein Held, mein Kleiner«, meinte Gaby lächelnd und warf ihre schwarzen Haare zurück. »Jetzt zeig uns mal dein Heldentum.«

»Warum eigentlich nicht?«, murmelte der zweiundzwanzigjährige Roland Bittl. »Ich bin bereit.«

Für die beiden Mädchen war dies das Stichwort. Sie drehten sich um und legten sich aufs Bett. Geschmeidig waren ihre Bewegungen, wie die von Katzen.

Gitti klopfte mit den Fingern auf die Decke. »Komm, leg dich zwischen uns.«

Bittl wurde der Kragen eng, obwohl er ihn aufgeknöpft hatte. Also, das würde ihm niemand glauben, was die beiden da mit ihm alles anstellten.

»Und wie ich komme«, sagte er.

Ro Bittl warf sich aufs Bett und drehte sich, damit er zwischen den beiden Schönen zu liegen kam. Er breitete seine Arme aus, die Mädchen hoben die Köpfe, sodass Roland die Hände unter ihre Nacken legen konnte.

»Jetzt kommt mal zur Sache«, sagte er.

»Klar«, erwiderte die schwarze Gaby lächelnd. Sie beugte sich von links über ihn, Gitti von rechts.

Roland Bittl schloss die Augen. Er hätte sie lieber offen lassen sollen, denn so bekam er nicht mit, wie die Mädchen ihre Lippen öffneten und die Zahnreihen schimmern ließen. Fast alle Zähne bei ihnen waren normal, bis auf zwei in der oberen Reihe. Das waren Vampirhauer!

Roland Bittl, der so gern einen Blutsauger spielte, hatte es hier mit echten Vampiren zu tun. Er spürte die Berührung der Lippen rechts und links an seinem Hals. Sie waren kühl, schon beinahe kalt.

Er öffnete die Augen. Dabei musste er schielen, um die Gesichter der Mädchen zu sehen. Gaby und Gitti hatte sich beide etwas aufgestützt und ihren Mund geöffnet. Roland sah die langen Zähne!

Er wollte etwas sagen, doch das Wort blieb ihm im Hals stecken.

Mit beiden Händen drückten die Mädchen den jungen Mann nieder, und dann bissen sie zu.

Zweimal spürte Roland den Biss. Rechts ein wenig früher als links. Er vermeinte, das Blut sprudeln zu hören, aber es war nur das Saugen der beiden Vampire.

In einem letzten, verzweifelten Versuch bäumte er sich auf, doch seine Kräfte erlahmten schnell. Roland Bittl sackte zurück, und im nächsten Augenblick umfing ihn die Schwärze eines Vampirtods.

***

Ich kannte meinen Chef, Sir James Powell, bereits einige Jahre. Zumeist hatte ich ihn griesgrämig erlebt, das lag wohl an seinen Magenbeschwerden, mit denen er sich permanent herumschlug.

Freundlich hatte ich ihn eigentlich nur in Erinnerung, als man ihn geadelt hatte. Denn damit war ein lang gehegter Wunschtraum von ihm in Erfüllung gegangen. Bei der Hochzeit von Prinz Charles mit Lady Di war er auch freundlich und guter Laune gewesen, denn er hatte zu den geladenen Ehrengästen gehört, die am Tag vor der Trauung und danach mitfeiern durften. Nur verlegen kannte ich ihn nicht.

Und das schien er mir zu sein, als ich kurz vor Feierabend sein Büro betrat.

»Nehmen Sie doch Platz, John«, sagte er und lächelte ein wenig. Verlegen eben.

Nun, ich setzte mich auf den Stuhl und schlug meine Beine übereinander. Die Welt schien ja nicht zu brennen, dann hätte der Alte ein ganz anderes Gesicht gemacht.

»Wie fühlen Sie sich, John?«, fragte er.

»Ich?« Wie kam er denn darauf?

»Ja, wie Sie sich fühlen?«

»Fit, Sir, sehr fit sogar.« Ich antwortete schnell, denn ich ahnte noch immer Böses. Vielleicht wollte er mir auf diese krumme Tour beibringen, dass ich wieder auf einen Lehrgang sollte.

»Das freut mich für Sie.«

»Und bald habe ich Wochenende.«

»Deshalb wollte ich ja mit Ihnen reden, John.«

Aha, er ließ die Katze aus dem Sack. Ausschlafen ade, mal wieder ein neuer Fall.

»Es ist was passiert«, stellte ich fest.

»So kann man es auch nennen, aber da ist nichts Offizielles, wissen Sie …« Verlegen brach er ab.

»Sir, tun Sie sich keinen Zwang an.«

»Es ist mir wirklich unangenehm, weil ich Sie praktisch um einen privaten Gefallen bitte.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Ich habe einen guten Bekannten.«

»Aus dem Golfklub, wie ich annehme.«

»Ja, das stimmt. Und dieser Bekannte ist in sehr exponierter Stellung, und er hat Probleme. Es geht da um seine kleine Nichte. Das heißt, so klein ist sie auch wieder nicht. Siebzehn Jahre, Ginny Wells heißt sie. Kurz und gut, diese Nichte ist verschwunden.«

»Abgehauen von zu Hause«, sagte ich. »Weil ihr der konservative Mief zum Hals raushing …«

»Bitte, John, das gehört nicht hierher.«

»Das gibt es aber oft. Schlagen Sie mal die Zeitungen auf, da lesen Sie es.«

»So eine war oder ist Ginny nicht. Sie ist ja auch nicht in England verschwunden, sondern auf dem Kontinent. Sie hatte eine deutsche Brieffreundin namens Helga Hansen. Und beide Mädchen sind seit einer Woche nicht mehr aufzufinden. Einfach weg, verschwunden, nicht mehr aufgetaucht, wie es so schön heißt.«

»Hat man die deutsche Polizei eingeschaltet?«, fragte ich.

»Selbstverständlich. Die Kripo hat sich gewissermaßen auf die Fersen der verschwundenen Mädchen gesetzt, nachgeforscht, und die Spuren führen nach Gelsenkirchen in eine Diskothek.« Sir James machte eine Kunstpause. »Raten Sie mal, wie dieser Schuppen heißt.«

Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung, Sir.«

»Disco Dracula!«

Ich musste grinsen. »Wirklich gut«, erwiderte ich.

»Fällt Ihnen denn da nichts auf?«

»Der Name ist ungewöhnlich. So etwas gibt es hier in London doch auch.«

»Ja, aber das ist Show, und da sind noch keine Gäste verschwunden. Die Mädchen waren einfach nicht mehr da. Haben ihre Taschen, ihr Geld und die Mäntel zurückgelassen. Da scheint irgendetwas dahinterzustecken, John.«

»Ich soll also hinfahren und nachforschen«, stellte ich richtig.

»Darum bitte ich Sie. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber vielleicht wird es tatsächlich ein Fall für Sie und uns.«

Sir James, der alte Fuchs, wusste genau, wie er mich anzupacken hatte. So brummig, wie er oft hinter dem Schreibtisch saß und tat, als könnte er kein Wässerchen trüben, so raffiniert war er in Wirklichkeit.

»Wie haben Sie sich denn entschieden, John?«, erkundigte er sich ganz friedlich, nachdem er einen Schluck von seinem Wasser genommen hatte.

Ich grinste. »Was denken Sie denn?«

»Es ist ja Ihre Freizeit.«

»Nun ja, Sir, ich will mal so sagen: Meinetwegen können Sie mich nach Germany schicken.«

Auf seinem Gesicht schien eine Sonne aufzugehen, so sehr strahlte der alte Fuchs.

»Dann kann ich meinem Freund Wells die gute Mitteilung machen«, sagte er. Mit der linken Hand zog der Superintendent eine Schublade in seinem Schreibtisch auf und holte einen Briefumschlag hervor. »Da ist übrigens Ihr Flugticket. Gleich morgen früh die erste Maschine können Sie nehmen.«

»Dann haben Sie Bescheid gewusst.«

Er kniff ein Auge zu, was seltsam aussah, hinter seinem dicken Brillenglas. »Wir kennen uns inzwischen lange genug, John. Ich wusste, dass Sie so reagieren würden. Und vielleicht geht in dieser Disco Dracula wirklich nicht alles mit rechten Dingen zu.«

»Wir wollen es hoffen.«

»Wieso?«

»Dann war der Flug nicht umsonst.«

Sir James lachte, bevor sich sein Gesicht wieder verschloss. »Ich hoffe nur, dass die beiden Mädchen noch leben, und den Kommissar, der den Einsatz geleitet hat, habe ich ebenfalls informiert. Sein Name ist Schwarz.« Sir James kam sogar hinter seinem Schreibtisch hervor und reichte mir die Hand. »Viel Glück, John.«

»Danke. Und Ihnen wünsche ich ein schönes Wochenende.«

»Ich muss zu einigen Terminen. Abgeordnete, das ist nie ein Vergnügen.«

»Sie sind Junggeselle, Sir. Ihnen müsste das doch Spaß machen.«

»Ich kann Sie ja hinschicken.«

»Fliegen Sie dann nach Germany?«

»Ich in einer Disco?«

»Wäre doch mal was anderes. Zumindest hätten die Gäste einiges zu lachen.«

Mit diesen Worten schloss ich hinter mir die Tür und tigerte zu meinem Büro zurück.

Glenda war noch da. »Ich dachte, Sie hätten schon Feierabend gemacht, John.«

»Nein, ich war noch beim Alten.«

Sie lächelte. »Wieder ein Fall?«

»Eine Einladung in die Disco.«

Meine Sekretärin zeigte ein erstauntes Gesicht. »John, in Ihrem Alter …«

Jetzt war ich aber geschockt. »Moment mal, so alt bin ich nun auch wieder nicht.«

»Über 30.«

»Ist das ein Verbrechen?«

»Nein, aber die Discotypen sind viel jünger. Da müssen Sie sich anstrengen. Wo ist denn die Disco? Vielleicht schaue ich mal vorbei.«

»In Gelsenkirchen.«

Glenda Perkins begann zu lachen. »Was ist das für eine Stadt?«

»Sie liegt in Deutschland, im Ruhrgebiet. Ich habe sie auch noch nicht gesehen, mir aber sagen lassen, dass es dort die hübschesten Mädchen geben soll. Denn dort erschuf der liebe Gott die Mädchen aus dem Kohlenpott.«

Glenda lachte. »Ich sehe, Sie sind schon in einer richtigen Disco-Laune. Was wollen Sie denn anziehen?«

»Keinen Disco-Anzug.«

»Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. Ich werde mich auch amüsieren, mein neuer Nachbar hat mich eingeladen. Ein sehr netter Herr.«

»Netter als ich?«

»Das habe ich noch nicht feststellen können. Bis bald dann. Ach, da fällt mir übrigens noch ein Witz ein. Was macht ein Zombie in der Disco?«

Ich hob die Schultern.

»Der tanzt, bis dass die Fetzen fliegen. See you later, John.« Damit war Glenda verschwunden.

Humor hatte sie, das musste man ihr lassen. Ich blieb noch zwei Minuten, räumte ein wenig auf und verließ mein Büro.

***

Eine Woche war vergangen, und Roland Bittl lebte noch immer. Als Vampir!

Mit Schrecken hatte er am anderen Morgen nach den Bissen festgestellt, was mit ihm geschehen war. Ein Spiegelbild hatte er plötzlich nicht mehr, es war nur ein verwaschenes Etwas auf der hellen Fläche zu sehen gewesen, aber er hatte gefühlt, dass mit ihm einiges nicht stimmte. Er war zu einem anderen geworden – zu einem Vampir, einem echten!

Der Drang nach Blut war übermächtig geworden, aber auch die Angst vor der Sonne. Er konnte kein Sonnenlicht vertragen, es brachte ihn zwar nicht um, aber es schmerzte doch, dann nämlich hatte er das Gefühl, sein Kopf würde zerspringen.

Und seltsam, nicht einmal Vorwürfe hatte er sich gemacht. Roland Bittl, der Discjockey, fand sich mit seinem neuen Leben ab. In die Disco ging er vorerst nicht zurück, er musste noch einiges klarstellen.

Heinz Grattner rief er an. Sein Chef zeigte sich mit dem Vorhaben einverstanden. Er wollte nur wissen, wann er wieder mit Roland rechnen konnte. »In einer Woche? Samstag?«

Das hatte Bittl akzeptiert. Nachts floh er aus seiner Wohnung. Bis zum Friedhof war es nicht weit. Dort brach er in eine alte Gruft ein und versteckte sich. Tagelang blieb er da sitzen. Niemand der zahlreichen Friedhofsbesucher ahnte, welch einen schaurigen Gast dieser Totenacker noch beherbergte.

Sein Blutdurst wurde größer. Aber Roland traute sich nicht, die Gruft zu verlassen, denn da waren Stimmen in seinem Hirn, die ihn lenkten.

Gitti und Gaby, die beiden Hexenschwestern, hatten auf gedanklichem Weg zu ihm Kontakt gefunden. Er sollte einen rasenden Hunger nach Blut bekommen, dann erst würden sie ihn auf die Menschen loslassen. Und zwar an einem bestimmten Ort. In der Disco Dracula!

Heinz Grattner hatte sich ja eine besondere Show einfallen lassen. Drei Särge sollten von der Decke herunterschweben. Weil Roland Bittl nicht greifbar war, hatte er die Show um eine Woche verschoben. Aber Samstagnacht sollte sie endlich über die Bühne gehen, und damit war Roland natürlich einverstanden.

Er konnte den Zeitpunkt kaum erwarten. In eine Ecke der finsteren Gruft hatte er sich hingehockt. Die makabre Umgebung machte ihm überhaupt nichts. Er hatte sich an die beiden Skelette gewöhnt, die auf dem Boden lagen. Auch die Särge waren längst zerbrochen. Spinnweben hingen von Wand zu Wand. Die Gruft war so niedrig, dass der Vampir nicht einmal stehen konnte.

Dann war es so weit. Samstag!

Die Dämmerung kroch über das Land, und ihr folgte die Dunkelheit. Die Menschen in den Häusern schalteten die Lichter an, Autos fuhren nicht mehr ohne Beleuchtung. Noch war es in den Großstädten still, man holte Atem vor dem großen Vergnügen. In der Disco Dracula wurden auch letzte Vorbereitungen getroffen, denn die folgende Nacht sollte unvergessen bleiben.

Und der Vampir lauerte. Er hatte sich dicht an die Tür gesetzt und horchte auf, als er Schritte ganz in der Nähe vernahm. Jemand kam. Vor der Gruft verstummten die Schritte.

Roland Bittl stieß ein tiefes Knurren aus. Wenn es Fremde waren, wollte er keine Rücksicht nehmen, seine Gier nach Blut ließ sich nicht mehr stoppen.

Die Tür zur Gruft wurde geöffnet. Hässlich quietschte sie in den Angeln.

Instinktiv zuckte der Vampir zurück, ging aber sofort wieder vor, denn es waren die beiden Hexenschwestern, die vor ihm standen.

»Komm raus«, sagte die schwarzhaarige Gaby.

Das ließ sich Roland nicht zweimal sagen. Er huschte aus der Gruft, blieb stehen und sah sich um. Düster war es auf dem Friedhof. Nur weiter hinten brannte eine Laterne. Sie schuf einen hellen, in der Luft stehenden Fleck und erreichte mit ihrem Licht kaum den Weg.

Schemenhaft nur waren die Gräber mit ihren Steinen und Kreuzen zu erkennen, am Himmel trieben dunkle Wolken, und der fast volle Mond stand wie ein Wächter dazwischen.

»Es ist eine ideale Nacht«, flüsterte Gitti und kicherte hohl, während Gaby nickte.

Beide hatten sich umgezogen. Gitti trug ein violettes langes Kleid, das weit geschnitten war und bis zum Boden reichte. Wenn der Wind gegen ihren Rücken fuhr, wurde das Kleid aufgebläht, sodass es aussah wie ein Ballon. Um ihren Hals hatte sich Gitti eine Kette aus schwarzen Perlen gehängt.

Gaby hatte das gleiche Kleid an wie ihre Schwester, wenigstens von der Länge und vom Schnitt her. Farblich allerdings war es verschieden. Es zeigte eine rote Farbe, allerdings eine sehr dunkle. Auf eine Kette hatte Gaby verzichtet, sie trug überhaupt keinen Schmuck.

Bittl sah die Frauen und lachte. Dabei zog er die Lippen weit zurück, sodass Gitti und Gaby seine Zähne sehen konnten.

»Bin ich einer von euch?«, fragte er, »bin ich es?«

Die Vampirschwestern nickten.

Er lachte. »Das ist gut, das ist sehr gut. Ihr habt mich dazu gemacht, jetzt will ich das haben, was mir als Vampir zusteht. Gebt mir Blut!«

»Du bekommst es«, sagte Gitti.

»Bald schon«, fügte Gaby hinzu.

»In dieser Nacht?«

»Ja.«

»Wo? Wann?« Der Blick des Vampirs irrte von einem Mädchen zum anderen.

Gitti übernahm die Antwort. »Gedulde dich, mein Freund. Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen.«

»Welche Arbeit?«

»Du willst doch sicherlich den kennenlernen, der uns führen kann, nicht wahr?«

»Ja, wer ist es?«